ALLGEMEINES
Dieser zweite Brief des Paulus an die Thessalonicher stellt ein Dokument der seelsorgerlichen Tätigkeit des Apostels dar. Wir erhalten tiefe Einblicke in den innigen und vertrauensvollen Umgang des Seelenhirten mit seinen geistlichen Kindern. Mit grosser Weisheit enthüllt er dieser Gemeinde die einfachen Grundlinien der Wiederkunft des Herrn. — Die Lage der jungen Missionsgemeinde ist nicht etwa leichter geworden, im Gegenteil: der Druck der Verfolgung hat zugenommen. Grösser ist aber auch das Suchen nach der Wahrheit, das Grübeln über gewisse Gottesoffenbarungen geworden.
VERFASSER
Nach 2Thes 1,1 ist Paulus der Verfasser des Briefes. Der ganze Inhalt und die Art und Weise, wie der Verfasser die einzelnen Schwierigkeiten in der Thessalonicher Gemeinde meistert, lässt auf niemand anders als Paulus, den geistlichen Vater dieser Gemeinde, schliessen. Die altkirchliche Überlieferung bestätigt einstimmig die Verfasserschaft des Paulus.
EMPFÄNGER
Die Anrede nennt sie die «Gemeinde zu Thessalonich in Gott»
(2Thes 1,1). (Siehe Empfänger 1. Thessalonicherbrief.)
ABFASSUNG
Ausser im Eingang enthält der Brief keinerlei Anhaltspunkte. Die drei Namen am Anfang des Briefes, «Paulus, Silvanus und Timotheus» (2Thes 1,1), lassen uns jedoch vermuten, dass der Brief in geringem Abstand vom ersten Sendschreiben abgesandt worden ist. Sehr wahrscheinlich wurde er in Korinth abgefasst, denn nach ihrem Aufenthalt in jener Stadt waren Paulus und seine zwei Gefährten nie mehr alle beieinander. Anderseits scheint auch der geistige Zustand der Gemeinde ungefähr derselbe zu sein, und die Fragen, welche die Thessalonicher Christen beschäftigen, sind so ziemlich die gleichen wie im ersten Brief. Diese Erwägungen erlauben uns festzustellen, dass der zweite Thessalonicherbrief gegen Ende des Jahres 51 n.Chr. in Korinth geschrieben wurde.
ECHTHEIT
Die Zeugnisse zugunsten des zweiten Briefes lauten in den ersten zwei Jahrhunderten gleich wie zugunsten des ersten Briefes. Sie stammen auch ungefähr aus denselben Quellen.
Schon Polykarp nimmt in sehr klarer Weise Bezug auf verschiedene Stellen in unserem Brief. Später, gegen 150, nimmt Justin der Märtyrer Bezug auf 2Thes 2,3. Der Kanon von Marcion (140 n. Chr.) führt den Brief als 2. Thessalonicherbrief auf. Alle alten Kanons enthalten den Brief, und mehrere Kirchenväter und Apologeten führen ihn häufig an (siehe auch Echtheit 1. Thessalonicherbrief).
ZWECK UND ZIEL
Trotzdem der Apostel Paulus sich über die Fortschritte der Gemeinde freuen kann (2Thes 1,3-4), scheint sein erster Brief doch nicht die gewünschte Wirkung gehabt zu haben. Unter dem andauernden Druck der Verfolgung hat sich die fieberhafte und unnüchterne Erwartung der Wiederkunft Christi noch verstärkt. Nicht mehr das Los derer, die vor der Entrückung sterben (1Thes 4,13), beschäftigt die Thessalonicher, sondern die nach ihrer Meinung unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi selbst. Diese Erwartung ist teils durch eine Weissagung, teils durch angebliche mündliche oder schriftliche Äusserungen des Paulus hervorgerufen worden
(2Thes 2,1-2) und treibt unter dem Einfluss von Schwarmgeistern viele in einen ungeordneten Lebenswandel, das heisst eine bedenkliche Vernachlässigung der Arbeiten und Aufgaben des täglichen Lebens (2Thes 3,10-12). Im ersten Brief finden wir erst leichte Anzeichen eines solchen Zustandes. Begreiflicherweise begnügt sich Paulus nun nicht mehr, wie in seinem ersten Brief, mit blossen Ermahnungen (2Thes 4,11-12), sondern er ruft die Thessalonicher energisch zu einer der damaligen Gemeindezucht entsprechenden Ordnung zurück (2Thes 3,6.11-15).
INHALT UND EINTEILUNG
1. Persönlicher Teil (ein Wort an alle) 2Thes 1
Anrede und Segenswunsch 2Thes 1,1-2
Dank für Fortschritte in Drangsalen 2Thes 1,3-5
Trost im Blick auf die Wiederkunft 2Thes 1,6-7
Warnung an die unbekehrten Mitläufer 2Thes 1,8-10
Gebet um neue Glaubenskraft 2Thes 1,11-12
2. Lehrhafter Teil (ein Wort an die Schwärmer) 2Thes 2
Warnung vor Unruhe und Ungeduld 2Thes 2,1-2
Vorzeichen der Wiederkunft: Abfall, Antichrist 2Thes 2,3-12
Danksagung für die Erwählung 2Thes 2,13-14
Ermahnung zum Festhalten am Wort 2Thes 2,15
Gebet und Festigung in der Lehre 2Thes 2,16-17
3. Praktischer Teil (ein Wort an die Gemeinde) 2Thes 3
Aufruf zur Fürbitte 2Thes 3,1-5
Aufruf zur Arbeit 2Thes 3,6-12
Aufruf zur Ordnung 2Thes 3,13-15
Gruss und Segenswunsch 2Thes 3,16-18
Schlüsselwort: Zeichen
Schlüsselvers: «Lasset euch von niemandem verführen; denn zuvor muss ja der Abfall kommen und der Mensch der Sünde erscheinen» (2Thes 2,3).
VERSCHIEDENES
Die Wiederkunft Jesu Christi
Was wird bei dem zweiten Kommen Christi geschehen?
Christus wird mit den Engeln seiner Macht und 2Thes 1,7-8
von Feuerflammen umgeben erscheinenEr wird in seinen Heiligen verherrlicht und 2Thes 1,10
bewundert werdenEr wird die Bösen bestrafen, das heisst diejenigen: 2Thes 1,6.8-9
die Gott nicht kennen 2Thes 1,8
die dem Evangelium nicht gehorchen 2Thes 1,8
die der Wahrheit nicht glauben 2Thes 2,12
in denen die Liebe zur Wahrheit nicht ist 2Thes 2,10
die an der Ungerechtigkeit Gefallen haben 2Thes 2,12Er wird den Seinen Ruhe schenken 2Thes 1,7
Wann wird der Tag des Herrn kommen?
Paulus hat den Thessalonichern von der Plötzlichkeit des Erscheinens Christi geschrieben (1Thes 5,2-3), nicht nur von seinem nahen Bevorstehen, obschon der Apostel damit rechnete als mit einem Ereignis, das zu seinen Lebzeiten eintreffen könnte. Er tat recht daran; denn Gott, der den Tag der Wiederkunft seines Sohnes mit einem Geheimnis umgeben hat, bezweckte ja damit, die Christen in einer erwartenden Haltung zu bewahren.
Welches sind die untrüglichen Vorzeichen?
Zur Beruhigung derer, die glaubten, der Tag des Herrn sei schon angebrochen, erinnert Paulus daran, dass dieses Ereignis noch bevorsteht; zuvor aber müssen noch einige besondere Zeichen geschehen, zum Beispiel:
der allgemeine Abfall (2Thes 2,3; 1Tim 4,1-3; 2Tim 3,1-9);
die Erscheinung des Menschen der Sünde (2Thes 2,3-4) oder
des Kindes des Verderbens; des Widersachers, der sich über alles, was Gott heisst, überhebt; des Antichristen, der den Aufstand gegen Gott verkörpern wird.