ALLGEMEINES
Hosea, das heisst «Gotthilf», steht an erster Stelle im Zwölfprophetenbuch. Dies ist wohl seiner Grösse und seiner besonderen Bedeutung zuzuschreiben; denn chronologisch betrachtet haben die Propheten Jona, Amos, Obadja und Joel vor Hosea gewirkt. Hosea war ein Zeitgenosse der Propheten Jesaja und Amos.
Uber die Person Hoseas wissen wir nicht mehr, als was wir aus seinem Buch ersehen können. Hosea ist der Sohn Beeris (Hos 1,1) aus dem Zehnstämmereich. Die Ehe mit einer Buhlerin (Hos 1,2) oder einer Frau, die wegen Ehebruch von ihrem Mann geschieden war
(Hos 3,1), bedeutete für den Propheten eine überaus schwere Belastung und musste beim Volk grosses Aufsehen erregen. Dieser Auftrag Gottes wäre völlig unverständlich, wäre er nicht als Zeichen gedacht, das eine symbolische Sprache zu reden hat; deshalb auch die symbolischen Namen seiner Kinder. Solche Zeichen finden wir auch bei anderen Propheten: Jesaja 20,2-4; Jeremia 27,2 und 28,10; Hesekiel 4,1-13 usw. Gott ist mit seinem auserwählten Volk einen heiligen Bund eingegangen; durch Götzendienst und Untreue aber lebt es Gott gegenüber beständig im Ehebruch. So soll Hoseas tragisches Eheverhältnis, das eine wahre Prophetentat war, Israel sein gestörtes und anomales Verhältnis zu Gott sinnbildlich vor Augen führen.
ZEITABSCHNITT
Hosea begann seine prophetische Wirksamkeit in der Blütezeit des Nordreichs, unter Jerobeam II., Sohn des Joas (Hos 1,1). Unter dessen glänzender Regierung war aber nicht nur Wohlstand und Gedeihen beim Volk eingekehrt, sondern auch Wohlleben, Ausschweifungen und Götzendienst waren an der Tagesordnung. Vergeblich suchte der König dagegen anzukämpfen. Nach seinem Tod nahmen Götzendienst und Unsittlichkeit immer mehr überhand. Von den sechs Nachfolgern Jerobeams II. wurden vier ermordet. Der letzte König, Hosea, der bereits unter assyrischem Protektorat stand und schwere Tribute zahlen musste, verbündete sich mit Ägypten in der Hoffnung, auf diese Weise das assyrische Joch abschütteln zu können. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Der assyrische König Salmanassar zog gegen König Hosea zu Felde, besiegte ihn und warf ihn in den Kerker. Darauf belagerte er die Hauptstadt Samaria, sein Nachfolger Sargon II. eroberte sie und führte das Volk in die assyrische Gefangenschaft (722; 2Kön 17). Wir wissen nicht genau, ob der Prophet Hosea die tragische Stunde des Untergangs noch miterlebte. Sein Buch jedenfalls sagt uns nichts Bestimmtes darüber; aber die letzten Reden Hoseas sind beherrscht von dem Vorgefühl der herannahenden Katastrophe.
Aus diesen Überlegungen lässt sich schliessen, dass die Wirksamkeit Hoseas sich auf die Jahre 750—722 v. Chr. beschränkt.
VERFASSER
Der Verfasser des Buches ist ohne Zweifel der Prophet Hosea selbst. «Das ganze Buch trägt im höchsten Masse den Stempel der Person des Propheten. Sein Stil ist auffallend lebhaft. Bisweilen lässt er sich in seiner Leidenschaftlichkeit sogar zum Zorn hinreissen. Doch aus einem nicht unerklärlichen Gegensatz heraus besitzt dieser selbe Schreiber, der die kräftigsten, ja heftigsten Ausdrücke gebraucht, in gleichem Masse die Gabe einer herzlichen, ergreifenden Sprache. Der impulsive Charakter des Propheten spielt in seinen Reden eine führende Rolle. Er spricht in kurzen, knappen, abgerissenen Sätzen. Lange, kunstvolle Satzgefüge sind ihm fremd. Er gebraucht viele Bilder, die er mit wenig Worten zeichnet und nicht weiter ausführt. Ausser einigen besonderen Ausdrücken, die vielleicht dem Nordreich eigen waren, ist seine Sprache von grosser Reinheit, ganz des 8. Jahrhunderts würdig, welches das klassische Zeitalter der hebräischen Literatur war.» (Prof. L. Gautier.)
Die Echtheit des Buches kann nicht bestritten werden, und sein kanonisches Ansehen wurde nie angetastet. Wie bei Amos sind die meisten Reden Hoseas Gottesworte.
BOTSCHAFT
Das ganze Buch zeigt uns die strafende Liebe Gottes. Diese Botschaft ertönt jeweils besonders eindrücklich, wenn der Gottesbund mit einer Ehe verglichen wird. Gottes Liebe ist so gross, dass sie trotz der Untreue Israels (der ungetreuen Gattin) nicht müde wird, Mittel und Wege zu suchen — Drohungen, Strafe und Gericht —, um es zur Busse Und Umkehr zu bewegen. In ergreifenden Worten schildert Hosea den Schmerz und die Trauer Gottes sowie seine unerschöpfliche Liebe und Geduld.
EINTEILUNG
1. Der Ehe bund Gottes mit Israel Hos 1-3
Das Zeichen (Israel, die Ehebrecherin) Hos 1
Gebrochener und erneuerter Bund Hos 2
Strafe und Zukunftshoffnung Hos 3
2. Das göttliche Gericht Hos 4-11
Der sittliche Zusammenbruch des Volkes Hos 4
Warnung an die Priester und das Königshaus Hos 5
Zurückweisung des leichtfertigen Bussbekenntnisses Hos 6
Anklage und Bedrohung des unbussfertigen Volkes Hos 7-11
3. Das Erbarmen Gottes Hos 12-14
Rückblick: Jakob und Ephraim Hos 12-13
Ausblick: Umkehr und Heilsverheissung Hos 14
Schlüsselwort: Strafe
SYMBOLIK
Hosea, der Prophet: | Gott, der Ehegatte |
Hoseas Frau «Gomer»: | Israel, das ehebrecherische Weib |
Die drei Kinder: | Die fortschreitenden Gerichte |
|
Zerstreuter |
|
Unbegnadigte |
|
Nicht-mein-Volk |
Dazu äussert sich Prof. Joh. Meinhold folgendermassen
(Zitate LutherBibel):
«Ist’s nicht Jahwe gerade so gegangen wie Hosea? Hat Jahwe nicht auch eine blühende Jungfrau zum Weibe genommen, um sie mit seiner Liebe zu beglücken, in ihrer Liebe selbst glücklich zu sein? Sie dankte ihm seine Güte schlecht genug. Schon in der Wüste fiel Israel von ihm ab und verehrte den Baal-Peor (Hos 9,10), in Kanaan aber diente und dient es noch den Baalen des Landes, denen es Korn und Öl, Wein, Flachs und Wolle, Silber, Gold und Schmuck verdanken will (Hos 2,7-13); Ascheren und Masseben, Gottesbilder und Ahnenmasken (Theraphim) verehrt es (Hos 3,4) und gibt sich dazu hin, den heiligen Stier zu küssen, den seine Finger selbst gebildet (Hos 13,2), befragt den heiligen Baum und den Orakelstab (Hos 4,12) und läuft zu den Höhen und Berggipfeln, zu Gottesbäumen und heiligen Quellen, zu opfern und zu ,huren’; denn, so schliesst nun Hosea — und er zuerst gebraucht dies Bild —, das alles ist,Hurerei von Jahwe weg’. Dies von seiner eigenen Ehe hergenommene Bild des Ehebündnisses zwischen Jahwe und Israel sagt dem Hosea auch, was die Religion eigentlich sei. Sie ist Liebe und Treue. Sie wurzelt in der wahren Gesinnung, der Hingebung des Herzens und äussert sich in der einer solchen Hingebung entsprechenden Tat. Diese Tat ist aber nicht in dem Blühen des Jahwekultes zu sehen, wie Volk und Pfaffen, Priester und Nabier gewöhnlichen Schlages meinen
(Hos 4,4-19). Dagegen Hosea: .Liebe, nicht Schlachtopfer, Hingebung, nicht Brandopfer will Jahwe’ (Hos 6,6).»
BESONDERES MERKMAL
Hosea verwendet als erster das Bild der Ehegattin, um das Verhältnis Israels zu seinem Gott zu beleuchten. Dieses Bild wird später im Alten wie im Neuen Testament verschiedentlich wieder aufgenommen (zum Beispiel Jer 2,2; 3,1-4; Jes 54,5; Hes 16 und 23; 2Kor 11,2; Eph 5,23-32; Off 19,6-9).
VERSCHIEDENES
Die Folgen der Untreue
Leiden: «Ich will deinen Weg mit Dornen vermachen» Hos 2,8
Schwierigkeiten: «Ich will eine Mauer errichten» Hos 2,8
Ratlosigkeit: «Dass sie ihren Weg nicht finde» Hos 2,8
Enttäuschung: «Sie wird sie suchen, aber nicht finden» Hos 2,9
Die Bedingungen der Vergehung
Busse und Sündenbekenntnis. Ohne sie ist keine Vergebung möglich Hos 5,15; 14,1-3; 2,14-17.
(Das Tal Achor erinnert an die Sünde Achans und an die Notwendigkeit des Geständnisses Jos 7. Das Bekenntnis der Sünde wird zu einem Tor der Hoffnung für den Rückfälligen.)