ALLGEMEINES
Die Schrift sagt uns wenig über die Person Jonas, dessen Name «Taube» bedeutet. Er war der Sohn Amitthais (Jona 1,1) und stammte aus Gath-Hepher bei Nazareth im Stamme Sebulon (Jos 19,13). Hieronymus spricht von einem kleinen Flecken Gad, der auf der Strasse nach Tiberias lag und wo man zu seiner Zeit auch das Grab des Propheten Jona zeigte.
ZEITABSCHNITT
Dank der Stelle 2Kön 14,25 wissen wir, dass Jona dem König von Israel Jerobeam II. prophezeit hat, er werde die ursprünglichen Grenzen des Königreichs Israel wieder aufrichten. Jona war also ein Zeitgenosse dieses Königs, der in den Jahren 793—753 v. Chr. regierte. Folglich überschneidet sich seine Tätigkeit, wenigstens teilweise, mit derjenigen der Propheten Arnos und Hosea, die unter demselben König wirkten.
VERFASSER
Der Verfasser des Buches ist nirgends genannt. Da aber die Glanzzeit Ninives (zerstört 612 v. Chr.) schon der Vergangenheit anzugehören scheint (Jona 3,3) und auch sprachliche Ausdrücke in eine jüngere Zeit weisen, nimmt man an, ein unbekannter Verfasser habe später den überlieferten Bericht über den Propheten Jona schriftlich abgefasst.
Die Echtheit und Geschichtlichkeit des Buches ist von der jüdischen wie von der alten kirchlichen Überlieferung nie angefochten worden. Die Geschichtlichkeit der Person Jonas wird vor allem durch das Zeugnis Jesu belegt (Mt 12,38-41; 16,4; Lk 11,29-32).
BOTSCHAFT
Das Buch Jona offenbart in erster Linie die Liebe Gottes, die auch die Heiden in seinen Heilsratschluss einbezieht. Dieser Gedanke bringt keimhaft zum Ausdruck, was einmal die Kernwahrheit der neutestamentlichen Botschaft bilden wird:
Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1Tim 2,4).
Gott will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Busse kehre (2Pet 3,9).
Daneben bekämpft das Buch den engherzigen Nationalstolz der Juden (wovon Jona selbst ein typisches Beispiel ist Jona 4,1-3) und erinnert sie daran, dass Gott sie als seine Zeugen vor der Heidenwelt bestimmt hat (1. Mose 12,3).
EINTEILUNG
1. Die göttliche Berufung Jona 1,1 - 3,4
Erster Ruf; Antwort: Jonas Flucht Jona 1,1-3
Gottes Antwort: der Sturm Jona 1,4-16
Gebet; Antwort: Errettung Jona 2,1-11
Zweiter Ruf; Antwort: Jonas Gehorsam Jona 3,1-4
2. Der Zweck der Berufung Jona 3,5-10
Glauben an das Wort Jona 3,5
Allgemeine Busse Jona 3,6-9
Frucht der Busse Jona 3,10
3. Die Wankelmütigkeit des Berufenen Jona 4
Des Berufenen Missmut Jona 4,1-3
Erste Zurechtweisung Jona 4,4
Die Rizinusstaude Jona 4,5-8
Zweite Zurechtweisung Jona 4,9-11
Schlüsselwort: Auftrag
SYMBOLIK
Der Prophet Jona ist ein Bild des Volkes Israel, das seinen Auftrag an die Heidenwelt nicht erfüllt hat. Er ist aber auch eine Vorschattung von Jesus Christus; in Mt 12,40 zieht Jesus selbst den Vergleich zwischen den drei Tagen, die Jona im Leib des Fisches zubrachte, und den drei Tagen zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung.
O. v. Gerlach äussert sich folgendermassen über die symbolische Bedeutung des Buches:
«Jona, Ninive, der Fisch und der Kürbis sind hohe, der Geschichte entnommene Bilder von allgemeiner Bedeutung in wirksamer sinnbildlicher Gestalt. Jona, das Bild des Gottesknechtes, dessen scheuer und trotziger Eigenwille vom Herrn gebeugt und gebrochen, dessen Schwachheit von Gott getragen und zurechtgewiesen wird. Der Fisch, das geheimnisvolle Bild der göttlichen Rettungsmittel, die von den Menschen gefürchtet und erst später als das, was sie sind, dankbar erkannt werden. Ninive, das Bild der verlorenen, gerichteten und doch noch durch Busse rettungsfähigen Welt. Der Kürbis, das Bild der gebrechlichen Güter und Schutzmittel, auf die der Mensch sich zu verlassen liebt.»
BESONDERE MERKMALE
Dieses Prophetenbuch setzt sich nicht wie andere aus Reden und Weissagungen zusammen, sondern ist lediglich eine Erzählung.
Eine andere Eigenart des Buches, die Gottes unbeschränkte Allmacht zum Ausdruck bringt, ist der viermalige Ausdruck: Gott verschaffte — einen grossen Fisch (Jona 2,1), einen Rizinus (Jona 4,6), einen Wurm (Jona 4,7), einen Ostwind (Jona 4,8).
VERSCHIEDENES
Praktische Lehren
Der Diener Gottes muss von Gott berufen sein: Jona 1,2
Mache dich auf und gehe.
Sein Arbeitsfeld muss ihm von Gott zugewiesen werden: Jona 1,2
Gehe in die Stadt Ninive.
Seine Botschaft muss ihm von Gott aufgetragen sein: Jona 3,2
Predige die Predigt, die ich dir sage.
Gott, der Heilige Israels, ist gerecht, aber er ist auch ein Gott der Liebe. Seine Langmut und sein Erbarmen triumphieren weit über alle menschliche selbstsüchtige Auflehnung und Empörung. Mit der Predigt der Gerechtigkeit Gottes ist es deshalb nicht getan; stets gehört dazu die Predigt der Gnade.
Gott ist ein Gott, der helfen kann. In den schwierigsten Situationen greift er ein. «An Mitteln fehlt’s ihm nicht.»
Es ist unmöglich, vor Gott zu fliehen (Jona 1,3; Ps 139,7-11).