Schriften von Charles Henry Mackintosh
2Mo 20 - Welche Bedeutung hat das Gesetz für den Christen?
Das Gesetz – eine Lebensregel für den Christen?Das Gesetz – eine Lebensregel für den Christen?
Allerdings gibt es viele, die zwar wissen, dass es unmöglich ist, durch das Gesetz Leben zu erlangen, die aber dennoch das Gesetz zu ihrer Lebensregel machen. Der Apostel sagt aber ausdrücklich: „So viele aus Gesetzes Werken sind, sind unter dem Fluch“ (Gal 3,10). Ihr persönlicher Zustand kommt hierbei gar nicht in Betracht. Stellen sie sich auf den Boden des Gesetzes, so sind sie unter Fluch. Vielleicht wird jemand sagen: „Ich bin wiedergeboren und darum nicht dem Fluch ausgesetzt.“ Aber wenn die Wiedergeburt den Menschen nicht vom Boden des Gesetzes entfernt, kann sie ihn auch nicht vor dem Fluch bewahren. Was hat aber das Gesetz überhaupt mit der Wiedergeburt zu tun? Finden wir in dem vorliegenden Kapitel irgendeine Spur davon?
Das Gesetz hat nur eine, und zwar eine kurze, ernste und bestimmte Frage an den Menschen: „Bist du das, was du sein solltest?“ Wenn diese Frage verneint werden muss, so kann es dem Menschen nur seine schrecklichen Flüche entgegenhalten und ihn töten. Und wer wird so bereitwillig wie der wirklich wiedergeborene Mensch anerkennen, dass er in sich selbst alles andere ist als das, was er sein sollte? Wenn er daher unter dem Gesetz ist, dann ist er auch unausweichlich dem Fluch unterworfen. Die Forderungen des Gesetzes können niemals verringert werden, auch durch die Gnade nicht. Der Mensch aber, der seine Unzulänglichkeit vor dem Gesetz erkennt, versucht immer, das Gesetz in seinem Anspruch zu erniedrigen. Solche Anstrengungen sind jedoch vergeblich. Das Gesetz bleibt in seiner ganzen Reinheit, Majestät und Strenge bestehen und wird von seiner Forderung eines vollkommenen Gehorsams auch nicht um Haaresbreite ablassen. Wo aber ist der Mensch, wiedergeboren oder nicht wiedergeboren, der eine solche Forderung jemals erfüllen könnte? Man wird vielleicht sagen, dass wir in Christus die Vollkommenheit besitzen. Allerdings. Aber wodurch haben wir sie erlangt? Nicht durch Gesetz, sondern allein durch Gnade. Wir dürfen diese beiden Grundsätze auf keinen Fall durcheinanderbringen. Die Heilige Schrift belehrt uns ausführlich und deutlich, dass wir weder durch das Gesetz gerechtfertigt sind noch dass es die Richtschnur unseres Lebens ist. Das, was nur verfluchen kann, kann niemals rechtfertigen, und das, was nur zu töten vermag, kann niemals eine Lebensregel sein.
Ein Blick in das 15. Kapitel der Apostelgeschichte zeigt uns, wie entschieden der Heilige Geist dem Versuch entgegentritt, nichtjüdische Gläubige unter das Gesetz als Richtschnur ihres Lebens zu stellen. „Etliche aber derer von der Sekte der Pharisäer, welche glaubten, traten auf und sagten: Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten“ (Apg 15,5). Der traurige Rat jener Gesetzesmänner der ersten Zeit war nichts anderes als das Zischen der alten Schlange. Der Heilige Geist aber hat durch die einmütige Stimme der zwölf Apostel und der ganzen Kirche diese Zumutung zurückgewiesen: „Als aber viel Wortwechsel entstanden war, stand Petrus auf und sprach zu ihnen: Brüder, ihr wisst, dass Gott vor längerer Zeit mich unter euch auserwählt hat, dass die Nationen durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und glauben sollten“ (Apg 15,7). Was sollten sie hören? Etwa die Forderungen und Flüche des Gesetzes Moses? Das war, Gott sei Dank!, nicht die Botschaft für hilflose Sünder. Was aber sollten sie hören und glauben? Das Wort des Evangeliums! Das allein war dem Wesen Gottes angemessen, und die Pharisäer, die sich gegen Paulus und Barnabas erhoben, waren weit davon entfernt, seine Boten zu sein. Sie hatten keine gute Botschaft und keinen Frieden zu verkündigen, und darum war ihre Predigt auch nicht im Sinne Gottes, der nur an Barmherzigkeit Gefallen findet (vgl. Röm 10,15).