Charles Henry Mackintosh
Schriften von Charles Henry Mackintosh
1Sa 17 - Kapitel 2 - Im Terebinthental1Sa 17 - Kapitel 2 - Im Terebinthental
28. VI. Nicht lange nachdem das Salböl auf das Haupt Davids ausgegossen worden war, wurde er berufen, den einsamen Platz bei seinen Herden aufzugeben und vor dem König Saul zu stehen, der jetzt von Gott verlassen war und von einem bösen Geist gequält wurde. Der unglückliche Mann bedurfte der beruhigenden Töne der Harfe Davids, um den schrecklichen Einfluß jenes Geistes abzuschwächen, der ihn von Tag zu Tag ängstigte. Bedauernswerter Mann! Das war das traurige Ende seines Weges der Selbstsucht und des Ungehorsams.
David zögerte nicht, seinen Platz als Diener einzunehmen, und war es auch in dem Hause eines Mannes, der sich späterhin als sein erbittertster Feind erweisen sollte. Für ihn war es gleich, w o er diente, und was er tat. Von Anfang seiner Geschichte an erblicken wir David in dem Charakter eines Dieners, der zu jeder Arbeit bereit ist und sie willig und treu verrichtet. Auch im Terebinthental tritt er in diesem Charakter vor uns.
29. VI. Saul scheint anfänglich wenig davon gewußt zu haben,
wer es war, der da vor ihm stand und durch sein Spiel seinen gequälten Geist erquickte; es kam ihm nicht in den Sinn, daß er den zukünftigen König von Israel in seinem Hause beherberge. „Er liebte David sehr, und er wurde sein Waffenträger“ (1Sam 16,21). Zur Zeit seiner Not machte er sich gern den Dienst Davids zu nutze, aber sobald er wußte, wer David war, war er ebenso bereit, sein Blut zu vergießen.
Doch wenden wir uns zu den Ereignissen im Terebinthental.
„Und die Philister sammelten ihre Heere zum Streit.“ Dies war ganz dazu angetan, den Charakter und Wert eines Saul und eines David ans Licht zu stellen. Gerade die Zeit der Prüfung bringt es an den Tag; worauf ein Mensch sich stützt. Saul war schon einmal auf die Probe gestellt worden — „das ganze Volk zitterte hinter ihm her“, lesen wir in Kap. 13, 7 — und es war nicht zu erwarten, daß er bei dieser Gelegenheit sich als Führer erweisen würde, der die Seele des Volkes mehr beleben und ermutigen würde als damals. Ein Mann, der von Gott verlassen war und von einem bösen Geist gequält wurde, war wenig dazu geeignet, ein Heer in den Streit zu führen, oder gar dem gewaltigen Riesen von Gath entgegenzutreten.
30. VI. Der Streit im Terebinthentale erhielt durch die Aufforderung Goliaths, die Entscheidung durch einen Zweikampf herbeizuführen, einen ganz besonderen Charakter. Dadurch wurde die Sache zu einer rein persönlichen. Es handelte sich nicht, wie gewöhnlich, um einen Kampf zwischen Heer und Heer, sondern die Frage war, ob sich in dem ganzen Lager Israels ein Mann finden würde, der es unternähme, mit dem furchtbaren Philister zu kämpfen. Tatsächlich stand Gott im Begriff, dem Volke Israels wiederum ins Gedächtnis zu rufen, daß es als Volk völlig kraftlos war, und daß nur der Arm Jehovas es zu befreien vermochte. Er war immer noch bereit, in Seinem wunderbaren Charakter als „Kriegsmann“ zu handeln, so oft nur der Glaube in dieser Weise von Ihm Gebrauch machte.
1. VII. Vierzig Tage nacheinander trat der Philister hervor und zeigte sich den Blicken des unglücklichen Saul und seines furchterfüllten Heeres. Beachten wir seinen bitteren Spott: „Bin ich nicht der Philister, und ihr die Knechte Sauls?“ Ach! es war nur zu wahr; sie hatten ihren erhabenen Platz als Knechte Jehovas verlassen und waren bloße Knechte Sauls geworden. Samuel hatte sie vor allem diesem gewarnt; er hatte ihnen vorhergesagt, daß sie nichts als Kriegsleute, Bäcker, Köche, Arbeiter etc. ihres selbstgewählten Herrn sein würden; und alles das, weil sie nicht fähig waren, auf den Gott Israels als ihren Herrn und König zu blicken und von Ihm ihr Heil zu erwarten. Aber es ist eine alte, bekannte Sache: der Mensch läßt sich durch nichts anderes belehren als durch bittere Erfahrung; und die höhnenden Worte des Philisters zeigten Israel aufs neue seinen wahren traurigen Zustand. „Gebet mir einen Mann, daß wir miteinander kämpfen“, sagte der Riese. Wie wenig wußte er davon, wer bereits auf dem Wege war, um ihm entgegenzutreten und seinem Hohn ein Ende zu machen. In seiner vermeintlichen Kraft bildete er sich ein, kein Israelit könne ihm standhalten.
2. VII. Doch der Herr bereitete sich im Geheimen ein Werkzeug für diesen Zweck zu. Gott handelt immer so. Er erzieht im Geheimen diejenigen, welche Er öffentlich gebrauchen will. Er macht Seine Knechte in stiller Verborgenheit mit ihrem Nichts bekannt und läßt Seine Größe vor ihren Blicken vorübergehen, damit sie so befähigt werden, mit festem Tritt und unerschrockenem Geist den Schwierigkeiten ihres Weges zu begegnen. So war es auch mit David. Er war allein mit Gott gewesen, als er die Schafe seines Vaters in der Wüste weidete; seine Seele war von einem tiefen Bewußtsein der Macht Gottes durchdrungen, und er erscheint jetzt in dem Terebinthental in der sich selbst verbergenden Würde eines Mannes des Glaubens. Die stolzen Ruhmredereien Goliaths hatten nun bereits vierzig Tage gewährt und bewiesen, wie völlig kraft- und hilflos Israel war. Saul vermochte nichts, die drei ältesten Söhne Jesses vermochten nichts, und selbst Jonathan, der sich einst so glaubensmutig erwiesen hatte, (vergl. Kap. 14), war dieser Probe nicht gewachsen; alles schien verloren zu sein, als der jugendliche David auf dem Schauplatz erschien, angetan mit der Kraft Dessen, der im Begriff stand, den Hochmut des stolzen Philisters in den Staub zu werfen.
3. VII. Die Worte Goliaths werden David berichtet, und er erkennt in ihnen sogleich eine lästerliche Verhöhnung des lebendigen Gottes. „Wer ist dieser Philister“, sagt er, „dieser Unbeschnittene, daß er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnt“ (V. 26)? Der Glaube Davids erkannte in dem zitternden Heere vor ihm die Schlachtreihen des lebendigen Gottes, und so machte er die Sache sofort zu einer Frage zwischen Jehova und dem Philister. Das ist sehr belehrend. Für das Auge des Glaubens kann keine Veränderung in den äußeren Umständen das Volk Gottes seiner Würde berauben. Es mag nach menschlichem Urteil, wie in dem vorliegenden Falle, auf einem niedrigen Boden stehen, aber es kann niemals verlieren, was Gott ihm gegeben hat. David verstand dies; er erkannte daher seine armen Brüder, die vor ihrem furchtbaren Feinde zitterten, als diejenigen an, mit welchen der lebendige Gott Selbst sich einsgemacht hatte, und die deshalb nicht von einem unbeschnittenen Philister verhöhnt werden dürften. Wenn der Glaube in Tätigkeit ist, so bringt er die Seele in unmittelbare Verbindung mit der Gnade und Treue Gottes, sowie mit Seinen Ratschlüssen bezüglich Seines Volkes. Wohl hatte Israel diese Demütigung und Trübsal durch seine Untreue über sich gebracht; aber trotzdem lautete die Frage Davids: „Wer ist dieser Philister, dieser Unbeschnittene?''“ So fragt der Glaube. Für den Mann des Glaubens handelte es sich nicht um das Heer Sauls, sondern um die Schlachtreihen des lebendigen Gottes, die unter dem Befehl desselben Anführers standen, der sie einst durch das Rote Meer, durch die schreckliche Wüste und durch den Jordan geleitet hatte. Nichts Geringeres als das könnte auch dem Glauben genügen.
4. VII. Aber ach, wie wenig wird das Urteil und das Tun des Glaubens verstanden, wenn der Zustand des Volkes Gottes ein niedriger ist! Dies tritt uns auf jeder Seite der Geschichte Israels, und wir dürfen hinzufügen, der Geschichte der Kirche, entgegen. Der Pfad des einfältigen, kindlichen Glaubens liegt weit ab von den Gedanken und Meinungen der Menschen; und wenn die Knechte des Herrn in einen niedrigen, fleischlichen Zustand versinken, so können auch sie die Kraft, die in der Seele eines Mannes des Glaubens wirkt, nicht verstehen. Man wird ihn mißdeuten und ihn anklagen, er wolle sich nur hervortun oder eigenwillig handeln. Da der Glaube bei der Mehrzahl schwach geworden ist, so wird der Pfad eines solchen Mannes ein einsamer sein; und sobald er handelnd für Gott eintritt, wird man ihn mißverstehen.
5. VII. So war es bei David. Nicht nur stand er in diesem schwierigen Augenblick ganz allein, sondern er mußte auch noch den Spott des Fleisches über sich ergehen lassen. „Und Eliab, sein ältester Bruder hörte zu, als er zu den Männern redete; und der Zorn Eliabs entbrannte wider David, und er sprach: Warum doch bist du herabgekommen, und wem hast du jene wenigen Schafe in der Wüste überlassen? Ich kenne deine Vermessenheit wohl und die Bosheit deines Herzens; denn um den Streit zu sehen bist du herabgekommen“ (V. 28). So lautete das Urteil des Fleisches über das Tun Davids. „Und David sprach: Was habe ich nun getan? Ist es nicht der Mühe wert?“ David wurde durch eine Energie geleitet, die Eliab ganz und gar unbekannt war; und er dachte nicht daran, sein Verhalten dem hochmütigen Bruder gegenüber zu rechtfertigen. Warum war Eliab nicht selbst für seine Brüder eingetreten? Warum nicht Abinadab und Schamma? Weil sie keinen Glauben hatten.
6. VII. Saul hörte die Worte, welche David geredet hatte, und ließ ihn zu sich bringen. „Und David sprach zu Saul: Es entfalle keinem Menschen das Herz seinetwegen! Dein Knecht will gehen und mit diesem Philister kämpfen“ (V. 32). Kostbarer Glaube! Er kennt keine Schwierigkeiten und Hindernisse. Was war der Philister für David? Nichts. Seine gewaltige Länge, seine furchtbare Waffenrüstung waren bloß äußere Umstände; und der Glaube blickt nie auf Umstände, sondern geradeswegs auf Gott. Hätte nicht der Glaube die Seele Davids erfüllt, so würde er unmöglich haben sagen können: „Dein Knecht will gehen“; denn hören wir nur, was der Mann sagt, dessen Pflicht es gewesen wäre, zu allererst dem schrecklichen Feinde des Volkes entgegen zu treten. Er antwortet David auf sein glaubensmutiges Anerbieten: „Du vermagst nicht wider diesen Philister zu gehen“. Welch eine Sprache für den König von Israel! Welch ein Gegensatz zugleich zwischen Saul, dem Manne äußerer königlicher Würde, und David, dem Manne wahrer innerlicher Kraft! Wahrlich, Saul hätte die Herde, welche seiner Obhut anvertraut war, verteidigen sollen; aber ach! er hatte kein Herz für das Volk, und der Gedanke, sich selbst um Israels willen einer solchen Gefahr auszusetzen, stieg in seinem selbstsüchtigen Innern gar nicht auf. Und nicht nur war er nicht willens, selbst zu handeln, sondern er suchte auch noch den Mann zurückzuhalten, der bereit war, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um seinen Glauben, sowie seine Befähigung für den hohen Platz, zu welchem Gott ihn bestimmt hatte, in herrlicher Weise darzutun.
7. VII. „Du vermagst nicht.“ Allerdings nicht; aber Jehova vermochte es, und auf Seinen starken Arm stützte sich David in aller Einfalt des Glaubens. Vor seinem Geistesauge stand Er, der einst dem Josua unter den Mauern von Jericho erschienen war, mit einem gezückten Schwert in Seiner Hand, als „der Oberste des Heeres Jehovas“. Für David hatte Israel nicht aufgehört, das Heer Jehovas zu sein, so tief es auch seit den Tagen Josuas gesunken sein mochte. Der Streit Israels war heute noch gerade so gut der Streit Jehovas wie damals, als Sonne und Mond in ihrem Laufe aufgehalten wurden, damit Josua das göttliche Strafgericht an den Kanaanitern vollziehen könnte. Mochte Eliab ihn auch der Vermessenheit beschuldigen und Saul von seiner,Unfähigkeit reden — jenes Bewußtsein hielt David aufrecht und leitete ihn in seinem Tun.
8. VII. Mein Leser! es gibt nichts, was uns eine solche Entschiedenheit und ausdauernde Kraft verleihen könnte als das Bewußtsein, daß wir für Gott handeln, und daß Gott mit uns ist. Das räumt jedes Hindernis aus dem Wege und versetzt die Seele in den Bereich einer Kraft, die alles vermag. Haben wir die Gewißheit, daß wir auf des Herrn Seite stehen und daß Seine Hand mit uns ist, so kann uns nichts von dem Pfade des Dienstes ablenken, mag er uns auch führen wohin er will. „Alles vermag ich“, sagt der Apostel, „in Dem, der mich kräftigt“ (Phil 4,13); und „Daher will ich am allerliebsten mich vielmehr meiner Schwachheiten rühmen, auf daß die Kraft des Christus über mir wohne“ (2. Kor. 12,9). Der schwächste Gläubige vermag alles durch Christum; aber wenn das menschliche Auge auf dem schwachen Gefäß ruht, so mag es wohl wie Vermessenheit aussehen, so zu reden. Wenn Saul daher David betrachtete und ihn mit Goliath verglich, so urteilte er ganz richtig, wenn er sagte: „Du vermagst nicht wider diesen Philister zu gehen, um mit ihm zu kämpfen; denn du bist ein Jüngling, er aber ist ein Kriegsmann von seiner Jugend an“. Es war eine Vergleichung von Fleisch mit Fleisch, und da konnte das Ergebnis kein anderes sein.
9. VII. Solche Vergleiche aber zog David nicht. Für ihn stand der Kraft eines Goliath die Kraft des Gottes der Schlachtreihen Israels gegenüber. „Da sprach David zu Saul: Dein Knecht weidete das Kleinvieh für seinen Vater; kam nun ein Löwe oder ein Bär und trug ein Stück von der Herde fort, so lief ich ihm nach und schlug ihn und entriß es seinem Rachen; und erhob er sich wider mich, so ergriff ich ihn bei dem Barte und schlug ihn und tötete ihn. Sowohl den Löwen als auch den Bären hat dein Knecht erschlagen; und dieser Philister, dieser Unbeschnittene, soll sein wie einer von ihnen, weil er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnt hat“! So lautete die Beweisführung des Glaubens. Die Hand, welche David aus einer Schwierigkeit errettet hatte, konnte ihn auch aus allen anderen erretten. Hier gibt es kein „Wenn“, wie einst bei Jonathan (Kap. 14, 9. 10), noch wartet David auf ein Zeichen. Er sagt einfach: „Dein Knecht will gehe n“. Er hatte die Macht der Gegenwart Gottes in der Einsamkeit der Wüste erfahren, ehe er an die Öffentlichkeit trat. Er hatte sich nie seines Sieges über den Löwen und den Bären gerühmt, und er würde wahrscheinlich auch nie davon gesprochen haben, wenn er nicht bei dieser Gelegenheit hätte zeigen müssen, auf welch einem festen Boden des Vertrauens er stand bezüglich des vor ihm liegenden Werkes. Er wollte gern beweisen, daß er nicht in seiner eigenen Kraft voranging. Ähnlich war es mit der Entrückung des Apostels Paulus in den dritten Himmel. Vierzehn Jahre lang war dieses Ereignis in dem Herzen des Apostels verborgen gewesen, und er würde es wohl nie mitgeteilt haben, wenn nicht der Zustand der Korinther ihn dazu gezwungen hätte.
10. VII. Beide Fälle sind von tiefer Belehrung für uns. Wie sind wir so sehr bereit, von unseren armseligen Taten zu reden oder doch wenigstens an sie zu denken! Das Fleisch ist immer geneigt, sich in etwas zu rühmen, was das eigene I c h zu erheben vermag; und hat. einmal der Herr, trotz des Bösen in uns, uns in irgend einer geringen Weise als Seine Werkzeuge gebraucht, wie schnell sind wir dann dabei, dies in einem selbstgefälligen Geiste anderen mitzuteilen! Es ist recht und gut, von den Beweisen der Gnade des Herrn zu reden und Herzen zu haben, die infolge derselben mit Dank und Anbetung erfüllt sind; aber das ist etwas ganz anderes, als sich über Dinge zu rühmen, die mit dem armen „Ich“ in Verbindung stehen.
David bewahrte, wie gesagt, das Geheimnis seiner Siege über den Löwen und den Bären tief in seinem Herzen und redete erst davon, als die Gelegenheit es erforderte, und selbst dann sprach er nicht so, als ob e r eine Heldentat vollbracht hätte, sondern sagte: „Jehova, der mich aus den Klauen des Löwen und aus den Klauen des Bären errettet hat, Er wird mich aus der Hand dieses Philisters erretten“. Noch einmal: Welch ein kostbarer, sich selbst verleugnender Glaube! ein Glaube, der im Blick auf alles auf Gott rechnet und in nichts dem Fleische vertraut; der Gott in jede Schwierigkeit hineinbringt und uns anleitet, uns selbst zu verbergen und Ihm alle Ehre zu geben. Möchten unsere Seelen mehr von diesem gesegneten Glauben kennen!
11. VII. Indes bedarf es eines geistlichen Verständnisses, um den großen Unterschied zwischen der Sprache des Glaubens und derjenigen einer bloß äußerlichen Religiosität zu unterscheiden. Saul redete oft sehr fromm und religiös; auch hier, in seiner Unterhaltung mit David, gab er sich einen recht schönen, frommen Schein. Äußere Religiosität und wahrer Glaube stehen sich hier schroff gegenüber. Nachdem David seinen Glauben an die Gegenwart und Macht Jehovas in so klarer, entschiedener Weise Ausdruck gegeben hatte, sagte Saul: „Gehe hin, und Jehova sei mit dir!“ Aber ach! wie wenig wußte er, was es heißt, den Herrn bei sich zu haben! Er s c h i e n dem Herrn zu vertrauen, aber in Wirklichkeit setzte er sein Vertrauen auf seine Waffenrüstung. Hätte er verstanden, was er sagte, so würde er nicht weiter an das Anlegen einer Rüstung gedacht haben. „Jehova sei mit dir!“ war in dem Munde Sauls nichts als eine gewöhnliche Redensart, die tatsächlich gar keine Bedeutung hatte.
12. VII. Wir tun gut, hierbei noch einen Augenblick zu verweilen. Es ist eine böse Sache, schöne Worte zu gebrauchen, die, soweit es uns betrifft, ohne Kraft und Bedeutung sind, die aber ein Spielen mit dem Namen und der Wahrheit des Herrn in sich schließen. Wie oft reden wir von unserem Vertrauen auf den Herrn, während wir uns in Wirklichkeit auf die Umstände um uns her stützen! Wie oft sprechen wir von einem Leben einfältiger Abhängigkeit von dem Herrn, während wir, wenn wir den wirklichen Zustand unserer Seelen im Lichte Gottes prüfen wollten, finden würden, daß wir auf menschliche oder irdische Hilfsquellen unser Auge gerichtet haben! Gegen dieses Übel sollten wir sorgfältig wachen. Es war gerade das, was Saul offenbarte, als er, nach dem so schön klingenden Wunsche: „Jehova sei mit dir!“ dazu überging, David seinen Rock anzuziehen, ihm einen ehernen Helm aufs Haupt zu setzen und ihm einen Panzer anzulegen (V. 38). Er dachte gar nicht daran, daß David in einer anderen als der gewöhnlichen Weise kämpfen könnte. Seinem Bekenntnis nach handelte er allerdings im Namen des Herrn; aber er meinte, David müsse Mittel gebrauchen. Wie oft geht es uns auch so! Wir gebrauchen Mittel und schließen dadurch Gott vollständig aus; unserem Bekenntnis nach gebrauchen wir die Mittel allerdings in Abhängigkeit von Gott, in Wirklichkeit aber gebrauchen wir den Namen Gottes in Abhängigkeit von den Mitteln. Das heißt nach dem Urteil des Glaubens nichts anderes, als aus den Mitteln einen Gott machen, und das ist Götzendienst. Hatte Saul mehr Vertrauen auf Gott oder auf die Rüstung? Ohne Frage auf letztere; und gerade so wird es uns ergehen, wenn wir nicht wirklich durch Glauben wandeln.
13. VII. Indes möchte der Leser sich versucht fühlen zu fragen: Dürfen wir denn gar keine Mittel gebrauchen? Sicherlich; aber nur solche, die mit dem Glauben und mit der Herrlichkeit des Gottes aller Macht und Gnade im Einklang stehen. David fühlte, daß Sauls Rock und Panzer nicht zu dieser Art von Mitteln gehörten, und er wies sie deshalb zurück. Und wie gut war das! Hätte er sie benutzt, so würde der Sieg nicht so offenbar des Herrn gewesen sein. Laß uns deshalb Sorge tragen, geliebter Leser, daß. unsere Mittel nicht Gott ausschließen und Ihm Seine Ehre rauben! Der Glaube wartet auf Gott und erlaubt Ihm, die Mittel zu gebrauchen, welche Ihm Wohlgefallen.
„Und David gürtete sein Schwert über seinen Rock und wollte gehen, denn er hatte es nie versucht. Da sprach David zu Saul: Ich kann nicht darin gehen, denn ich habe es nie versucht. Und David legte sie von sich a b.“ Glückliche Befreiung von den elenden Fesseln menschlicher Klugheit! Man hat mit Recht gesagt, daß David nicht so ernstlich auf die Probe gestellt wurde, als er dem Riesen entgegenging, als vielmehr da, wo er in Versuchung kam, Sauls Waffenrüstung zu gebrauchen. Wäre es dem Feinde gelungen, ihn zu der Benutzung jener Rüstung zu verleiten, so wäre Gott allein die Ehre geraubt worden; aber er schlug sie aus und überließ sich völlig den Händen des Herrn. So handelt der Glaube stets; er überläßt alles Gott allein.
14. VII. Vers 40 zeigt uns die Waffenrüstung Davids: „Und er nahm seinen Stab in seine Hand und wählte sich fünf glatte Steine aus dem Bache und tat sie in das Hirtengerät, das er hatte, in die Tasche, und seine Schleuder hatte er in seiner Hand; und er trat an den Philister heran“. Wir sehen also, daß David auch Mittel gebrauchte; aber was für Mittel! Mit welch einer Verachtung behandelte David die furchtbare Rüstung seines Gegners! Wie sehr stach seine Schleuder ab von dem gewaltigen Speere Goliaths, der mehr einem Weberbaum als einem Speere ähnlich sah. In der Tat, David hätte den Stolz des riesenhaften Philisters nicht tiefer verwunden können als dadurch, daß er mit solchen Waffen ihm entgegentrat. Goliath fühlte dies auch sehr wohl. „Bin ich ein Hund?“ fragte er. Es machte für das Urteil des Glaubens wenig aus, was er war, ob ein Hund oder ein Riese; er war ein Feind des Volkes Gottes, und David ging ihm entgegen mit den Waffen des Glaubens. „Und David sprach zu dem Philister: Du kommst zu mir mit Schwert und mit Speer und mit Wurfspieß; ich aber komme zu dir im Namen Jehovas der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast. An diesem Tage wird dich Jehova in meine Hand überliefern . . . und die ganze Erde soll erkennen, daß Israel einen Gott hat. Und diese ganze Versammlung soll erkennen, daß Jehova nicht durch Schwert und durch Speer rettet; denn Jehovas ist der Streit, und Er wird euch in unsere Hand geben!“
15. VII. Diese Worte lassen uns den wahren Zweck des Mannes des Glaubens erkennen. Es ist nicht seine Person, nicht sein Tun, die in den Vordergrund treten sollen; nein, Israel und die ganze Erde sollen erfahren, daß Gott in der Mitte Seines Volkes gegenwärtig ist. Dies hätte nicht geschehen können, wenn David die Rüstung Sauls angezogen hätte. Seine Art zu kämpfen hätte sich dann in nichts von derjenigen anderer Krieger unterschieden, und es wäre nicht kund geworden, daß Jehova nicht durch Schwert und Speer rettet. Die Schleuder und der Stein zeigten aber deutlich die Quelle an, aus welcher die Kraft zum Siegen kam. Es ist auch beachtenswert, daß David nicht zu Goliath sagte: „Ich komme mit einer Schleuder und einem Steine“, sondern: „Ich komme im Namen Jehovas der Heerscharen“. Für ihn waren die Mittel, welche den Sieg herbeiführen sollten, bedeutungslos; Gott war alles.
16. VII. Der Glaube ehrt stets Gott, und Gott ehrt den Glauben. Das Ergebnis war ein vollkommener, herrlicher Sieg. „David war mit der Schleuder und mit dem Steine stärker als der Philister, und er schlug den Philister und tötete ihn; und David hatte kein Schwert in der Hand.“ Welch ein Triumph, und zugleich welch eine köstliche Frucht eines einfältigen Glaubens an Gott! Wie sollte dies unsere Herzen ermutigen, jedes fleischliche Vertrauen wegzuwerfen und uns an die einzig wahre Quelle aller Kraft zu halten! Es war eine wunderbare Befreiung, die dem Volke Israel hier zuteil wurde, herbeigeführt durch einen einzigen Wurf. Nicht Feldhermkunst, nicht die Entfaltung gewaltiger Heeresmassen, nicht die ungestüme Tapferkeit kriegsgeübter Helden — nein, ein Stein aus dem Bache, geschleudert von der Hand eines Hirten, führte die Entscheidung herbei. Es war der Sieg des Glaubens.
17. VII. „Als aber die Philister sahen, daß ihr Held tot war, da flohen sie.“ Wie eitel sind alle Hoffnungen, die sich auf das Fleisch stützen, selbst wenn dieses in scheinbar unüberwindlicher Kraft auftritt! Wer von uns hätte wohl nicht für das Leben Davids gezittert, wenn wir ihn hätten sehen können, wie er, der im Waffenhandwerk unerfahrene Jüngling, auszog, dem gewaltigen, kampfgewohnten Feinde entgegen? Doch betrachten wir das Ende. Der Held der Philister fiel, und mit ihm stürzten alle ihre Hoffnungen zusammen wie ein Kartenhaus. „Und die Männer von Israel und Juda machten sich auf und erhoben ein Geschrei und verfolgten die Philister.“ Ja, sie mochten wohl ein Freudengeschrei erheben, denn Gott war vor ihnen her ausgezogen, um sie von der Gewalt ihrer Feinde zu befreien. Er hatte in Macht gehandelt durch die Hand eines Mannes, den sie weder als ihren gesalbten König kannten noch anerkannten, dessen Person aber jedes aufrichtige Herz hätte anziehen sollen.
18. VII. Indes lesen wir nun von einem aus all den Tausenden, welche den Kampf und Sieg Davids angeschaut hatten, dessen Herz sich in glühender Liebe zu dem Sieger hingezogen fühlte. Wir dürfen wohl sagen, daß auch bei dieser Gelegenheit „die Gedanken vieler Herzen offenbar wurden“. Einige mochten David bewundern, andere ihn beneiden; einige mochten sich mit dem Siege, andere mit dem von Gott gebrauchten Werkzeug beschäftigen und dieses rühmen; einige mochten vielleicht auch „den Gott der Schlachtreihen Israels“, der ihnen so wunderbar geholfen hatte, preisen und anbeten. Doch wir hören nur von einem, dessen Herz sich so mächtig zu der Person des Siegers hingezogen fühlte, daß alles andere in den Hintergrund trat; und dieser Eine war Jonathan. „Und es geschah, als er (David) aufgehört hatte, mit Saul zu reden, da verband sich die Seele Jonathans mit der Seele Davids; und Jonathan liebte ihn wie seine Seele“ (Kap. 18, 1). Ohne Zweifel , nahm Jonathan von Herzen an der allgemeinen Freude teil; aber für ihn gab es in dem Triumphe Davids mehr als die dadurch erwirkte Errettung. Es war nicht so sehr der Sieg als vielmehr die Person des Siegers, welche die tiefen Zuneigungen seiner Seele wachrief. David hatte eine schwere Last von dem Geiste Jonathans entfernt und ein tiefes und schmerzlich gefühltes Bedürfnis befriedigt. Die Herausforderung des Riesen Goliath hatte, je länger sie ertönte, umso deutlicher die Armut Israels ans Licht gestellt. Das Auge mochte immer aufs neue die Schlachtreihen Israels durchlaufen, um einen Mann zu finden, der imstande gewesen wäre, dem vorliegenden Bedürfnis zu entsprechen; aber umsonst, da war keiner. „Alle Männer von Israel, als sie den Mann sahen, flohen vor ihm und fürchteten sich sehr“ (V. 24). Da war niemand, der Glauben und Mut genug gehabt hätte, dem schrecklichen Feinde standzuhalten. Schwer genug mag diese demütigende Tatsache auf dem Herzen Jonathans gelastet haben. Da plötzlich kam David und vollbrachte das große Werk. Kein Wunder, daß Jonathans Seele sich dem glaubensstarken und doch so bescheidenen und demütigen Retter aus tiefster Not zuwandte. Er bewunderte seinen Sieg, aber noch mehr seine Person. Er schätzte das Werk, aber mehr noch den, der es getan hatte.
19. VII. Ich verweile so lange bei diesem Punkte, weil die Anwendung auf den wahren David ihn so beachtenswert macht. Daß wir diese Anwendung machen dürfen, wird wohl niemand in Frage ziehen. In Goliath erblicken wir die Macht des Feindes, welcher die Seele in Knechtschaft hielt. Von dieser Macht konnte sie kein Geschöpf im Himmel und auf Erden befreien. Die Herausforderung hätte Jahr für Jahr wiederholt werden können; aber alles wäre umsonst gewesen. Immer von neuem hätte im Laufe der Zeitalter den Myriaden von gefallenen Nachkommen Adams der ernste Urteilsspruch vorgehalten werden können: „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“, ohne daß von seiten des Menschen eine andere Antwort erfolgt wäre als die, welche einst im Terebinthental gegeben wurde: ein ängstliches Fliehen und Sichverbergen vor dem furchtbaren Feinde. „Durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen“ (Heb 2,15), das war die Antwort von seiten des Menschen. Das Bedürfnis wurde gefühlt; das arme menschliche Herz sehnte sich nach etwas, was seine Leere auszufüllen vermochte, und es sehnte sich umsonst. Die Forderungen der göttlichen Gerechtigkeit konnten nicht befriedigt werden; Tod und Gericht standen drohend vor dem Menschen, und er konnte nur zittern. Doch, gepriesen sei der Gott aller Gnade! ein Befreier ist erschienen, Einer, der mächtig ist zu erretten, der Sohn Gottes, der wahre David, der König Israels und der ganzen Erde. Er ist dem Bedürfnis begegnet, hat die Leere des menschlichen Herzens ausgefüllt und sein Sehnen gestillt. Und wie und wann ist das geschehen? Durch Seinen Tod auf Golgatha, in jenen schrecklichen Stunden der Finsternis, als die ganze Schöpfung gleichsam zu einem Gefühl dessen gebracht wurde, was doid vorging.
20. VII. Ja, mein Leser, das Kreuz war das Feld, wo die Schlacht geschlagen und der Sieg erstritten wurde. Dort wurde dem „Starken“ seine ganze Waffenrüstung genommen und sein Hausrat geraubt. Dort wurden die Forderungen der göttlichen Gerechtigkeit aufs völligste befriedigt. Dort wurden auch durch das Blut des Lammes die Flüche eines gebrochenen Gesetzes auf immerdar ausgelöscht und die Anklagen eines schuldigen Gewissens auf ewig zum Schweigen gebracht. „Das kostbare Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und Flecken“, hat für die glaubende Seele alles in Ordnung gebracht. Der arme, zitternde Sünder darf dastehen und den Kampf und seinen herrlichen Ausgang anschauen; er darf sehen, wie die ganze Macht des Feindes durch seinen hochgelobten Heiland zu Boden geschmettert wurde, und fühlen, wie das zermalmende Gewicht seiner großen Schuld von ihm abgewälzt worden ist. Der Strom göttlichen Friedens und himmlischer Freude kann sich in sein Inneres ergießen, und er kann von dannen gehen in der vollen Kraft einer Erlösung, die durch das Blut für ihn bereitet ist und im Evangelium ihm verkündigt wird.
21. VII. Wenn das nun so ist, sollte dann eine solche befreite, errettete Seele nicht die Person ihres Befreiers lieben? Nicht nur das Werk, sondern die Person! Wie könnte jemand, der die ganze Größe seiner Not gefühlt und unter der unerträglichen Last seiner Sünden hoffnungslos geseufzt hat, wie könnte ein solcher anders als den Herrlichen und Hochgelobten lieben und anbeten, der die Not gestillt und die Last entfernt hat? Das Werk Christi ist ohne Zweifel von unendlicher Kostbarkeit, aber die Person ist noch kostbarer und das Werk Christi bringt die Seele erst in die Stellung, in welcher sie die Person betrachten kann. Das Werk des Heilandes ist für den Sünder, seine Pe r s o n für den Gläubigen; oder mit anderen Worten: was Er hat, ist für den ersteren, was Er ist, für den letzteren. Es kann deshalb sehr wohl der Fall eintreten, daß ein Gläubiger im Blick auf das Werk Christi völlig klar ist, während sein Herz nicht mehr warm für Christum schlägt; ja, daß selbst ein Unbekehrter mit erstaunlicher Geläufigkeit über die Vollgültigkeit des Opfers Christi reden kann, während ihm die Person Jesu im Grunde seines Herzens gleichgültig ist. Im 6. Kapitel des Evangeliums Johannes sehen wir die Menge von Personen dem Herrn Jesu aus rein selbstsüchtigen Gründen nachfolgen. Der Herr ist gezwungen, ihnen zu sagen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr suchet mich, nicht weil ihr Zeichen gesehen, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und gesättigt worden seid". Sie suchten Ihn nicht um deswillen, was Er war, sondern was Er hatte; und als Er ihnen deshalb die ernsten Worte zurief: „Es sei denn, daß ihr das Fleisch des Sohnes des Menschen esset, und Sein Blut trinket, so habt ihr kein Leben in euch selbst“, gingen viele Seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit Ihm. Das ganze Evangelium Johannes ist eine Entfaltung der persönlichen Herrlichkeit des fleischgewordenen Wortes, des anerkannt großen Geheimnisses der Gottseligkeit: Gott, geoffenbart im Fleische. Die Mehrzahl der Jünger konnte es nicht ertragen, als die Wahrheit bezüglich der Person des Sohnes des Menschen, des aus dem Himmel herabgekommenen Brotes des Lebens, ihnen nahe gebracht wurde; sie verließen den Herrn. Wie schön und wahrhaft erquickend sind demgegenüber die Worte Petri: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Heilige Gottes bist.“ Hier haben wir beides: was Er hatte und was Er war ; Er hatte ewiges Leben zu geben, und Er war der Heilige Gottes — Gott, geoffenbart im Fleische. Durch das erstere wird der Sünder zu Ihm gezogen, durch das letztere wird der Gläubige an Ihn gefesselt und mit Bewunderung und Anbetung erfüllt.
22. VII. Doch kehren wir zu David und Jonathan zurück. Die vielen Tausende Israels erhoben, wie wir hörten, ein Triumphgeschrei und verfolgten die Philister, um die Früchte des Sieges einzuernten, während Jonathan sich an der Person des Siegers ergötzte. „Und Jonathan zog das Oberkleid aus, das er anhatte, und gab es David, und seinen Rock und bis auf sein Schwert und seinen Bogen und seinen Gürtel“ (Kap. 18, 4). Das war Liebe, reine, ungeteilte Liebe. Die Liebe zieht sich selbst aus um ihres Gegenstandes willen. David hatte sich selbst vergessen und sein Leben für Gott und das
23. VII. Volk aufs Spiel gesetzt, und jetzt vergißt sich Jonathan um Davids willen.
Mein Leser, laß uns daran gedenken, daß die Liebe zu Jesu die Quelle alles wahren Christentums ist. Diese Liebe veranlaßt uns, uns selbst zu vergessen und uns gleichsam auszuziehen um Christi willen; und wir dürfen wohl sagen: wenn dies zur Ehre Christi geschieht, so ist es die lieblichste Frucht des Werkes Gottes in der Seele.
Wie ganz anders waren die Gefühle, mit welchen Saul die Person und das Werk Davids betrachtete! Er hatte nicht gelernt, sich selbst zu verbergen und das Werk durch einen anderen getan zu sehen. Es ist eine seltene Gnade, dies in Wahrheit tun zu können. Wir alle lieben es von Natur, etwas zu sein oder etwas zu tun; wir haben es gern, wenn man auf uns blickt und von uns redet. So war es mit Saul. Er war ein Mann, der wichtig war in seinen eigenen Augen, und deshalb war er nicht imstande, den Gesang der israelitischen Weiber zu hören: „Saul hat seine Tausende erschlagen, und David seine Zehntausende“. Er konnte, den Gedanken nicht ertragen, den zweiten Platz einzunehmen. „Und Saul sah scheel auf David von jenem Tage an und hinfort.“ Eifersucht und Neid erfüllten sein Herz.
24. VII. Und in der Tat, mein lieber Leser, es erfordert ein demütiges Herz und ein einfältiges Auge, um sich ebenso aufrichtig über den Erfolg des Wirkens eines anderen zu freuen, als über unser eigenes Tun. Hätten die Verherrlichung Gottes und das Wohl Seines Volkes allein Wert für Saul gehabt, so würde er keinen Augenblick an die Zahlen gedacht haben, welche die Weiber ihm und David zuteilten. Aber leider war dies nicht der Fall. Er dachte nur an seine eigene Ehre. Daher sein Neid und seine Eifersucht. O welch eine heilige Ruhe und Erhabenheit verleiht der Geist der Selbstverleugnung, der aus der Beschäftigung des Herzens mit Christo hervor geht! Suchen wir aufrichtig die Ehre Christi, so wird es uns wenig ausmachen, wer das Werk tut, wenn nur Sein kostbarer Name erhoben und verherrlicht wird.