Charles Henry Mackintosh
Schriften von Charles Henry Mackintosh
2Sa 7 1Chr 29 - Kapitel 7 - Das Haus Davids und das Haus Gottes2Sa 7 1Chr 29 - Kapitel 7 - Das Haus Davids und das Haus Gottes
19. X. Es gibt wohl nichts, was die Enge des menschlichen Herzens mehr ans Licht stellt, als die Art und Weise, wie es die göttliche Gnade erfaßt. Gesetzliches Wesen liegt uns allen so nahe; und warum? Weil es dem eigenen Ich einen Platz einräumt und aus ihm etwas macht. Aber gerade das kann Gott niemals zugeben. „Auf daß sich vor Ihm kein Fleisch rühme“, ist ein göttlicher Beschluß, der nimmer umgestoßen werden kann. Gott muß alles sein, alles tun und alles geben.
Wenn der Psalmist einst fragte: „Wie soll ich Jehova alle Seine Wohltaten an mir vergelten?“ so war das sicherlich eine Frage, die Gott wohlgefiel und durch Seinen Geist hervorgerufen worden war. Aber wie lautet die Antwort? „Den Becher der Rettungen will ich nehmen“ (Ps 116). Willst du Gott Seine Wohltaten „vergelten“, Ihm etwas „wiedergeben“ für all das Gute, das Er an dir getan hat, so „nimm“ umso reichlicher aus Seiner gütigen Hand. Ein dankbarer, nicht zweifelnder Empfänger der Gnade sein, das verherrlicht Gott weit mehr, als alles, was wir Ihm wiedergeben könnten.
20. X. Das Evangelium der Gnade Gottes setzt den Menschen als ein ruiniertes, hilfloses, schuldiges Wesen gänzlich beiseite. Es betrachtet und behandelt ihn als einen, der, wenn sich selbst überlassen, nichts anderes zu tun vermag, als alles zu verderben und selbst jedem Segensvorsatz Gottes nur Widerstand entgegenzusetzen. Deshalb muß Gott in der Erlösung der allein Handelnde sein. In Seinen gnädigen und allweisen Ratschlüssen allein würde sie geplant, „ehe die Berge eingesenkt wurden“. Durch Seine unwiderstehliche Macht allein wurde sie ausgeführt, und zwar „durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi“; und durch Seinen ewigen Geist allein kann ein toter Sünder lebendig gemacht und zum Glauben gebracht werden an die herrliche, friedengebende Botschaft von dem vollbrachten Werke Jesu Christi.
21. X. Wie sehr berechtigt ist deshalb die Frage des Apostels: „Wo ist denn der Ruhm?“ — Er ist ausgeschlossen. In einem Bereich, zu welchem der Mensch nur Zutritt hat als ein unwürdiger Empfänger, gibt es. keinen Ruhm für ihn. Wie glücklich sollte uns das machen! Wie herrlich ist es, Gegenstände einer Gnade zu sein, welche alle unsere Sünden auslöscht, das Gewissen zur Ruhe bringt und alle Zuneigungen des Herzens für Gott heiligt!
Das 7. Kapitel des 2. Buches Samuel ist voll reichster Belehrung hinsichtlich dieses großen Grundsatzes der Gnade. Der Herr hat Großes an Seinem Knecht David getan; Er hatte ihn aus seiner Verborgenheit an einen erhabenen Platz berufen und ihn wunderbar gesegnet. David fühlte dies; wohin er blickte, begegnete sein Auge den reichen Gnadenbeweisen, mit welchen Gott seinen Pfad bestreut hatte. „Und es geschah, als der König in seinem Hause wohnte, und Jehova ihm ringsumher Ruhe geschafft hatte vor allen seinen Feinden, da sprach der König zu Nathan, dem Propheten: Siehe doch, ich wohne in einem Hause von Zedern, und die Lade Gottes wohnt unter Teppichen“ (V. 1. 2).
22. X. Beachten wir den Ausdruck: David „wohnte in seinem Hause“. Er war in Ruhe gebracht; alle seine Feinde waren besiegt, und er wohnte friedlich in seinem Hause. War es ein Wunder, wenn er es jetzt für an der Zeit hielt, etwas für Gott zu tun? Nein; und doch waren seine Gedanken über den Bau eines Hauses für die Lade Gottes ganz und gar verkehrt. Es war allerdings wahr, daß die Bundeslade noch unter Teppichen wohnte. Aber weshalb war es so? Weil die Zeit für sie noch nicht gekommen war, eine Ruhestätte zu finden. Gott war von jeher in vollstem Mitgefühl mit Seinem geliebten Volke umhergewandelt. Befanden sie sich in dem Feuerofen ägyptischer Sklaverei, so erschien Er in einem brennenden Dombusche; vollführten sie die lange, ermüdende Reise durch die öde, heiße Wüste, so zog Sein Wagen allezeit in ihrer Gesellschaft einher, und Er brachte Seine Herrlichkeit gleichsam in Berührung mit dem Wüstensande. Standen sie unter den drohenden Mauern Jerichos, so erschien Er als ein Kriegsmann, mit dem gezückten Schwert in Seiner Hand, um als ihr Heeroberster vor ihnen herzuziehen. So waren Gott und Israel zu allen Zeiten zusammen; waren sie tätig, so war Er es auch, und solange sie nicht ruhen konnten, wollte Er auch nicht ruhen. Aber David begehrte ein Haus zu bauen und einen Ruheplatz für Gott zu finden, ehe noch das Werk der Besiegung der Feinde und der Ausrottung des Bösen ganz vollendet war. Er wünschte sich von dem Platze und Dienste eines Kriegsmannes zurückzuziehen und in den Dienst eines Mannes der Ruhe einzutreten. Aber das war unmöglich; es war den Gedanken und Ratschlüssen des Gottes Israels zuwider.
23. X. „Und es geschah in selbiger Nacht, da geschah das Wort Jehovas zu Nathan also: Gehe hin und sprich zu meinem Knecht, zu David: So spricht Jehova: Solltest du mir ein Haus bauen zu meiner Wohnung? denn ich habe nicht in einem Hause gewohnt von dem Tage an, da ich die Kinder Israel aus Ägypten heraufgeführt habe, bis auf diesen Tag; sondern ich wanderte umher in einem Zelte und in einer Wohnung“ (V. 5. 6). Der Herr wollte nicht erlauben, daß die Sonne aufging, ehe Er den Fehler Seines Knechtes korigiert hatte; noch in derselben Nacht erging Sein Wort an den Propheten, und die Art Seines Korrigierens ist sehr charakteristisch. Er stellt Seine früheren Handlungen, Israel und David gegenüber, Seinem Knechte vor Augen und erinnert ihn daran, daß Er niemals ein Haus oder eine Ruhestätte für Sich begehrt habe, sondern stets mit Seinem Volke umhergewandert sei auf allen ihren Zügen und in allen ihren Bedrängnissen. „Wo immer ich wanderte unter allen Kindern Israel, habe ich zu einem der Stämme Israels, dem ich gebot, mein Volk Israel zu weiden, ein Wort geredet und gesagt: Warum habt ihr mir nicht ein Haus von Zedern gebaut? (V. 7).
24. X. Welch eine liebliche, rührende Gnade gibt sich in diesen Worten kund! Der hochgelobte Gott stieg hernieder, um mit Seinem pilgernden Volke durch „das Geheul der Wildnis“ zu ziehen. Er setzte Seinen Fuß auf den Sand der Wüste, weil Israel dort war, und Er ließ Seine Herrlichkeit unter einer Decke von Dachsfellen wohnen, weil Seine Erlösten sich noch im Kampfe hienieden befanden. Jehova begehrte nicht ein Haus von Zedern; deshalb war Er nicht herabgekommen; deshalb hatte Er Sein Volk in der Stunde ihrer Drangsal nicht besucht. Er war herabgekommen, zu geben, nicht zu nehmen; darzureichen, nicht zu fordern; zu dienen, nicht Sich bedienen zu lassen. Allerdings mußte Gott Sein Volk, nachdem es sich am Berge Horeb unter einen Bund der Werke gestellt hatte, prüfen durch einen Dienst, welcher durch die Worte „tun“ und „geben“ gekennzeichnet war; aber' wenn sie in der Kraft des ursprünglichen Bundes Gottes mit Abraham geblieben wären, so würden sie niemals solche Worte in Verbindung mit dem erschreckenden Donner des Berges Sinai vernommen haben. Wenn Gott sie aus der Hand des Pharao und aus dem Hause der Knechtschaft erlöste; wenn Er sie auf Adlers Flügeln trug und sie zu sich brachte; wenn Er für sie einen Weg durch das Meer bahnte und die Heerscharen Ägyptens in den Fluten umkommen ließ; wenn Er am Tage in einer Wolkensäule und des Nachts in einer Feuersäule vor Israel herzog, um sie durch die pfadlose Wüste zu leiten — wenn Er alle diese Dinge und viele, viele andere für sie tat, so geschah es sicherlich nicht auf Grund dessen, was sie tun oder geben konnten, sondern einfach auf Grund Seiner ewigen Liebe und Seines Gnadenbundes, den Er mit Abraham gemacht hatte. Und was haben sie alledem gegenüber getan? Sie haben Seine Gnade verworfen, Sein Gesetz mit Füßen getreten, Seine Warnungen verachtet, Sein Erbarmen von sich gewiesen, Seine Propheten gesteinigt, Seinen Sohn gekreuzigt und Seinem Geiste widerstanden. Das war ihr Tun von Anfang bis zu Ende; und die bitteren Früchte dieses Tuns ernten sie heute und werden sie so lange ernten, bis sie dahin kommen, sich demütig und dankbar dem Bunde der Gnade zu unterwerfen.
25. X. Indem Gott Seinem Knechte diese Dinge ins Gedächtnis rief, belehrte Er ihn über die Verkehrtheit seines Wunsches, Ihm ein Haus zu bauen. „Solltest d u mir ein Haus bauen zu meiner. Wohnung? . . . Und nun sollst du also zu meinem Knechte David sagen: So spricht Jehova der Heerscharen: Ich habe dich von der Trift genommen, hinter dem Kleinvieh weg, daß du Fürst sein solltest über mein Volk, über Israel; und ich bin mit dir gewesen überall, wohin du gezogen bist, und habe alle deine Feinde vor dir ausgerottet; und ich habe dir einen großen Namen gemacht gleich dem Namen der Großen, die auf Erden sind. Und ich werde einen Ort setzen für mein Volk, für Israel, und werde es pflanzen, daß es an seiner Stätte wohne und nicht mehr beunruhigt werde, und die Söhne der Ungerechtigkeit sollen es nicht mehr bedrücken, wie früher und seit dem Tage, da ich Richter über mein Volk Israel bestellt habe. Und ich habe dir Ruhe geschafft vor allen deinen Feinden; und Jehova tut dir kund, daß Jehova dir ein Haus machen wird“ (V. 8—11). Die Geschichte Davids sollte, gleich derjenigen seines Volkes, von Anfang bis zu Ende eine Geschichte der Gnade sein. Er wird im Geiste von der Schafhürde zum Throne, und vom Throne in die endlosen Zeitalter der Zukunft geführt und muß erkennen, daß der ganze Verlauf seiner Geschichte von den Handlungen einer unumschränkten Gnade gekennzeichnet ist. Gnade hatte ihn von der Trift des Kleinviehs genommen, Gnade hatte ihn auf den Thron gesetzt, Gnade hatte seine Feinde ihm unterworfen, Gnade sollte ihn weiter geleiten und tragen, und Gnade sollte seinen Thron und sein Haus befestigen auf ewig. Alles war Gnade. Es war ein richtiges Gefühl, wenn David erkannte, daß der Herr viel an ihm getan hatte; ein Zedern-Palast war etwas Großes für den Hirten von Bethlehem. Aber was war das alles im Vergleich mit der Zukunft? Was war alles, was Gott in der Vergangenheit getan hatte, verglichen mit dem, was Er noch tun wollte? „Wenn deine Tage voll sein werden, und du bei deinen Vätern liegen wirst, so werde ich deinen Samen nach dir erwecken, der aus deinem Leibe kommen soll, und werde sein Königtum befestigen. Der wird meinem Namen ein Haus bauen; und ich werde den Thron seines Königtums befestigen auf ewig“ (V. 12. 13). So sollte nicht nur die kurze Spanne Zeit, welche David regieren würde, den Stempel der göttlichen Gnade tragen, nein, „es wurde von seinem Hause geredet in die Feme hin“, ja, bis in Ewigkeit.
26. X. Mein Leser! Auf wen, denkst du, werden unsere Gedanken in diesen herrlichen Verheißungen gerichtet? Müssen wir denken, daß sie während der Regierung Salomos voll und ganz erfüllt worden seien? Sicherlich nicht. So herrlich die Regierung dieses Fürsten auch gewesen sein mag, so entsprach sie doch keineswegs dem wunderbaren Gemälde, welches hier vor dem Geistesauge Davids entrollt wird. Sie glich in einem Sinne nur einem vorübergehenden Lichtblick, einem flüchtigen Moment, während dessen ein glänzender Sonnenstrahl den Horizont Israels erleuchtete; denn kaum haben wir den Höhepunkt, zu welchem Salomo geführt wurde, erreicht, so tönen schon die erschütternden Worte in unser Ohr: „Aber Salomo liebte viele fremde Weiber etc.“ Kaum hat der Becher auserlesener Wonne den Band der Lippen erreicht, so wird er schon wieder zu Boden geschmettert, und das enttäuschte Herz ruft aus: „Eitelkeit der Eitelkeiten! alles ist Eitelkeit. — Alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.“
27. X. Das Buch des Predigers sagt uns, wie weit die Regierung Salomos hinter einer vollen Verwirklichung der in unserem Kapitel gegebenen Verheißungen zurückblieb. In dem ganzen Buche begegnen wir den sehnsüchtigen Klagen eines Herzens, das eine schmerzliche Leere fühlt und nun vergeblich in dem weiten Bereich der Schöpfung umherschweift, um einen befriedigenden Gegenstand zu finden. Wir müssen deshalb über die Regierung Salomos hinausblicken zu einem Größeren hin; zu Ihm hin, von welchem der Geist durch Zacharias spricht: „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, daß Er besucht und Erlösung schafft Seinem Volke, und uns ein Horn des Heils aufgerichtet hat in dem Hause Davids, Seines Knechtes, (gleichwie Er geredet hat durch den Mund Seiner heiligen Propheten, die von alters her waren), Rettung von unseren Feinden und von der Hand aller, die uns hassen; um Barmherzigkeit zu vollbringen an unseren Vätern und Seines heiligen Bundes zu gedenken, des Eides, den Er Abraham, unserem Vater, geschworen hat.“ Und weiter, in der Anrede des Engels an Maria: „Siehe, du wirst im Leibe empfangen und einen Sohn gebären, und du sollst Seinen Namen Jesus heißen. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und der Herr, Gott, wird Ihm den Thron Seines Vaters David geben; und Er wird über das Haus Jakobs herrschen in die Zeitalter, und Seines Reiches wird kein Ende sein.“ Hier kann das Herz ohne Furcht und Zögern ruhen. Wir fühlen, daß wir den Felsen der Zeitalter unter unseren Füßen haben, und daß wir nicht, wie der Prediger, gezwungen sind, den Mangel eines Gegenstandes zu beklagen, der unsere Herzen auszufüllen und unsere Wünsche zu befriedigen vermöchte. Nein, wir müssen vielmehr, gleich der Braut im Hohenliede, unsere Unfähigkeit bekennen, den Gegenstand, welchen Gott uns gegeben hat, voll und ganz zu genießen — Ihn, „den Ausgezeichneten vor Zehntausenden, an welchem alles lieblich ist“.
28. X. „Seines Reiches wird kein Ende sein.“ Die Grundlagen Seines Thrones hegen in den Tiefen der Ewigkeit; Sein Szepter und Seine Krone tragen den Stempel der Unvergänglichkeit. Kein Jerobeam wird dann zehn Teile des Königreiches an sich reißen; nein, es wird ein unteilbares Ganzes sein, unter der friedlichen Herrschaft Dessen, der „sanftmütig und von Herzen demütig“ ist. Das sind die Verheißungen Gottes für das Haus Davids. Wohl mochte der erstaunte Empfänger solcher Gnaden im Blick auf alles das, was Gott bereits an ihm getan hatte, ausrufen: „Und dies ist noch ein Geringes gewesen in deinen Augen, Herr, Jehova!“ Was war die Vergangenheit im Vergleich mit der Zukunft! Die Gnade leuchtete mit lieblichem Schein aus der Vergangenheit, aber in der Zukunft strahlte die Herrlichkeit in hellem Glanze. „Gnade und Herrlichkeit wird Jehova geben.“ Die Gnade legt die Grundlage, die Herrlichkeit schmückt sozusagen den Oberbau aus. Das ist in ganz besonderer Weise wahr von der Kirche, wie wir dies aus dem Briefe an die Epheser ersehen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo, wie Er uns auserwählt hat in Ihm vor Grundlegung der Welt . . . zum Preise der Herrlichkeit Seiner Gnade, worin Er uns begnadigt hat in dem Gebebten . . . damit wir zum Preise Seiner Herrlichkeit seien.“ Und weiter: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit . . . hat uns mit dem Christus lebendig gemacht, — durch Gnade seid ihr errettet, — und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christo Jesu, auf daß er in den kommenden Zeitaltern den überschwenglichen Reichtum Seiner Gnade in Güte gegen uns erwiese in Christo Jesu.“
29. X. In diesen Steben treten Gnade und Herrlichkeit in höchst gesegneter Weise vor unsere Blicke. Die Gnade, fußend auf unveränderliche Grundsätze, sichert die volle Vergebung unserer Sünden durch das kostbare Blut Christi, sowie die völlige Annahme in Seiner geliebten Person, während die Herrlichkeit in der Feme die kommenden Zeitalter mit ihren unvergänglichen Strahlen vergoldet. So finden Glaube und Hoffnung Nahrung in dem kostbaren Worte Gottes. Der Glaube ruht in der Vergangenheit, die Hoffnung nimmt die Zukunft für sich voraus. Der Glaube stützt sich auf das bereits vollendete Werk Gottes, die Hoffnung blickt mit sehnlichem Verlangen vorwärts auf die ihrer Vollendung noch harrenden Wege und Handlungen Gottes. So ist der Gläubige für alles und jedes auf Gott angewiesen. Hinsichtlich der Vergangenheit stützt er sich auf das Kreuz; in der Gegenwart wird, er aufrecht erhalten und getröstet durch das Priestertum Christi und die göttlichen Verheißungen; bezüglich der Zukunft rühmt er sich in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes (vergl. Rom. 5, 1. 2).
30. X. Doch, so mögen wir fragen, was war die Wirkung von diesem ganzen Ausbruch von Gnade und Herrlichkeit auf den Geist Davids? Eins ist gewiß: sein Wunsch, das Schwert mit der Kelle zu vertauschen, wurde in gründlicher Weise korrigiert. Zugleich erkannte er sein eigenes Nichts und die Größe Gottes in all Seinem Tun. „Da ging der König David hinein und setzte sich vor Jehova nieder und sprach: Werbinich, Herr, Jehova?“ Diese Worte sind in doppelter Beziehung bemerkenswert. Zunächst erweckt der Ausdruck: „David setzte sich nieder vor Jehova“, den Gedanken an ein völliges Ruhen in Gott, das von irgendwelchen Zweifeln und Bedenken nichts kennt. Gott Selbst füllte den ganzen Gesichtskreis der Seele Davids aus. Die Erinnerung an die Vergangenheit ließ keinen Zweifel irgendwelcher Art aufkommen, als ob Gott nicht willig oder imstande wäre, Seine Verheißungen wahr zu machen. — Wie gesegnet ist es, so in der Gegenwart Gottes zu sitzen, in dem vollen Bewußtsein Seiner vergebenden, errettenden und bewahrenden Liebe, und bei Seinen wunderbaren Gnadenwegen zu verweilen! In der Tat, es ist schwer zu verstehen, warum es so ist, warum Gott Seine Liebe solchen Geschöpfen zugewendet hat, wie wir sind. Aber, Sein Name sei gepriesen! es ist so, und unser Teil ist es, zu glauben und. uns zu freuen.
31. X. Der zweite bemerkenswerte Punkt in unserer Stelle ist die Frage Davids: „Werbinich?“ David fühlte, daß er nichts und daß der Herr alles war. Er redet nicht mehr von seinem Tun, von seinem Zedemhause und von seinem Plane, für die Bundeslade ein Haus zu bauen. Nein, er sinnt über das Tun Gottes nach, und seine eigenen Taten schrumpfen in. seinen Augen zu einem Nichts zusammen. Dies mag manchen als eine selbstverständliche Sache erscheinen; aber alle, die ein wenig ihr stolzes, eigengerechtes Herz kennen gelernt haben, wissen, daß es eine der schwersten Lektionen ist, welche der Gläubige zu lernen hat. Abraham, David, Hiob, Paulus und Petrus — alle erfuhren, wie schwer es ist, sich selbst aufzugeben und Gott zu erheben; denn die ganze Natur des Mensehen ruht auf der entgegengesetzten Grundlage, auf der Erhebung des eigenen Ichs und der Beiseitesetzung Gottes.
1. XI. Der Mensch sucht immer etwas zu sein, und das kann nicht geschehen, ohne die Ansprüche Gottes beiseite zu setzen. Die Gnade kehrt jedoch die Sache um und macht aus dem Menschen nichts, aus Gott alles. „Ist dies die Weise des Menschen, Herr, Jehova“ (V. 19)? Nein, in der Tat, es ist nicht die Weise des Menschen, aber es ist die Weise Gottes. Während der Mensch sich selbst erhöht und sich so gern der Werke seiner Hände erfreut, lenkt Gott seinen Blick von seiner eigenen Person ab und lehrt ihn, seine Selbstgerechtigkeit als unflätiges Kleid zu betrachten, sich selbst zu verabscheuen, in Sack und Asche Buße zu tun und sich an Christum zu klammem, wie ein armer Schiffbrüchiger sich an den Felsen klammert, auf den die Wogen ihn geworfen haben. So war es mit David, als er vor Jehova saß; er verlor sich, selbst aus dem Auge, und seine Seele beugte sich nieder in heiliger Anbetung vor Gott und Seinen Wegen. Das ist wahrer Gottesdienst und ist gerade das Gegenteil von menschlicher Religiosität. Erstere ist die Anerkennung Gottes in der Kraft des Glaubens, letztere ist die Aufrichtung des Menschen und seines Tuns in dem Geiste der Gesetzlichkeit. Ohne Zweifel würden viele David für einen frommeren, eifrigeren Mann gehalten haben, als er daran dachte, Jehova ein Haus zu bauen, als zur Zeit, da er vor dem Angesicht Jehovas saß. In dem einen Falle versuchte er etwas zu tun, in dem anderen tat er anscheinend nichts; gleich den beiden Schwestern in Bethanien, deren eine nach dem Urteil der Natur alles zu tun schien, während die andere müßig dasaß. Aber wie ganz anders sind die Gedanken Gottes!
2. XI. Indessen müssen wir nicht denken, daß die Gnade jemals der Untätigkeit oder Trägheit Vorschub leiste. Weit davon entfernt! Sie will uns nur von eigener und unverständiger Tätigkeit abhalten, aber niemals wird sie uns hindern, wirklich für Gott tätig zu sein. Sie hebt nicht den Dienst auf, sondern lenkt ihn nur in die richtigen Bahnen. Sobald daher Davids Seele wiederhergestellt war, sobald er gelernt hatte, daß es noch nicht an der Zeit und daß er nicht der Mann war, das Schwert niederzulegen und die Kelle zur Hand zu nehmen, wie bereitwillig fügte er sich da! Wie bereitwillig zog er wieder sein Schwert aus der Scheide und betrat noch einmal als Kriegsmann das Schlachtfeld! Wie bereit war er, zurückzutreten und einem anderen den Bau des Tempels zu überlassen!
Das ganze 8. Kapitel berichtet von weiteren Kämpfen und Siegen Davids; er bekriegte alle die äußeren Feinde Israels, erwarb sich dadurch einen noch größeren Namen als Kriegsheld und bewies, wie gut er die Unterweisung des Herrn verstanden hatte. So wird es immer sein bei allen, welche die Bedeutung von Gnade und Herrlichkeit verstanden haben. Es macht wenig aus, worin der Dienst besteht, ob im Besiegen der Feinde oder im Bauen des Tempels; der wahre, treue Knecht ist bereit für alles, was seine Hand zu tun findet und was der Herr ihm zu tun gibt. Zugleich säuberte David durch sein Tun den Boden für Salomo, so daß dieser die Grundlage des Hauses legen konnte, welches sein Herz so innig zu bauen begehrt hatte. Wahrlich, das hieß sich selbst verleugnen. David blieb seinem Charakter als Diener treu bis zum letzten Augenblick. Auf Bethlehems Fluren, im Terebinthental, im Hause Sauls, auf dem Throne Israels — überall erblicken wir in ihm den treuen, hingebenden Diener.
3. XI. Doch wir müssen uns noch zu anderen Szenen wenden, um die Verbindung Davids mit dem Bau des Hauses Gottes noch genauer kennen zu lernen. Er mußte in einer höchst bemerkenswerten Weise lernen, wo der Grund des Hauses Jehovas gelegt werden mußte. Der Leser wolle das 21. Kapitel des 1. Buches der Chronika auf schlagen und es mit Aufmerksamkeit lesen. Es entspricht dem 24. Kapitel in unserem Buche und berichtet den tiefen Fall, den David tat, indem er das waffenfähige Volk zählen ließ. Er war stolz auf seine Heerscharen geworden, oder richtiger auf die Heerscharen Gottes, welche er gern als die seinigen betrachtet hätte. Er begehrte, eine Musterung über seine reichen Hilfsquellen zu halten, und ach! er mußte erfahren, wie nichtig und leer sie waren. Das Schwert des Würgengels mähte mit einem Male siebenzigtausend von dem Volke, von Dan bis Beerseba, nieder und brachte David so mit furchtbarem Emst seine Sünde zum Bewußtsein. Dies hatte die Wirkung, daß David nicht nur vor Gott zusammenbrach, sondern daß auch jene liebliche, sich selbst vergessende Gesinnung, die durch die Gnade in ihm war, ans Licht trat. Hören wir nur seine rührenden Worte, mit denen er seine eigene Brust dem Schwerte des Gerichts darbot: „Und David sprach zu Gott: Bin ich es nicht, der gesagt hat, das Volk zu zählen; und ich bin es, der gesündigt und sehr übel gehandelt hat; aber diese Schafe, was haben sie getan? Jehova, mein Gott, es sei doch deine Hand wider mich und wider das Haus meines Vaters, aber nicht wider dein Volk zur Plage!“ Das war wirklich Gnade. David lernte zu sagen: „dein Volk“, und er war bereit, für dasselbe in den Riß zu treten.
4. XI. Gott hörte auf das Flehen Seines armen Knechtes und sah seine aufrichtige Demütigung, und dem Zorne ward gewehrt. Bei der Tenne Omans, des Jebusiters, steckte der Engel des Gerichts sein Schwert in die Scheide. „Und der Engel Jehovas sprach zu Gad, daß er zu David sage, David solle hinauf gehen, um Jehova einen Altar zu errichten auf der Tenne Omans, des Jebusiters.“ Hier also war die Stätte, wo die Gnade triumphierte und wo ihre Stimme den Donner des Gerichts übertönte. Hier floß das Blut des Opfertieres, und hier — beachten wir es wohl, geliebter Leser! — wurde der Grund des Hauses Jehova gelegt. „Zu jener Zeit, als David sah, daß Jehova ihm auf der Tenne Omans, des Jebusiters, geantwortet hatte, opferte er daselbst. Die Wohnung Jehovas aber, die Mose in der Wüste gemacht hatte, und der Brandopfer altar waren zu jener Zeit auf der Höhe zu Gibeon. Aber David vermochte nicht vor denselben hinzugehen, um Gott zu suchen; denn er war erschrocken vor dem Schwerte des Engels Jehovas. Und David sprach: Dieses hier soll das Haus Jehovas Gottes sein, und dies der Altar zum Brandopfer für Israel. Und David befahl, daß man die Fremdlinge versammeln sollte, die im Lande Israel waren, und er stellte sie an als Steinhauer, um Quadersteine für den Bau des Hauses Gottes zu hauen“ (vergl. 1Chr 21 u 22).
5. XI. Auf keine andere Weise hätte David so feierlich und eindringlich über den Platz, wo das Haus des Herrn erbaut werden sollte, belehrt werden können. Hätte der Herr Seinem Knechte einfach den Berg Morija angewiesen und es ihm überlassen, einen Bauplatz für den Tempel darauf zu bestimmen, so würde er niemals eine Vorstellung von dessen Bedeutsamkeit erhalten haben. Ja, der Herr weiß Sein Volk zu leiten und es über die tiefen Geheimnisse Seiner Gedanken zu belehren. Er unterwies Seinen Knecht David zunächst durch Gericht und dann durch Gnade, und brachte ihn auf diesem Wege zu der Stätte, wo Er Seinen Tempel erbaut haben wollte. Durch seine eigene Bedrängnis lernte David etwas über den Tempel Gottes, was er sonst nicht hätte lernen können, und dann machte er sich daran, Vorbereitungen für den Bau desselben zu treffen als einer, der durch seinen eigenen tiefen Pall Gottes Charakter kennen gelernt hatte.
6. XI. „Dieses hier soll das Haus Jehovas Gottes sein.“ Es war der Platz, wo die Barmherzigkeit sich wider das Gericht gerühmt hatte, wo das Blut des Schlachtopfers geflossen und Davids Sünde ausgelöscht worden war. Wie bedeutungsvoll ist das! Es war in der Tat ein anderer Ausgangspunkt als in 2Sam 7. Statt zu sagen: „Siehe, ich wohne in einem Hause von Zedern“, konnte David jetzt sagen: „Siehe, ich bin ein armer Sünder, dem Vergebung zuteil geworden ist“. Wie ganz anders ist es, auf Grund dessen zu handeln, was Gott ist, als auf Grund dessen, was wir sind! Das Haus Gottes muß stets der Zeuge Seiner Gnade und Barmherzigkeit sein, und dies ist wahr sowohl im Blick auf den Tempel vor alters, als auch auf die Kirche Gottes heute. Beide verkündigen laut das Triumphieren der Gnade über das Gericht. Am Kreuze fiel der vernichtende Schlag der Gerechtigkeit auf ein fleckenloses Opfer, und dann kam der Heilige Geist hernieder, um Menschen um die Person Dessen zu sammeln, der aus den Toten auferweckt worden war. David begann die Quadersteine und die für die Zusammenfügung des Hauses notwendigen Materialien zu sammeln, sobald der Bauplatz für den Tempel bestimmt war. Die Kirche ist der Tempel des lebendigen Gottes, und Christus ist der kostbare Grundund Eckstein desselben; die Materialien für diesen Bau wurden vorgesehen und die Stätte zur Grundlegung desselben gekauft in der Zeit der Drangsale Christi; denn David stellt Christum in Seinem Leiden dar, wie Salomo Ihn in Seiner Herrlichkeit vorbildet. David war der Mann des Krieges, Salomo der Mann der Ruhe. David mußte sich mit den Feinden herumschlagen; Salomo konnte sagen: „Jehova, mein Gott, hat mir Ruhe geschafft ringsum; da ist kein Widersacher mehr und kein schlimmes Begegnis“ (1Kön 5,4). So wird denn auch der Tempel, für dessen Bau Christus durch Sein Leiden und Sterben Vorsorge getroffen hat, am Tage Seiner Herrlichkeit in vollkommener Schönheit dastehen.
7. XI. Obwohl das Urteil Davids bezüglich des Zeitpunktes für den Tempelbau berichtigt werden mußte, so bewies er doch am Ende, daß seine Liebe zu dem Hause des Herrn deshalb nicht weniger tief und brennend war. Er sagt am Schlüsse seines Lebens: „Mit all meiner Kraft habe ich für das Haus meines Gottes bereitet: das Gold zu dem goldenen, und das Silber zu dem silbernen, und das Erz zu dem ehernen, das Eisen zu dem eisernen, und das Holz zu dem hölzernen Geräte; Onyxsteine und Steine zum Einsetzen, Steine zur Verzierung und buntfarbig, und allerlei kostbare Steine, und weiße Marmorsteine in Menge“ (1Chr 29,2). So leitet die Gnade, wie bereits früher gesagt, den Dienst in seine richtigen Bahnen und verleiht zugleich eine Tatkraft, welche ein unzeitiger Dienst niemals aufweisen wird. David hatte vor dem Angesicht des Herrn und auf der Tenne Omans, des Jebusiters, Lektionen gelernt, welche ihn in wunderbarer Weise befähigten, die nötigen Vorbereitungen für den Tempelbau zu treffen. Er konnte jetzt sagen: „Mit all meiner Kraft habe ich bereitet“. Und weiter: „Und überdies, weil ich Wohlgefallen habe an dem Hause meines Gottes, habe ich, was ich als eigenes Gut an Gold und Silber besitze, für das Haus meines Gottes gegeben, zu alledem hinzu, was ich für das Haus des Heiligtums bereitet habe“. Seine ganze Kraft und das Wohlgefallen seines Herzens waren einem Werke zugewandt, welches durch einen anderen zur Ausführung gebracht werden sollte.
8. XI. So befähigt die Gnade einen Menschen, sich selbst zu verbergen und Gott allein zu seinem Gegenstände zu machen. Wenn Davids Auge auf den reichen Vorräten ruhte, die sein Gott ergebenes Herz gesammelt hatte, so konnte er sagen: „Aus deiner Hand haben wir dir. gegeben“. — „Gepriesen seist du, Jehova, Gott unseres Vaters Israel, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Dein,. Jehova, ist die Größe und die Stärke und der Ruhm und der Glanz und die Pracht; denn alles im Himmel und auf Erden ist dein. Dein, Jehova, ist das Königreich, und du bist über alles erhaben als Haupt; und Reichtum und Ehre kommen von dir, und du bist Herrscher über alles; und in deiner Hand sind Macht und Stärke, und in deiner Hand ist es, alles groß und’ stark zu machen. Und nun, unser Gott, wir preisen dich, und wir rühmen deinen herrlichen Namen. Denn wer bin ich, und was ist mein Volk, daß wir vermöchten, auf solche Weise freigebig zu sein? Denn von dir kommt alles, und aus deiner Hand haben wir dir gegeben. Denn wir sind Fremdlinge vor dir und Beisassen, wie alle unsere Väter; wie ein Schatten sind unsere Tage auf Erden, und keine Hoffnung ist da, hienieden zu bleiben. Jehova, unser Gott, alle diese Menge, die wir bereitet haben, um dir ein Haus zu bauen für deinen heiligen Namen, von deiner Hand ist sie, und das alles ist dein“ (1. Chron. 29,10-16).
9. XI. „Wer bin ich?“ David war nichts, und Gott war alles in allem. Wenn David jemals den Gedanken gehegt hatte, Gott etwas darbringen zu können, so hegte er ihn jetzt nicht mehr. Alles gehörte dem Herrn, und Er hatte in Seiner Gnade ihnen erlaubt, es Ihm zu opfern. Der Mensch kann niemals Gott zu seinem Schuldner machen, obwohl er es stets zu tun sucht. Der 50. Psalm, das 1. Kapitel des Propheten Jesaja, das 17. Kapitel der Apostelgeschichte, alle diese Stellen und viele andere beweisen die unaufhörlichen Anstrengungen des Menschen, ob Jude oder Heide, Gott etwas zu geben, als wenn Er etwas bedürfe; aber es ist ein eitles Bemühen. Gottes Antwort auf die Anstrengungen des Men• sehen, Ihn zu seinem Schuldner zu machen, lautet: „Wenn mich hungerte, ich würde es dir nicht sagen“. Gott muß der Geber, der Mensch der Empfänger sein. „Wer“, fragt der Apostel, „hat Ihm zuerst gegeben?“ Der Herr nimmt in Seiner Gnade gern von denen, die gelernt haben zu sagen: „Aus deiner Hand haben wir dir gegeben“; aber die Ewigkeit wird zeigen, daß Gott der erhabene erste Geber ist. Welch eine Gnade, daß es so sein wird! Wie gesegnet ist es für den schuldigen, bußfertigen Sünder, in Gott den bereitwilligsten Geber von allem kennen zu lernen, was ihm not ist: den Geber des Lebens, der Vergebung, des Friedens, der Heiligkeit und der ewigen Herrlichkeit! Und wie beglückend war es für David, als er sich am Ende seiner bewegten Laufbahn näherte, sich und seine Opfergaben verbergen zu können hinter der reichen Fülle der göttlichen Gnade! Als er den Plan zu dem Tempel seinem Sohne Salomo einhändigte, da konnte er es tun in dem lieblichen Gedanken, daß dieses Haus allezeit als das Denkmal der triumphierenden Gnade Gottes dastehen würde. Noch wenige Jahre, und der Tempel sollte sich in all seiner Pracht und Schönheit auf seinen Grundlagen erheben; die Herrlichkeit sollte ihn mit ihrem strahlenden Glanze von einem Ende bis zum anderen erfüllen; doch nie sollte es vergessen werden, daß er auf der geweihten Stätte stand, wo dem verderbenden Fortschreiten des Gerichts durch die Barmherzigkeit Gottes Einhalt getan worden war, indem sie handelte auf Grund des Bekenntnisses: „Ich habe gesündigt“, und in Verbindung mit dem Blute eines fleckenlosen Opfers.
10. XI. Und wenn wir jetzt im Geiste von dem Tempel Salomos zu jenem uns wenden, der am Ende der Tage inmitten des geliebten Volkes Gottes sich erheben wird, wie klar und deutlich tritt uns dann die Entfaltung derselben himmlischen Grundsätze entgegen! Doch in noch hellerem Glanze erstrahlt der Sieg der Barmherzigkeit über jedes Hindernis und jede Schranke, wenn wir unseren Blick von dem irdischen zu dem himmlischen Tempel erheben. Ja, dort sehen wir, wie Gnade und Wahrheit, Gerechtigkeit und Friede in ewigen, herrlichen Einklang gebracht sind. Aus all dem Glanze tausendjähriger Herrlichkeit heraus werden Israel hienieden und die Kirche droben auf das Kreuz zurückblicken als die Stätte, wo die Gerechtigkeit ihr Schwert in die Scheide steckte und die Hand der göttlichen Gnade jenen Bau zu errichten begann, welcher in alle Ewigkeit dienen wird zum Preise und Ruhme Gottes, des hochgelobten Gebers von allem.