Schriften von Charles Henry Mackintosh
2Chr 34-35 - Josia und seine Zeit
1Kor 12 - Teil 61Kor 12 - Teil 6
Es besteht also wirklich ein Leib auf der Erde, der durch den einen Geist gebildet und mit dem lebendigen Haupt im Himmel vereinigt ist. Diese Wahrheit kann nicht geleugnet werden. Viele Christen mögen der Meinung sein, dass diese Einheit angesichts des gegenwärtigen Zustandes nicht verwirklicht werden könne, aber dennoch bleibt es eine göttlich festgesetzte Wahrheit, dass ein Leib da ist; und für uns gibt es nur die Frage: „Wie werden wir persönlich von dieser Wahrheit berührt?“ Wir können ebenso wenig die hiermit verbundene Verantwortung abschütteln wie die Wahrheit selbst beiseitesetzen. Als Glieder dieses einen Leibes sind wir sowohl mit dem Haupt im Himmel als auch mit den Gliedern auf der Erde in eine Beziehung getreten, und wie jedes andere, hat auch dieses Verhältnis seine Vorrechte und seine Verantwortung.
Es handelt sich hier jedoch nicht um eine Vereinigung mit einer besonderen Gruppe von Christen, sondern mit dem ganzen Leib Christi auf der Erde. Jedenfalls sollte jede Gruppe von Christen, wo sie sich auch versammeln mögen, nur eine örtliche Verwirklichung des ganzen Leibes sein. Man sollte sich aufgrund des Wortes Gottes und durch die Macht des Heiligen Geistes immer in einer Weise versammeln, dass alle Glieder Christi, die in Wahrheit und Heiligkeit wandeln, mit einem glücklichen Herzen dort Platz nehmen können. Ist eine Versammlung nicht in dieser Weise versammelt und geordnet, dann befindet sie sich überhaupt nicht auf dem Boden der Einheit des Leibes. Wir sollten immer so zusammenkommen, dass alle Glieder des Leibes einfach als solche sich mit uns niedersetzen und jede Gabe, die das Haupt der Versammlung ihnen gegeben hat, ausüben können. Der Leib ist einer. Seine Glieder sind auf der ganzen Erde zerstreut. Entfernung ist nichts, Örtlichkeit ist nichts. Man mag in Berlin, in Paris, in London oder in Neuseeland wohnen, die Sache ändert sich dadurch nicht. Ein Glied des Leibes an einem Ort ist überall ein Glied des Leibes, denn es gibt nur einen Leib und einen Geist. Der Geist bildet den Leib und verbindet die Glieder mit dem Haupt und miteinander.
Das ist die in 1. Korinther 12 und 14, in Epheser 2 und 4 und in Römer 12 beschriebene göttliche Ordnung. Wir können das Neue Testament nicht untersuchen, ohne diese gesegnete Wahrheit zu finden. Wir erblicken in verschiedenen Orten und Städten Heilige, die durch den Heiligen Geist im Namen unseres Herrn Jesus Christus versammelt sind, zum Beispiel in Rom, Korinth, Ephesus, Philippi, Kolossä und Thessalonich. Das waren nicht unabhängige, vereinzelte, selbständige Versammlungen, sondern Teile des einen Leibes, so dass ein Glied der Versammlung an einem Ort zugleich ein Glied der Versammlung überall war. Freilich handelte jede einzelne Versammlung, da sie sich unter einem Herrn befand und durch den einen Geist geleitet wurde, in allen örtlichen Angelegenheiten selbständig, wie zum Beispiel bei der Aufnahme in die Gemeinschaft oder beim Ausschluss des Bösen aus ihrer Mitte oder bei der Fürsorge für die Bedürfnisse der Armen oder dergleichen; aber wir können versichert sein, dass der Beschluss irgendeiner Versammlung von allen übrigen Versammlungen anerkannt wurde, mochte es sich um eine Aufnahme oder um einen Ausschluss handeln. Im anderen Fall wäre es eine Leugnung der Einheit des Leibes gewesen. Wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass die Versammlung zu Korinth mit irgendeiner anderen Versammlung vorher über den Ausschluss des „Bösen“ (1Kor 5) verhandelt und beraten habe, aber wir sind überzeugt, dass dieser Ausschluss von jeder Versammlung auf der Erde anerkannt und respektiert wurde. Wenn nicht, so wäre die Einheit des Leibes Christi praktisch geleugnet worden.
Wir glauben, dass dies eine bestimmte in den neutestamentlichen Schriften dargestellte Lehre ist, die jeder einfältige, aufrichtige Forscher der Heiligen Schrift entdecken muss. Dass die Kirche in der Verwirklichung dieser kostbaren Wahrheit gefehlt hat und wir alle Schuld an diesem Fehltritt tragen, ist leider wahr. Der Gedanke daran sollte uns tief vor Gott demütigen. Niemand kann einen Stein auf den anderen werfen, denn wir sind alle in dieser Sache schuldig. Wir glauben, dass dies eine sehr eindringliche Mahnung an das ganze Volk Gottes ist, sich tief zu demütigen wegen unseres traurigen Abweichens von einer im Wort Gottes so klar dargestellten Wahrheit.
So war es bei dem frommen, ergebenen König Josia, dessen Leben und Zeiten diese Gedankenreihe hervorgerufen haben. Er fand das Gesetzbuch und entdeckte darin den traurigen Zustand um ihn her. Wie handelte er nun? Begnügte er sich mit dem Ausruf: „Der Fall ist hoffnungslos; das Volk hat sich zu weit entfernt; der Verfall ist da; es hat keinen Sinn, daran zu denken, sich nach der göttlichen Vorschrift zu richten, darum müssen wir die Dinge so lassen und tun, was sich tun lässt?“ – Nein, das war nicht die Sprache und Handelsweise Josias, sondern er demütigte sich vor Gott und forderte die anderen auf, dasselbe zu tun. Dann aber suchte er auch die Wahrheit Gottes zu verwirklichen; und die Folge davon war:
2Chr 35,18: Und es war kein solches Passah in Israel gefeiert worden wie dieses, seit den Tagen Samuels, des Propheten; und alle Könige von Israel hatten kein Passah gefeiert wie dieses, das Josia feierte.
Das war das Ergebeis der gläubigen Unterwerfung aus Ehrfurcht unter das Wort Gottes. So wird es immer sein, denn „Gott ist denen, die ihn suchen, ein Belohner“ [Heb 11,6]. Wie handelte der Überrest, der von Babylon in den Tagen Esras und Nehemias zurückkehrte? Sie richteten den Altar Gottes auf, sie bauten den Tempel und besserten die Mauern Jerusalems aus. Mit einem Wort, sie beschäftigten sich mit der wahren Anbetung des Gottes Israels und mit dem großen Mittel- und Sammlungspunkt seines Volkes. Es war das, was der Glaube, ohne sich um die Umstände zu kümmern, immer tut. Hätte der Überrest auf die Umstände geblickt, dann wäre er unfähig gewesen, zu handeln. Er war ein armes, verachtetes Häuflein unter der Herrschaft der unbeschnittenen Heiden. Er war von allen Seiten von aktiven Feinden umgeben, die, angestachelt vom Feind Gottes, vom Feind der Stadt und des Volkes Gottes, nichts unversucht ließen, ihn bei seinem gesegneten Werk zu behindern, indem sie spottend ausriefen: „Was machen die ohnmächtigen Juden? Wird man es ihnen zulassen? Werden sie opfern? Werden sie es an diesem Tag vollenden? Werden sie die Steine aus dem Schutthaufen wieder beleben, da sie doch verbrannt sind?“ [Neh 3,34]. – Auch hatten sie nicht nur mit äußeren Feinden zu kämpfen, sondern es war auch innere Schwäche da, denn „Juda sprach: Die Kraft der Lastträger sinkt, und es ist viel Schutt da, und so vermögen wir nicht mehr an der Mauer zu bauen“ [Neh 4,4]. – Alles dies war sehr niederbeugend. Wie anders war es in den glänzenden und herrlichen Tagen Salomos! Seine Lastträger waren zahlreich und stark, und kein Schutt bedeckte die großen und kostbaren Steine, aus denen er das Haus Gottes baute, auch gab es keinen Feind, der sein Werk verspottete. Aber das lässt uns bei Esra und Nehemia Züge entdecken, die in den Tagen Salomos nicht gefunden wurden. Gerade ihre Schwachheit, die Schutthaufen, die stolzen und schmähenden Feinde — all dies wirkte zusammen, um ihrem Werk einen eigentümlichen Glanz von Herrlichkeit zu verleihen. Sie bauten und es gelang ihnen; Gott wurde verherrlicht und Er sprach zu ihnen die lieblichen Worte: „Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der HERR der Heerscharen“ (Hag 2,9).
Die Bücher Esra, Nehemia, Haggai und Sacharja sind in Bezug auf den erwähnten Gegenstand voll von der gesegnetsten Belehrung, des Trostes und der Ermutigung in einer Zeit wie der gegenwärtigen. Es gibt heute vielleicht manche, die geneigt sind, über einen Gegenstand wie die Einheit des Leibes zu lächeln. Es ist das Spötteln des Unglaubens. Satan hasst die Lehre dieser Einheit, wie er jede andere Lehre der göttlichen Offenbarung hasst. Er wird jedes Bestreben zur Verwirklichung dieser Wahrheit zu verhindern suchen, wie er den Wiederaufbau Jerusalems in den Tagen Nehemias zu verhindern suchte. Aber lasst uns nicht entmutigt werden. Es genügt, dass wir im Wort Gottes die kostbare Wahrheit von dem einen Leib finden. Bringen wir dieses Licht, damit es den gegenwärtigen Zustand der bekennenden Kirche beleuchtet! Was wird es unseren Augen offenbaren? Es wird uns vor unserem Gott in den Staub beugen wegen unserer Wege, aber zugleich wird es unsere Herzen erheben zur Betrachtung des göttlichen Standpunktes. Es ist unmöglich, dass jemand die Wahrheit von der Einheit des Leibes in seiner Seele aufnehmen und mit etwas, was der praktischen Anerkennung dieser Wahrheit nicht entspricht, zufrieden sein kann. Allerdings muss er sich gegen den Widerstand des Volkes rüsten. Er wird hier einen Sanballat und dort einen Rechum finden, aber der Glaube wird überwinden.
Im Wort Gottes finden unsere Seelen eine hinreichende Ermutigung. Wenn wir kurz vor der Gefangenschaft auf Josia sehen, was erblicken wir? Einen Mann, der einfach das Wort zu seinem Führer nimmt, sich selbst und alles in dessen Licht betrachtet, alles, was ihm widerspricht, verwirft und mit ernstem Herzensvorsatz auszuführen sucht, was er darin geschrieben findet. Und was war das Ergebnis? Das gesegnetste Passah, das je seit den Tagen Samuels gefeiert worden war.
Wenn wir dann während der Gefangenschaft auf Daniel blicken, was sehen wir? Einen Mann, der einfach nach der Wahrheit Gottes handelt und im Gebet sein Angesicht nach Jerusalem richtet, obwohl er als Folge dieses Gebets den Tod zu gewärtigen hat. Was war das Ergebnis? Ein herrliches Zeugnis für den Gott Israels und die Vernichtung der Feinde Daniels.
Wenn wir schließlich nach der Gefangenschaft auf den Überrest schauen, was sehen wir? Männer, die angesichts niederdrückender Schwierigkeiten die Stadt wiederaufbauen, die der Mittelpunkt Gottes auf der Erde war und sein wird. Und was war das Ergebnis? Die fröhliche Feier des Laubhüttenfestes, wie es seit den Tagen Josuas, des Sohnes Nuns, nicht gefeiert worden war.
Was bewirkte in diesen Fällen der Blick jener Männer auf die Umstände? Denken wir zum Beispiel an Daniel. Warum öffnete er sein Fenster gegen Jerusalem? Warum schaute er nach einer zerstörten Stadt? Warum widmete er seine Aufmerksamkeit einem Ort, der nur an die Sünde und Schande Israels erinnerte? Wäre es nicht besser gewesen, den Namen Jerusalems in Vergessenheit geraten zu lassen? Die Antwort Daniels ist leicht zu erraten. Die Menschen mochten über ihn lächeln und ihn für einen Träumer oder Schwärmer halten. Er wusste, was er tat. Sein Herz war mit dem Mittelpunkt Gottes, der Stadt Davids, dem großen Versammlungspunkt der zwölf Stämme Israels beschäftigt. Sollte er Gottes Wahrheit um äußerer Umstände willen aufgeben? Keineswegs. Unmöglich konnte er einen Standpunkt einnehmen, der auch nur um Haaresbreite niedriger war. Er konnte weinen, beten, fasten und seine Seele vor Gott demütigen, aber nie konnte er einen niederen Standpunkt einnehmen. Sollte er die Gedanken Gottes fahren lassen, weil Israel sich untreu erwiesen hatte? Unmöglich. Er kannte besseres als dieses. Sein Auge ruhte auf der ewigen Wahrheit Gottes, und deshalb wehte das göttliche Banner in unendlicher Herrlichkeit über seinem Haupt, obwohl er wegen seiner und seines Volkes Sünde im Staub lag.
Ebenso, mein teurer christlicher Leser, sind wir berufen, den Blick des Glaubens auf die unvergängliche Wahrheit des einen Leibes zu richten und sie in unserem schwachen Maß zu verwirklichen. Wir haben nicht zu fragen: „Wie kann das geschehen?“ Der Glaube hat nie eine solche Frage in der Gegenwart göttlicher Offenbarung. Er glaubt und handelt. Wir dürfen die Wahrheit Gottes nicht unter dem Vorwand aufgeben, dass wir sie nicht verwirklichen können. Die Wahrheit ist offenbart, und wir sind berufen, uns unter sie zu beugen. Wir sind nicht berufen, die Einheit des Leibes zu bilden. Dies tun zu wollen, wäre ein Missverständnis. Die Einheit besteht schon. Sie ist das Ergebnis der Gegenwart des Heiligen Geistes in dem Leib und wir haben sie anzuerkennen und in ihrem Licht zu wandeln. Dies wird unserem Wandel eine große Sicherheit geben. Es ist immer wichtig, einen besonderen Gegenstand vor dem Herzen zu haben und in unmittelbarer Beziehung zu ihm zu handeln. Denken wir an Paulus, diesen ergebenen Arbeiter. Was war sein Ziel? Wofür arbeitete er? Er selbst gibt die Antwort durch die Worte: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch das, was noch fehlt an den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung, deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden: das Geheimnis, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenbart worden ist, denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses sei unter den Nationen, das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit; den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen; wozu ich mich auch bemühe, indem ich kämpfend ringe gemäß seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt in Kraft“ (Kol 1,24-29).
Das war viel mehr als bloße Bekehrung der Seelen, wie kostbar dies auch ist. Paulus predigte das Evangelium mit einem direkten Blick auf den Leib Christi, und das ist das Vorbild für alle Evangelisten. Auch wir sollten bei der Predigt des Evangeliums stets die Einverleibung der Seelen in den einen Leib durch den einen Geist vor Augen haben. Wir sollten nicht verschiedene Kirchen, sondern nur den einen Leib kennen, weil wir im Neuen Testament nichts anderes finden. Jemand mag zur Bekehrung von Hunderten gebraucht werden (was gewiss ein sehr kostbares Werk ist), aber wenn er nicht die Einheit des Leibes kennt, muss er wegen ihres weiteren Loses in Ungewissheit sein. Dies ist für beide Teile sehr wichtig – für ihn selbst wie für sie und auch für das Zeugnis für Christus.