Schriften von Charles Henry Mackintosh
2Chr 34-35 - Josia und seine Zeit
2Chr 33,22-25 - Teil 12Chr 33,22-25 - Teil 1
Viele Jahrhunderte sind vergangen, seit König Josia lebte und regierte; aber seine Geschichte ist voll von Belehrung, die nie ihre Frische und ihren Ernst verliert. Der Zeitpunkt seiner Thronbesteigung war besonders düster und schwierig. Die immer größer gewordene Verderbnis hatte ihren Höhepunkt erreicht, und das lange in göttlicher Geduld und Langmut zurückgehaltene Gericht stand im Begriff, mit schrecklicher Strenge über die Stadt Davids hereinzubrechen. Auf Hiskias herrliche Regierung war ein langer und furchtbarer Zeitraum von 55 Jahren unter der Herrschaft seines Sohnes Manasse gefolgt. Bei ihm konnte die Zucht Buße und Besserung bewirken, aber kaum hatte er das Zepter aus der Hand gelegt, als sein gottloser und unbußfertiger Sohn Amon tat, „was böse war in den Augen des HERRN, wie sein Vater Manasse getan hatte. Und Amon opferte allen geschnitzten Bildern, die sein Vater Manasse gemacht hatte, und diente ihnen. Und er demütigte sich nicht vor dem HERRN, wie sein Vater Manasse sich gedemütigt hatte, sondern er, Amon, häufte die Schuld. Und seine Knechte machten eine Verschwörung gegen ihn und töteten ihn in seinem Haus. … Und das Volk des Landes machte Josia, seinen Sohn, zum König an seiner statt“ (2Chr 33,22-25).
So befand sich also Josia, ein Kind von acht Jahren, auf dem Thron Davids, und zwar umgeben von dem angehäuften Übel und den Verirrungen seines Vaters und Großvaters, ja selbst von den Formen des Verderbens, das von keiner geringeren Person als von Salomo selbst eingeführt worden war. Wenn der Leser für einen Augenblick 2. Könige 23 nachschlagen will, wird er ein auffallendes Gemälde von dem Zustand der Dinge zu Beginn der Geschichte Josias finden. Dort sehen wir Götzenpriester, „die die Könige von Juda eingesetzt hatten und die auf den Höhen, in den Städten von Juda und in der Umgebung von Jerusalem geräuchert hatten; und die, die dem Baal, der Sonne und dem Mond und dem Tierkreis und dem ganzen Heer des Himmels räucherten“ [2Kön 23,5].
Erwäge dies, mein Leser! Bedenke, dass Judas Könige Priester einführten, um dem Baal zu räuchern, und erinnere dich zugleich, dass jeder dieser Könige die Verpflichtung hatte, „sich eine Abschrift dieses Gesetzes in ein Buch (zu) schreiben … Und es soll bei ihm sein, und er soll alle Tage seines Lebens darin lesen, damit er den HERRN, seinen Gott, fürchten lerne, um zu beobachten alle Worte dieses Gesetzes und diese Satzungen, sie zu tun“ (5Mo 17,18.19). Aber es waren ferner auch Rosse da, „die die Könige von Juda der Sonne gesetzt hatten am Eingang des Hauses des HERRN“, und Wagen der Sonne, ferner Höhen, „die Salomo, der König von Israel, der Astoret, dem Scheusal der Sidonier, und Kamos, dem Scheusal Moabs, und Milkom, dem Scheusal der Kinder Ammon, gebaut hatte“ (2Kön 23,11.13).
Alles dies ist sehr ernst, und es ist wert, dass der christliche Leser darüber nachdenkt. Wir sollten nicht darüber hinweggehen wie über ein bloßes Bruchstück der alten Geschichte oder als läsen wir die geschichtlichen Berichte von Babylon, Persien, Griechenland oder Rom. Es verwundert uns nicht, dass die Könige dieser Reiche dem Baal räucherten, Götzenpriester einsetzten und das Heer des Himmels anbeteten. Aber wenn wir die Könige von Juda, die Söhne und Nachfolger Davids, die Kinder Abrahams, denen das Gesetzbuch Gottes zugänglich war und die die Pflicht hatten, dieses Buch zum Gegenstand ihres gründlichen und ständigen Forschens zu machen – wenn wir solche Männer unter die Macht des finsteren und herabwürdigenden Aberglaubens sinken sehen, dann ist das auch für uns eine Warnung, die wir nicht ungestraft abweisen können. Wir sollten uns dabei stets erinnern, dass alle diese Dinge zu unserer Belehrung geschrieben sind. Wenn auch gesagt werden kann, dass wir nicht in die Lage kommen, dem Baal zu räuchern oder das Heer des Himmels anzubeten, so dürfen wir doch versichert sein, dass wir nötig haben, die Ermahnungen und Warnungen zu beachten, die der Heilige Geist in der Geschichte des Volkes Israel an uns richtet. „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (1Kor 10,11). Obwohl diese Worte des inspirierten Schreibers unmittelbar auf die Geschichte Israels in der Wüste Bezug haben, mögen sie dennoch ihre Anwendung auf die ganze Geschichte dieses Volkes finden und von Anfang bis Ende ein geschichtlicher Schatz voll tiefster Belehrung sein.
Aber als was müssen wir alle diese großen und schrecklichen Übel ansehen, in die Salomo und seine Nachfolger gezogen wurden? Was war ihr Ursprung? Vernachlässigung des Wortes Gottes. Das war die Quelle alles Unheils und aller Sorge. Möchte die ganze Kirche sich das merken! Die Vernachlässigung der Heiligen Schrift war die entsetzliche Quelle aller jener Verirrungen und Verderbnisse, die die Blätter der Geschichte Israels beflecken und um derentwillen der HERR in seiner Regierung oft so schwere Zucht ausüben musste. „Was das Tun des Menschen anlangt, so habe ich mich durch das Wort deiner Lippen bewahrt vor den Wegen des Gewalttätigen“ (Ps 17,4). „Weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die imstande sind, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2Tim 3,15-17). Bei diesen beiden angeführten Stellen haben wir das Wort Gottes in seiner zwiefältigen Kraft dargestellt: Es bewahrt uns nicht nur vollkommen vor allem Bösen, sondern es bereitet uns auch zu, allem Guten vollkommen zu; es bewahrt uns vor den Wegen des Gewalttätigen und leitet uns in den Wegen Gottes.
Wie wichtig ist daher das fleißige, ernste und andächtige Forschen in der Heiligen Schrift! Mit welch einem Ernst wird dies dem alten Volk Gottes eingeprägt! Wie oft dringen die Worte an sein Ohr: „Und nun, Israel, höre auf die Satzungen und auf die Rechte, die ich euch zu tun lehre, damit ihr lebt und hineinkommt und das Land in Besitz nehmt, das der HERR, der Gott eurer Väter, euch gibt. Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des HERRN, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete. Eure Augen haben gesehen, was der HERR wegen Baal-Peor getan hat; denn alle Männer, die Baal-Peor nachgegangen sind, hat der HERR, dein Gott, aus deiner Mitte vertilgt; ihr aber, die ihr dem HERRN, eurem Gott, anhingt, seid heute alle am Leben. Siehe, ich habe euch Satzungen und Rechte gelehrt, so wie der HERR, mein Gott, mir geboten hat, damit ihr so tut inmitten des Landes, wohin ihr kommt, um es in Besitz zu nehmen. Und so haltet sie und tut sie! Denn das wird eure Weisheit und euer Verstand sein vor den Augen der Völker, die alle diese Satzungen hören und sagen werden: Diese große Nation ist ein wahrhaft weises und verständiges Volk. Denn welche große Nation gibt es, die Götter hätte, die ihr so nahe wären wie der HERR, unser Gott, in allem, worin wir zu ihm rufen? Und welche große Nation gibt es, die so gerechte Satzungen und Rechte hätte wie dieses ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege? Nur hüte dich und hüte deine Seele sehr, dass du die Dinge nicht vergisst, die deine Augen gesehen haben, und dass sie nicht aus deinem Herzen weichen alle Tage deines Lebens! Und tue sie deinen Kindern und deinen Kindeskindern kund!“ (5Mo 4,1-9).
Man beachte wohl, dass „Weisheit und Verstand“ einfach darin besteht, die Gebote Gottes wohl im Herzen zu bewahren! Dies sollte die Grundlage der sittlichen Größe Israels angesichts der sie umgebenden Völker sein. Das war keine Lehre der Schulen Ägyptens oder der Chaldäer, sondern die Kenntnis des Wortes Gottes und das Aufmerken darauf, der Geist des unbedingten Gehorsams in allen Dingen unter die heiligen Gebote und Satzungen des HERRN, ihres Gottes. Das war Israels Weisheit, ihre wahre Größe, ihr unüberwindliches Bollwerk gegen jeden Feind und ihre moralische Sicherheit gegen jedes Volk.
Und ist in der Gegenwart nicht dasselbe heilsam für das Volk Gottes? Ist nicht der Gehorsam gegen das Wort Gottes unsere Weisheit, unser Schirm und der Grund aller wahren moralischen Größe? Ganz gewiss. Unsere Weisheit ist, zu gehorchen. Die gehorsame Seele ist weise, sicher, glücklich und fruchtbringend. Wie es einst war, so ist es heute. Wenn wir die Geschichte Davids und seiner Nachfolger erforschen, so werden wir ohne Ausnahme finden, dass diejenigen, die den Geboten Gottes gehorchten, sicher, glücklich, wohlhabend und einflussreich waren. Und so wird es immer sein. Der Gehorsam wird stets seine köstlichen duftenden Früchte tragen, wenn auch diese Früchte nie der Beweggrund zum Gehorsam sein dürfen.
Nun ist es klar, dass wir, um dem Wort Gottes gehorsam zu sein, mit ihm bekannt sein müssen und dass, um diese Bekanntschaft zu erlangen, unbedingt ein sorgfältiges Forschen nötig ist. Wie sollen wir nun darin forschen? Mit dem ernsten Verlangen, den Inhalt des Wortes zu verstehen, mit einer tiefen Ehrfurcht vor seiner Autorität und mit der aufrichtigen Absicht, seinen Vorschriften – koste es, was es wolle – zu gehorchen. Wenn wir die Gnade haben, auch nur in geringem Maß in dieser Weise zu forschen, so werden wir ein Wachsen und Zunehmen in Erkenntnis und Weisheit erwarten dürfen.
Aber welch ein schreckliches Maß von Unwissenheit über das Wort Gottes zeigt sich in der Christenheit! Wir sind von diesem Gefühl tief durchdrungen, und es ist der Hauptzweck dieser Zeilen, in der Seele des Lesers ein lebhaftes Verlangen nach einer näheren Bekanntschaft mit Gottes heiligem Wort und eine völlige Unterwerfung seines ganzen Wesens unter dieses vollkommene Panier hervorzurufen. Wir entledigen uns dieser heiligen Pflicht gegenüber den Seelen unserer Leser und gegenüber der Wahrheit Gottes in dem Bewusstsein der Wichtigkeit dieses Gegenstandes. Die Macht der Finsternis ist verbreitet; dem Feind ist es im schrecklichen Umfang gelungen, die Herzen in verschiedene Formen von Irrtum und Bösem zu verstricken, Staub in die Augen der Kinder Gottes zu streuen und die Sinne der Menschen zu verblenden. Zwar haben wir keine Astarot, Kamos und Milkoms, aber wir haben Formen ohne Kraft und entschiedenen Unglauben. Wir haben nicht zu eifern gegen das Räuchern für Baal und gegen die Anbetung des Heeres des Himmels, aber wir haben weit Verlockenderes und Gefährlicheres: Wir haben das Formwesen mit seinen sinnberauschenden und anziehenden Gebräuchen und Zeremonien; wir haben die Rationalisten mit ihren gelehrt erscheinenden Argumenten, und wir haben so viele Arten von Geistersehern, die sich eines Verkehrs mit den Geistern von Verstorbenen rühmen.
Es ist schmerzlich, die Bemühungen zu bemerken, die von verschiedenen Seiten geschehen, um auf die Massen zu wirken und sie zusammenzuhalten. Dem nachdenkenden Christen ist es klar, dass alle, die derartige Anstrengungen machen, einen sehr traurigen Mangel an Glauben an die Macht des Wortes Gottes und des Kreuzes Christi zeigen; und es ist sicher die stetige Anstrengung Satans, die Seelen in Unwissenheit über göttliche Offenbarungen zu halten und ihnen die Herrlichkeit des Kreuzes und der Person Christi zu verbergen. Zu diesem Zweck bedient er sich des Formwesens, des Unglaubens und des Geistersehens in unseren Tagen ebenso wie er sich in den Tagen Josias der Astarot, Kamos und Milkoms bediente. „Es gibt gar nichts Neues unter der Sonne“ [Pred 1,9]. Der Teufel hat immer die Wahrheit Gottes gehasst, und er wird daher kein Mittel ungenutzt lassen, um auf das Herz des Menschen zu wirken. Daher hat er für den einen Formen und Zeremonien, für den anderen Vernunftschlüsse; und wenn beides den Menschen nicht mehr befriedigt, greift er zu einem noch berauschenderen Mittel, nämlich zu dem Umgang und der Gemeinschaft mit den Geistern der Verstorbenen, um durch alle diese Dinge die Seelen von der Heiligen Schrift und dem Herrn abzuhalten, der darin offenbart wird.
Es ist in der Tat erschütternd, an alles dies zu denken und dabei die Schläfrigkeit und Gleichgültigkeit derer zu sehen, die bekennen, die Wahrheit zu besitzen. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, was diesen schläfrigen Zustand mancher Bekenner fördert. Aber wir wünschen durch die Gnade Gottes, sie völlig daraus aufgeweckt zu sehen; deshalb lenken wir ihre Aufmerksamkeit auf diese verschiedenen Einflüsse und auf den einzigen göttlichen Schutz gegen sie. Wir denken mit wehmütigem Ernst an unsere heranwachsenden Kinder, die sich in einer solchen Atmosphäre, wie die uns umgebende, bewegen müssen, die immer dunkler und dunkler wird. Wir möchten auf der Seite der Christen mehr Ernst sehen und die Herzen der Jugend mit der kostbaren und seelenerrettenden Kenntnis des Wortes Gottes versehen. Das Kind Josia und das Kind Timotheus sollten uns zu größerem Fleiß in der Unterweisung junger Seelen anspornen, sowohl im Schoß der Familie als auch in den Sonntagsschulen oder auf welchem Wege wir sie auch erreichen können. Es wird uns nichts nützen, unsere Arme übereinanderzulegen und zu sagen: „Wenn es für Gott Zeit ist, werden unsere Kinder belehrt werden und bis dahin sind unsere Bemühungen vergeblich.“ Das ist ein trauriger Fehler. „Gott … ist denen, die ihn suchen, ein Belohner“ (Heb 11,6). Er segnet unsere mit Gebet begleiteten Bemühungen, unsere Kinder zu unterweisen. Und wer könnte den Segen schätzen, der damit verbunden ist, dass man früh den rechten Weg geführt worden ist, dass der Charakter unter heiligen Einflüssen gebildet und das Herz mit dem, was wahr, rein und lieblich ist, erfüllt worden ist? Wer möchte andererseits die traurigen Folgen schildern, wenn wir erlauben, dass unsere Kinder in Unwissenheit über göttliche Dinge aufwachsen? Wohin wird eine befleckte Einbildungskraft, ein von Eitelkeit, Torheit und Falschheit erfülltes Herz führen, das von Kindheit an mit Anblicken der traurigsten Versunkenheit vertraut ist? Wir gestehen, dass Christen eine schwere und schreckliche Verantwortung auf sich laden, wenn sie dem Feind gestatten, die Herzen der Kinder gerade in der Zeit einzunehmen, wenn sie noch bildsam und empfänglich sind.
Zwar darf die belebende Macht des Heiligen Geistes dabei nicht fehlen: Auch Kinder von Christen müssen wie alle anderen von neuem geboren werden. Aber hebt diese Tatsache unsere Verantwortung über unsere Kinder auf? Lahmt sie unsere Anstrengungen oder hindert sie unsere Bemühungen? Keineswegs. Wir sind aus jedem göttlichen und menschlichen Grund berufen, unsere teueren Kleinen vor jedem bösen Einfluss zu schützen und sie in dem, was heilig und gut ist, zu erziehen. Nicht nur bezüglich unserer eigenen Kinder sollten wir so handeln, sondern auch im Hinblick auf die Tausende um uns her, die Schafen gleichen, die keinen Hirten haben und deren jedes sagen kann: „Niemand kümmert sich um meine Seele.“
Möchten diese Bemerkungen vom Geist Gottes benutzt werden, um mächtig auf die Herzen all derer zu wirken, die sie lesen, damit auf diese Weise ein wirkliches Erwachen zu einem Bewusstsein unserer hohen und heiligen Verantwortung für die Seelen um uns her bewirkt würde und sie aufgerüttelt würden aus der schrecklichen Erstarrung und Kälte, über die wir alle zu trauern haben.