Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Unseregegenwärtige Zeit - nach Schluss des Völkerkrieges - im Blick auf dieEreignisse der Endzeit. (Nachwort zur zweiten Auflage)Unseregegenwärtige Zeit - nach Schluss des Völkerkrieges - im Blick auf dieEreignisse der Endzeit. (Nachwort zur zweiten Auflage)
Der Völkerkrieg von 1914-18 mit seinem furchtbaren Ausgange, der Revolution und dem völligen Zusammenbruche Deutschlands, hat sich in seinen ernsten Folgen noch nicht völlig ausgewirkt. Jedenfalls hat er, was jeder, der mit den prophetischen Schriften des Wortes Gottes vertraut war, vorher wissen konnte, nicht die ersehnte Zeit des Weltfriedens herbeigeführt. Er hat vielmehr ein Weltbeben, eine Zeit der Erschütterungen aller Dinge, die andauern wird, „bis daß die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden" (Lk 21,24), eingeleitet. Solange diese „Zeiten der Nationen" noch bestehen, „wird sich Nation wider Nation erheben und Königreich wider Königreich". Ja, bis „das Weltreich unseres Herrn und Seines Christus gekommen sein wird" (Off 11,15; 12,10; 20,4-6), währt, wie geweissagt ist, „bis ans Ende Krieg, ein Festbeschlossenes von Verwüstungen" (Dan 9,26.). So sehen wir denn auch heute, im Gegensatz zu allen Bemühungen aufrichtiger und unaufrichtiger Staatsmänner der „Großen" und „Kleinen Entente" mit ihren „Abrüstungskonferenzen", wie das Kriegsgespenst umherwandelt in der Nähe und Ferne, vielfach mit der Orientalischen Frage im Hintergrunde. Geheim und öffentlich rüsten die Völker, besonders die großen Seemächte England, Nordamerika und Japan, gegeneinander. Die Welt geht offenbar neuen und größeren, auch grausameren Kriegen entgegen, als sie bis jetzt gesehen hat. Der Reiter mit dem „großen Schwerte" naht der Welt auf dem „feuerroten Rosse"; er wird „den Frieden von der Erde wegnehmen". (Off 6,4.)
Der hinter uns liegende Völkerkrieg hat nichts an dem prophetischen Bilde geändert, das wir dem Leser an Hand der „Offenbarung" in unserer vorliegenden Betrachtung gezeigt haben. Die kommenden geschichtlichen Ereignisse im Reiche Gottes und in der Welt sind durch den Krieg in ihrer Reihenfolge nicht verschoben, nur beschleunigt worden. Wir sehen uns daher auch nicht veranlaßt, Änderungen an den Betrachtungen Vorzunehmen.
Deutlicher als je sehen wir denn heute, daß „das Ende aller Dinge nahe gekommen ist", aber noch ist die Zeit der Gnade nicht vorüber, und die eigentlichen Endgerichte sind noch nicht angebrochen. Die ernsten Heimsuchungen, durch die wir gehen, sind die dunklen Schatten, die den schnell nahenden Gerichten des „Tages des Herrn" voraneilen. Zugleich aber sind sie auch noch Weckrufe an die Menschheit, um dem kommenden Zorn zu entrinnen. Noch ist die Kirche, d. h. die Brautgemeinde Christi, die Versammlung Gottes, auf Erden und in ihrer Mitte der Heilige Geist. Diese Zeit gehört also noch zu dem zweiten Teile der „Offenbarung", der kurz mit dem Worte „Was ist" bezeichnet wird. (Off 1,19.)
Nach diesen Bemerkungen von allgemeiner Bedeutung glauben wir, zu einigen Einzelheiten der „Offenbarung", soweit der Völkerkrieg mit seinen ernsten Begleiterscheinungen über sie weiteres Licht gebracht hat, in dieser neuen Auflage unseres Buches kurze Erläuterungen geben zu sollen. Wir sind es unseren Lesern schuldig.
Ein Wort über den jetzigen Stand der „sieben Gemeinden" in ihrer prophetischen Bedeutung.
Die vier letzten Gemeinden oder Versammlungen, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodicäa (Off 2,18 - 3,22) nehmen alle Bezug auf die Wiederkunft des Herrn; sie bleiben, bis Er kommt. — Wie ist nun aber Thyatira, die „Weihrauchspenderin", in der wir die Römische Kirche des Mittelalters vorgebildet sahen, durch den Völkerkrieg so schnell in ihrer Entwickelung zu der vor ihrem Sturz und Gerichte geweissagten Größe und Macht vorgerückt! Die „Jesabel", die sich eine Prophetin nennt — die päpstliche Macht —, welcher Gott im Kriege von 1870/71 noch einmal einen Damm entgegensetzte, ist nun durch den von ihr ersehnten und erstrebten jähen Zusammenbruch Deutschlands und Vornehmlich des Hauses Hohenzollern, mit einem protestantischen Kaiser an der Spitze, rasch zu höchstem Ansehen und großer Machtstellung gelangt. Sie lenkt in Verbindung mit der Sozialdemokratie und Demokratie die Geschicke Deutschlands und die Entschlüsse der Völker. Gott hat also, zum Gericht für die Völker der bekennenden Christenheit, den Damm gegen Rom hinweggenommen; die Papstkirche frohlockt. Sie darf sich nun mit ihrer religiösen und politischen Macht ungehindert über alle christlichen Länder und Völker ausbreiten. Sie findet keinen Widerstand mehr, weder in protestantischen Ländern, noch auch auf die Dauer in Rußland und Griechenland. Dies ist eins der bedeutungsvollsten Zeichen der Zeit. Nur die im lebendigen Glauben in Christus und Sein Evangelium verankerten Herzen beugen sich nicht vor ihr und ihrer Macht. Sie kennen Gottes Gedanken über ihre Erhöhung und ihren Sturz.
Sardes, zu deutsch: „der Überrest", die Gemeinde, die in der Reformation viel „empfangen und gehört", aber durch den Protestantismus einen Todeskeim in sich ausgenommen hatte — denn die erstere war von Gott, die letztere aber ist von Menschen —, ist durch den Zusammenbruch des protestantischen Kaisertums in ihrer inneren Zersetzung schnell vorgeschritten, ja nach außen hin im Lande, das „die Wiege der Reformation" ist, zusammengebrochen. Sie ist auf dem Wege, was den weitaus größeren Teil angeht, hin nach Laodicäa. In den übrigen protestantischen Ländern liegen die Dinge ganz ähnlich, nur daß z. B. in England die Römische Kirche einen größeren Teil von ihr zu sich herüberziehen wird. Das „Kirchlein in der Kirche", wie man vielfach seit Speners Tagen die eigentliche Kirche, „die Gemeinschaft der Heiligen", nennt, wird im Kampfe der Gegensätze von Licht und Finsternis, der seit dem Völkerkriege weit heftiger als zuvor entbrannt ist, nach Philadelphia hin gedrängt werden. Die Geister scheiden sich also mehr und mehr, je näher die Stunde der Entrückung der Gläubigen oder der Heimführung der klugen Jungfrauen zur himmlischen Hochzeit heranrückt.
Laodicäa — zu deutsch: „die Volksgerechte" — wird eine Kirche oder Christenheit ohne Christus sein. Nach dem Zusammenbruch der Staats- oder Landeskirche, in welcher noch die Theologen aus Kanzel und Lehrstuhl auf ein orthodoxes Bekenntnis zu Christo, dem Sohne Gottes, und zur Heiligen Schrift als dem Worte Gottes, verpflichtet wurden, steht heute der Mehrzahl der protestantischen Führer als Ideal „eine weitherzige Volkskirche" vor Augen. In ihr soll „eine einheitliche, gemeinsame Weltanschauung" herrschen. Sollte auch an dem weiten Portal dieser Volkskirche, bildlich geredet, die vielumstrittene und mehr als dehnbare Formel: „Christus der Herr" als Inschrift stehen, so wird doch Christus als der Sohn Gottes, der für unsere Sünden gestorben und auferstanden und nun zur Rechten Gotte- thront, nicht mehr hier anerkannt werden, vor allem dort nicht der Mittelpunkt sein. Er wird, draußen stehend, nur noch an die Tür der Einzelnen anklopfen können. Und so wird Er Laodicäa als Ganzes „aus Seinem Munde ausspeien" und, als „Salz, das unsalzig geworden", hinauswerfen, um „zertreten zu werden".
An Philadelphia, zu deutsch: „die Bruderliebe", wird der Herr, ihr Erlöser und Haupt, bei ihrer „kleinen Kraft" trotz der zunehmenden Macht der Finsternis, das Wort erfüllen: „Siehe, Ich habe vor dir gegeben eine geöffnete Tür, die niemand zu schließen vermag." Ihr gilt, wie das Wort der Anerkennung: „Du hast Mein Wort bewahrt und Meinen Namen nicht verleugnet", noch immer das kostbare Wort der Verheißung: „Ich werde dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird." Dabei erinnert Er die Seinigen neu an Seine, ihnen oft verheißene Wiederkunft, um sie zu entrücken vor dem kommenden Zorn, und sagt: „Ich komme bald!"
Auf Ihn, den Bräutigam, laßt uns alle mit umgürteten Lenden und brennender Lampe Tag für Tag warten. Dies ist ja die glückselige Hoffnung aller, die von Herzen „glauben, daß Jesus der Sohn Gottes ist", und die, „weil sie die Brüder lieben, aus dem Tod in das Leben hinübergeschritten sind". Sie dürfen und sollen mit dem Heiligen Geiste, der in ihnen wohnt, täglich den Herrn erwarten zur Seligkeit.
Wie steht's jedoch heute um diese Hoffnung?
Ach, während der Ruf: „Herr Jesu, komm!" weiter und weiter seine Runde um die Erde macht, haben manche gläubige Herzen, darunter auch einige Führer, ihre Hoffnung auf das Kommen des Herrn vor den Endgerichten aufgegeben. Den Völkerkrieg, die Teuerung, das große Sterben halten sie schon für die Reiter auf rotem, schwarzem und fahlem Pferde, die über die Erde ziehen (Off 6,3-8.). Die Dreiteilung des Buches (Off 1,19), dessen dritter Teil heißt: „Was nach diesem geschehen muß" (Off 4,1), beachten sie nicht. Vor allem sehen sie nicht, daß die Kirche Christi, Seine Braut, nicht zur Welt und nicht zu Israel gehört, über die, um ihrer Verwerfung Christi willen, der „Tag des Herrn" und der „Zorn Gottes" mit seinen Endgerichten kommen soll. Christi Braut steht auf Gottes Seite und ist Christi „Fülle" oder „Vollendung" (Eph 1,23). Sie ist himmlisch in ihrer Berufung, Segnung und Stellung. Sie gehört zu Ihm, dem Haupte, das schon in den Himmel entrückt ist. Und wie Seine Entrückung — und vorher schon Seine Auferstehung — für die Welt unsichtbar war, so wird es auch mit ihrer Entrückung sein, der Seines „Leibes". Schon bei den Gläubigen in Thessalonich hatte der Feind die Herzen vorübergehend um ihre Hoffnung betrogen; sie glaubten infolge ihrer Drangsale in ihren Verfolgungen, daß „der Tag des Herrn" mit den Endgerichten schon angebrochen sei (2Thes 2,2.). Bekanntlich hat der Apostel sie aber in seiner zweiten Epistel von ihrem Irrtum zurückgeführt. Er zeigte ihnen, daß dieser „Tag" erst dann anbrechen werde und der „Gesetzlose" (der Antichrist) erst dann in Erscheinung treten könne, wenn der allgemeine „Abfall" von Gott und Christo eingetreten und „das, was zurückhalte" und „der, welcher zurückhalte", hinweggetan worden sei. Diese beiden „zurückhaltenden" Mächte sind jedenfalls die Gemeinde Christi, samt dem durch ihre Gebete gestärkten Arme der Obrigkeit, und die Person des Heiligen Geistes.115 Nun ist allerdings durch den Zusammenbruch Deutschlands, des geordnetsten und machtvollsten Staates Europas, ein starkes Bollwerk gegen die Macht der „Gesetzlosigkeit" — als ein Gericht von Gott — zur Einleitung der Endgerichte, gefallen. Aber die Gemeinde Christi und der Geist Gottes selbst sind noch hier und rufen Christo, dem bald aufgehenden „Morgenstern", täglich entgegen: „Komm!"
Der Niedergang des geistlichen Lebens inmitten der Gläubigen in unseren Tagen zeigt aber, wie der Zuruf des Herrn: „Halte fest, was du hast, auf daß niemand deine Krone nehme!", so nötig ist.
Der Reiter auf dem weißen Pferd.
Erst wenn Christus, das Lamm, inmitten der Erlösten, die Er zuvor zu sich hinaufgenommen hat, von dem siebenmal versiegelten Buche der Gerichte das erste Siegel bricht, kommt der erste Reiter hervor, auf weißem Roß, mit einem Bogen in der Hand. Auf die Frage, ob dieser siegreiche Reiter, dem zuletzt eine Krone gegeben wird, bereits erschienen sei, und wer er sei, können uns die Freunde, welche behaupten, daß die ihm nachfolgenden Reiter, der Krieg, die Teuerung und der Tod, jetzt bereits erschienen seien, keine oder jedenfalls keine befriedigende Antwort geben. Auch dies ist unter anderm ein Beweis dafür, daß ihre Annahme, wir ständen schon in den Tagen der Endgerichte, irrig sein muß.
Aber in der Tat scheint sich heute der Tag sichtlich schnell zu nähern, da dieser Reiter auf weißem Pferd über die Weltbühne reitet. Die Demokratie kommt, so will es uns scheinen, insofern sie den Völkern Frieden und Wohlfahrt verheißt, auf weißem Rosse daher und wird sich im Sturm, oft auch ohne blutige Revolution, die Herzen der Massen erobern. Wir sehen schon ihren Siegeszug durch die Länder. Nur ist ihr noch nicht die „Krone" gegeben worden. Erst nach dem allgemeinen Umsturz, der bei der Eröffnung des sechsten Siegels erfolgt (Off 6,12-17), wird, wie uns die Offenbarung später belehrt, aus dem Völkermeere ein Diktator aufsteigen, der den im Westen Europas entstehenden Zehn- staatenbund mit starker Hand zusammenschweißen wird. Dieser wird dann, obwohl selbst ein Mann des Volkes und nicht aus einem Herrscherhaus stammend, eine Krone empfangen (Off 13,1; 17,12.). Wie bald mag dies sein! Der seit dem Ausgang des Krieges geplante und zum Teil schon gebildete „Völkerbund" mit seiner Gewaltherrschaft und Ungerechtigkeit weist darauf hin. „Die Ströme und die Wasserquellen", die zu tödlichem „Wermut" wurden, (Off 8,10.11.)
Wir greifen weitere Einzelheiten heraus, um über sie, wie wir oben sagten, soweit die gegenwärtige Zeit nach dem Krieg und Umsturz mit ihren traurigen Begleiterscheinungen neues Licht auf sie wirft, einige erläuternde Worte oder Gedanken auszusprechen.
Wie wir früher schon sagten, werden „die Ströme" und „Quellen", die einst anerkannte Ausgänge des Heils und Segens für Volk und Land waren, Gift und Verderben aussenden, wodurch jung und alt sittlich zugrunde gerichtet werden. Die letzten Jahre haben uns in erschreckendem Maße gezeigt, wie schnell, die Vergiftung möglich sein kann: Aus den Schulen sollen nicht nur die Bibeln und die Unterweisungen aus Gottes Wort verbannt werden, auch der Name Gottes selbst soll aus allen Unterrichtsbüchern verschwinden. Nicht mehr zu Gott will man Hinfort die Kinder führen, sondern sie für den Sozialismus und das Antichristentum und den Atheismus gewinnen. Dazu führt auch die Presse vielfach durch eine weitverbreitete Schundliteratur den Schlamm der Sittenlosigkeit in Stadt und Land in die Häuser. Und von den Gesetzgebern fordern Tausende die Aushebung gewisser Paragraphen des Strafgesetzbuches, die noch ein Damm waren gegen die verderbliche Flut von Sünde und Tod, so die Strafe gegen die Vernichtung des keimenden Lebens, gegen die Unzucht der Sodomiterei und gegen die Gotteslästerung u. a. m.
Wenn aber Schule und Familie, Presse und Gesetzgebung vergiftet werden, so werden in der Tat „viele Menschen" dem Tod und Verderben nach Leib und Seele überliefert. — Wir könnten auch noch die Kunst nennen, die ehedem vielfach als eine Quelle des Segens galt. Das Kino und Theater richten heute unnennbares Unheil an und richten Tausende nach Leib, Seele und Geist zugrunde. Weiter ist selbst das, was man heute vielfach noch als Religion und Ethik (Sittenlehre) anpreist, schon vielfach eine Unterweisung zum Antichristentum und modernen Heidentum. Dazu kommt eine über die ganze Welt gehende Flutwelle des Spiritismus, die zahllose Menschen niemals zu Gott und zur ewigen Seligkeit, wohl aber viele ins Irrenhaus bringt und Satan und seinen Dämonen überliefert. Doch genug hierüber an diesem Orte!
Die Befreiung Palästinas.
Der Völkerkrieg hat als größtes weltgeschichtliches Ereignis, das vielleicht das größte ist seit zwei Jahrtausenden, die Befreiung Palästinas von der türkischen Herrschaft herbeigeführt. Was der Zionismus seit Jahrzehnten erstrebte, aber wohl stets ein Traum geblieben wäre, soweit Menschen in Frage kommen, das hat Gott durch Sein Eingreifen nun schnell zustande gebracht durch die Erregung des Meeres der Völkerwelt und den Völkerkrieg (Jes 17,12; Sach 1,7-17.). Israel, das Wundervolk, ist der Zeiger an der Weltenuhr und auch der Barometer in der Weltgeschichte. Sein Ergehen und seine Geschichte zeigt uns, wieviel Uhr es überhaupt ist auf Erden. Palästina ist also durch den Vertrag von San Remo den Juden als ihre alte nationale Heimat freigegeben und ist, unter englischer Oberhoheit stehend, nun ein selbständiger Staat. Die Zionisten und mit ihnen die Juden der ganzen Welt jubeln darüber. Ein Rabbi aus Chicago telegraphierte in diesem Jubel an einen Rabbiner in Berlin: „Sei froh und stolz mit dem ganzen Judentum, denn wir können nun von der Auferstehung der Toten reden." Er dachte dabei gewiß an das bekannte Gesicht des Propheten Hesekiel (Hes 37.). Ja, „Er, der Israel zerstreut hat, wird es wieder sammeln" (Jer 31,10.). Palästina wird als „Erez-Israel" (Land Israel) „der Mittelpunkt (buchstäblich „die Nabe") der Erde" sein (Hes 37,12). Von ihm aus wird „das Gesetz ausgehen", und „in seinem Licht werden die Nationen wandeln" (Mich 4,1-3; Off 21,24.). So steht geschrieben: „Es wird geschehen, Haus Juda und Haus Israel, gleichwie ihr ein Fluch unter den Nationen gewesen seid, also werde Ich euch retten und ihr werdet ein Segen sein." (Sach 8,13.) Bis dahin muß das jüdische Volk gerade in Palästina, über dessen endlichen Besitz es frohlockt, noch einen blutigen Weg gehen, Furchtbares erdulden. Der Ruf über Christus: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!" war allzu furchtbar. Es muß „die Blutschuld Jerusalems aus dessen Mitte hinweggefegt werden durch den Geist des Gerichts und des Vertilgens" (Jes 4,4.). Der Strom der Einwanderer ins Land der Väter setzt schon ein, aber unter mancherlei Widerständen und im Unglauben. Gott hat von dieser gegenwärtigen Zeit gesagt: „Ich will stille sein und zuschauen." (Jes 18,4-6.) Darauf kommt eine ernste Zeit über Palästina und die Juden dort, ehe Zion zugerufen werden kann: „Dein Gott herrscht als König!" (Jes 52,1.7.) Die „Heilige Stadt" muß noch weiter von den Nationen zertreten werden, da sie heute noch „geistlicherweise Sodom und Ägypten heißt, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde" (Off 11,2.8.). Vorläufig kleidet sich Jerusalem, dessen Weichbild bedeutend erweitert wird, in ein modernes Gewand mit Licht- und Wasseranlagen; Schulen werden errichtet, in denen in hebräischer Sprache unterrichtet wird. Ebenso erscheinen Zeitungen in der Sprache der Väter, zu einer jüdischen Universität ist die Grundlage gelegt, und im ganzen Lande werden Straßen und Eisenbahnen gebaut, und die Häfen von Jaffa und Haifa ausgebaut.
Gott hat jedenfalls durch den Völkerkrieg der ganzen Welt, soweit sie Augen hat zu sehen, zwei mächtige Beweise gegeben, daß der Zeiger der Weltuhr schnell um ein großes Stück vorgerückt ist: der rasche und mächtige Aufstieg der Papstkirche, von dem wir vorhin redeten, im Westen, und die Befreiung Palästinas im Osten. Rom und Jerusalem, das eine für die religiöse Welt, das andere für die politische Welt, sind gewaltige Zeichen der Zeit. Es nahen:
Das Römische Weltreich und der Antichrist.
Die ganze Welt, die religiöse und die politische, ruft nach einem Führer, nach zwei starken Männern, die der Ratlosigkeit und Zerfahrenheit der Zeit ein Ende machen sollen; denn Gott leugnen sie, und Christus, den Retter, verwerfen sie. Die beiden ersehnten Führer werden kommen; nur nennt Gottes Wort sie beide: „Tiere". Wir haben ausführlich darüber geredet. Wir können uns daher hier kurz fassen. Neu ist nur, daß in dem sozialistisch-demokratischen Völkerbunde, dessen Gewaltherrschaft sich schon geltend macht, der Anfang sich zu bilden scheint von dem kommenden Zehn-Staatenbunde des Römischen Reichs. Bemerkenswert ist dabei noch der starke Einfluß Frankreichs, das die Führerschaft in Europa übernommen hat. Die Hoffnung auf die Wiederherstellung des Römischen Reiches lebt unter den „lateinischen" Völkern (Italien, Spanien, Portugal u. a.) neu auf. Die Zeitschrift „Le Siècle“ schrieb schon 1911: „Durch das einheitliche Bündnis der lateinischen Völker ... ist nur wieder zu gewinnen, was verloren worden: die absolute Weltherrschaft.... Zwischen den »sieben Hügeln* vollziehen sich Wunder. Rom ist für die Ewigkeit organisiert, bis ins Kleinste. Sie wollen die Weltherrschaft, und sie werden sie haben." Die päpstliche Diplomatie, die sogar die südamerikanischen katholischen Staaten dem lateinischen Völkerbunde Europas angliedern will, leiht diesem ihre starke, segnende Hand zur Erreichung seiner Ziele. Und seitdem Frankreich in die Arme des Papstes zurückgekehrt ist, steht dieser sichtlich hinter dessen gewalttätigem Vorgehen, das schon den grausamen Charakter des neu erstehenden Römischen Weltreiches, wie er in Daniel 7,7 geschildert wird, zur Schau trägt. Die Kirche Roms, die sich der Sozialdemokratie und Demokratie geschickt anzupassen und sich ihrer dabei doch zu bedienen weiß, wird schließlich „das Weib" sein „in Purpur, Scharlach und Gold", das auf dem „Tiere aus dem Abgrund" reitet und es lenkt, bis sie von Gottes gerechtem Gericht ereilt wird. (Off 17 u. 18.)
Neu ist ferner, daß das republikanische Frankreich, gleichzeitig mit der Hinwendung nach Rom, jetzt unter einer monarchischen Strömung steht: „Hin zum Cäsar" („Vers le Cäsar"). Diese Bewegung feierte anläßlich des 1OO. Todestages Napoleons I. im Mai d. I. einen großen Triumph.
Wie sich im Westen die Umrisse des neu erstehenden kommenden vierten Weltreiches zeigen, so haben wir im Osten, wie wir vorhin zeigten, die Anfänge des kommenden verheißenen Judenstaates, der durch den jüdischen Antichristen regiert werden wird. Bezeichnend ist, daß schon ein Jude an der Spitze des Staates ist. Seine Art und Weise ist allerdings zunächst „gleich einem Lamme". Der kommende Antichrist, einer seiner Nachfolger, wird aber, wenn er auch zunächst wie ein Lamm auftreten wird, bald „reden wie ein Drache" (Off 13,11.). Er wird, wie wir bereits in unserer Betrachtung zeigten, gleichfalls ein Jude sein. Darum wird er auch, wie wir noch hinzufügen möchten, „der Gesetzlose" genannt (2Thes 2,8); denn Gott gab nur den Vätern, den Juden, „das Gesetz", das der Antichrist verachtet. Wie gottlos und grausam „der Gesetzlose" sein wird, zeigen schon seine Vorläufer: die zumeist jüdischen Führer der Revolution und des Kommunismus in allen Ländern, besonders aber in Rußland.116
Weitere, sich anbahnende Staatengebilde des prophetischen Wortes.
Christus, der Herr, der den abtrünnigen Juden das Auftreten des Antichristen voraussagte, welcher, „in seinem eigenen Namen kommend", von ihnen ausgenommen werden würde (Joh 5,43), weissagte ihnen auch die Herstellung Israels als Nation im Bilde von dem wieder blühenden Feigenbaum. Hierbei deutet Er auch an, daß die übrigen Völker, die verschwunden sind, gleichfalls wieder aufstehen werden. Er sagt: „Sehet den Feigenbaum und alle Bäume; wenn sie schon ausschlagen, so erkennet, daß der Sommer schon nahe ist." (Lk 21,29.)
Nun ist bemerkenswert, wie im Norden von Palästina und im Süden, wo nach dem prophetischen Worte „der König des Südens" und „der König des Nordens" (Dan 11,40) ihre Länder haben werden, seit dem Völkerkriege neue selbständige Reiche hervortreten. England will seine Oberhoheit von Ägypten, das im Süden von Palästina liegt, zurück- ziehen, daß es ein selbständiges Königreich werde, mit dem es nur in einem Bundesverhältnis stehen möchte, und gleichzeitig hat es im Norden ein arabisches Königreich errichtet, ein Königreich Bagdad oder Mesopotamien. Hiermit wird das Königreich von Syrien, das wiederkommen muß, seinen ersten Anfang genommen haben.
Bezeichnend ist ferner, wie in den letzten Jahren in Ägypten und nun auch in Mesopotamien, am Euphrat und Tigris, durch Kanalisation und Stauwerke die Fruchtbarkeit dieser Reiche oder Länder gehoben wird. Wenn erst der antichristische Judenstaat in Palästina bestehen wird, dann werden die genannten Reiche des Nordens und Südens, mit Rußland und England in ihrem Rücken, unter sich und auch mit dem Römischen Reiche im Westen um den Besitz Palästinas blutige Kriege führen.
Hiermit möchte der Schreiber von dem Leser Abschied nehmen; wir stehen beide gewiß unter dem starken Eindrücke des furchtbaren Ernstes unserer Zeit und der Weltwende. Mehr und mehr gleicht die Welt den Tagen von Noah und von Sodom. Je dunkler es aber hienieden wird und je trostloser, um so sehnsuchtsvoller rufen der Geist und die Braut dem Herrn entgegen: „Komm!" Er aber ruft um so deutlicher von Seinem Throne aus: „Ja, Ich komme bald."
115 Näheres siehe darüber in des Verfassers Schriftchen: Prophetische Fragen Heft l: „Ist der Tag des Herrn bereits angebrochen?"↩︎
116 Das zweite Heft der „Prophetischen Fragen" behandelt den vorliegenden Gegenstand: „Der Antichrist".↩︎