Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 16 - Die sieben ZornesschalenOff 16 - Die sieben Zornesschalen
Eines der vier „lebendigen Wesen" (Off 4; 5) reicht nun den sieben Engeln die goldenen Schalen, weil es sich hier noch um die richterliche Macht Gottes als Schöpfer handelt. Aber die Aufforderung an die Engel, die sieben Schalen des Grimmes Gottes nun auf die Erde auszu- gießen, erfolgt durch eine laute Stimme aus dem Innern des Tempels.
Das Verhältnis der „sieben Posaunen" zu den „sieben Zornesschalen"
Ehe wir über die Zornesschalen im einzelnen reden, wird es gut sein, etwas über deren allgemeine Bedeutung zu sagen. Ihre Zahl ist dieselbe wie die der Siegel und Posaunen, sieben, also die der Vollständigkeit und Vollkommenheit in ihrer Mannigfaltigkeit. Aber während die sieben Posaunen mit ihren Gerichten aus dem siebenten Siegel hervorgingen, somit gleichsam die Entfaltung oder Fortsetzung des siebenten Siegels sind, sind die sieben Zornesschalen nicht die Ausführung oder Fortsetzung der siebenten Posaune. Die sieben Posaunen erstrecken sich ja mit ihren Gerichten und Ereignissen bis hin zu dem Augenblick, da Christus in Macht und Herrlichkeit herabkommt auf die Erde zu Seinem Reiche (Off 11,15-18.). Nur wird dort das Reich selbst noch nicht im einzelnen geschildert, da noch Ereignisse zu berichten waren, die der Wiederkunft Christi und Seinem Reiche vorangehen.
Die sieben Zornesschalen, in denen das Gericht Gottes vor dem Reiche zum Abschluß kommt, da sie die sieben „letzten Plagen" sind, erstrecken sich gleichfalls, wie die Posaunen, bis hin zur Aufrichtung des Reiches. Sie fallen also hinsichtlich der Zeit teilweise oder ganz mit denen der sieben Posaunen zusammen, nur beginnen sie später als diese, nehmen also eine kürzere Zeitperiode in Anspruch. Sie sind die Schlußgerichte.
Man beachte, wie die sieben Zornesschalen die gleiche Reihenfolge der Gerichte zeigen, wie zuvor die sieben Posaunen.
Wir zählen die Gerichte hier auf:
Gericht über die Erde:
1. Posaune: Off 8,7; 1. Zornesschale: Off 16,2.
Gericht über das Meer:
2. Posaune: Off 8,8.9; 2. Zornesschale: Off 16,3.
Gericht über Ströme und Wasserquellen:
3. Posaune: Off 8,10.11; 3. Zornesschale: Off 16,4-7.
Gericht über die Sonne (und den Mond):
4. Posaune: Off 8,12; 4. Zornesschale: Off 16,8.9.
Dunkelheit mit Qualen ohne Tod:
5. Posaune: Off 9,1-11; 5. Zornesschale: Off 16,10.11.
Einfall feindlicher Mächte vom Euphrat her:
6. Posaune: Off 9,13-21; 6. Zornesschale: Off 16,12-16.
Einführung des Reiches Christi:
7. Posaune: Off 11,15-18; 7. Zornesschale: Off 16,17 - 20,6.
Zugleich zeigen sich allerdings zwischen den Posaunen und den Zornesschalen auch Verschiedenheiten. Aber die Übereinstimmung des Fortganges ist so auffallend, daß wir, mit vielen Auslegern, die Gerichte der sieben Zornesschalen nicht eigentlich als neue Gerichte ansehen können, vielmehr glauben, daß uns der Herr durch diese Wiederholung nur zeigen will, wie die Gerichte der sieben Posaunen gegen Schluß ernster und schwerer und auch hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung fort und fort größer werden. Jedenfalls müssen die Gerichte der Posaunen, da sie sich, wie wir schon sagten, auch ausdehnen bis zur Einführung des Reiches, gleichzeitig mit denen der Zornesschalen sein, nur daß diese letzteren erst später einsetzen und räumlich weiter gehen.
Wir haben hier also, wie oft in der „Offenbarung", keine chronologische, d. h. zeitlich aufeinanderfolgende, sondem eine zyklische, d. h. eine nach Kreisen geordnete Darstellung der Ereignisse.
Die sieben Zornesschalen.
Betrachten wir nun noch kurz die sieben Zornesschalen näher:
Die erste Schale ergießt sich über die Erde (Off 16,1-2), d. h. über das Gebiet geordneter Zustände. Ob die Plage, das Geschwür, nur am Leibe sein wird, wie einst bei den Ägyptern und bei den Philistern, was wohl möglich ist, denn Gott demütigt den Stolzen und bringt Schmach und Verachtung über den Spötter, oder ob das Geschwür bildlich zu verstehen ist und eine innere Pein und Not bedeutet, einerlei, es ist ein ernstes Gericht, das über alle kommt, die das Malzeichen des Tieres angenommen haben.
Die zweite Schale kommt über das Meer (Off 16,3), d. h. über die Masse der Völker, denn Gottes Gerichte bleiben nicht auf das „Tier", d. h. das Römische Weltreich, und seine Anbeter beschränkt. Nein, das ganze Völkermeer wird sich durch das Blutvergießen röten: „das Meer wurde zu Blut".
Die dritte Schale kommt über die Ströme und Wasser quell en (Off 16,4-7), d. h. über die Quellen der Erquickung und des Segens der Erde. Bei der dritten Posaune (Off 16,8.10.11) waren Gottes Gerichte auch schon über diese gekommen, aber nur über den dritten Teil der Erde, und dabei waren diese nur bitter geworden, jetzt aber werden sie in Blut verwandelt, sie bringen den Tod, und zwar auf der ganzen Erde. Die Stimme des „Engels der Wasser" (wohl eines Vertreters der Segnungen, die Gott als Schöpfer Seinen Geschöpfen gewährt) gibt Gott in Seinen Gerichten Beifall, stimmt Ihm zu und sagt: „Du bist gerecht!" Er wird wissen, wie oft die Menschen die Segnungen Gottes z. B. in der Natur und in Familienbanden und auf anderen Gebieten gering geachtet und mit Füßen getreten haben. Nun regiert da, wo ehedem der Mensch Segnungen und Erfrischungen fand, Bitterkeit und der Tod. — Auch der Altar, wo die Blutzeugen ihr Ende fanden, stimmt Gott zu in Seinen ernsten Gerichten und ruft: „Ja, Herr, Gott, Allmächtiger, wahrhaftig und gerecht sind Deine Gerichte." (Off 16,7.)
Der vierte Engel gießt seine Zornesschale aus auf die Sonne (Off 16,8.9), d. h. über die höchste weltliche Autorität. Die Folge davon ist eine unerträgliche Hitze, d. h. eine despotische Bedrückung der Untertanen, wie sie oft von Fürsten, die eine große Glanzherrschaft entfalten, ausgeübt wird. Aber trotz dieser Drangsal lästern die Menschen Gott und tun nicht Buße.
Der fünfte Engel ergießt seine Schale „auf den Thron des Tieres" (Off 16,10.11), d. h. auf den Sitz und festen Bestand seiner Herrschaft, die Satan ihm gab. Und sein Reich wird mit Finsternis erfüllt. Das kommende Römische Weltreich, das namentlich in Westeuropa sein wird, wo Wissenschaft und Bildung, Kunst und Technik ihre höchsten Blüten hervorgebracht, wo der Mensch sich seiner Fortschritte und Erfolge rühmte, von neuen Triumphen und vom goldenen Zukunftsstaat und von Freiheit träumte, da ist nun der „Thron des Tieres", der Sitz der größten Bedrückung, der Tyrannei, Not und Verfinsterung. Dahin haben es die Menschen gebracht, die von Gott los sein wollten, sich über Gott stellten. Sie sind nur immer tiefer in Satans Finsternis und unter sein grausames Joch gekommen. Elend, Finsternis und Verwirrung ist ihr Teil: sie zernagen ihre Zunge vor Pein und lästern den Gott des Himmels in ihrer Qual. Aber auch jetzt beugen sie sich nicht und tun nicht Buße. -