Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 10,1 -11,14 - Weitere Folgen der sechsten Posaune.
Off 10 - Der starke Engel und das Büchlein in seiner HandOff 10 - Der starke Engel und das Büchlein in seiner Hand
„Und ich sah einen anderen starken Engel aus dem Himmel herniederkommen, bekleidet mit einer Wolke, und der Regenbogen war auf seinem Haupt, und sein Angesicht war wie die Sonne, und seine Füße wie Feuersäulen; und er hatte in seiner Hand ein geöffnetes Büchlein. Und er stellte seinen rechten Fuß auf das Meer, den linken aber auf die Erde; und er rief mit lauter Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und als er rief, redeten die sieben Donner ihre Stimmen. Und als die sieben Donner redeten, wollte ich schreiben, und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel sagen: .Versiegle, was die sieben Donner geredet haben und schreibe dieses nichts" (Off 10,1-4.)
Wir sahen bereits früher in diesem Buche (Off 7,2 folg.) Christum unter der Gestalt eines Engels dargestellt; Er ist ja der „Engel des Bundes", nach welchem Israel ausschaut (Mal 3,1). Und als solcher bringt Er Befreiung für Israel, mit dem Er einen Bund gemacht hat. Unser Abschnitt redet von der Zeit, da diese ersehnte Befreiung nahe ist. Darum ist es ganz begreiflich, daß Christus hier als der „starke Engel" eintritt. Und seine Schilderung bestätigt, daß es Christus ist: Er ist mit einer „Wolke" bekleidet, dem bekannten Sinnbild der Gegenwart Jehovas, besonders im Gericht: „Gewölk und Dunkel sind um Ihn her; Gerechtigkeit und Gericht sind Seines Thrones Grundfeste." (Ps 97,2.) Und als der Sohn des Menschen wird Er wiederkommen „in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit", um Sein Volk Israel zu erlösen.
Weiter hat der Engel einen Regenbogen über sich, der das Zeichen des bleibenden Bundes Gottes mit der Erde ist, der auch um Seinen Thron her gesehen wird (Off 4,3.). Und wenn ferner noch von dem Engel gesagt wird, daß „Sein Angesicht wie die Sonne" leuchtet und Seine Füße wie „Feuersäulen" sind, so stimmt das ganz mit der Schilderung des Herrn der Herrlichkeit, „der da wandelt inmitten der sieben goldenen Leuchter". (Off 1,13.16.)46 Der starke Engel, also Christus, Jehova, als „der Engel des Bundes" für Israel, hat in Seiner Hand „ein geöffnetes Büchlein". Dasselbe ist nicht „versiegelt" wie das frühere Buch (Off 6.). Von einem „versiegelten" Buche ist der Inhalt noch unbekannt, von einem geöffneten ist der Inhalt geoffenbart, aber er muß vielleicht noch „gegessen", d. h. in das Herz ausgenommen werden, wie das hier geschieht, indem Johannes, der Seher, das Büchlein nachher „essen" muß. (Off 10,9.10.)
Das erste oder versiegelte Buch (Off 5,1) war ein Buch der Gerichte, die zwar im Alten Testamente schon angezeigt waren, deren Reihenfolge und Ausführung aber unter dem Aufbrechen der Siegel und Ertönen der Posaunen (Off 6 ff) eine neue Offenbarung war. Dieses zweite Büchlein ist jetzt ein geöffnetes Buch der Weissagung, die der Seher nur noch in sich aufnehmen und verstehen soll.
Im Alten Bunde lesen wir, „daß die Erde Jehovas ist und ihre Fülle, der Erdkreis und die darauf wohnen" (Ps 24,1), und daß Gott Seinem Gesalbten, also Christo, „die Nationen zum Erbteil geben will und zum Besitztum die Enden der Erde" (Ps 2,8.). In Übereinstimmung mit dieser und vielen anderen Weissagungen hören wir nun von dem starken Engel, dem Gesalbten Gottes: „Er stellte seinen rechten Fuß auf das Meer (Bild der Völker im Aufruhr oder ohne geordnete Zustände), den linken aber auf die Erde (die Völker unter geordneten Zuständen)." Hiermit nimmt Er Besitz von der ganzen Erde oder dem Erdkreis und allen, die darauf wohnen.
Aber das Erste, was der Herr tut, wenn Er „die Nationen zum Erbteil empfängt", ist das Gericht: „Du wirst sie zerschmettern mit eisernem Zepter." (Ps 2,9.) So hören wir denn gleich von Seinem, d. i. des „Königs" Zorn, der „wie das Brüllen eines jungen Löwen" ist (Spr 19,12): „Und er rief mit lauter Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und als er rief, redeten die sieben Donner ihre Stimmen." (Off 10,3.)
Der Seher wollte alsbald niederschreiben, was Gott in Seiner Majestät durch die sieben Donner redete, aber es wurde ihm gewehrt; er soll ihre Rede noch versiegeln. Will Gott dem Gericht noch einen Augenblick Einhalt tun, oder soll erst das „dritte Wehe" (Off 11,14) die Erfüllung bringen? —
Jedenfalls ist der Abschluß der Gerichte für die ganze Erde nahegekommen. Der Gesalbte Gottes erhebt Seine Ansprüche auf die ganze Erde, wie wir sahen, und Er beginnt mit Seinen Endgerichten, welche von lange her geweissagt waren: „Jehova wird brüllen aus der Höhe und Seine Stimme (Donner) erschallen lassen aus Seiner heiligen Wohnung. Ein Getöse dringt bis an das Ende der Erde, denn Jehova rechtet mit den Nationen. Er hält Gericht mit allem Fleisch." (Jer 25,30-31.)
Wir hören, daß Christus Seine Rechte zum Himmel erhebt und schwört bei Dem, der ewig Lebt und alles Erschaffene ins Dasein rief, „daß keine Frist mehr sein wird; sondern in den Tagen der Stimme des siebenten Engels, wenn er im Begriff steht, zu posaunen, wird auch das Geheimnis Gottes vollendet sein, wie Er Seinen eigenen Knechten, den Propheten, die frohe Botschaft verkündigt hat." (Off 10,5-7.)
Alles ist dem Abschluß nahe, und sobald die siebente Posaune ertönt, soll „das Geheimnis Gottes vollendet werden". Alsdann ertönt die Stimme vom Himmel: „Das Reich der Welt unseres Herrn und Seines Gesalbten ist gekommen, und Er wird herrschen in die Zeitalter der Zeitalter." (Off 11,15.)
Den Propheten hatte Gott bekannt gemacht, daß Sein Christus erst leiden und später herrschen werde auf Erden. Sie redeten „von den Leiden, die auf Christum kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach" (1Pet 1,11.). Wieviel Zeit aber zwischen den Leiden und der Verwerfung Christi einerseits und Seiner herrlichen Wiederkunft und Regierung in Macht andererseits liegen würde, das war ihnen verborgen (Vgl. Mk 13,32.). Es ist dies die Zeit, da Gott schweigt und das Böse in der Welt ausreifen läßt. Daß Gott dies tut, ist vielen Gerechten dunkel und unbegreiflich geblieben (Vgl. Ps 73 und viele andere Stellen.). Deshalb wird diese Zeit, wo Gott im allgemeinen dem Bösen seinen Lauf läßt, das „Geheimnis Gottes" genannt. Doch dies Geheimnis wird herrlich enden, indem Gott in Macht hervortreten und durch schreckliche Gerichte die Erde reinigen und Seinem Gesalbten, Christus, dem verherrlichten „Sohne des Menschen" die Regierung in Macht übergeben wird.
Auf diesen „Tag des Herrn", den „Morgen ohne Wolken" (2Sam 23,4), da Friede und Gerechtigkeit auf der Erde herrschen werden unter Christi Zepter, blickten die Propheten von alters her voll freudiger Sehnsucht hinaus. Jesus sagt: „Abraham... frohlockte, daß er Meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn (im Geiste voraus) und freute sich." (Joh 8,56.) „Diese alle (die Gläubigen des Alten Bundes) haben die (Erfüllung der) Verheißungen nicht empfangen, sondern sahen sie von ferne und begrüßten sie." (Heb 11,13.)
Ja, die zahlreichen Weissagungen im Alten Testamente, die von der Zeit der „Wiederherstellung aller Dinge" redeten, waren für die Propheten und Gerechten, die Knechte Gottes, stets eine „frohe Botschaft" (Off 10,7 - Apg 3,21.). Nicht die Gerichte, von denen ja die Propheten so oftmals reden mußten, bildeten die „frohe Botschaft", sondern die Stellung, die Jehova-Christus, der Messias, in oder vielmehr nach den Gerichten auf Erden einnehmen sollte, Sein Reich und jene Segenszeit in dem Reiche, da „die ganze Erde voll sein wird von der Erkenntnis Jehovas".
Uns, teurer Leser, läßt Gott in dieser Zeit eine andere und höhere „frohe Botschaft" verkünden, das „Evangelium der Herrlichkeit" von Seinem Sohne. Wir, so viele es angenommen, sind nun errettet für das himmlische und ewige Reich. Möchten wir nun während der kurzen Frist hienieden treu für Christum, den Herm der Herrlichkeit leben! — „Das Wort ist gewiß; denn wenn wir mitgestorben sind, so werden wir auch mitleben; wenn wir ausharren, so werden wir auch mitherrschen; wenn wir verleugnen, so wird auch Er uns verleugnen; wenn wir untreu sind —Er bleibt treu" (Seiner Wahrheit, Heiligekeit und Gerechtigkeit gegenüber), denn „Er kann sich selber nicht verleugnen". (2Tim 2,11-13.)
Nun wird der Seher Johannes, wie einst der Prophet Hesekiel (Hes 3,3), aufgefordert, das Buch zu essen (Off 10,9.). Sie sollten beide das, was sie anderen verkündigen mußten, zuerst in ihr eigenes Innere aufnehmen und sich so damit vor Gott eins machen. Wie wichtig ist dies für jeden Zeugen Gottes! Bei Johannes, wie bei Hesekiel, war das Büchlein im Munde süß wie Honig. Das ist das Wort Gottes für den Gläubigen stets: „es ist süßer als Honig und Honigseim" (Ps 19.). Aber bei dem Seher Johannes wurde es nachher in seinem Inneren bitter. Als Christ, der den Heiligen Geist hatte, trug er tiefes Leid, mehr noch als der alttestamentliche Prophet, über das Gericht, das über die Erde und besonders über das Volt Israel kommen sollte. Wie völlig sehen wir die beiden Seiten, Freude und Schmerz, bei dem vollkommenen Zeugen Gottes, bei Jesu Christo. Wie glücklich war Er einerseits über Gottes Tun und Wege: „Er frohlockte." Aber wenn Er an das Gericht dachte und die Stadt ansah, dann „weinte Er über sie". (Lk 10,21; 19,41.)
Mit dieser Erkenntnis, die er durch das in sich aufgenommene Büchlein erlangt, soll Johannes nun noch weiter weissagen „über Völker, Nationen und Sprachen und viele Könige". (Off 10,11.)
46 Wir haben also Christus hier als Jehova vor uns, der im Alten Bunde in einer „Wolke", wie hier, Seine Gegenwart dem Volke zeigte, und im letzten Buche des Alten Bundes, in Maleachi (Kap. 4, 2), sich als die „Sonne", wie hier, ankündigt.↩︎