Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 19,5-22,5 - Christi Wiederkunft in Herrlichkeit zu Seinem Reiche
Off 19,5-10 - 1. Die Hochzeit des LammesOff 19,5-10 - 1. Die Hochzeit des Lammes
Mit einem freudigen „Halleluja" hatte eine große Volksmenge im Himmel und hatten auch vornehmlich die vierundzwanzig Ältesten mitsamt den vier lebendigen Wesen dort Gott gepriesen für Sein ernstes, ewiges Gericht über die „große Hure". Nun ergeht die Aufforderung aus dem Throne Gottes hervor an alle Knechte Gottes auf Erden: „Lobet unseren Gott, alle Seine Knechte, die ihr Ihn fürchtet, die geringen und die großen!"(Off 19,5.) Sie sind noch auf Erden inmitten ihrer Drangsal; aber ihre Erlösung naht! „Babylon", ihre bittere Feindin, ist schon gefallen, und die herrliche Stunde ist da, da endlich „die Hochzeit des Lammes gekommen ist". (Off 19,7.)
Nicht ohne Seine himmlische Braut will der Herr Jesus zum Gericht der Welt und zu Seinem Reiche auf Erden herniederkommen. Seine Braut, die Gemeinde, bildet ja einen Teil von Ihm selbst; sie ist „Sein Leib", die „Fülle" oder „Vollendung Dessen, der alles in allem erfüllt" (Eph 1,22.23.). Christus tritt deshalb Seinen Besitz und Seine Herrschaft als „Haupt des Leibes" an; d. h. „Sein Weib", die Gemeinde, begleitet Ihn vom Himmel her bei Seiner herrlichen Erscheinung vor aller Welt.
Die Ereignisse im Himmel hatten gleichsam gewartet auf die Ereignisse auf Erden. So lange Babylon, „die Hure", hier in der Welt ihre Macht entfaltete, tritt „die Braut des Lammes" nicht auf Erden in ihre Rechte ein. Und auch im Himmel selbst konnte bis jetzt ihre Hochzeit nicht gefeiert werden. Aber sobald „die Hure" auf Erden unter dem Jubel aller Heerscharen und Erlösten Gottes ihr Gericht und Ende gefunden, sehen wir „die Braut", „das Weib des Lammes", in ihrem feierlichen Hochzeitsgewande. Endlich kann die Hochzeit des Lammes gefeiert werden.
Durch die Aufforderung zum Jubel über Babylons Fall (Off 19,5), die von dem richterlichen Throne Gottes aus erfolgt, und die der Hochzeit der Braut vorangeht, wird der Sturz Babylons mit der Hochzeit der Braut in Verbindung gebracht. Darüber berichtet der Seher: „Und ich hörte, wie eine Stimme einer großen Volksmenge und wie ein Rauschen vieler Wasser und wie ein Rollen starker Donner, welche sprachen: ,Halleluja! denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft angetreten. Laßt uns fröhlich sein und frohlocken und Ihm Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen und Sein Weib hat sich bereitet/" (Off 19,6.7.)
Die Herrschaft, die nun unter solch großem Jubel auf Erden errichtet wird, ist die Herrschaft Christi, aber sie wird, wie wir das zuvor schon in diesem Buche sahen, die Herrschaft Gottes genannt, und zwar nicht etwa, als ob Christus hierin Seiner Gottheit gesehen würde (denn als der Sohn des Menschen tritt Er Sein Reich und Seine Herrschaft an, wie wir das z. B. im achten Psalme sehen), sondern weil Gottes Herrschaft endlich voll und ganz hier zur Geltung kommt durch Christum, den Menschen nach Gottes Willen. Stets hätte es so aus Erden sein sollen von Anbeginn, daß der Mensch nur für Gott hier herrschte; aber nie ist es so gewesen, wie uns dies das Alte Testament schon zeigt. Zuletzt sehen wir, ehe Christus kommt, die Herrschaft sogar in Satans Händen, d. h. Satans Wille geschieht zuletzt völlig durch die Mächte der Welt. Jetzt aber gibt Gott Seinen Thron, Seine Herrschaft und die Reiche der Welt Christo, dem Menschen nach Seinem Herzen, und damit hat Gott selbst eigentlich hier „die Herrschaft angetreten".
Gott heißt hier wieder: „Herr, unser Gott, der Allmächtige". Als „Jehova-Elohim-Schaddai" hatte Er sich dem Glauben Abrahams und Seinem Volke Israel geoffenbart und ihm Verheißung gegeben von einer Herrschaft über die ganze Erde. Nun tritt Er mit diesem Namen und Charakter vor aller Welt, vor Feind und Freund hervor, „der Allmächtige" als Richter Seiner Feinde, „der Allmächtige" als Retter Seiner Auserwählten aus Israel.
Doch der große Jubel, den wir hören, und die Ehre, die Gott empfängt, gilt nicht nur dem Antritt der Regierung oder Herrschaft Christi, sondern zunächst dem fröhlichen Umstande, daß „die Hochzeit des Lammes gekommen ist und Sein Weib sich bereitet hat".
Wir wissen, wer „die Braut, das Weib des Lammes" ist. Es ist die Kirche oder Gemeinde des Herrn. Wir haben schon davon geredet und werden später noch einmal darauf zurückkommen müssen.
Wie es ein irdisches und ein himmlisches Jerusalem gibt, so auch eine irdische und eine himmlische Braut: Israel und die Kirche. — Der Unterschied zwischen beiden ist allen Lesern bekannt. Bezeichnend dafür, daß wir die himmlische Braut, die Kirche, hier haben, ist schon der Umstand, daß die Hochzeit im Himmel ist, nicht, wie später bei Israel, im Reiche auf Erden. „Im Himmel" (Off 19,1) hören wir den Freudenruf: „Die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und Sein Weib hat sich bereitet." (Off 19,7)
Zur himmlischen Herrlichkeit war das Weib, die Braut des Lammes, schon auf Erden bereitet worden. So steht geschrieben: „Danksaget dem Vater, der uns fähig, d. h. bereit gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen im Lichte!" (Kol 1,12.) Dieses wird den Gläubigen —und sie bilden ja alle gemeinsam die Braut Christi — ermunternd hienieden schon zugerufen, während sie noch in dieser Welt und Wüste und in ihrem sterblichen Leibe sind. Gott hat sie errettet und ihnen alle ihre Sünden vergeben (Kol 1,13.14.). Aber, obwohl die Braut aus Erden schon „bereit" und bereitet worden war für die himmlische Herrlichkeit, so muß sie sich doch erst im Himmel für die Hochzeit und die darauffolgende Herrschaft, die sie nun mit Christo antreten soll, bereiten und bereiten lassen. Wir lesen: „Sein Weib hat sich bereitet. Und es ward ihr gegeben, daß sie gekleidet sei in feine Leinwand, glänzend und rein; denn die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen." (Off 19,7.8.)
Wir wissen aus dem Worte Gottes, daß auch wir, die Gläubigen alle, noch vor „den Richterstuhl Christi" oder, was dasselbe sagen will, vor „den Richterstuhl Gottes" gestellt werden (2Kor 5,10; Röm 14,10.). Diese Darstellung, dieses ernste „Offenbarwerden vor dem Richterstuhle Christi", wobei der Herr „auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird", muß vor der Hochzeit der Braut und vor dem Antritt ihrer Herrschaft mit Christo erfolgen. Zur Zeit, da gesagt wird: „Sein Weib hat sich bereitet; und es ward ihr gegeben, daß sie gekleidet sei in feine Leinwand, glänzend und rein", ist die Braut vor dem Richterstuhl gewesen. Jeder Einzelne der Gläubigen hat dort für sich vom Herrn seinen Lohn empfangen nach dem Maße seiner persönlichen Treue. Es wurde „einem jeden sein Lob von Gott" (1Kor 4,6), soweit es ihm nach dem treuen und gerechten Arteil des Herrn zukam, und soweit er nicht durch Untreue Schaden und Verlust erlitt (Vgl. 1Kor 3,16; 2Joh 8.). Es wird von dem Schmucke der Braut gesagt: „Die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen." Es handelt sich somit nicht um die Gerechtigkeit, die der Gesamtheit der Erlösten gemeinsam zuteil geworden ist durch den Glauben an Jesum Christum, sondern es wird uns durch den Gebrauch der Mehrzahl des Wortes („Gerechtigkeiten") gezeigt, daß hier von dem Lohn und Lobe Gottes für die gerechten Werke und Taten, die der Geist Gottes in all den einzelnen Erlösten auf Erden hervorbrachte, die Rede ist. Die Schrift sagt: „Denn Gott ist nicht ungerecht, zu vergessen eures Werkes und der Liebe, die ihr gegen Seinen Namen bewiesen habt, da ihr den Heiligen gedient habt und dienet." (Heb 6,10.) Und wie die Werke des Glaubens und der Liebe droben alle ihren Lohn finden, und wäre es nur ein Becher kalten Wassers gewesen, den man in Seiner Liebe jemand dargereicht hätte, so auch jedes freundliche Wort der Gnade und Liebe und jedes Gebet des Glaubens, ja, jeder göttliche Antrieb und Beweggrund im Wandel und Leben hienieden.
Doch nicht nur, was die einzelnen Erlösten, die Glieder der Braut, durch die Gnade Gottes auf Erden getan haben in praktischer Gerechtigkeit, wird ihnen nunmehr öffentlich vergolten, auch was sie alle in „den mancherlei Prüfungen", „in der Bewährung des Glaubens" gelitten, gelernt und an Segen erfahren haben, schmückt und ziert sie jetzt am Hochzeitstage und auf ewiglich „zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi". (1Pet 1,6.7.)
Daß der Schmuck und das Kleid der Braut nicht von „Gold" ist, dem Sinnbilde der Gerechtigkeit Gottes, die die Seele aus Glauben besitzt zu ihrem ewigen Heil (vgl. z. B. Off 3,18), sondern „glänzende Leinwand", das Sinnbild der praktischen Gerechtigkeit im Wandel (vgl. z. B. den Gürtel des Herrn aus Leinwand bei der Fußwaschung der Jünger in Joh 13,4 mit Seinem goldenen Gürtel bei der Ausübung des Gerichts in Off 1,13, zeigt gleichfalls, daß es sich hier um die Belohnung für Gerechtigkeit, Treue und Ausharren auf Erden handelt.
Welch einen lieblichen Gegensatz bietet aber das einfache Kleid von feiner glänzender Leinwand, das Gott der Braut Seines Sohnes am Hochzeitstage gibt, zu dem gleißnerischen Gewände von Scharlach und Purpur und Juwelen, das sich die falsche Braut, „die Hure", bis zu ihrem jähen Sturze umgeworfen hatte. Ja, „was groß ist vor der Welt, ist ein Greuel vor Gott".
Dann fährt der Seher fort: „Und er spricht zu mir: »Glückselig, die geladen sind zum Hochzeitsmahle des Lammes!'" (Off 19,9.)
Wer sind die „Glückseligen", die zur Hochzeit des Lammes „geladen" sind? — Ist es die himmlische Braut selbst, wie viele meinen? — Wir meinen nicht. Vielmehr scheint es uns, daß wir hier zwei Klassen haben: die Braut, die nicht besonders genannt, aber selbstverständlich da ist und neben dem Bräutigam den ersten Platz bei der Hochzeit hat; und zweitens die Hochzeitsgäste. Wenn letztere schon „glückselig" genannt werden, wieviel glückseliger wird dann die Braut selber sein! —
Johannes der Täufer sagt: „Der die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der da steht und ihn hört, ist hoch erfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude ist nun erfüllt." (Joh 3,29.) Es gibt also Gläubige, die sich über die Stimme des Bräutigams freuen, aber nicht zur himmlischen Braut gehören, so die Gläubigen des Alten Bundes. Sie sind wohl Erben der unverwelklichen Herrlichkeit und sind gesegnet mit den ewigen Reichtümern der Gnade, aber sie stehen nicht in dem gleichen Verhältnis zum Bräutigam, wie die himmlische Braut. Als Freunde des Bräutigams frohlocken sie über die Stimme des Bräutigams, den sie lieben. Ihre Herzen jubeln in Dank und Freude, und sie sind glückselig am Hochzeitsmahl des Lammes, aber die Kirche allein besitzt die Freude und Wonne, der erste Gegenstand der Zuneigung und Liebe des Herrn der Herrlichkeit zu sein; sie ist Seine Braut, „die Fülle Dessen, der alles in allem erfüllt". O mein Leser, welch eine besondere Gunst und Gnade, in der Jetztzeit Christo anzugehören und einen Teil dieser glückseligen himmlischen Braut auszumachen! „Und er spricht zu mir: „Dies sind die wahrhaftigen Worte Gottes*!" (Off 19,9.) Wozu diese Beteuerung? Sie ist bezeichnend für die Liebe des Herrn zu uns und zugleich nötig für unsere Herzen und Gewissen. Der Herr weiß, wie leicht wir all diese herrlichen Dinge, von denen wir eben hörten, glauben und als Lehren in unsere Erkenntnis aufnehmen können, ohne daß unsere Herzen ihre Kostbarkeit wirklich genießen. Wenn wir aber beachten, daß es sich bei der Schilderung dieser kommenden Herrlichkeit um „die wahrhaftigen Worte Gottes handelt", daß es Tatsachen sind, die uns betreffen, die wir als die Braut des Lammes bald erleben werden, so muß das Herz voll Freude sein. Und vor dieser „unaussprechlichen und verherrlichten Freude", in der wir im Blick auf die nahe Ankunft des Herrn und auf unsere ewige selige Vereinigung mit Ihm „frohlocken" dürfen, muß jede Freude dieser Welt erblassen und verschwinden. Mit einer solchen Hoffnung im Herzen werden wir uns hienieden absondern „von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes und die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes".
„Die selige Braut frohlocket laut, Wenn heim sie geführet, mit Dir triumphieret Und droben, wie Du bist, Dich schauet."
„Deshalb, Geliebte, da ihr dies erwartet, so befleißiget euch, ohne Flecken und tadellos von Ihm erfunden zu werden in Frieden!" (2Pet 3,14.)
Mit der gesegneten, für unser Herz so kostbaren Versicherung in Off 19: „Dies — die herrliche Schilderung der Braut und der Hochzeit — sind die wahrhaftigen Worte Gottes", läßt sich die Versicherung in Off 21,5; 22,6 zusammenstellen: „Diese Worte sind gewiß und wahrhaftig". Auch hier will der Herr unser Herz zum Nachdenken führen, daß wir über die Schilderung der herrlichen Zeit im Reiche Christi und ewiglich auf der neuen Erde uns doch mehr freuen möchten, da sie „gewiß und Wahrhaftig" sei. —
Der Seher Johannes wird denn auch angesichts dieser herrlichen Enthüllungen und kommenden Glückseligkeit so überwältigt, daß er niederfällt, um den himmlischen Boten anzubeten, der ihm all diese Herrlichkeit zeigt (Off 19,10.). Aber der Engel wehrt ihm; er ist ja nur ein Mitknecht des Sehers und seiner Brüder, die das Zeugnis Jesu haben. —
Wie groß ist doch die Gefahr, daß das menschliche Herz in seinen Gefühlen im Blick auf den Himmel und die ewigen Dinge zwischen Gott und sich irgend welche vermittelnde Wesen treten läßt! Nicht nur hier, auch schon im Anfang der Geschichte der Kirche warnt Gott ernstlich vor dieser Gefahr (Vgl. Kol 2,8.18.). Gott, der uns also geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn für uns gab, und der uns durch Ihn so nahe an Sein Vaterherz gebracht hat, möchte uns nun auch allezeit in Seiner unmittelbaren Nähe, in persönlicher Vertrautheit und Gemeinschaft vor Seinem Angesicht haben. Nichts und niemand, kein System, kein Mensch und kein Engel hat das Recht, sich zwischen Gott und uns zu drängen; und wir sollen auch nie meinen, irgendeiner Vermittlung zwischen Gott und uns zu bedürfen. Unser Herr und Heiland, „der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab zum Lösegeld für alle", ist der „eine Mittler zwischen Gott und den Menschen"; und Er hat alle, die an Ihn glauben, auf ewig Gott nahe gebracht durch Sein vollendetes Erlösungswerk und in Seiner eigenen, herrlichen Person. —
Kehren wir nun zu unserem Text zurück! In Off 19,7 sahen wir also den ganzen Himmel von Freude und Frohlocken erfüllt, denn „die Hochzeit des Lammes ist gekommen". Welch ein Höhepunkt der Freude und Seligkeit droben! Welch ein Augenblick für den Herrn Jesum selbst, den Bräutigam, wenn die Wünsche Seines Herzens, welche zugleich die Gedanken Seines Gottes und Vaters von Ewigkeit her waren, erfüllt sein werden! Nun nimmt Er Seine Gemeinde, die Gott Ihm gab, die „kostbare Perle", um derentwillen Er einst alles aufgegeben, was Er hatte, voll und ganz in Besitz, indem Er sie „sich selbst verherrlicht darstellt, ohne Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen, heilig und tadellos" (Eph 5,27.). Wahrlich, dann wird Er „schweigen in Seiner Liebe", sich über sie „freuen mit Wonne", über sie „frohlocken mit Jubel, weit mehr noch als über Israel".