Schriften von Emil Dönges
Off 21,9-22,5 - Das neue Jerusalem während des Tausendjährigen ReichesOff 21,9-22,5 - Das neue Jerusalem während des Tausendjährigen Reiches
Nachdem der Herr dem Seher und so auch uns durch ihn einen Ausblick gewährt hat in die endlosen Zeiträume der Ewigkeit, kehrt Johannes zurück zur Schilderung des Neuen Jerusalems während des Tausendjährigen Reiches. Hören wir zunächst die Aufforderung an den Seher: „Und es kam einer von den sieben Engeln, welche die sieben letzten Schalen hatten, voll der sieben Plagen, und redete mit mir und sprach: ,Komm her, ich will dir die Braut, das Weib des Lammes, zeigen!'" (Off 21,9.)
Diese Aufforderung muß uns an eine frühere erinnern, die gleichfalls von einem der sieben Engel, welche die sieben Zornesschalen hatten, ausgegangen war. Damals wurde dem Seher zugerufen: „Komm her, ich will dir das Urteil (Gericht) der großen Hure zeigen!" (Off 17,1.)
Damals handelte es sich um das Gericht und die Beseitigung der falschen Braut, hier aber um die Herrlichkeit und Erscheinung der wahren Braut. Ehe diese in ihrer himmlischen Reinheit auf diese Erde herabkommen und hier mit Christo herrschen konnte, mußte ihr schreckliches Zerrbild, ihre Gegnerin, die Hure, ihr Gericht empfangen haben und von diesem Schauplatze beseitigt worden sein. Darum erfolgte erst nach dem Sturze der Hure die Hochzeit des Lammes und im Anschluß daran die Ankunft der Braut, des Weibes des Lammes, aus dem Himmel herab auf die Erde an der Seite des Bräutigams.
Der plötzliche Wechsel der Handlung und die Einführung eines der sieben Engel, die die sieben Zornesschalen hatten, läßt uns erkennen, daß wir hier nicht eine Fortsetzung des bisherigen Gesichtes haben. Dieses ließ uns den ewigen Zustand im neuen Himmel und auf der neuen Erde sehen. Es wird dem Seher aber jetzt durch einen Engel, der mit der Reinigung der Erde zur Einführung des Tausendjährigen Reiches zu tun hatte, neu und ausführlich die Herrlichkeit der Braut gezeigt, wie sie ist bei Beginn und während der Dauer dieses Reiches. Ihr Erscheinen auf der neuen Erde haben wir bereits gesehen (Off 21,2), obwohl der Zeit nach die neue Erde erst viel später ins Dasein tritt als das Tausendjährige Reich. Aber die „Offenbarung" berichtet, wie wir oft Gelegenheit hatten, dies wahrzunehmen, die. Ereignisse vielfach nicht der Zeit folge nach, sondern reiht die Ereignisse oft nach inhaltlichen Gesichtspunkten aneinander.
Der Seher hatte nämlich im Anschluß an das Gericht über Satan nach dem Tausendjährigen Reiche (Off 20,7-10) auch gleich das Weltende und das Gericht über die Toten vor dem großen weißen Thron und das ewige Teil der Gottlosen berichtet (Off 20,11-15). Im Anschluß an dieses Gericht und an das ewige Los der Verlorenen berichtete uns der Herr dann gleich den ewigen Zustand der Erlösten auf der neuen Erde und im neuen Himmel, wo, wie wir schon bemerkten, „Gott alles in allem" ist. (1Kor 15,28; Off 21,1-8.)
Nachdem dies geschehen, wird uns jetzt näher die Herrlichkeit der Braut gezeigt, wie sie zu Beginn des Tausendjährigen Reiches mit Jesu Christo vom Himmel herabkommt, „wann Er kommen wird, um an jenem Tage verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen und bewundert in allen, die geglaubt haben." (2Thes 1,10) Off 19,6 f.)
Daß aber an unserer Stelle (Off 21,9 - 22,5) wirklich vom Tausendjährigen Reiche die Rede ist, erhellt aus dem Umstande, daß hier immer wieder „das Lamm" genannt ist und noch „Nationen" auf der Erde sind, die nach dem Lichte der himmlischen Stadt ihren Wandel einrichten und noch geheilt werden müssen (Vgl. Off 21,24 mit Micha 4,2 f.). und lies Off 22,2.)
Aber wer ist „die Braut, das Weib des Lammes"? — Ist es Israel, wie einige meinen, oder die Kirche, die Versammlung oder Gemeinde? Wir glauben, daß es die letztere ist.
Allerdings wird auch schon im Alten Testamente für Israel das Bild von der Hochzeit und Ehe gebraucht; Israel war die „Vermählte" Jehovas (Jes 54,1; Jerem. 31, 32.). Aber sie ist Jehova untreu geworden, hat „Ehebruch" begangen und muß später neu mit Ihm verlobt werden (Hos 2.). Im 45. Psalm (Ps 45) sehen wir, daß der Messias und König ihr Bräutigam ist; und das „Hohelied" redet darauf in Bildern von Seiner Liebe zu Seiner Geliebten. Selbst Palästina, das Gelobte Land, wird die „Vermählte" heißen. (Jes 62,4.)
Aber das Verhältnis des Herrn Jesu mit Seiner Kirche oder Gemeinde ist unvergleichlich inniger, als das mit Seinem Bundesvolke Israel. Sie ist himmlisch in ihrer Berufung und Stellung, während Israel das irdische Volk Gottes ist.
Ja, das Gegenbild von Adam und Eva, die als Weib aus der geöffneten Seite Adams während seines tiefen Schlafes genommen wurde und mit ihm „ein Fleisch" bildete, haben wir keineswegs in Christus und Israel, so gesegnet auch dieses Verhältnis während des Reiches sein wird, sondern erst in der innigen Verbindung Christi mit Seiner Kirche oder Gemeinde. Das sagt uns der Heilige Geist. Er belehrt uns, daß die Gemeinde mit Christo, dem Haupte, sowohl ein geheimnisvolles, lebendiges Ganzes bildet, als auch Sein Weib ist: „Das Geheimnis ist groß; ich aber sage es in Bezug auf Christus und die Versammlung." (Eph 5,22-32.)
Femer beweist uns der Umstand, daß der Herr hier „die Braut, das Weib des Lammes", offenbar „der Hure" gegenüberstellt (vgl. wieder Off 17,1 mit Off 21,9!), daß die Braut hier nicht Israel sein kann, sondern die Kirche oder Gemeinde sein muß. Denn „die Hure" oder „Babylon" (Off 17) ist ohne Frage nicht das verderbte Israel, sondern die verderbte Kirche; denn wir lesen: „Die sieben Köpfe sind sieben Berge, auf welchen das Weib sitzt." (Off 17,9.) Und diese Siebenhügelstadt, die so viel Blut der Bekenner Christi vergossen hat, ist uns bekannt; in ihr hat „Babylon", die falsche Kirche, ihren Hauptsitz.
Während aber „die Hure" in prächtigen, ausfallenden Gewändern prangt, trägt „die Braut, das Weib des Lammes", nur ein Kleid aus „weißem, reinem Linnen", das Bild ihrer heiligen Reinheit und praktischen Gerechtigkeit. (Off 19,8.)
Auch sagt uns der Apostel gerade von der „Gemeinde", wie wir früher schon anführten, daß er sie „einem Manne verlobt habe, um sie als eine keusche Jungfrau Christo darzustellen". (1Kor 11,1.)
Aus allen diesen Erwägungen müssen wir den Schluß ziehen, daß „die Braut, das Weib des Lammes", nicht Israel, sondern die Kirche ist.
Hören wir nunmehr, was uns der Seher weiter berichtet: „Und er — der Engel — führte mich im Geiste hinweg auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt, Jerusalem, hierniederkommend aus dem Himmel von Gott; und sie hatte die Herrlichkeit Gottes." (Off 21,10.)
Als dem Seher das Gericht über „die Hure" gezeigt wurde, wurde er „im Geiste in die Wüste" geführt. Aber von einem Berge aus sah Moses das Gelobte Land und Bileam das Volk Israel in seiner Lieblichkeit vor Gott. Auch die Verklärung des Herrn war auf einem Berge, als Moses und Elias zu Ihm kamen und die Jünger Sein Kommen und Sein Reich vorbildlich schauen durften. (Lk 9,27-36.)
Das Gesicht, das nun Johannes auf der Insel Patmos schaut, entspricht dem Gesichte in Hesekiel: „Er (Jehova) ließ mich nieder auf einem sehr hohen Berg, und auf demselben ... war es wie der Bau einer Stadt." (Hes 49,2.) Zugleich besteht jedoch eine große Verschiedenheit zwischen den beiden Gesichten: Hesekiel steht „im Lande Israel" und die Stadt ist auf der Erde; Johannes dagegen schaut die Stadt nicht in Verbindung mit „Israel", auch ist sie nicht auf der Erde, sondern sie kommt „aus dem Himmel von Gott". Wohl gibt das Wort Gottes dieser himmlischen Stadt auch den Namen Jerusalem, was zu deutsch heißt „die Wohnung des Friedens", aber sie allein ist die wahre Friedensstätte. Und wieviel herrlicher ist sie, als das Jerusalem hienieden je gewesen ist und je sein wird, denn „sie hat die Herrlichkeit Gottes", wie wir hörten. — Auch wird das himmlische Jerusalem mit einem „goldenen Rohr" gemessen, das irdische aber bei Hesekiel nur „mit einer leinenen Schnur". Ferner ist die Stadt bei Hesekiel nur ein Quadrat. Ihre vier Seiten sind alle gleich groß und an jeder ihrer Mauern sind drei Tore (Hes 48,30-35.). Hiernach ist auch das Jerusalem auf Erden schon in seiner Art vollkommen, aber eine höhere Art der Vollkommenheit besitzt das himmlische Jerusalem: es ist ein vollkommener Würfel; „die Länge und die Breite und die Höhe derselben sind gleich" (Off 21,16.). Auch hat die himmlische Stadt an ihren Toren Engel stehen, was uns zeigt, daß sie der oberen Welt angehört. (Off 21,12.)
Herrlich ist „der Lichtglanz" des himmlischen Jerusalems: „gleich einem sehr kostbaren Edelstein, wie ein kristallheller Jaspisstein". Nun ist früher der Herr selbst auf Seinem Throne und in Seiner Herrlichkeit mit „einem Jaspisstein" verglichen worden.104 (Off 4,3.) Also erscheint und erglänzt die Versammlung oder Gemeinde des Herrn ganz in der eigenen Schönheit des Herrn selbst: Seine Herrlichkeit ist ihre Herrlichkeit. Alsdann wird auch die Welt erkennen, daß der Vater sie, d. h. die Braut des Sohnes, geliebt hat, gleichwie Ihn, den Sohn, selbst (Joh 17,23.). Sie kommt vom Himmel in der Tat in der „Herrlichkeit Gottes". Gott, der Vater, hat sie bereit gemacht für das Erbe der Heiligen im Lichte, und zugleich hat der Sohn „sich selbst Seine Gemeinde verherrlicht dargestellt, die nicht Flecken ... oder etwas dergleichen habe". (Kol 1,12 f. u. Eph 5,25-27.)
Doch ehe wir die Schilderung der herrlichen Stadt weiter betrachten, mag noch die Frage erwogen werden, warum wohl die Braut des Lammes uns hier bei Beginn des Tausendjährigen Reiches im Bilde einer „Stadt" gezeigt wird, und ob nicht auch zugleich ein Unterschied bestehe zwischen dem einen und dem anderen Bilde, nämlich dem der Braut und dem der Stadt?
Insofern das Verhältnis der Kirche oder Gemeinde zum Herrn selbst in Frage kommt, ist sie Seine „Braut". Ihm wurde sie auf Erden schon „verlobt als eine keusche Jungfrau". Und Er hat sie geliebt und gepflegt und dann zu sich hinaufgenommen, wo wir auch die Hochzeit sahen. Nun bringt Er sie wieder mit sich hernieder (1Thes 4,14; 2Thes 1,10; Kol 3,4.). Sie kommt an Seiner Seite und in Seiner Herrlichkeit, da Er Sein Reich hier auf Erden antritt.
Insofern es sich aber um das Verhältnis der Gemeinde zur Welt handelt und um ihre Herrschaft mit Christo hier, wird sie dem Seher passend im Bilde einer vollkommenen und heiligen „Stadt" gezeigt.
Zugleich scheint es uns, daß es sich bei den beiden Bildern von einer „Braut" und einer „Stadt" nicht nur um zwei Verschiedene Gesichtspunkte handelt, unter denen die Gemeinde oder Versammlung Christi gesehen wird, sondern auch noch um eine weitere Verschiedenheit. Es will uns scheinen, daß insofern von der „heiligen Stadt" die Rede ist, die bei Beginn des Tausendjährigen Reiches von Gott vom Himmel herniederkommt, nicht nur die Gemeinde oder himmlische Braut Christi darunter verstanden ist, sondern auch die früheren Gläubigen aus Israel und überhaupt von Adams Tagen an. Sie scheinen uns alle mit zu den Bewohnern der „Stadt" zu gehören, denn sie alle haben Teil an der Herrlichkeit des Reiches und werden alle „mit Ihm tausend Jahre herrschen". Wir lesen ja, daß die, die dort eingehen und dort wohnen, „geschrieben sind in dem Buche des Lebens des Lammes" (Off 21,27.). Und dazu sind gewiß alle Erlösten von jeher, die zur ersten Auferstehung gehören, zu rechnen. Weiter heißt es, daß „draußen", d. h. außerhalb der himmlischen Stadt, des neuen Jerusalems, die „Hunde" sind, d. h. die Unreinen, und die Zauberer und die Hurer und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut (Off 22,15.). Wo sollten also die Erlösten aus dem Alten Bunde sein, wären sie nicht in dem „Neuen Jerusalem"?
Weiter hören wir, daß Abraham, Isaak und Jakob mit zu denen gehören, die im Reiche Gottes mit zu Tische sitzen (Lk 13,28.). Und wenn wir in Heb 11,10 hören, daß Abraham schon „die Stadt erwartete, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist", so muß die von ihm ersehnte Stadt doch das „Neue Jerusalem, die heilige Stadt", gewesen sein, die hier zu Anfang des Tausendjährigen Reiches aus dem Himmel kommt. In ihr wohnt demnach außer der himmlischen „Braut" auch das Volk Gottes von alters her. Wir lesen ja von den Gläubigen in Israel, daß „Gott ihnen eine Stadt bereitet hat" (Heb 11,16.). Darum trägt auch diese Stadt auf ihren Perlentoren „die Namen der zwölf Stämme Israels". (Off 21,12.)
Fahren wir aber nunmehr fort in der Betrachtung der Schönheit, in der uns die „Braut-Stadt", wie wir sie nennen möchten, gezeigt wird, denn eigentlich wird uns mehr die Schönheit der „Stadt" als die der „Braut" gezeigt.
Wir hörten schon, daß sie „von Gott kommt", ihr Ursprung ist somit göttlich; daß sie „aus dem Himmel" kommt, ihre Natur ist also himmlisch; und daß sie die „Herrlichkeit Gottes" in sich trägt (Off 21,10.11.). Ja, „die Herrlichkeit Gottes durchleuchtet sie", wie wir später hören (Off 21,23.). Weiter hörten wir schon, daß das Neue Jerusalem auch von einem Hellen Diamantenglanz durchleuchtet ist, denn „ihr Lichtglanz war wie ein kristallheller Jaspisstein". Ihr Lichtglanz und ihre Herrlichkeit ist also der Lichtglanz und die ewige Herrlichkeit des Herrn Jesu selbst. (Off 21,11 vgl. mit Off 4,3!)
Weiter berichtet uns alsdann der Seher, daß die himmlische Stadt völlig abgeschlossen ist, denn sie hat „eine große und hohe Mauer" (Off 21,12.). Diese läßt erkennen, daß die Stadt von allem, was „draußen", was nicht nach Gottes Wesen ist, völlig getrennt und fern ist, sie zeigt aber auch deren völlige Sicherheit. Nichts, was böse ist und unrein, kann dort eingehen, und kein Feind und Übel ihren seligen Bewohnern je nahen. „Die Stadt hat zwölf Tore: nach Osten drei Tore, nach Norden drei Tore, nach Süden drei Tore und nach Westen drei Tore." Nach allen vier Himmelsrichtungen geht von ihr Licht und Leben aus und Gerechtigkeit und Frieden. Ihr Name ist ja „Jerusalem", d. h. Stätte des Friedens, und zugleich ist Gottes Thron und Wohnplatz hier. Die Tore waren ehedem die Orte, da das Gericht gehalten wurde. So entfaltet sich zugleich vom himmlischen Jerusalem aus über die ganze Erde nach allen Seiten hin Frieden und Gottes Ordnung und Gerechtigkeit. „An den Toren sind zwölf Engel." Sie deuten die Bewahrung ihres himmlischen und heiligen Charakters an und den Schutz ihrer Bewohner. „Und auf den Toren sind Namen geschrieben, welche die der zwölf Stämme der Söhne Israels sind." Auch die Gläubigen aus Israel werden, wie wir oben sahen, in dem Neuen Jerusalem sein. Zudem wird die himmlische Braut in ihr uns hier nicht gezeigt, wie sie uns Paulus, der Apostel der Nationen, in seinen Briefen darstellt, d. h. in ihrer innigen Beziehung zu Christo, sondern wie sie einst zu Jerusalem unter der Leitung der zwölf Apostel gegründet wurde. „Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundlagen und auf denselben die Namen der zwölf Apostel des Lammes." Die „Grundlagen" sind gewiß die, die jene Stadt haben sollte, auf welche Abraham wartete, „deren Baumeister und Schöpfer Gott ist". Und Gott hat auf sie die „Namen der zwölf Apostel des Lammes geschrieben". Die Namen der Apostel, die einst im irdischen Jerusalem litten, prangen nun an den Grundlagen des himmlischen Jerusalems (Lk 22,29.30.). Da aber, wo die Apostel „die Grundlagen" sind, da ist „Jesus Christus der Eckstein" (Eph 2,20.). Er ist es, der die Erlösung brachte, darum werden die Apostel „die Apostel des Lammes" genannt. „Und der mit mir redete, hatte ein Maß, ein goldenes Rohr — wir redeten schon darüber —, auf daß er die Stadt messe und ihre Tore und ihre Mauern. Und die Stadt liegt viereckig, und ihre Länge ist so groß wie die Breite." (Off 21,15.16.) Nachher fügt der Seher noch hinzu: „Die Länge und die Breite und die Höhe derselben sind gleich." Auch darüber redeten wir schon, daß die Stadt die Gestalt eines vollkommenen Würfels hat, also in jeder Hinsicht und nach jeder Seite nach Gottes Maß vollkommen ist und darum die Schönheit des vollen Ebenmaßes an sich trägt.
Auch das Heiligtum oder Allerheiligste des Tempels hatte die gleiche Form eines vollkommenen Würfels: „Das Innere des Sprachortes: zwanzig Ellen die Länge zwanzig Ellen die Breite und zwanzig Ellen die Höhe." (1Kön 6,20.) Was jenes Heiligtum für das Volk Israel war, das ist das Neue Jerusalem für die ganze Erde zur Zeit des Reiches Christi.
Die Ausdehnung der „Stadt" aber ist eine ganz gewaltige. Wir lesen: „Er maß die Stadt mit dem Rohre: zwölftausend Stadien." (Off 21,16.) Auf ein Stadium rechnet man 185 Meter oder 2—3 Minuten Wegs. Man mag nun die 12000 Stadien als den ganzen Umfang der Stadt ansehen oder nur als die Länge einer oder jeder der vier Seiten, was gewiß das Richtige ist, so ist doch die Größe der Stadt weit größer, ja etwa zwölfmal so groß als ganz Kanaan.
Die Zahl „zwölf", die sich auch in der Länge der Mauer wiederholt, denn „er maß ihre Mauer: 144 Ellen", also gleich 12x12 Ellen (Off 21,17), ist uns bekannt als die Zahl der Vollkommenheit in der Verwaltung Gottes auf Erden und in Seiner Regierung. So hatte Israel zwölf Stämme, der Herr zwölf Apostel, und aus Juda und Israel werden je 144000 (12X12000), d. h. eine vollkommene Zahl von Gläubigen aus der Drangsalszeit fürs Tausendjährige Reich errettet werden, wie wir in Off 7 u. Off 14 sahen. Und wenn wir weiter daran denken, daß die Stadt zwölf Tore und zwölf Grundlagen hat, dass sie 12000 Stadien mißt in ihrer Länge und Breite und auch ebenso hoch ist, wie breit und lang, so zeigt uns der Herr in den Zahlen und Maßen gewiß nicht nur die große Überlegenheit der himmlischen Stadt über alle Städte, die die Erde je besessen und gesehen hat, sondern auch die von Gott Seiner Stadt verliehene Vollkommenheit. Sie ist ja der von Ihm bereitete Sitz Seiner himmlischen Gewalt und Regierung. Hier ist Sein Thron; sie ist die himmlische Hauptstadt Seiner Regierung im Tausendjährigen Reiche, die mit der Erde in Verbindung steht, wie dies die bei Tag und Nacht offenen Tore zeigen; aber sie ist nicht auf der Erde, sondern über der Erde, während gleichzeitig hienieden das irdische Jerusalem besteht, schöner und stärker als es in den Tagen Salomos war, welches den irdischen Charakter der königlichen Herrschaft auf Erden besitzen und aufrecht erhalten wird.
Das Maß der Mauer ist „144 (12x12) Ellen". Ob dieses Maß auf die Dicke oder, was wahrscheinlicher, auf die Höhe Bezug hat, einerlei, es soll uns zeigen, welch festen Schutzes sich die Bewohner der Himmelsstadt erfreuen, wie es auch von dem irdischen Jerusalem im Reiche heißt: „Wir haben eine starke Stadt; Rettung setzt Er zu Mauern und zum Bollwerk." (Jes 26,1.)
Wenn es dann von dem Maße, womit die Mauern und Tore gemessen werden, heißt, daß es eines Menschen Maß, das ist eines Engels, gewesen sei, so zeigt uns dies vielleicht, daß der Mensch, als das Ebenbild Gottes, der Maßstab ist, den Gott auch in Seinem Reiche anwendet. Vielleicht haben wir dann weiter in dem Zusatze „das ist eines Engels" an das Wort des Herrn in Lk 20,36 zu denken, daß nämlich der menschliche oder „geistige Leib" in der Auferstehung wie „der eines Engels ist". Alles ist in der himmlischen Stadt himmlisch, wenn auch die Bilder und Dinge der Erde entnommen sind.
Hören wir nun weiter, was noch von der Schönheit der Stadt berichtet wird: „Und der Bau ihrer Mauer war Jaspis und die Stadt reines Gold, gleich reinem Glase. Die Grundlagen der Mauer der Stadt war geschmückt mit jedem Edelstein: die erste Grundlage ist Jaspis."
Vom Jaspis, worunter wir, wie wir sagten, sehr wahrscheinlich den Diamanten zu verstehen haben, sahen wir, daß er ein Sinnbild von der Herrlichkeit Jesu Christi und Gottes ist. Gold aber ist ein Bild von der Gerechtigkeit Gottes. Also ist im Neuen Jerusalem Gottes Gerechtigkeit von Seiner eigenen Herrlichkeit umschlossen, denn die Mauer um die Stadt „von reinem Golde" her ist von Jaspis. Wahrlich, welch wunderbares Bild von Gottes himmlischer Wohn- und Hauptstadt in Seinem Reiche! Aber nicht nur ist das Licht und der Glanz, der die ganze Stadt durchleuchtet, das Licht eines „Jaspis", d. h. Gottes eigene Herrlichkeit (Off 21,11), und die Mauer rings um sie her von „Jaspis" (Off 21,18), sondern auch die erste Grundlage der Stadt ist ein „Jaspis" (Off 21,19). Also zum dritten Male wird uns im Bilde gezeigt, daß Gottes Herrlichkeit das Neue Jerusalem erfüllt, umgibt und trägt. Die Grundlage der ganzen Stadt ist Gottes Herrlichkeit; sie ist ja auf Jesum Christum, „den Herrn der Herrlichkeit", „den Sohn des lebendigen Gottes", gegründet.
Weiter berichtet der Seher: „Die zweite (Grundlage) ist Saphir; die dritte Chalcedon; die vierte Smaragd; die fünfte Sardomx; die sechste Sardis; die siebente Chrysolith; die achte Beryll; die neunte Topas; die zehnte Chrysopras; die elfte Hyazinth; die zwölfte Amethyst. Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, je eines der Tore war aus einer Perle, und die Straße der Stadt reines Gold, wie durchsichtiges Glas." (Off 21,19-21.)
Wir müssen davon absehen, jede der weiteren Grundlagen, deren Anzahl eine vollkommene ist, einzeln zu besprechen, wissen wir doch nicht, welchen Gedanken und welche Herrlichkeit der Geist des Herrn mit jedem der einzelnen Steine verknüpft.105 Gewiß ist es aber, daß alle Wesenseigenschaften Gottes und die mannigfaltigen Herrlichkeiten Seiner Erlösung und neuen Schöpfung in dem Glanze und Lichte der verschiedenen Edelsteine dargestellt und in harmonischer Farbenpracht und Schönheit — Gott zum Ruhme — in Erscheinung treten.106
Von der zweiten Grundlage der himmlischen Stadt, dem himmelblauen Saphir, sei nur erwähnt, daß auch die Ältesten Israels, die einst Gottes Herrlichkeit schauten, sahen, wie es „unter Seinen Füßen war wie ein Werk von Saphirplatten, wie der Himmel selbst an Klarheit". (2Mo 24,10.)
Und wie herrlich, daß „jedes der Tore aus einer Perle ist!" Ihr milder Glanz und ihre Kostbarkeit deuten den Wert der „Stadt" an und den der „Braut", die darin wohnt. Wir wissen, daß unser Herr, der sich in Seiner Liebe selbst für uns hingegeben hat, um uns zu besitzen, Seine Versammlung oder Gemeinde selbst „eine sehr kostbare Perle" nannte (Mt 13,46), für die Er Sein eigenes Leben dargelegt hat. (Gal 2,20; Eph 5,25.)107 So bezeugen es alle zwölf Tore der Stadt schon aus der Ferne, welch einen unendlichen Wert die Braut für das Herz des Herrschers hat, der mit ihr in dieser Stadt wohnt und thront.
Die Straßen der Stadt sind, wie die Stadt selbst, „von reinem Golde, wie durchsichtiges Glas" (Off 21,19.21.). Hier auf Erden ist der Gläubige, obwohl er aus Gnaden gerecht geworden ist, ja, sogar die Gerechtigkeit Gottes besitzt, weil Gott ihn „in Christo" erblickt (Röm 5,1; 8,1; 2Kor 5,17.21), doch noch stets in Gefahr, zu sündigen, denn die alte sündige Natur ist noch immer in ihm; und die Welt, durch die er schreitet, ist eine verderbte, unreine Welt. Daher hat er stets in „Furcht zu wandeln" und Selbstgericht zu üben, und täglich muß er sich wieder die Füße waschen lassen. Ach, wie oft wird hienieden die glückselige Gemeinschaft des Gläubigen mit Gott, dem Vater und Seinem Sohne, zu seinem großen Schmerze unterbrochen! Der Gläubige kennt keinen größeren Schmerz als diesen. Aber die Straßen von reinem Golde und durchsichtigem Glase zeigen, daß für ihn die herrliche Zeit kommt, wo er mit allen Erlösten in voller, nie endender und nie unterbrochener, nie gestörter Gemeinschaft in Gottes Nähe weilen, vor Ihm wandeln und dem Lamme, wohin irgend es geht, folgen wird. Welch eine Fülle von Seligkeit und Wonne diese ewige, vollkommene, ungetrübte Gemeinschaft mit Gott, der Licht und Liebe ist, für uns in sich birgt, das können wir hier nur ahnen, noch nicht fassen!
Auf Erden war im Vorhofe des Heiligtums das eherne Meer mit reinem Wasser; hier wuschen sich die Priester, die im Heiligtume dienten, täglich neu ihre Hände und Füße. Droben aber ist diese tägliche Waschung nicht mehr nötig. Die Gemeinschaft der Erlösten mit Gott wird dort nie mehr gestört. Die Sünde ist für immer fern und eine Befleckung nie mehr möglich. Es ist droben darum nur ein „gläsernes Meer", gleichsam zur bleibenden Erinnerung an die Pilgerfahrt hienieden und als Spiegel der ewigen Reinheit aller Erlösten (Off 4,6.). Diesem „gläsernen Meere" nun entsprechen die Straßen der Stadt von „durchsichtigem Glase". Die Erlösten gehen dort einher in göttlicher Gerechtigkeit und unbeflecklicher Heiligkeit. Das Gold der Straßen bezeugt ihre göttliche Gerechtigkeit; und das „durchsichtige Glas" spiegelt ihre fleckenlose Heiligkeit wieder. Als die Erlösten auf Erden waren, erlangten sie am Tage des Heils das neue Leben; sie „zogen den neuen Menschen an, der geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4,24.). Droben im Neuen Jerusalem sind nun Gerechtigkeit und Heiligkeit auch die Natur der ganzen Stadt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Dann fährt der Seher fort: „Und ich sah keinen Tempel in ihr, denn der Herr, Gott der Allmächtige, ist ihr Tempel, und das Lamm. Und die Stadt bedarf nicht der Sonne, noch des Mondes, auf daß sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet, und ihre Lampe ist das Lamm."
Es mag uns zuerst befremden, daß kein „Tempel" im Neuen Jerusalem ist, denn im Himmel war, wie wir wiederholt gefunden, ein Tempel zu sehen.108 Aber die Schwierigkeit verschwindet alsbald, wenn wir bedenken, daß die „Braut- Stadt" selbst ein Tempel ist, da sie „Gottes Behausung ist im Geiste". Die Erlösten sind das Heiligtum Gottes, das Allerheiligste; Gott selbst wohnt hier. Die Braut des Lammes war und ist der „Tempel" Gottes; darum hat sie selbst keinen Tempel; Gott selbst, der ohne Vorhang, ohne Verhüllung in ihrer Mitte wohnt, ist ihr Tempel. „Der Herr, Gott, der Allmächtige", der der Tempel in der „Braut-Stadt" ist, hat auch dort Seinen „Thron". Dann bedarf auch die Stadt nicht der Sonne, noch des Mondes, auf daß sie ihr scheinen, Gott selbst, das ewige Licht, ist hier „die Sonne", der Herrscher und Regent, und der Lichtträger ist das Lamm.
Der Seher fährt fort: „Und die Nationen werden durch ihr Licht wandeln, und die Könige der Erde bringen ihre Herrlichkeit zu ihr. Und ihre Tore sollen bei Tage nicht geschlossen werden, denn Nacht wird daselbst nicht sein. Und man wird die Herrlichkeit und die Ehre der Nationen zu ihr bringen. Und nicht wird in sie eingehen irgend etwas Gemeines und was Greuel und Lüge tut, sondern nur die geschrieben sind im Buche des Lebens des Lammes." (Off 21,23-27.)
Alles erschaffene Licht, alle erschaffene Autorität und Herrschaft, die auf Erden nötig waren, sind dort überflüssig geworden, denn das vollkommene Licht scheint dort in der Herrlichkeit Gottes und in der Person Christi, des „Lammes".
Und wie wir eben hörten, ist dies nicht alles: Die „Braut- Stadt" verbreitet das Licht, das Gott und das Lamm ihr gibt, über die ganze Erde, so daß die Nationen in ihrem Lichte wandeln werden. Sie empfangen von ihr das Licht, das für ihren Wandel und Handel bestimmend ist. Das vollkommene Licht der Herrlichkeit der „heiligen Stadt" läßt die Nationen auf Erden erkennen, wie gerecht Gott ist, wie heilig und wie vollkommen, Er, der Licht und Liebe ist. Das Neue Jerusalem droben mit seinen himmlischen Bewohnern erfreut sich des Lichtes, das in ihrer Mitte ist, und die Nationen hienieden, soweit sie in den ernsten Gerichten, die über die Erde gingen, nicht umgekommen sind, erfreuen sich der Herrlichkeit des Lichtes, das von oben zu ihnen herniederstrahlt.
Als die Gemeinde Gottes, die Braut des Lammes, noch auf Erden war, war sie schon berufen, das Licht der Welt zu sein, und die einzelnen Erlösten sollten „scheinen als Lichter in der Welt" (Phil 2,15), als „Licht in dem Herrn" (Eph 5,8.). Aber ach, wie oft war dieses Licht kaum zu sehen, fast völlig verdunkelt durch die Zerrissenheit des Volkes Gottes und durch die Untreue der einzelnen Glieder!
Das Zeugnis Gottes, das ehedem wie „eine Stadt auf dem Berge" hätte allen sichtbar sein sollen (Mt 6,14), das aber so oft fast gänzlich verdeckt war, ist nun als die „heilige Stadt" während des Tausendjährigen Reiches auf der ganzen Erde in seiner vollkommenen Schönheit sichtbar. Die Könige der Erde selbst huldigen ihr mit willigem Herzen; sie „bringen die Herrlichkeit und die Ehre der Nationen zu ihr". Es heißt nicht „in sie"; denn die Stadt ist in der Höhe, und sie selbst sind auf der Erde. Aber sie erkennen dankbar an, daß der Himmel die Quelle alles Lichtes, aller Weisheit, alles Lebens und Segens für sie ist, die Quelle aller Herrlichkeit und Ehre dieser Welt. Darum sind auch dauernd Gerechtigkeit, Frieden und Wohlfahrt in dieser Zeit auf Erden.
Gleichzeitig ist hienieden das irdische Jerusalem der Sitz der königlichen Herrschaft; und die Nationen und das Königreich, das ihm nicht dienen will, kann nicht bestehen und wird von Gott gerichtet (Sach 14,16-19.). Wir lesen von jener Zeit im Propheten: „Und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommet und lasset uns hinausziehen zum Berge Jehovas und zum Hause des Gottes Jakobs! Und Er wird uns belehren aus Seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf Seinen Pfaden, denn von Zion wird ausgehen das Gesetz und das Wort Jehovas von Jerusalem, und Er wird richten zwischen vielen Völkern und rechtsprechen mächtigen Nationen bis in die Feme." (Micha 4,1-3.) So vermittelt Gott den Segen, der von dem Neuen Jerusalem ausgeht, der ganzen Erde zum Teil durch das irdische Jerusalem. Höher als das irdische Jerusalem und dem Bundesvolk auf Erden steht für Gott für alle Zeit — im Tausendjährigen Reiche wie in der Ewigkeit — das Neue Jerusalem und Christi Braut und Fülle. Hier ist die bleibende Quelle allen Segens.
Nacht gibt es dort nicht, und die Tore der Stadt werden nie geschlossen. Wo Gott ist, da gibt es „keinen Schatten, noch Wechsel von Licht". Auch bedarf die Stadt keines Schutzes gegen das Böse; Gott selbst ist da, ihr Schutz und Schirm; und kein Böses kann ihr nahen.
Auch kann „nichts Gemeines" in die Stadt eingehen, und „nichts, was Greuel tut und Lügen". Nichts Böses weilt in ihrer Mitte, und nichts Böses gelangt von draußen herein. Hienieden war, solange die Erde steht, kaum je ein Werk Gottes errichtet und kaum das Gute in Erscheinung getreten, so drang auch schon das Böse ein, und Satan übte Verderben. In der „heiligen Stadt" droben kann das Herz auf ewig ruhig sein: nie droht hier ein Verderben, noch irgend eine Gefahr. Und — welch ein Glück! — die Bewohner der „heiligen Stadt" sind alle durch die vollkommene Gnade Gottes dorthin gelangt. Es sind nur solche dort, die Gottes Hand ergriff und zu dem Lamme führte, die geschrieben sind „in dem Buche des Lebens des Lammes". Friede und Freude vor Gott und dem Lamme sind darum ihr ewiges Teil.
Wie während des Tausendjährigen Reiches das Licht von der Braut, dem Weibe des Lammes, von der „heiligen Stadt" herniederströmt auf die Erde, so ist das Neue Jerusalem auch zugleich die Quelle des Lebens und des Segens: ein Strom des Segens geht von dort aus.
Wir hören: „Und er zeigte mir einen Strom des Wassers des Lebens, glänzend wie Kristall, der hervorging aus dem Throne Gottes und des Lammes. In der Mitte der Straße und des Stromes, diesseits und jenseits der Baum des Lebens, der zwölf Früchte trägt, und jeden Monat seine Frucht gibt; und die Blätter des Baumes sind zur Heilung der Nationen." (Off 22,1-2.)
Auch im irdischen Jerusalem,, wie wir in den Propheten lesen, öffnet sich während des Tausendjährigen Reiches eine Quelle „unter der Schwelle des Hauses", d. h. des irdischen Tempels, und „Wasser fließt hinab in die Ebene", „und die Wasser des (Toten) Meeres werden gesund". „Und an dem Flusse, an seinem Ufer, auf dieser und auf jener Seite, stehen allerlei Bäume zur Speise, deren Blätter nicht verwelken und deren Früchte nicht ausgehen werden." (Hes 47,1-12.) Aber in unserem Gesichte, das der Seher auf Patmos sieht, haben wir es mit himmlischen Dingen zu tun. In dem Jerusalem auf Erden finden sich nur die Abbilder von den himmlischen Dingen. Die Segnungen, die von der himmlischen Hauptstadt ausgehen, erquicken zunächst die himmlischen Bewohner, und der Baum des Lebens mit seinen stets reifen Früchten ist ihre Speise. Zugleich bringt der himmlische Strom nicht nur, wie der Strom auf Erden, Gesundung für das Tote Meer, sondern auch Segen für die ganze Erde. Und der Baum des Lebens bringt durch seine Blätter „Heilung für die Nationen" der ganzen Welt. Von dieser „Heilung" hatte schon Maleachi, der letzte Prophet des Alten Bundes, geweissagt: „Aber euch, die ihr Meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln." (Mal 4,2.) Diese „Heilung" ist nun gekommen: die Herrlichkeit des Herrn ist über der Erde aufgegangen, und vom Neuen Jerusalem, darin Gott und das Lamm Seinen Thron hat, erstreckt sich die Heilung nicht nur auf die Gottesfürchtigen in Israel, sondern auch auf alle Nationen, die den ernsten Gerichten, die vor dem Reiche über die Erde kamen, entronnen sind. Wie die Wasser der Flut, die in Noahs Tagen über die Erde kamen, nur allmählich verrannen, so werden auch die Folgen der ernsten Gerichte und Zeiten, die Gott vor Beginn des Reiches Christi über die Erde bringen wird, bei Christi Erscheinung nicht gleich alle auf einmal verschwunden sein; erst unter Christi Friedensszepter und Segenshand werden alle Wunden nach und nach heilen und alle Herzen frohlocken. „Und keinerlei Fluch wird mehr sein; und der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein; und Seine Knechte werden Ihm dienen, und sie werden Sein Angesicht sehen; und Sein Name wird an ihren Stirnen sein. Und Nacht wird nicht mehr sein und kein Bedürfnis einer Lampe und des Lichtes der Sonne; denn der Herr, Gott, wird über ihnen leuchten, und sie werden herrschen in die Zeitalter der Zeitalter." (Off 22,4.5.)
Kein Fluch wird dort mehr sein. Einst mußte Gott um des Ungehorsams und des Abfalls des ersten Menschenpaares willen sagen: „Verflucht sei der Erdboden um deinetwillen." Aber Christus kam, das Lamm, und starb für uns und trug am Holze den Fluch, ja, ward ein Fluch für uns und nahm ihn weg. Darum ist in der Wohnung des Friedens sowohl im Jerusalem droben wie hienieden kein Fluch mehr109. Wie könnte auch da der Fluch sein, wo Gott wohnt und das Lamm!
Das Neue Jerusalem ist der Inbegriff aller Herrlichkeit und die Quelle alles Segens für die Erde. Ein Strom des Lebens und der Segnungen, der vom Throne Gottes und des Lammes ausgeht, durchflutet kristallhell die heilige Stadt. Der „Baum des Lebens" steht zu beiden Seiten des Stromes und trägt ohne Aufhören seine Frucht. Licht und Leben strömen segnend und heilend ohne Unterlass durch die offenen Perlentore zur Erde hin. Noch einmal hebt es der Seher hervor, was er uns schon im ersten Verse des Kapitels angedeutet hatte: „Der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein." Dann fährt er fort: „Und Seine Knechte werden Ihm dienen." Hier schon auf Erden taten sie es nach dem Maße der ihnen verliehenen Gnade und Gaben. Aber so kostbar ihnen der Dienst auch war, so blieb er doch nur Stückwerk. Jetzt ist es anders: sie besitzen das glückselige Vorrecht, auf ewig in der Nähe Gottes und des Lammes zu weilen und Ihm in Vollkommenheit zu dienen. Sie werden es tun, ohne zu ermüden; denn der Dienst in Gottes Herrlichkeit und Nähe ist Leben und Seligkeit. An ihren Stirnen tragen sie, für alle weithin sichtbar, den Namen ihres Gottes, „des sie sind und dem sie dienen". Und Nacht ist dort nicht mehr, noch auch — was uns schon einmal berichtet worden war — das Bedürfnis der Sonne und einer Lampe; „denn der Herr, Gott, wird über ihnen leuchten". Nie entzieht sich das Licht der heiligen Stadt und ihren Bewohnern. Das Leben dort ist ein nie endender lichter Tag in Gottes und des Lammes seliger Nähe. „Und sie werden herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit" (Off 22,5), nicht also nur während des Reiches, sondern auch, was die Erde betrifft, auf immerdar.
Hiermit schließt die Schilderung der Herrlichkeit des Neuen Jerusalems. Sie wird während des ganzen Tausendjährigen Reiches über der Erde gesehen werden, wie der Regenbogen, der Bogen des Friedens, einst über der Erde nach der Flut. Von dieser Herrlichkeit über der Erde im Reiche Christi scheint schon der Prophet Jesaias zu reden, wenn er von der „Decke" redet, die über der ganzen Herrlichkeit des irdischen Reiches liegen werde, und von einer „Hütte", die den Menschen zum Schatten und zur Zuflucht sei. (Jes 4,2-6.)
Was die Versammlung oder die Gemeinde des lebendigen Gottes ist nach Gottes Ratschlüssen in ihren Segnungen für die Erde, das erhellt aus ihrer wunderbaren Herrlichkeit, in der sie während des Friedensreiches Christi über der Erde, später auch als die „Hütte Gottes" auf der neuen Erde gesehen wird. Und was sie für Christus ist, das erkennen wir weiter aus ihrer Stellung und ihrem Namen: sie heißt „die Braut, das Weib des Lammes".
Ach, daß wir in der Jetztzeit, während die Kirche Christi noch auf Erden ist, noch aus der Welt gerufen, gesammelt und gebaut wird, Gottes herrliche Gedanken über sie und Christi innige Zuneigung zu ihr, mehr erkennen und zu Herzen nehmen möchten! Möge auch unsere Betrachtung ihrer Herrlichkeit unter Gebet geschehen und unsere Herzen mit Anbetung füllen! Und möchten wir dazu geführt werden, die Gemeinde Christi schon in der Gegenwart mehr als Gottes Tempel und als Christi Braut anzuerkennen und zu ehren!
104 Viele Übersetzer und Ausleger sind der Meinung, daß „der kristallhelle Jaspisstein" nichts anderes sein könne als der Diamant, der sonst unter den Steinen aufgezählt wäre, wäre er nicht darunter gemeint, da er ja bekannt und vor allen Edelsteinen geschätzt war, und auch in der Tat „ein sehr kostbarer Edelstein" oder „der aller edelste Stein" war, wie er in Off 21,11 genannt wird. Blitzender Diamantenglanz wird also die Stadt durchleuchten. — Interessant ist auch, daß der glänzende Diamant nach seiner Beschaffenheit nichts anderes ist als die gewöhnliche Kohle, Ruß usw., nur daß er kristallisiert ist. Welche Gedanken erweckt dies, wenn wir uns erinnern, daß auch die Erlösten, die in des Himmels Herrlichkeit glänzen werden wie der Erlöser, von Natur nichts anderes waren auf Erden als verlorene Sünder. Wie hat sich doch die Gnade Gottes in ihnen wunderbar verherrlicht! (Eph 1,6.12.)↩︎
105 Dazu tragen manche der genannten Steine heute einen anderen Namen. So heißt der Saphir heute Lasur, von himmelblauer Farbe; oder es ist darunter der edle Korund gemeint, der zuweilen hellblau ist und nach der Insel Saphirine im Arabischen Meere Saphir heißt.↩︎
106 Die Schönheit der Schöpfung wird uns in den Edelsteinen in Hes 28 und die Vollkommenheit der Gnade in den zwölf Steinen des Hohenpriesters in 2Mo 39 gezeigt.↩︎
107 Wir halten die Auslegung des Gleichnisses, wonach der Mensch der Käufer der Perle und auch des „Schatzes im Acker« ist, für irrig. Die sieben Gleichnisse in Mt 13 reden davon, was das Reich in seiner äußeren und inneren Form für eine Bedeutung für den Herrn hat. (Siehe die Anmerkung auf Seite 27 und 28!)↩︎
108 Vgl. Off 3,12; 7,15; 11,1.19; 14,15.17; 15,5.6. 8; 16,1.↩︎
109 Nur den Sünder oder Frevler wird im Reiche auf Erden unter gewissen Umständen der Fluch treffen (Jes 65,20.). Sonst ist kein Fluch oder Bann mehr hier. (Sach 14,11.)↩︎