Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 22,6-21 - Schluss des Buches - Warnungen und BelehrungenOff 22,6-21 - Schluss des Buches - Warnungen und Belehrungen
Der Seher fährt fort: „Und er sprach zu mir: „Diese Worte sind gewiß und wahrhaftig, und der Herr, der Gott der Geister der Propheten, hat seinen Engel gesandt, seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muß. Und siehe, ich komme bald. Glückselig, der da bewahrt die Worte der Weissagung dieses Buches!"' (Off 22,6-7.)
Mit der Schilderung der heiligen Stadt, die aus dem Himmel herniederkommt von Gott, schließt die eigentliche Offenbarung, d. h. der prophetische Inhalt unseres Buches. Was nun folgt, sind zunächst Warnungen und Belehrungen, die uns den Ernst der Offenbarung zeigen, die uns ferner kundtun, wie wichtig und nötig es ist, „die Worte der Weissagung dieses Buches" zu bewahren.
Als letzte Herrlichkeit „der heiligen Stadt" hatte der Seher uns mitgeteilt, wie wir vorhin hörten, daß dort nie mehr Nacht sein werde, und daß die Knechte Gottes ewiglich herrschen werden. (Off 22,5.)
Also ein ewiger Tag und eine ewige Herrschaft, das ist der letzte Ausblick, den der Herr uns in der Offenbarung gibt. Damit ist diese zu Ende.
Wenn wir uns nun daran erinnern, daß Gott die Offenbarung Seinem Sohne, Jesu Christo, gab, „um Seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muß" (Off 1,1), und wenn wir auch jetzt am Schlusse des ganzen Buches wieder lesen, daß „der Herr, der Gott der Geister der Propheten", Seinen Engel gesandt hat, „um Seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muß" (Off 22,6), so müssen wir sagen: Welch ein wunderbares Buch ist doch die Offenbarung! Welch einen praktischen Zweck verfolgt sie doch! Sie ist nicht geschrieben für Träumer und träge Menschen, um ihre Phantasie zu nähren, sondern um die Herzen und Hände der Zeugen Christi in ihrem ernsten Kampfe zwischen Licht und Finsternis zu stärken. Wie oft mag es ihnen scheinen, als ob die Finsternis den Sieg behalte und der Satan die Herrschaft! Aber nein; die Offenbarung Jesu Christi belehrt uns eines Besseren: ein ewig lichter Tag und die ewige Herrschaft Jesu Christi und Seiner Knechte folgt ihrem kurzen, aber ernsten Kampfe. Welch herrlicher Ausgang der Dinge! —
Wie uns dieses letzte Buch der Bibel, wie kein anderes, die Herrlichkeit und Größe des Sieges Jesu Christi zeigt, so betont es auch mehr als jedes andere Buch, daß seine „Worte gewiß (d. i. zuverlässig) sind und wahr".
Dreimal sagt es dies. Das erstemal, nachdem wir die Herrlichkeit der Hochzeit des Lammes und Seiner Braut gesehen haben (Off 19,9.). Das zweitemal, nachdem wir die Herrlichkeit des neuen Himmels und der neuen Erde schauen durften (Off 21,6.). Und nun hier, am Schlüsse der ganzen Offenbarung, beim Ausblick auf die Herrlichkeit des ewigen Lichtes und der ewigen Herrschaft, finden wir zum dritten Male die Versicherung von der Zuverlässigkeit und Gewißheit ihrer Worte (Off 22,6.). Wie spricht die Güte des Herrn und Meisters zu Seinen Knechten aus diesem allem! Sie sollen nicht zweifeln und zagen inmitten ihrer Mühen und Kämpfe: der Sieg, die Herrlichkeit des Lammes, wird kommen. Also laßt auch uns mit umgürteten Lenden und treuer Hand für den Herrn der Herrlichkeit im Kampfe stehen, bis Er uns ruft.
Der Herr wird hier „der Gott der Geister der Propheten" genannt, um uns zu erinnern, daß Er stets den Seinigen durch Seinen Geist inmitten der Ereignisse der Welt die Gedanken und Ziele Gottes enthüllte. So war es ehedem, so ist es in der Gegenwart, wo Er dem Seher zeigt, „was bald110 geschehen muß". Hiermit geht der Herr auf den Anfang des ganzen Buches zurück (Off 1,1); und Er fügt hinzu: „Und siehe, Ich komme bald." (Off 22,7.)
So hören wir zweimal nacheinander (in den Versen 6 und 7), daß die Ereignisse unseres Buches, die freudigen wie die ernsten, „in Bälde" oder „bald" geschehen werden, wenn erst der Augenblick dazu gekommen ist.
Es sind schon über 1800 Jahre verflossen, seitdem Gott Seinem Sohne das Buch der Offenbarung für uns gab, und noch einige Jahrzehnte länger ist es her, daß der Herr zu den Seinigen gesagt hat: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten, und Ich werde wiederkommen und euch zu Mir nehmen, auf daß, wo Ich bin, auch ihr seiet", und noch immer harrt der Geist und Seine Braut auf Jesu Kommen. Aber wir wissen, daß das „Verziehen Seiner Verheißung" „kein Verzug" ist, wie es etliche meinen, sondern nur Seine Langmut, da Er retten "möchte, was sich retten läßt.111 Auch wissen wir, daß die Berufung und Hoffnung der Kirche himmlisch ist, daß sie, wie ihr Bräutigam, nicht zur Welt gehört. Ihre Sammlung und Entrückung ist ein Geheimnis und bildet nur eine Einschaltung in die Ereignisse, die über die Erde kommen sollen. Wenn der Herr, den Seine Braut noch heute erwarten darf, uns erst hinweggenommen hat, so werden die Ereignisse, die von Israel und der Welt geweissagt sind, alsbald beginnen.
Doch wie nötig ist es für „die Mitgenossen in der Drangsal und im Königtum und im Ausharren in Jesu",112 daß sie vom Herrn ermuntert werden, „das Wort Seines Ausharrens zu bewahren", wie es Philadelphia tut (Off 3,10), um, wann Er kommt, „mit umgürteten Lenden und brennenden Lampen dazustehen, wartend, wachend, dienend" (Vgl. Lk 12,35-45.). „Denn noch über ein gar Kleines, und der Kommende wird kommen und nicht verziehen."
Viel ernster noch und schwieriger als für uns wird es für die Gläubigen aus Israel und aus den Nationen sein, nach unserer Hinwegnahme aus der Welt in der kommenden Drangsalszeit, „das Ausharren und den Glauben der Heiligen zu bewahren" (Off 13,10; 14,12 !). Aber der Geist ruft uns und ihnen zu: „Glückselig, der da bewahrt die Worte der Weissagung dieses Buches!" (Off 22,7.) Im Eingang des Buches spricht der Geist: „Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist." (Off 1,3.) Am Schlusse ist nur noch der Einzelne angeredet, und es wird nur noch „das Bewahren" betont.
Hat aber die Kirche „die Worte, der Weissagung" im Laufe der Jahrhunderte bewahrt? Wir müssen sagen, nein! Die „Offenbarung Jesu Christi" ist für sie in ihrer Verweltlichung allmählich ein dunkles Buch geworden. Doch dürfen wir immerhin annehmen, daß die Gläubigen in allen Jahrhunderten ein gewisses Maß der „Glückseligkeit", die dem verheißen ist, der die Weissagungen „bewahrt", genossen haben. Sie werden, wenn sie auch die geweissagten Ereignisse und Gerichte zum großen Teil nicht richtig deuteten, doch alle durch den Nebel hindurch, der für sie über dem Buche lagerte, die Sonne gesehen haben Jesum Christum, dem Gott zuletzt alle Feinde zu Füßen legt, indem Er Ihm, dem Lamme, den Sieg gibt und das Reich. Das zu wissen, war für sie eine Hilfe und ein Segen.
Größer ist naturgemäß die „Glückseligkeit" für den einsichtsvollen Christen heute, da der Herr so nahe ist und Er mehr Licht über das Verständnis Seines Buches gegeben hat, vorausgesetzt, daß bei der Erkenntnis auch wahre Treue des Herzens vorhanden ist.
Nachdem nun Johannes die Herrlichkeit der „Braut- Stadt" gesehen hat, will er, wie zuvor, als er die Herrlichkeit der Hochzeit des Lammes schaute, vor dem Engel anbetend niedersinken (Off 22,8.9; vgl. mit Off 19,19.). Aber auch hier weist ihn der Engel zurecht, indem er sich mit ihm und seinen Brüdern, den Propheten, und mit denen, die „die Worte dieses Buches bewahren", vereinigt und sich nur aller „Mitknecht" nennt. Er sagt: „Bete Gott an!" Nichts soll je zwischen Gott und Seine Erlösten treten, und nur Er darf göttliche Verehrung empfangen.
Darauf spricht der Engel zu dem Seher: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung dieses Buches; die Zeit ist nahe."
Seine Worte sollen nicht, wie einst bei dem Propheten Daniel, versiegelt werden (Dan 12,4.). Der Grund dafür liegt nicht nur darin, daß Johannes die Offenbarung etwa sechs Jahrhunderte später erhielt als Daniel, sondern auch vor allem in der Verschiedenheit der Stellung von Kirche und Israel. Der Christ erwartet täglich den Herrn; kein Ereignis hat er noch vor der Aufnahme in die Herrlichkeit zu erwarten; während Israel sein gesegnetes Teil und den Anbruch seiner Herrlichkeit erst nach Eintritt gewisser Gerichte und nach Abschluß ganz bestimmter Ereignisse zu erwarten hat.
Wann aber die Zeit der Gnade abgeschlossen ist und die Gerichte beginnen, dann werden die Menschen in dem Zustand, in dem sie gefunden werden, für immer verbleiben, sei es zum ewigen Gericht, sei es zu ewigem Segen. Darum hören wir: „Wer Unrecht tut, tue noch Unrecht, und wer unrein ist, verunreinige sich noch, und wer gerecht ist, übe noch Gerechtigkeit, und wer heilig ist, sei noch geheiligt!" (Off 22,11.)
Ja, nach dem Abschluß der Gnadenzeit ist es zu spät, für immer zu spät, vom Tod zum Leben zu schreiten, aus der Finsternis zum Licht und aus Satans Gewalt zu Gott zu kommen. Der große Unterschied, der zwischen denen besteht, die zu Gottes Volk gehören oder nicht, wird dann allen offenbar als ewige Kluft.
Der Herr fügt dann hinzu: „Siehe, Ich komme bald, und Mein Lohn mit Mir, um einem jeden zu vergelten, wie sein Werk sein wird." (Off 22,12.)
Schon einmal hatte der Herr gesagt: „Siehe, Ich komme bald!" (Off 22,7.) Dort zur Warnung, um die Worte der Weissagung zu bewahren und zur Ermunterung für die, die es tun. Hier aber, Off 22,12, redet der Herr anscheinend von Seinem Kommen zum Gericht und zur Vergeltung für alle Lebenden.
Er allein hat das letzte Wort zu sprechen, und Er ist allein befugt, die Belohnung auszuteilen; Er ist der Letzte auf dem Plane. Er sagt von sich: „Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende." (Off 22,13.)
Er ist der Herr und Gott, der vor allem war und nach allem sein wird, und auch jetzt, in der Gegenwart, alles sieht und wahrnimmt.
Nun wird noch einmal der Weg des Lebens und des Todes einander gegenübergestellt. Wir lesen: „Glückselig, die ihre Kleider waschen, auf daß sie ein Recht haben an dem Baume des Lebens, und durch die Tore in die Stadt eingehen! Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Hurer und die Mörder und die Götzendiener, und jeder, der die Lüge liebt und tut." (Off 22,14.16.) Die ewige Belohnung der Seligen und das ewige Teil der Gottlosen wird hier in Bildern ausgedrückt, wie wir gewohnt sind, sie in unserem Buche zu finden. (Off 21,6.)
Ja, die Kleider derer, die „durch die Tore der Stadt eingehen" und sich an den Früchten des Baumes des Lebens nähren und laben wollen, müssen gewaschen und im Blute des Lammes weiß geworden sein. So sahen wir es auch schon bei der großen Volksmenge, die aus „der großen Drangsal" kommt und lebend in das Reich Jesu Christi eingehen wird. (Off 7,13-17.)
Draußen aber sind für immer alle Unreinen und Gewalttätigen, die die Lüge lieben, welche von Satan stammt, und die dem Götzendienst huldigen. Es sind also die, die gegen die Reinheit, gegen ihre Nächsten und gegen Gott sündigten und Satan anhingen.
Nach dieser letzten Gegenüberstellung des ewigen Teiles der Seligen und der Gottlosen, die den Inhalt der vorangehenden Weissagungen in so ernster Weise zum Abschluß bringt, offenbart sich der Herr Jesus selbst in Seiner eigenen Person. Wir lesen: „Ich, Jesus, habe Meinen Engel gesandt, euch diese Dinge zu bezeugen in den Versammlungen. Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern." (Off 22,16)
Wie herrlich, der Herr nennt sich mit dem einfachen, kostbaren Namen Jesus! So war Er genannt, ehe Er als der Sohn Gottes von der Jungfrau geboren wurde. Das ist Sein persönlicher Name, in dem Er hier Gott verherrlichte, und in dem wir die Vergebung der Sünden und das ewige Leben erlangt haben, der höchste aller Namen, in welchem einst alle Knie sich beugen müssen, der Himmlischen, Irdischen und Unterirdischen. Er hat durch Seinen Engel die Dinge, die Ihm noch im Wege stehen, ehe Sein Reich hier kommen kann, in den Versammlungen bezeugt. Und Er hat es getan in einem doppelten Charakter: Er ist zunächst, hinsichtlich Israels und der Verheißungen, die diesem gemacht wurden, „die Wurzel und das Geschlecht Davids". Er ist der Ursprung und Ausgang Israels, wie auch all seiner Verheißungen) Er ist die „Wurzel". Zugleich ist Er auch, da Er „dem Fleische nach aus dem Samen Davids" geboren ist, „das Geschlecht Davids", d. h. der Sproß aus Davids Haus, und damit der Erbe der Verheißungen Israels.
Dies ist der eine Charakter des Herrn Jesu. Aber Er hat noch eine höhere Stellung. Er ist auch „der glänzende Morgenstern". In diesem Charakter kennen wir Ihn, die Gemeinde, die himmlische Braut. So schauen wir Ihm entgegen während der Nacht Seiner Abwesenheit, in der die Welt in Finsternis liegt, und ehe Er als „die Sonne der Gerechtigkeit" aufgehen und Heilung bringen wird für die Gläubigen aus Israel und den Nationen. Wir wissen heute, daß „die Nacht weit vorgerückt und der Tag nahe ist" (Röm 13,12.). Aber bevor dieser Tag beginnt, wird die Braut, weil sie „nicht von der Nacht, noch von der Finsternis" ist113 Ihn als „den Morgenstern" erblicken. Bereits ist der Morgenstern im „Herzen" der Braut „aufgegangen" (2Pet 1,19), weil sie auf Ihn hofft und sich aus Sein Kommen freut. Ihre Hoffnung ist nicht das Teil der schlafenden Welt; ach, nein, sie liegt in tiefem Schlummer und „im Bösen". Erst, nachdem der Morgenstern, während des Schlafes der Welt, am Horizont erschienen und die Braut dem Bräutigam entgegengerückt worden ist, wird, nach Jahren schwerer Gerichte, „der Tag" anbrechen, wann der Herr Jesus als der König Israels und als der „Fürst der Könige der Erde" mit Seiner himmlischen Braut herniederkommt. Aber so schön und herrlich jener Tag auch sein wird, den die „Sonne der Gerechtigkeit" der Erde bringt, so wird die Welt doch den Herrn Jesum nie in der gleichen Kostbarkeit erkennen und genießen, wie Seine Braut das tut.
Ihr Verlangen geht aus nach Ihm; und ihr Verlangen ist auch das des Heiligen Geistes. Wir lesen: „Und der Geist und die Braut sagen: Komm! und wer es hört, spreche: Komm! Und wen da dürstet, der komme; wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst!" (Off 22,17.)
Sobald sich der Herr ankündigt als „der glänzende Morgenstern", rufen der Geist und die Braut Ihm entgegen: „Komm!" Beide, der Geist und die Braut, nebeneinander und miteinander, rufen es. Auch der Geist, der die Braut aus der Welt geworben hat, sehnt sich ja weg von hier, wo Er soviel betrübt ist durch das, was Er unter den Kindern Gottes erfährt und sieht, durch ihre Zerrissenheit und Weltförmigkeit. Zudem sehnt Er sich danach, wie es einst Elieser tat, als er für den Sohn seines Herrn die Rebekka gefunden hatte, die Braut dem wahren Isaak zuzuführen. Er spricht gleichsam wie jener: „Haltet mich nicht auf, da Jehova Glück gegeben hat zu meinem Wege; entlasset mich, daß ich zu meinem Herrn ziehe!" Und mit dem Geiste sehnt sich, um der Liebe willen, auch die Braut aus dieser argen Welt nach ihrem Bräutigam und nach dem Vaterhause.
Zugleich wendet sich alsdann der Geist, sowie das Herz aller derer, die die Gefühle des Heiligen Geistes teilen, auch anderen zu, mit der Bitte: „Wer es hört" — d. h. wer den Ruf des Geistes in der Versammlung vernimmt —, der stimme in den seligen Ruf mit ein, und „spreche: Komm!"
Es ist ja das glückselige Teil aller, die zur Braut gehören, auf das Kommen des Herrn zu hoffen. Er wird kein Glied der Braut dahintenlassen. Darum sollten alle, die Ihm angehören, sich freuen zu vernehmen, daß Sein Kommen nahe ist.
Wie dunkel ist es nach Mitternacht in der ohnehin so finsteren Welt für die Kinder Gottes geworden! Wie sollten sich doch alle freuen, aus dem Worte Gottes zu erkennen und durch Seinen Geist zu vernehmen, daß ihr Erlöser nahe ist, daß Er bald kommen wird als der Morgenstern, um sie „vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, zu bewahren!"
Indem nun die Braut, die Gesamtheit der Erlösten, aufwärts blickt und ruft: „Komm, Herr Jesu!" erinnert sie Seine Gnade, die sie errettet hat und nun beglückt, auch an die zu denken um sie her, die noch ohne Gott und ohne Hoffnung sind. Deshalb geht ihr Ruf auch zu diesen hin: „Und wen da dürstet, der komme; wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst!"
Je weiter die Welt und ihre Kultur voranschreiten, um so mehr wird nur die Nichtigkeit aller Dinge hienieden offenbar und das Unvermögen der Menschen, durch ihre Weisheit und Künste die Sehnsucht der Herzen nach Frieden zu stillen. Immer klarer wird es, wie wahr das Wort Jesu ist: „Jeden, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten; wer irgend aber von dem Wasser trinken wird, das Ich ihm gebe, den wird nicht dürsten in Ewigkeit." (Joh 4,13.14.) Darum ruft die Braut mit dem Geiste allen zu, die da dürsten, daß sie zu Jesu kommen möchten. Ja, ihr Ruf geht auch zu allen denen, die noch nicht den Durst nach Frieden kennen, aber ohne das Wasser des Lebens gleichfalls verloren gehen, daß, wenn sie „wollen", auch sie „das Wasser des Lebens nehmen" möchten. — „Umsonst" sollen sie es empfangen! Gott schenkt Sein ewiges volles Heil aus freier Gnade allen, die da „dürsten", und allen, die es „wollen". Wie Er Seinen Menschenkindern die wichtigsten Dinge des Lebens: Licht, Luft und Wasser frei gibt und umsonst, so bietet Er auch das allerhöchste Gut, Vergebung und ewiges Leben, allen aus freier Gnade an: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnaden gabe Gottes aber ewiges Leben in Christo Jesu, unserem Herrn." (Röm 6,23.)
Wie schön ist es, daß in Off 21,17 die Stellung der Versammlung oder Gemeinde Christi noch einmal so klar zum Ausdruck kommt! Zunächst sehen wir ihre Verbindung mit dem Heiligen Geiste; Sein Ruf ist ihr Ruf, welcher Zeugnis gibt, wie Jesus Christus der Gegenstand ihres Glaubens, Hoffens und Liebens ist. Sie ruft Ihm zu als „Braut" dem Bräutigam: „Komm!" Die Zuneigungen ihres Herzens gehören Ihm und damit auch denen, die Sein sind. Sie bemüht sich um die Miterlösten, daß auch sie mit einstimmen möchten in den Ruf nach Ihm, um vor Ihm bereitzustehen, wann Er kommt. Und weiter sehen wir, daß die Versammlung oder Gemeinde für Gott dasteht, „als ob Gott durch sie ermahnte"; denn sie bittet die Unbekehrten an Christi Statt: „Lasset euch versöhnen mit Gott!"
Überhaupt ist es gar lieblich, die Gefühle der Braut am Schlusse des Buches mit ihren Gefühlen am Anfange des Buches zu vergleichen. In Off 1,5.6 und in Off 21,17 haben wir jedesmal einen freien Ausbruch ihrer Gefühle zu Jesu Christo, ihrem geliebten Erlöser und Herrn.
An der ersten Stelle jubeln die Erlösten als Einzelwesen ihrem Erlöser zu, sobald sie den teuren Namen Jesu nennen hören. Sie jubeln: „Dem, der uns liebt, und uns von unseren Sünden gewaschen hat in Seinem Blute, und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern Seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen."
Hier am Schlusse nun rufen die Erlösten in ihrer Einheit als Jesu „Braut"; aber es ist wieder Sein kostbarer Name, der sie alsbald vor Freude jubeln läßt, wobei sie voll Sehnsucht rufen: „Komm!" Ja, „das Herz wallt über von guten Dingen".
Zwischen den genannten beiden freien Ausbrüchen der Freude und des Glückes der Erlösten als „Könige und Priester", sowie als „Braut" liegt das ganze Buch der „Offenbarung". Aber so ernst sein Inhalt auch ist, so bleiben die Herzen doch stets getrost in Jesu, der sie „gewaschen hat in Seinem Blute", und der nun als „der glänzende Morgenstern" kommt, um sie in die Wohnungen des Vaters zu holen, auf daß sie auf immer da seien, wo Er ist.
Nach dem Rufe der Braut in Off 22,17, wodurch der Gedankengang der Darstellung eigentlich unterbrochen worden ist, wie wir eine gleiche Unterbrechung in Off 1,5.6, gesehen haben, nimmt der Herr wieder das Wort. Er bedroht jeden, der den Inhalt des Buches nicht in seiner Vollständigkeit und unverletzt bewahren werde, mit dem Verluste seines Teiles an dem Baume des Lebens und an der Heiligen Stadt. Wir hören Ihn sagen: „Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buche geschrieben sind; und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, so wird Gott sein Teil wegnehmen von dem Baume des Lebens und aus der heiligen Stadt, die in diesem Buche geschrieben sind." (Off 22,18.19.)
Wie ernst sind diese Worte! — Nichts darf Seinem Worte hinzugetan, nichts weggetan werden. Wie sehr hat sich die bekennende Kirche mit ihren Lehrern und Führern hiergegen versündigt und sich an dem Worte Gottes, nicht nur an dem letzten Buche der Bibel, auf das sich allerdings die ernsten Worte des Herrn zunächst beziehen, vergriffen!
Wie wichtig ist es, daß wir das ganze Wort Gottes, „welches heilige Männer Gottes redeten — oder schrieben —, getrieben vom Heiligen Geiste", bewahren und daran festhalten, indem diese „heiligen Männer" redeten und schrieben „nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Heiligen Geist!" (2Pet 1,21; 1Kor 2,13.) Der einsichtsvolle Christ, der sich in der Furcht des Herrn unter das Wort Gottes beugt, wird darum nicht zu sagen wagen: Gottes Wort ist in der Heiligen Schrift, sondern: Die ganze Heilige Schrift ist Gottes Wort.
An unserer Stelle (Off 22,18.19) ist zum fünften Male die Rede von „den Worten der Weissagung dieses Buches",114 wodurch der prophetische Charakter des ganzen Buches stark hervorgehoben wird.
Jesus Christus ist es selbst, der die ernsten Warnungen zur vollen Bewahrung des Buches an die Hörer richtet. Denn wir lesen: „Der diese Dinge bezeugt, spricht: ,Ja, Ich komme bald!'" Und wie die Braut die Stimme des Herm und die neue Verheißung Seiner nahen Ankunft hört, ruft sie freudig zurück: „Amen- komm, Herr Jesu!" (Off 22,20.) „Ja, Herr Jesu, komm!" So rufen auch heute noch alle, die Sein teures Eigentum sind und Seinen Ruf vernommen haben. Und diese Antwort wird das Echo unserer Herzen sein, die wir Ihn lieben, der uns zuerst geliebt hat, bis wir da sind, wo Er ist, bei Ihm sind, bis wir Ihn sehen, wie Er ist.
Nun tritt zum Schluß auch der Apostel Johannes hervor, der dieses Buch im Heiligen Geiste geschrieben hat und fügt die Bitte des Heiligen Geistes hinzu: „Die Gnade des Herrn Jesu Christi sei mit allen Heiligen!"
Ja, bis der Herr kommt, es sei heute oder morgen, um uns in Seine Herrlichkeit zu führen, bedürfen wir Seiner Gnade. Er gibt beides, Gnade und Herrlichkeit, wie schon in den Psalmen geschrieben steht: „Gnade und Herrlichkeit wird Jehova geben." (Ps 84,11.)
Die Gnade führt zur Herrlichkeit. In der Wüste erfahren wir die Fülle Seiner Gnade und im Vaterhause droben die Fülle Seiner Herrlichkeit.
Mögen wir denn alle, die wir Jesu Christo angehören, die „wir die Erlösung haben durch Sein Blut nach dem Reichtum Seiner Gnade", die kurze Spanne Zeit hienieden treu wandeln „zum Preise Seiner Gnade", treu für Ihn hier leiden und streiten, bis wir von Ihm, unserem geliebten und hochgelobten Herm, hinaufgerufen werden in die ewige Ruhe, um allezeit bei Ihm zu sein, „zum Preise Seiner Herrlichkeit!" „Amen komm, Herr Jesu!"
110 Eigentlich „in Bälde".↩︎
114 Vgl. Off 1,3; 22,7.10.18.19.↩︎