Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 20, 11-15 Das Gerichtder Toten und das WeltendeOff 20, 11-15 Das Gerichtder Toten und das Weltende
Im Anschluß an das Gericht über Satan wird uns dann das Gericht der Toten berichtet. Wir hörten, daß die erste Auferstehung sich nur auf die Gerechten, die Erlösten, erstreckte: „Die übrigen der Toten wurden nicht lebendig, bis die tausend Jahre vollendet waren." (Off 20,5)
Das Gericht der Toten ist das dritte Gericht, nachdem der Herr der Herrlichkeit nach der Hochzeit des Lammes mit den Heeren des Himmels auf die Erde herniederkam. Das erste Gericht könnten wir das Kriegsgericht nennen (Off 19,11 f.); das zweite Gericht das Gericht des Königs, indem Er selbst als Richter auf Seinem Throne sitzt (Off 20,4 f.). Hierzu gehört wohl auch das Gericht der lebenden Nationen, das uns der Herr selbst im Ev. Mt 25,31 f. berichtet, denn es findet beim Anfang des Tausendjährigen Reiches statt. Hierauf folgt dann, das dritte oder ewige Gericht, das der Toten, die nicht mit Gott versöhnt waren und nun, nach Vollendung des Tausendjährigen Reiches und nach Vollstreckung des Gerichtes über Satan, am jüngsten oder letzten Tage vor Gottes Richterthron erscheinen müssen.
Wir lesen darüber: „Und ich sah einen großen weißen Thron, und Den, der darauf saß, vor dessen Angesicht die Erde entfloh und der Himmel: und keine Stätte ward für sie gefunden. — Und ich sah die Toten, die Großen und die Geringen, vor dem Throne stehen, und Bücher wurden aufgetan; und ein anderes Buch wurde aufgetan, welches das des Lebens ist: Und die Toten wurden nach dem gerichtet, was in den Büchern geschrieben war, nach ihren Werken." (Off 20,11.12.)
Der jüngste Tag, das Ende der Welt, ist gekommen. Auf einem hohen, erhabenen Throne, der im strahlenden Lichte der unbestechlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes hell, rein und weiß erglänzt, sitzt der Weltenrichter. Vor Seinem Angesichte — der Seher nennt Seinen Namen nicht, aber wir wissen, es ist Christus, denn „Gott hat alles Gericht dem Sohne übergeben" — entfliehen die sichtbaren Himmel und die Erde. Das ist der Augenblick, „an welchem die Himmel vergehen werden mit gewaltigem Geräusch, die Elemente aber werden im Brande aufgelöst und die Erde und die Werke auf ihr verbrannt werden". 2Pet 3,10.) Es ist das letzte Ereignis am „Tage des Herrn", der Abschluß dieses Tages. Alles, was der Mensch erbaut und errafft hat, seine Denkmäler und Schätze, seine Bauten und Reiche, alles, worauf er stolz war, und woran sein Herz hing, alles zerrinnt wie ein Nebelbild, vergeht im Feuer, „und keine Stätte ward für sie gefunden". —
Aber wenn auch alle Werke der Menschen untergehen und die Erde selbst vergeht, die Menschen selbst sind nicht untergegangen oder vernichtet worden und werden nie vernichtet werden. Ihre Seelen leben noch und hören nie auf, zu sein. Gott blies dem Menschen in der Schöpfung Seinen Odem ein, gab ihm von Seinem Geiste. Das tat Er nicht bei den Tieren; und so ist der Mensch unsterblich geworden. Darum müssen „alle, die in den Gräbem sind", d. h. alle Gestorbenen und alle Lebenden, auch „die das Böse getan haben", einmal „die Stimme des Sohnes Gottes hören" und vor Seinem Angesicht und Richterstuhl erscheinen. (Joh 6,28.29; Röm 14,10.)98
Dort müssen alle vor dem Richter stehen, „die Großen und die Geringen", und Sein gerechtes und ewigbindendes Urteil hören. „Die Bücher wurden aufgetan, und ein anderes Buch wurde aufgetan, welches das des Lebens ist." Da ist also eine Verschiedenheit der Bücher. In dem einen Buche sind nur Werke verzeichnet, denn die hier Versammelten werden gerichtet nach ihren Werken. In dem anderen Buche stehen dagegen nicht Werke, sondern Namen, die Namen derer, die das göttliche Leben haben und zum ewigen Leben in die Herrlichkeit eingehen.
Alle Klassen von Menschenkindern finden wir also hier, von den größten bis zu den geringsten,99 die in der Welt waren. Jetzt, da sie vor Gott stehen, sind sie alle gleich, denn bei Ihm gilt kein Ansehen der Person.
Ferner kann man die unzählbare Menge derer, die vor dem großen weißen Thron zum Gericht erscheinen müssen, noch in einer anderen Hinsicht in zwei Klassen teilen: ob sie vor der Aufrichtung des Königreiches Christi auf Erden starben oder erst während dieses Reiches. Alle, alle von Anbeginn der Geschichte der Menschheit, die sich nicht in Wahrheit vor Gott gebeugt haben, werden hier zur Verantwortung gezogen werden. Die Scharen von Abtrünnigen, die bei der letzten Probe nicht bestanden und sich nach Schluß des Reiches Christi vom Satan verführen ließen und sich wider Gott empörten, wurden, wie wir sahen, im Gericht durch das Feuer hinweggerafft, aber sie werden auferstehen und als verdammungswürdig vor dem großen weißen Throne im Gerichte stehen mit all den Millionen früherer Geschlechter.
Weniger klar drückt sich die Heilige Schrift aus über das Los derer, die während des Tausendjährigen Reiches sterben. In Jesaias sagt Gott: „Denn siehe, Ich wandle Jerusalem um in Frohlocken, und sein Volk in Freude. Und Ich werde über Jerusalem frohlocken und über Mein Volk Mich freuen, und die Stimme des Wehgeschreis wird nicht mehr darin gehört werden. Und dort wird kein Säugling von einigen Tagen und kein Greis mehr sein, der seine Tage nicht erfüllte, denn der Jüngling wird als Hundertjähriger sterben und der Sünder als Hundertjähriger verflucht werden100..., denn gleich den Tagen der Bäume sollen die Lage Meines Volkes sein, und Meine Auserwählten werden das Werk ihrer Hände selbst verbrauchen." (Jes 65,18-22.) Also wird auch im Tausendjährigen Reiche der Tod Menschen hinwegraffen; und ohne Frage werden alle, die in dieser gesegneten Zeit als „Sünder" sterben und „verflucht" werden, auch auferstehen und vor dem „großen weißen Throne" verdammt werden.
Wir hören: „Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buche des Lebens, so wurde er geworfen in den Feuersee." Dies ist der zweite Tod.
Ach, die großen Scharen der Menschen, so viele von Anbeginn der Geschichte in ihren Sünden starben, finden nun ihr ewiges Gericht, wenn die Strafe und Pein auch verschieden ausfallen wird nach dem verschiedenen Maß ihrer Bosheit und Schuld und andererseits nach dem verschiedenen Maße der Erkenntnis, die sie auf Erden von Gott besaßen.101 Besonders schwer muß also das Gericht all der vielen Millionen sein, die das Wort Gottes gehört hatten, sich aber nicht in Buße und Glauben zu Gott bekehrten, die Sein großes, freies und ewiges Heil in Jesu verschmähten. Wie viele Millionen hatten doch den Namen, daß sie lebten, waren aber tot; sie waren vielleicht in vieler Hinsicht ehrbar, brav und religiös, aber nicht wiedergeboren und nicht versöhnt. Wie viele Millionen auch waren „beinahe überredet", aber sie sagten: „Für jetzt gehe hin; zu einer gelegeneren Zeit will ich dich rufen lassen." Sie schoben ihr Heil auf, bis es für immer zu spät war; oder sie waren zu „feige", um in einer feindseligen Welt den gekreuzigten Erlöser zu ergreifen und sich Ihm zu ergeben. Ihr Teil ist nun „im Feuersee". „Das Meer gab die Toten, die in ihm waren; und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren." Also Meer und Erde102 gaben die Leiber zurück, die dort lagen, wenn sie auch als Bestandteile der Erde längst „die Verwesung sahen". Und der Hades gibt die Seelen der Verstorbenen zurück.103 „Der Tod und der Hades", d. h. alle die vielen Seelen, die bis dahin noch in ihrer Haft waren, „wurden geworfen in den Feuersee. Dies ist der zweite Tod, der Feuersee."
Niemand aber denke, daß „der Feuersee", d. h. der zweite oder ewige
Tod, eine Vernichtung sei. „Feuer" bedeutet „Gericht" aber nicht immer
Zerstörung. So hören wir vom Satan und seinen Engeln, daß sie „im
Feuersee Tag und Nacht gepeinigt werden in Ewigkeit". (Off 20,10.)
Gottes Wort nennt auch einen Menschen, der in seinen Sünden lebt und
keineswegs vernichtet ist, schon „tot". (Eph 2,1.5; 1Tim 5,6.)
Ach, daß die Menschen doch, anstatt sich die Schrecken des ewigen
„Verderbens" und „des ewigen Feuers" zu verhehlen, jetzt am Tage des
Heils ihre Zuflucht nehmen möchten zu Gottes wunderbarer Gnade in Jesu
Christo! Wie kostbar, aber auch wie ernst sind die Worte: „Siehe, jetzt
ist die Zeit der Annehmung; jetzt ist der Tag des Heils!" (
98 Der „Richterstuhl Gottes" (Röm 14,10) ist derselbe wie der Richterstuhl Christi" (2Kor 5,17). Aber wie wir bereits sagten, kommen die Gerechten im Himmel vor den Richterstuhl, wenn sie schon bei und mit Christo auf ewig verherrlicht und selig sind. Die Ungerechten dagegen kommen mehr als 1000 Jahre später auf Erden vor den Richterstuhl, wenn sie nämlich am jüngsten Tage vor „dem großen weißen Thron" erscheinen müssen, um für ihre Sünden bestraft und nach ihren Werken gerichtet zu werden.↩︎
99 „Geringen" ist hier wohl besser übersetzt als „Kleinen", denn für die „Kleinen" (d. h. die Kinder) haben wir Verheißungen, daß sie nicht verloren gehen (Mt 18,10.11.14.). Und bei Kindern kann man wohl auch noch nicht in dem Sinne von „Werken" reden wie bei Erwachsenen.↩︎
100↩︎Oder: „Wer als Hundertjähriger stirbt, wird ein Jüngling (eig. Knabe) sein, und wer als Hundertjähriger verflucht wird, wird ein Sünder sein."
101 Vgl. Lk 12,47.49; Mt 11,22.24 u. a. Stellen.↩︎
102 Dazu gehören auch die in den Feueröfen zu Asche und Staub verbrannten Leiber.↩︎
103 „Hades", die unsichtbare Geisterwelt, das Reich der abgeschiedenen Geister, wird im Urtext der Bibel von der „Hölle" unterschieden. — Erst die „Hölle" ist der ewige Aufenthaltsort der Toten, und zwar nur der Verdammten, nach ihrer Auferstehung.↩︎