Die nachfolgenden Betrachtungen über das Buch der Offenbarung erschienen zunächst fortlaufend in der Zeitschrift „Gute Botschaft des Friedens" und ihr letzter Teil in des Verfassers Monatsblatt für Gläubige „Gnade und Friede".
Die durch mehrere Jahrgänge sich hinziehenden Betrachtungen wurden vor ihrer Zusammenstellung und ihrem Abdruck neu durchgesehen und stellenweise überarbeitet. Indessen haben sich die Spuren der ursprünglichen Form, in der die Betrachtungen erschienen, nicht immer ganz verwischen lassen. Manche Wiederholungen von Gedanken und Angaben, die um der neueintretenden Leser willen oder auch wegen der Zwischenräume, in denen die Zeitschriften erschienen, in etwa nötig waren, wurden entfernt, aber nicht alle völlig beseitigt. Aber gerade dieser Umstand wird manchem Leser bei dem oft schwierigen Gegenstand der Betrachtung eher als eine Hilfe erscheinen als eine Störung.
Die Anregung zur Abfassung der Betrachtungen über die Offenbarung, wie auch zur Herausgabe derselben in einem besonderen Buche ging aus den Leserkreisen hervor. Es findet sich heute das Verlangen nach göttlicher Belehrung über „die letzten Dinge" ja fast allgemein unter den Christen, und selbst unter vielen, die noch nicht in Christo ruhen. Es ist dies in unserer ernsten Zeit gut begreiflich und eines der vielen Zeichen unserer Zeit, die kundtun, daß wir in den Tagen der letzten Dinge leben, oder daß diese doch sehr nahe sind.
Nun steht die Hoffnung der Kirche, die täglich den Herrn zu ihrer Wegnahme erwarten darf, zwar nicht mit den Dingen der Welt und den Zeitereignissen in Verbindung, weshalb wir auch nicht auf die Zeichen der Zeit zu warten haben, aber wir nehmen diese doch wahr, und das Wort Gottes sagt uns selbst, daß wir „den Tag des Herrn herannahen sehen" (Heb 10,25.). Wenn darum, wie dies tatsächlich heute der Fall ist, die mannigfachsten Erscheinungen rings um uns her wahrzunehmen sind und sich die Ereignisse, welche im prophetischen Worte für die Endzeit geweissagt sind, in unseren Tagen drängen, so ist es gewiß der Wille Gottes, daß wir Sein Wort durchforschen, um daraus die für unsere Lage uns nötige Weisheit und Kraft zum Dienst und Ausharren zu gewinnen.
Ohne Frage ist nun das letzte Buch der Bibel in besonderer Weise dazu geeignet und uns vom Herrn dazu geschenkt, uns die Kraft und Ermunterung darzureichen, deren wir in den letzten Tagen der Gnadenzeit, in die unser Los gefallen ist, für unseren Pfad und Dienst bedürfen. Es ist ja dieses letzte Buch „die Offenbarung Jesu Christi, die Gott Ihm gab, um Seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muß". Darum hat auch Gott, wie über alle prophetischen Schriften Seines Wortes, besonders über die „Offenbarung" in den letzten Jahrzehnten viel Licht verbreitet. Er hat dadurch die Erkenntnis unter Seinem Volke über die nahe Ankunft des Herrn für die Kirche, das ist Seine Gemeinde, und über die Hoffnung Israels vermehrt. Während man ehedem nur die geschichtliche Betrachtungsweise der Offenbarung gelten lassen wollte1), ja, das Buch ein verschlossenes Buch nannte, erkennt man jetzt mehr und mehr, daß es ein Buch der Weissagung für unsere Tage ist, und daß die Ereignisse, von denen es vom vierten Kapitel an redet, noch alle zukünftig sind und bald geschehen werden.
Unser Buch zerfällt im Ganzen in zwei große Teile, die zeitlich hintereinander liegen: die ersten drei Kapitel beschäftigen sich mit unserer gegenwärtigen Zeit. Sie geben uns in den sieben Sendschreiben ein prophetisches Bild vom Verfall der christlichen Kirche, von Pfingsten an bis zu ihrer gerichtlichen Beiseitesetzung. Das Gericht fängt am Hause Gottes an; und das Buch der „Offenbarung" ist ein Buch der Gerichte.
Der zweite Teil des Buches von Kapitel 6 an beschäftigt sich mit den Ereignissen, die die letzte der bekannten „70 Jahrwochen Daniels" füllen werden, nach deren Ablauf das Friedensreich Christi auf Erden errichtet werden wird (Dan 9,25-27.). Und zwar haben wir es von Kapitel 11 unseres Buches an meist mit den Dingen zu tun, die in der zweiten Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels, d. h. also in der kurzen Zeit von 3 1/2 Jahren geschehen werden. — Was aber die sieben Siegel betrifft, so enthalten diese die Vorlaufenden Endgerichte, die alsbald nach der Entrückung der Kirche über die Welt kommen, während die sieben Posaunen und Zornesschalen die letzten Gerichte der Endzeit, kurz vor Beginn des Reiches, über die Welt bringen. Diese Gerichte schildert der Seher nicht chronologisch, d. h. nicht wie sie der Zeit nach aufeinanderfolgen, sondern im Blick auf die verschiedenen Länder, über die sie kommen, und hinsichtlich ihrer Schwere. Überhaupt weicht der Seher oftmals von der chronologischen Anordnung der Ereignisse und Gesichte ab und schaltet immer wieder Kapitel ein (vgl. Off 4; 5; 7; 14 u. a. m.), worin er uns Fern- und Ausblicke gewährt auf das herrliche Ende der Dinge.
Der Segen des Buches für uns liegt indessen nicht so sehr in der richtigen Erkenntnis der Reihenfolge der Ereignisse, als in der gewonnenen Freude über den herrlichen Ausgang der Ereignisse, wodurch der Herr die Herzen und Hände der Seinigen für Ihn und Seine Sache im gegenwärtigen Kampfe stärken will. (Vergl. Jes 35,3-4). Dazu segne Gott in Gnaden auch unsere Betrachtungen über das ernste Buch!
1 ) Bei der gewöhnlichen „historischen" Betrachtungsweise, die die Stellung und Hoffnung der Kirche nicht unterscheidet von der Stellung und Hoffnung Israels, wurden oder werden alle Kapitel der Offenbarung bis zum Ende auf die Kirche bezogen. Und die Gesichte unter den Siegeln und Posaunen usw. sind nach dieser Betrachtung bereits erfüllt in den schweren Zeiten der Völkerwanderung, in den Einfällen der Goten und Vandalen und Hunnen und in den Türkenkriegen. Auch die sieben Gemeinden in Kleinasien (Off 2; 3) sind nach dieser Auslegung nicht prophetisch zu deuten, sondern nur geschichtlich. Aber was wird der Herr dazu sagen, wenn vom Buche der Weissagung, wie das Buch der Offenbarung in seinem ersten und letzten Kapitel wiederholt genannt wird, von welchem nicht ein Wort weggenommen werden darf, zwei ganze Kapitel als nicht prophetisch ausgeschaltet werden sollen!↩︎