Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 8,2-11,18 - Die siebenPosaunen
Off 9,1-21 - Die fünfte und sechste Posaune, erstes „Wehe“Off 9,1-21 - Die fünfte und sechste Posaune, erstes „Wehe“
Die drei letzten Posaunen sind also „Wehe"-Posaunen. Die durch sie herbeigerufenen Gerichte sind ernster noch als die früheren; sie treffen nicht nur die Verhältnisse und Umgebung der Menschen, sondern diese selbst.
Das erste „Wehe" (Off 9,1-11) trifft diesmal die Menschen im Morgenland, also in Palästina. Denn die Bezeichnung „die Erde" oder „das Land", wie man das Wort übersetzen kann, welches in diesem Abschnitt so oft vorkommt, deutet dies an. — „Das Land", kurzweg so genannt, ist das Land der Verheißung. Deutlicher erhellt dies aber noch aus dem vierten Verse unseres Kapitels, denn das Gericht wird hiernach auf dem Schauplatz der „Versiegelten" stattfinden. Wir hören nämlich, daß die, welche vom Gericht betroffen werden, „nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen" haben; sie wohnen also da, wohin uns schon Off 7,1-8 versetzte. Die dort genannten 144‘000 Versiegelten, wie auch die, welchen das Siegel Gottes fehlt, sind Juden, die in das Land ihrer Väter zurückgekehrt sind. Die ersteren sind also gläubige, die letzteren aber ungläubige Israeliten.
Wir lesen: „Und der fünfte Engel posaunte: und ich sah einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war; und es wurde ihm der Schlüssel zum Schlund des Abgrundes gegeben. Und er öffnete den Schlund des Abgrundes, und ein Rauch stieg auf aus dem Schlunde, wie der Rauch eines großen Ofens, und die Sonne und die Luft wurde verfinstert von dem Rauch des Schlundes. Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken hervor auf die Erde, und es wurde ihnen Gewalt gegeben, wie die Skorpionen der Erde Gewalt haben. Und es wurde ihnen gesagt, daß sie nicht beschädigen sollten das Gras der Erde, noch irgend etwas Grünes, noch irgend einen Baum, sondern die Menschen, welche nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen tragen. Und es wurde ihnen gegeben, daß sie sie nicht töteten, sondern daß sie gequält würden fünf Monate; und ihre Qual war wie die Qual eines Skorpions, wenn er einen Menschen schlägt. Und in jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen und werden ihn nicht finden und werden zu sterben begehren, und der Tod flieht vor ihnen."
Nachdem dann noch die Gestalt der Heuschrecken beschrieben wird, fährt der Seher fort: „Sie haben über sich einen König, den Engel des Abgrundes; sein Name ist auf Hebräisch Abaddon und im Griechischen hat er den Namen Apollyon."
Hier hören wir, daß ein Engel, „der Engel des Abgrundes", dessen Name „Verderber" ist (denn das bedeuten die beiden Fremdworte „Abaddon" und „Apollyon"), das Haupt der schrecklichen Plagegeister oder Werkzeuge des Gerichts ist, wohl Satan selbst.
Dieser Engel des Abgrundes, „der Verderber", war ehedem in einer gesegneten Machtstellung bei Gott, „ein Stern" (vgl. Hes 14,12-19 und Hes 28,1-19). Aber er fiel ab („vom Himmel zur Erde"). Nun ist er ein Werkzeug des Gerichtes geworden. — Wie die Engel Gottes „ausgesandt sind zum Dienste derer, welche die Seligkeit ererben" (Heb 1,14), so gibt es auch „Engel des Unglücks" (Ps 78,48.49), welche als Werkzeuge des Gerichtes zur Bestrafung der Gottlosen dienen; doch nicht nur böse Engel, auch heilige Engel, die nicht abgefallen sind, werden Vollstrecker der Gerichte Gottes sein. Sie waren es schon oft und werden es im kommenden Weltgerichte noch mehr sein. (Vgl. Mt 13,49.50; 25,31 u. a.)
Der „Abgrund" aber, welchen „der Verderber" öffnet, ist der Ort, an welchem das Böse gefesselt ist.43 Aus ihm steigt alsbald zum Gericht, welches Gott sendet, ein „Rauch" empor, d. h. ein böser, satanischer Einfluß geht in das Land aus. Dieser verdunkelt „die Sonne und die Luft", d. h. die Quellen des Lichts und Heils werden in Finsternis gehüllt und denen entzogen werden, welche in demselben Unglauben verharren, in welchem ihre Väter einst das wahre Licht und das volle Heil, Jesum Christum, ihren Messias, als Er zu ihnen gekommen war, verwarfen.
Aber nicht nur werden „Sonne und Luft" den Ungläubigen durch „den Rauch" verdunkelt und entzogen, aus dem Rauch entstehen auch ganze Scharen von Werkzeugen einer satanischen Macht. Diese werden wohl wegen ihrer großen Zahl „Heuschrecken" genannt, die im Morgenlande wie eine Rauchsäule oder Wolke oft Sonne und Luft verdunkeln. Aber wahrend sonst die Heuschrecken das Grüne des Landes abnagen, tun diese Werkzeuge Satans das nicht; sie quälen eine bestimmte Zeit von fünf Monaten (denn es ist noch nicht das Endgericht) die ungläubigen Juden wie „Skorpionen" mit ihren Stacheln. Sie verursachen solche Qualen und Angst, daß die Menschen lieber sterben möchten, als diese Not noch länger erdulden, aber der Tod flieht sie.
Wenn dann gesagt wird, daß diese Werkzeuge der Qual auch Kriegsrossen glichen, die Kronen hatten und Menschenangesichter und Haare wie Weiberhaare, ferner Zähne, wie die der Löwen, und daß sie Panzer tragen, so soll damit ihre siegreiche Kraft und Wut gezeigt werden, wobei sie aber andererseits bei näherer Betrachtung oder hintennach besehen, Schwäche und volle Unterwürfigkeit unter eine höhere Macht („Weiberhaare") verraten. Zudem sind sie ausgerüstet mit zerstörender Gewalt und gepanzert gegen alle Gefühle des Mitleids und Erbarmens.
Möglicherweise sind diese Heuschrecken Dämonen, böse Geister, nicht wirkliche Kriegsheere, denn sie werden solchen nur verglichen; daher das oft wiederholte Wörtchen „wie" in der Beschreibung.
Große Qualen, ernster als der Tod, verbunden mit Verfinsterung des Herzens ist das Teil des einst so gesegneten Volkes Israel. Wie ernst sind Gottes Gerichte!
Am Schlusse unseres ernsten Abschnittes hören wir noch: „Ein Wehe ist vorüber; siehe, es kommen noch zwei Wehe nach diesen Dingen." „Und der sechste Engel posaunte: und ich hörte eine Stimme aus den vier Hörnern des goldenen Altars, der vor Gott ist, zu dem sechsten Engel, der die Posaune hatte, sagen: Löse die vier Engel, welche an dem großen Strome Euphrat gebunden sind. Und die vier Engel wurden gelöst, welche bereitet waren auf die Stunde und den Tag, den Monat und das Jahr, auf daß sie den dritten Teil der Menschen töteten." (Off 9,13-15.)
Mit diesem Gericht wird durch den sechsten Engel das zweite Wehe eingeleitet (Vgl. Off 8,13; 9,12.). Es kommt über das zu jener Zeit wieder bestehende Römische Reich, das Gebiet des „Tieres", jedoch nicht im Abendland, sonden im Morgenland, mit Ausschluß von Palästina.
Es kommt also das zweite „Wehe" über den Osten des dann neu entstandenen Römischen Reiches — am Euphrat —, während das erste „Wehe" (Off 9,1-12) über die ungläubigen Juden in Palästina kam.
Der goldene Altar, von dem hier die Rede ist, ist der Altar des „Rauchwerks", also der Fürbitte. Er stand, obwohl getrennt durch den Vorhang, vor der Bundeslade und dem Gnadenstuhl. Dort sahen wir sinnbildlich auch „den anderen Engel" stehen, der die Gebete der Heiligen auf Erden vor Gott brachte (Off 8,3.4). Die Stimme, welche das Gebot erteilt, die vier Engel am Euphrat zu lösen, geht aus den Hörnern des goldenen Altars hervor; sie ist also die Antwort Gottes auf die von dort zu Ihm aufgestiegenen Gebete. Die ganze Sache ist natürlich, wie alle Ereignisse von Kap. 4 an, jetzt noch zukünftig. Wohl mag man in den Einfällen der zahllosen Horden, welche einst das Römische Reich im Morgenland überfluteten und dort zerstörten, eine teilweise Erfüllung der angekündigten Gerichtewehen, aber die eigentliche Ausführung des „Wehes" liegt noch in der Zukunft. Das geht auch schon daraus hervor, daß jene Einfälle in früherer Zeit keine Antwort waren auf Gebete der Gläubigen. Und die Anrufung Gottes seitens der Gläubigen um Seine Gerichte über die Feinde ist ja ohnehin erst nach der gegenwärtigen Gnadenzeit am Platze, wann das Reich Christi in dieser bösen Welt in Macht aufgerichtet werden wird.
Daß Engel am Euphrat „gebunden" waren, hören wir erst hier; nur lesen wir bei Petrus in seiner zweiten Epistel (2Pet 2,4) und bei Judas 6), das Engel, die einst ihre Stellung nicht bewahrten, vielmehr mit Menschen unerlaubt verkehrten, wie umgekehrt heute die Menschen mit Dämonen in verbotene Verbindung treten, in Ketten gebunden sind. Zu diesen gebundenen Engeln mögen jene am Euphratstrom, als an den Ort ihrer Verschuldung gekettet, gehören. Nun werden sie zur Ausübung des Strafgerichtes Gottes über die Gottlosen für eine Zeit gelöst und üben das Gericht zu der von Gott festgesetzten Stunde aus.
Der Euphrat bildete ehedem die Grenze des Römischen Reiches, welches, wie wir wiederholt sagten, noch einmal neu erstehen wird (Off 13,1 u Off 17,7-11.). Das kaiserliche Haupt des wiederkommenden Römischen Reiches wird, wie wir bald finden werden, über die gläubigen Juden schwere Verfolgungen bringen, darum werden gerade auch über dieses Reich schwere Gerichte kommen. Obwohl diese nicht gleich zur Ausführung gebracht werden, werden sie, wie wir hier sehen, doch schon zuvor „bereitet" auf „die Stunde und den Tag und den Monat und das Jahr" (Off 9,15.). Diese genaue Zeitangabe bezieht sich nicht, wie manche meinen, auf die Dauer des Wehes, sondern bestimmt den Zeitpunkt seines Anfangs. „Und die Zahl der Kriegsheere zu Roß war zwei Myriaden44 mal Myriaden; ich hörte ihre Zahl." Dieselbe ist zwar viel kleiner als die der Engel (Off 5,11), aber doch ein gewaltiges Heer, das von jenseits des Euphrat kommt. Die Schilderung der Rosse „mit Löwenköpfen", aus deren Mäulern „Feuer, Rauch und Schwefel" hervorströmt, wodurch ein Drittel der Menschen getötet wird, und die Schilderung der Reiter mit ihren „feurigen, Hyazinthenen (oder blauschwarzen, rauchfarbenen) Panzern" zeigt, daß diese Vollstrecker des Strafgerichtes Gottes Mächte des Bösen sind. Feuer, Rauch und Schwefel sind ja Sinnbilder der Hölle und ihrer Strafe. Das Gericht kommt so schnell wie die „Rosse", ist gewaltig wie die „Löwen" und satanisch in seiner Wirkung; die Rosse verbreiten Tod und Verderben aus ihren Mäulern und Schwänzen, welche „Schlangen" sind mit Köpfen. Also quälen sie die durch Feuer und Schwefel tödlich Getroffenen noch hinterher mit ihren giftigen Bissen.
Ob nun diese Reiter wilde Menschenhorden sind, die aus dem Innern Asiens kommen mit satanischer Macht und Bosheit, oder ob sie Dämonen sind, ihr Kommen wird ein besonders schweres Gericht sein.
Aber ach! der Trotz und die Auflehnung der Betroffenen gegen Gott ist nicht gebrochen. Zweimal lesen wir (Off 9,20-21): „sie taten nicht Buße". Sie leben weiter in der Verehrung der Werke ihrer Hände/) in der Anbetung der „Dämonen" und der verschiedenen „Götzenbilder".
Wie ernst ist dies und wie furchtbar, daß die sogenannten christlichen Länder noch einmal der Schauplatz des Götzendienstes und der Tummelplatz der Dämonen oder bösen Geister sein werden. So werden die Menschen in den Gerichten auch nicht Buße tun von ihren gottlosen Werken, von „Mord, Zauberei (Verkehr mit finsteren Mächten) und Hurerei und Dieberei", also von ihrer Sittenlosigkeit und Gesetzlosigkeit. Ihr Herz ist verhärtet.45
43 Vgl. Lk 8,31; Off 20,1-3; 1Pet 3,19; 2Pet 2,4.↩︎
44 Zweimal zehntausend mal zehntausend 200 Millionen,' diese Zahl will nur die unbestimmte, aber ungeheure Gröhe des Heeres andeuten.↩︎