Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 14,1-20 - Das Lamm auf dem Berge Zion und der jüdische ÜberrestOff 14,1-20 - Das Lamm auf dem Berge Zion und der jüdische Überrest
„Und ich sah: und siehe, das Lamm stand auf dem Berge Zion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, welche seinen Namen und den Namen seines Vaters an ihren Stirnen geschrieben hatten. Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel wie das Rauschen vieler Wasser und wie das Rollen eines lauten Donners; und die Stimme, welche ich hörte, war wie von Harfensängern, die auf ihren Harfen spielen. Und sie singen ein neues Lied vor dem Throne und vor den vier lebendigen Wesen und den Ältesten; und niemand konnte das Lied lernen, als nur die hundertvierundvierzigtausend, die von der Erde erkauft waren. Diese sind es, die sich mit Weibern nicht befleckt haben, denn sie sind Jungfrauen; diese sind es, die dem Lamme folgen, wohin irgend es geht. Diese sind aus den Menschen erkauft worden als Erstlinge Gott und dem Lamme. Und in ihrem Munde ward kein Falsch gefunden, denn sie sind tadellos." (Off 14,1-5)
Haben wir bis jetzt bei den beiden „Tieren",77 d. h. dem kaiserlichen Haupte des letzten Weltreiches und dem „Antichristen" verweilen müssen, so schaut unser Auge nun, im herrlichen Gegensatze zu diesen „Tieren", auf das „Lamm". Wie erfreut Sein Anblick unser Herz! Wie gern weilen wir in Seiner beseligenden Nähe! Unser ganzes Buch, das Buch der „Offenbarung", könnte man das Buch der Rechte und Siege des Lammes nennen. Wie oft wird es auch in diesem Buche genannt! —
Sobald der Seher in den geöffneten Himmel schaut (Off 6), sieht Er inmitten des Thrones „das Lamm". Und die Erlösten jubeln: „Würdig ist das Lamm!" And das Lamm allein darf das Buch der göttlichen Gerichte, die die Erde treffen und reinigen müssen, öffnen. Und die vom Gericht Getroffenen rufen bestürzt zu den Felsen und Bergen der Erde: „Fallet über uns und verbergt uns vor dem Zorne des Lammes!" (Off 6,1.16.) Die große Volksmenge aus den Nationen, die aus der großen Drangsalszeit in weißen Gewändern mit Palmen in den Händen siegreich ins Reich aus Erden eingeht, bringt Gott und dem Lamme das Lob und die Ehre. „Das Lamm leitet und weidet sie" auch (Off 7.). Und das „Buch des Lebens" ist „das Buch des Lebens des geschlachteten Lammes" (Off 13.). Über den Anblick des Lammes auf dem Berge Zion in unserem Kapitel reden wir gleich noch näher; es sei nur gleich hier hinzugefügt, daß die Ehre und die Seligkeit derer, die Sein sind, darin besteht, daß sie „dem Lamme folgen, wohin irgend es geht" (Off 14,4.). Im nächsten Kapitel (Off 15) singen die „Überwinder über das Tier" „das Lied Moses und das Lied des Lammes". — Gegen „das Lamm" führen „das Tier", das Haupt des letzten Weltreiches, und die zehn Könige Krieg; aber „das Lamm wird sie überwinden"; denn es ist „Herr der Herren und König der Könige" (Off 17,12-14.). Und nachdem alle Siegel des Buches der Gerichte erbrochen und alle Posaunen ertönt und alle Zornesschalen ausgegossen sind, auch „Babylon" die Hure, gefallen ist, kommt endlich die lang ersehnte „Hochzeit des Lammes" (Off 19,7-9.). Nachdem dann auch Satan gefesselt und in den Abgrund geworfen und alles Gericht über diese Erde zum Schweigen gebracht ist, dann wird der Seher gerade von einem der Engel, die die letzten Gerichte auszuführen hatten, aufgefordert, „die Braut, das Weib des Lammes" zu schauen in ihrer Schönheit, wie sie als eine Stadt aus dem Himmel kommt in und mit der Herrlichkeit Gottes (Off 21,9.). Auf den zwölf Grundlagen der Stadt stehen „die Namen der zwölf Apostel des Lammes" (Off 21,14.). „Ihr Tempel ist Gott der Allmächtige und das Lamm", und „ihre Lampe ist das Lamm" (Off 21,22.23.). In dieser Stadt ist kein Bewohner, der nicht „geschrieben wäre im Buche des Lebens des Lammes" (Off 21,27.). Und der glänzende „Strom des Wassers des Lebens", der durch die Stadt fließt, geht „aus dem Throne Gottes und des Lammes hervor" (Off 22,1.). Und zuletzt noch hören wir, daß „keinerlei Fluch" mehr dort sein kann — keinerlei Folge der Sünde — weil „der Thron Gottes und des Lammes" dort ist. (Off 22,3.)
So ist das Buch der „Offenbarung", wie wir sagten, das Buch der Rechte und der Siege des geschlachteten Lammes. Hienieden, auf diesem Schauplatz der Sünde und des Todes, hat Jesus Christus, der Sohn Gottes, dereinst als das Lamm gelitten und den Tod für Gottes Ehre und unser Heil erduldet; im Himmel aber wird Ihm, gerade um Seines Leidens und Todes willen, als dem Lamme alle Ehre und Herrlichkeit zuteil. Gott hat Ihn inmitten Seines Thrones erhöht, und alle Erlösten und die Engel umgeben und preisen Ihn von Ewigkeit zu Ewigkeit. Ihm müssen alle Knie sich beugen, der Himmlischen, Irdischen und Unterirdischen, und alle Zungen müssen bekennen, daß Er Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Doch kehren wir zu unserer Stelle zurück: „Das Lamm stand auf dem Berge Zion." (Off 14,1.) Durch die vorhergehenden Worte: „Und ich sah; und siehe", wie durch das Wörtchen „stand", wird die Bedeutung und Größe des Anblicks „des Lammes auf dem Berge Zion" noch erhöht. Seine Macht als Sieger gegenüber den beiden „Tieren" von Off 13 wird so hervorgehoben. So wird auch durch die Nennung des Ortes „Zion" an die freie Gnade Gottes erinnert. „Zion" bedeutet die Dazwischenkunft Gottes in Gnade zur Rettung Seines Volkes Israel. Als es nach des Hohenpriesters Eli Untreue und nach des Königs Saul Ungehorsam mit dem Volke Israel zu Ende zu sein schien, da erweckte Gott in Seiner Gnade David, der auf Zion seine Burg hatte: durch ihn gab Gott Israel Rettung. — So wird auch der wahre David, Jesus Christus, unser Herr, der als „das Lamm" unser Erretter wurde, nach dunkler Zeit, ja nach der dunkelsten Zeit, da die Römische Weltmacht bestanden und der Antichrist geherrscht hat, eine Schar von 144000 Treuen aus Juda retten und in Zion um sich haben; es ist Zion oder Jerusalem auf Erden nach der Drangsalszeit, beim Beginn des Reiches.
Was uns also zu Beginn von Off 14 schon gezeigt wird, tritt erst nach der Drangsalszeit in Erscheinung. Aber es ist dies so die Weise in der „Offenbarung", daß der Herr dem Seher einen herrlichen Gegenstand in der Ferne zeigt und dann erst den Weg dorthin. So zeigt uns ja auch ein Freund oft in einer Landschaft von der Höhe aus erst einen interessanten Ort, und dann erst schildert er den Weg dorthin und die Gegend, die davor liegt. So ist es auch z. B. in Off 7 geschehen; da zeigte der Engel dem Seher schon die 144000 Versiegelten aus Israel und die große Schar aus den Nationen, die nach der Drangsalszeit ins Reich eingehen werden; und nachher erst (Off 8 folg.) berichtet er uns die Drangsalszeit selbst, in deren Verlauf die 144000 Versiegelten, die wir schon sahen, erst errettet werden.
Während uns also in Off 7 eine Schar von 144000 Versiegelten aus Israel gezeigt wird, die aus der Drangsalszeit ins Reich eingeht, so sehen wir hier (in Off 14) eine gleich große Schar aus den zwei Stämmen aus Juda, deren Hauptstadt „Zion" (Jerusalem mit der Davidsburg) war und auch wieder sein wird. „Denn Jehova hat Zion erwählt, hat es begehrt zu Seiner Wohnstätte. Dies ist Meine Ruhe immerdar; hier will Ich wohnen, denn Ich habe es begehrt." (Ps 132,13.14.) Die Zahl 144000 12 x 12000) ist vielleicht nur eine sinnbildliche, die der Vollkommenheit in der Regierung und Verwaltung Gottes entspricht, um auszudrücken, daß in der Zahl der Erlösten keiner fehlen wird.
Die durch Satan und „das Tier" Verführten hatten sich alle „das Malzeichen des Tieres" an die rechte Hand oder an ihre Stirn geheftet. Hier nun hören wir, daß die Überwinder aus Juda den Namen „des Lammes" und den Seines Gottes und Vaters weithin sichtlich, nämlich an ihrer Stirn tragen, eine bleibende Ehrung für ihr offenes Bekenntnis für Gott und den Erlöser in der dunkelsten Zeit.
Die Bewohner des Himmels frohlocken laut und mächtig über die Rettung des Überrestes aus Juda, der lebend in das Reich auf Erden eingeht (Off 14,2), denn er hatte unsäglich gelitten unter der Wut Satans und der beiden „Tiere".
Ein anderer Teil des Überrestes, der nicht zu den 144000 gehört, hat in dieser Drangsalszeit den Tod erlitten; und diese Märtyrer sind nun im Himmel. Wir hören darum dort ein Lied singen wie von Harfensängern, die ihr Lied mit den Instrumenten begleiten. In Verbindung damit hören wir auf der Erde „ein neues Lied" ertönen, ein Lied der Erlösung also. Sein Inhalt, d. h. die Worte des Liedes, werden uns nicht näher mitgeteilt. „Das neue Lied" dagegen in Off 5 mit seinen herrlichen Worten, das die „vierundzwanzig Ältesten" singen, ist uns bekannt. In dem „neuen Liede" hier in Off 14 handelt es sich, wie wir schon sagten, auch um eine Erlösung oder ein „Erkauft sein" (Off 14,3.4), das aber mehr mit den Segnungen auf der Erde, im Reiche, zu tun hat; die 144000, welche das Lied von den himmlischen Harfensängern lernen, sind ja auch noch auf Erden. Zwei Dinge sind indessen wichtig: Nur sie, die 144000 aus Juda, die die schwere Drangsalszeit siegreich bestanden, können das Lied von ihren Brüdern, den Märtyrern im Himmel, lernen und singen. Und es ertönt im Anschluß an die Freude und den Gesang jener Märtyrer im Himmel; sie singen es vor dem Throne Gottes und vor den vier lebendigen Wesen und den vierundzwanzig Ältesten. Ihr Lied wird also nicht nur dort vernommen; sie stehen selbst, obwohl noch auf Erden, in Verbindung mit Gott und dem Himmel und seinen seligen Bewohnern, denn sie haben Gottes rettende, bewahrende Kraft in solch wunderbarer Weise erfahren, wie niemand außer ihnen. Sie sind zur Zeit, da Satan es aufs Äußerste trieb, seinen Händen entrissen worden. Sie werden „Jungfrauen" genannt; d. h. sie blieben rein, als alles auf Erden sich verderbte. Auch wurde in ihrem Munde „kein Falsch" und Trug erfunden. Nathanael, der von dem „Feigenbaum" her (ein Bild von Juda) zu dem Herrn Jesu geführt wurde, und von Ihm die Worte hörte: „Wahrhaftig, du bist ein Israelit, in dem kein Falsch („kein Trug") ist!" ist ein Vorbild von dieser glückseligen Schar; und sie wird, wie er, dem Herrn Jesu entgegenjubeln: „Du bist der Sohn Gottes; Du bist der König Israels!" (Joh 1,49 u. Ps 2.) Sie werden durch Gottes rettende, bewahrende Gnade „tadellos" erfunden. Und sie werden dem Herrn Jesu, „dem Lamme", das durch Seinen Tod auch für sie die Erlösung für Zeit und Ewigkeit erwarb, wenn Er erst hier in Herrlichkeit erscheinen und in „Zion" Sein Reich errichten wird, folgen und Ihn begleiten, wohin irgend Er geht.
Nachdem es uns (in Off 14,1-6) vergönnt gewesen, uns des Anblicks der Herrlichkeit zu erfreuen, die der gerettete Überrest aus Juda zu erwarten hat, wenn erst Jesus Christus, „das Lamm", auf Erden, auf dem Berge Zion, Sein Reich errichten wird, schaut nun der Seher im folgenden den weiteren Verlauf der Wege Gottes während der Dauer der Endkrisis. Es sind die Wege, die Gott einschlägt, um die eben genannte Herrlichkeit des Reiches, da „das Lamm auf dem Berge Zion steht", herbeizuführen. — Der Herr redet zu Johannes durch Engel.
77 Das griech. Wort heißt eigentlich „wilden Tieren".↩︎