Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 16 - Die sieben Zornesschalen
Off 16, 12-16 - Der Euphrat trocknet ausOff 16, 12-16 - Der Euphrat trocknet aus
Die sechste Schale gießt ein Engel über den Euphrat aus (Off 16,12-16.). Dieser Strom ist uns schon aus dem Garten Eden bekannt (1. Mose 2,14.). An ihm lag Babylon, und er bildete in seinem oberen Laufe einst die Grenze des vierten oder Römischen Weltreiches. Durch den Inhalt der sechsten Zornesschale versiegt der Euphrat, der Grenzstrom. Damit wird uns im Bilde gezeigt, wie der Weltenrichter für das Römische Weltreich, das dann wieder bestehen wird, die Mauer, den Damm, der es gegen die Völker des Ostens schützte, wegnehmen und so den „Königen von Sonnenaufgang" den Weg bereiten wird, um gegen das Reich des „Tieres", das in Rom seinen Sitz hat, in den Streit zu ziehen. Wie einst Cyrus das Bett des Euphrat trocken legte, um Babylon erobern zu können, so trocknet hier der Herr vom Himmel den Euphrat aus, damit „die große Stadt, Babylon, die starke Stadt", die in Rom ihre Macht haben wird, samt dem Reiche des „Tieres" gebrochen wird. Nicht daß die Könige des Ostens, die über den Euphrat kommen werden, eigentlich gegen „Babylon", d. h. gegen „das Weib", das abtrünnige religiöse System, das auf dem „Tiere" sitzen wird, Ziehen werden, nein, ihr Kampf wird vielmehr gegen das „Tier" selbst, gegen das Römische Weltreich gerichtet sein, und Jerusalem wird schließlich der Gegenstand sein, um den ihr Streit sich dreht. Wir lesen aber, daß die nächste Zornesschale- dem eigentlichen Gerichte Babylons gilt. (Off 16,17-20.)
Wenn wir nun fragen, wer die „Könige des Ostens" oder vom „Sonnenaufgang" sind, die, nachdem der Euphrat ausgetrocknet ist und so der Damm (die schützenden Pufferstaaten?) zwischen den Reichen im Westen und Osten zerstört worden sind, gegen das Reich des „Tieres" ziehen, so können wir nur sagen, daß es die Völker aus Asien sind, die sich zuvor unter einem Haupte vereinigten, unter einem Fürsten, der den Platz des alten Assyrien einnehmen wird. Sonst wird der König von Assyrien der „König des Nordens" genannt, nämlich von Jerusalem und Palästina ausgerechnet,81 aber gegenüber dem Reiche des „Tieres" im Westen wird von dem Könige von Assyrien als von Osten oder von „Sonnenaufgang" kommend, geredet.
Wer sieht nicht, wie sich heute die Völker Asiens aus dem Staub und Schlaf erheben und von sich reden machen, von Japan an, dessen Name bezeichnenderweise „Sonnenaufgang" bedeutet, und das sich schon seit dem Sieg über Rußland Sitz und Stimme sicherte im Völkerrat, welcher früher doch nur von den Mächten des Westens abgehalten wurde, bis nach Rußland hin. Denn auch China ist erwacht, und durch alle Völker Asiens geht ein Beben wie im Frühjahr, wenn die Sonne das Eis schmilzt, die Decke bricht und die Schollen sich nach und nach lösen, und der ganze Fluß bis zum Meere für die Schiffahrt frei wird. Die Völker Asiens kommen in Fluß und werden sich mit der Zeit zusammenscharen gegen die westlichen Mächte. Und später werden bei Jerusalem die Könige der ganzen bewohnten Erde „zu dem Kriege des großen Tages Gottes, des Allmächtigen", Zusammenstoßen. (Off 16,14.)
Drei unreine Geister werden auftreten, wie „Frösche", die im Schlamm entstehen und leben, die aus dem Munde Satans, „des Drachen", und aus dem Munde des „Tieres" d. h. des Hauptes der Römischen Weltmacht, und aus dem Munde des falschen Propheten, d. h. des Antichristen, kommen, „drei Geister von Dämonen". Diese werden sich aufblähen und gleichsam mit lautem Geschrei, wie es Frösche tun, die Luft erfüllen und durch ihre Zeichen und Wunder die Könige der Erde zum Krieg zusammenschließen. Die Gesamtheit der Mächte der Bosheit und Finsternis tritt mit ihnen auf den Plan wie eine teuflische Dreieinheit gegen Gott; denn der Krieg, der gegen Jerusalem gerichtet ist und auch dort ausgekämpft werden wird, gilt in letzter Linie Gott und Seinem Christus.
Der Ort der Zusammenkunft der Könige und ihrer Schlacht wird Armagedon82 genannt (Off 16,16), wohl mit Bezugnahme auf das Tal Megiddo (Ri 5,19.20.). Der Ort liegt in Palästina. Dorthin kamen einst die Könige Kanaans und stritten wider Israel. Aber Gott griff ein für Sein Volk gegen die vereinte Macht der Feinde. Wir lesen: „Vom Himmel her stritten, von ihren Bahnen aus stritten die Sterne mit Sisera (dem Heerobersten des Königs der Kananiter)."
Aber es ist nicht nötig, anzunehmen, daß der Sammelplatz diesmal tatsächlich wieder in Megiddo sei. Bei Jerusalem wird vielmehr der Ort sein, wo einst die Heere des Römischen Reiches aus dem Westen und die Heere der Könige aus dem Osten „zur Schlacht des großen Tages Gottes" Zusammentreffen. Aber der Ort und die Schlacht wird deshalb Armagedon genannt, weil auch hier, wie einst in den Tagen der. Richter, der Herr vom Himmel her für Sein Volk und Reich eintreten wird. Dort werden die Völker der Erde ihr Gericht finden, indem Christus unerwartet vom Himmel her über sie kommt.83 Darum ruft der Herr, wie früher in dem Sendschreiben an Sardes der Christenheit, so hier der Welt zu: „Siehe, ich komme wie ein Dieb!" Und für den bedrängten jüdischen Überrest, gegen den die Völker aus dem Westen und Osten herangezogen sind, fügt Er hinzu: „Glückselig, der da wacht und seine Kleider bewahrt, auf daß er nicht nackt wandle und man seine Schande sehe." (Off 16,15.)
Wie wichtig sind doch diese Worte auch für uns! Immer neu haben wir nötig, zum Wachen ermuntert zu werden. Und ach! wie leicht beflecken wir unsere Kleider und geben uns der Welt gegenüber eine Blöße, indem wir nicht so geschieden von ihr bleiben, wie Christus, unser Herr und Heiland, von ihr geschieden ist! Die „Kleider" sind in der Schrift ein Bild von unseren Lebensgewohnheiten. Ach, wie leicht passen wir uns in denselben mehr oder weniger der Welt an! Hier wird jeder Einzelne glückselig gepriesen, „der da wacht und seine Kleider bewahrt".
Wir sind anläßlich der Folgen der sechsten Zornesschale, die die Völker Asiens gegen den Westen führen, den Ereignissen, die die Offenbarung berichtet, vorausgeeilt, denn erst in Off 19,11 folg, sehen wir Christum wirklich mit den Kriegsheeren unerwartet vom Himmel kommen zum Gericht der Nationen.
Die siebente Zornesschale wird von dem letzten der sieben Engel auf die Luft gegossen. „Die Luft" ist der Ort, wo oder von wo aus Satan seine Macht erweist; er heißt „der Fürst der Gewalt der Luft" (Eph 2,2.). Eine laute Stimme, wohl die Stimme des Herrn, da sie vom Throne und vom Tempel ausgeht, spricht:
81 So wird auch von Jerusalem aus gesehen der König aus Ägypten „der König des Südens" genannt. Palästina ist nämlich das Land, das allein mit göttlichem Rechte „das Reich der Mitte" der ganzen Erde genannt werden kann (Vgl. 5. Mose 32,8.9 und Hes 38,12, wo es „der Nabel" oder „die Nabe" der ganzen Erde genannt wird.). Auch geographisch ist Palästina die Brücke von drei Weltteilen.↩︎
82 Oder Harmagedon, d. h. Berg Megiddos.↩︎
83 Vgl. Sach 12,2-9; 14,3-5, Micha 4,11-13↩︎