Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 10,1 -11,14 - Weitere Folgen der sechsten Posaune.
Off 12 - „Das Weib" und SatanOff 12 - „Das Weib" und Satan
Solange die Kirche Christi, d. i. die Gemeinde Gottes auf Erden war, war sie der Angriffspunkt der feindlichen Mächte der Finsternis und Bosheit. Doch haben wir gesehen, daß der Herr nach der Entrückung Seiner Braut in den Himmel von neuem mit Seinem alten Bundesvolke Israel auf Erden Seine Beziehungen anknüpft. Der Leser erinnert sich, was wir bei Off 11 unseres Buches hierüber gesagt haben: Ein gläubiger anbetender Überrest aus Israel ist zu jener Zeit wieder in Jerusalem, während das Volk Israel im großen Ganzen, wenn auch zum Teil schon in Jerusalem wohnend, noch nicht gläubig ist, darum als „Hof" von Gott noch nicht anerkannt und nicht „gemessen" wird. Darum wird Jerusalem und das Gelobte Land noch für eine weitere Zeit in den Händen und unter der Zertretung der fremden Nationen stehen.
Am Schlusse des 11. Kapitels (Off 11,19) sahen wir dann, wie dem Seher die Bundeslade des Volkes Gottes gezeigt wurde, die seit Israels Wegführung aus dem Gelobten Lande in die babylonische Gefangenschaft verschwunden war. Der Seher sieht sie, indem er einen Blick in den geöffneten Himmel und in den Tempel Gottes tun darf. Die Bundeslade war, solange sie im Tempel zu Jerusalem war, der Mittelpunkt und das Sinnbild der Gegenwart Jehovas auf Erden, war das Unterpfand Seines Bundes mit Israel und Seiner Treue und Fürsorge für dasselbe. Zugleich aber war die Bundeslade in Jerusalem das Zeichen der Macht Jehovas gegen Seine Feinde, wie sich das in der Geschichte Israels so oft gezeigt hat. Es sei erinnert an die Teilung des Jordans und an die Einnahme Jerichos, dessen Mauern vor der Bundeslade niederfielen; es sei ferner erinnert an die Plagen der Philister durch die Gegenwart der Bundeslade. Darum geschehen denn auch hier, sobald die Bundeslade im Himmel gezeigt wird, „Stimmen und Donner und Blitze und Erdbeben auf Erden". So ist die Erscheinung der Bundeslade im Himmel das Zeichen, daß Israel wieder auf den Schauplatz tritt als Gottes Bundesvolk und Zeugnis auf Erden.
Alsbald aber wird Israel, wie es zuvor die Kirche war, der Gegenstand der bitteren Feindschaft Satans. Was immer hier teuer und wert ist für Gott, das ist ja dem Hasse Satans, des großen Widersachers Gottes, ausgesetzt.
Der Seher berichtet: „Und ein großes Zeichen erschien in dem Himmel: Ein Weib, bekleidet mit der Sonne, und der Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupte war eine Krone von zwölf Sternen... Und es erschien ein anderes Zeichen in dem Himmel: und siehe, ein großer feuerroter Drache, welcher sieben Köpfe und zehn Hörner hatte und auf seinen Köpfen sieben Diademe ... Und der Drache steht vor dem Weibe, das im Begriff war zu gebären, auf daß er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind verschlänge. Und sie gebar ein Männliches, einen Sohn, der alle Nationen weiden soll mit eiserner Rute; und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und zu Seinem Throne." (Off 12,1-5.)
Wer aber ist dieses „Weib"? Unverkennbar Israel. Allerdings nicht Israel in seinen Sünden und in seiner Schande, sondern in seinem Schmucke, wie es nach Gottes Gedanken und Ratschlüssen dastehen soll und dastehen wird, dessen „die Sohnschaft ist und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Gottesdienst" (Röm 9,4.). Israel ist darum hier bekleidet mit der Sonne, d. h. der höchsten Autorität und der Regierung; Gott selbst herrschte ja einst in Israel und wird Israel wieder Macht und Herrlichkeit geben, so daß Seine Herrschaft von Jerusalem ausgehen wird über die Völker der Erde. Das Weib trägt eine Krone von zwölf Sternen, d. h. Israel besitzt im kommenden Reiche Christi die Macht einer vollkommenen Verwaltung auf Erden; und der Mond, der das Bild ist einer von der Sonne, der höchsten Quelle des Lichts, entliehenen Regierung und Leitung, steht unter Israels Füßen.
Sollte aber noch ein Zweifel bestehen, wer „das Weib" ist, so zeigt der Sohn, den das Weib gebiert, daß es Israel ist. Denn der Sohn ist nach Ps 2,5 der geschilderte Messias, der „mit eiserner Rute die Nationen weiden wird" (Vgl. Ps 2,5.9 und Off 2,26.27 mit Off 12,5!.). Also, „das Weib" ist Israel, „aus welchem dem Fleische nach der Christus ist" (Röm 9,5; vgl. Jes 9,6.). Indem uns aber das Weib gezeigt wird in Geburtswehen, will uns der Geist Gottes daran erinnern, wie die ganze Geschichte Israels von jeher eine Geschichte der Schmerzen gewesen ist, und wie alles bei ihm darauf abzielte, daß aus ihm der Messias hervorkommen sollte.
Israel aber, dem Weibe in seinem Schmucke, steht „der Drache", der alte Erzfeind Gottes und des Menschen, entgegen. Er ist „groß" an Macht und List; und „feuerrot"; er zeigt sich in der Farbe der Höllenglut. Er ist, wie uns Off 12,9 klar zeigt, der Teufel oder Satan51. Seine Feindschaft und sein Mordgelüste wider das Weib und seinen Samen, den Sohn, besteht von Anbeginn, wie das auch schon in der ersten messianischen Weissagung zum Ausdruck kommt, wo Gott zu der „Schlange", dem Satan, spricht: „Ich will Feindschaft setzen zwischen deinem Samen und ihrem (d. h. des Weibes) Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, du aber wirst ihm die Ferse zermalmen." (1Mo 3,15.) Kaum war auch Christus geboren, so wurde dem Kindlein „nach dem Leben getrachtet". Und kaum trat der Messias auf, so wurde Er von Satan in die Wüste geführt, um versucht zu werden. Besonders aber sehen wir in Gethsemane und auf Golgatha, wie Satan seine ganze Höllenmacht und Feindschaft gegen Christum offenbarte.
Doch hier erscheint uns Satan, der erste und größte Widersacher Gottes und Seines Volkes, in einer besonderen Form, nämlich in Verbindung mit dem Römischen Reiche, das in der Endzeit wieder auf dem Schauplatze der Geschichte erscheinen wird. Darum hat der feuerrote, d. h. mit Höllenglut beseelte Drache „sieben Köpfe und zehn Hörner". Ein ähnliches oder vielmehr das gleiche Tier sah schon der Prophet Daniel: „Siehe, ein schreckliches Tier... es hatte zehn Hörner." (Dan 7,7.) Und Daniel erklärt uns dann, daß diese zehn Hörner zehn Könige seien (Dan 7,24.). Näheres über das Römische Reich und seine Form finden wir nachher auch in unserem Buche. (Off 13,1-10; Off 17,9 u. folg.)
Der Drache zieht „den dritten Teil der Sterne" nach sich und wirft sie auf die Erde. Diese „Sterne" sind weltliche Mächte und Reiche, die mit dem dann wiedererstandenen Römischen Weltreiche verbunden sein werden, wenn sie nicht gar vom Satan verführte gefallene Engel sind, welche mit Satan, ihrem Haupt und Verführer, aus dem Himmel auf die Erde geworfen werden (Vgl. Off 12,4 mit Off 12,9.). Alsdann wird die Erde der Schauplatz gewaltiger finsterer Mächte und ihrer Werke sein.
Christus, „der Sohn", welchen „das Weib" (Israel) gebiert (vgl. Off 12,5 mit Röm 9,6!), wird also „entrückt zu Gott und zu Seinem Throne". Es ist dies ein deutlicher Hinweis auf die Himmelfahrt Christi, als Er nach vollendetem Erlösungswerke und nach Seiner Auferstehung Seinen Platz einnahm zur Rechten Gottes in der Höhe.
Dies geschah einige Jahrzehnte vor Abfassung des Buches der „Offenbarung". Warum aber wird Christi Himmelfahrt hier nochmals erzählt inmitten von Begebenheiten, die etwa zwei Jahrtausende nach derselben eintreten, die heute noch nicht eingetreten sind, aber nunmehr bald geschehen werden? —
Dafür gibt es zwei Gründe. Zunächst berichtet uns unser Kapitel Dinge, die kurz vor Schluß oder vor der letzten Entscheidung in dem großen Kampfe zwischen Licht und Finsternis geschehen, und da hebt der Geist Gottes die herrliche Tatsache neu hervor, daß schon der Sieg in dem großen Kampfe gesichert sei: Christus ist entrückt zu Gott und Seinem Throne; Er weilt zur Rechten Gottes. Von dort wird Er kommen und „den Zeiten der Nationen", der Herrschaft der gottwidrigen Weltreiche ein Ende machen (Lk 21,24; Off 11,15.). Dann wird Er Sein Reich auf Erden einführen und als der erhöhte Sohn des Menschen alle Nationen weiden mit eiserner Rute (Ps 2,8-9; Off 12,5; Off 19,15.). Und Satan, „der große Drache", „die alte Schlange", wird, nachdem er vom Himmel auf die Erde geworfen worden ist, bald für immer hinweggetan sein. Alsdann ist „das Heil und die Macht und das Reich unseres Gottes und die Gewalt Seines Christus gekommen". (Off 12,10.)
Der zweite Grund für die hier geschehene Erwähnung der Entrückung Christi zur Rechten Gottes geht uns an. Wo werden wir, die Gläubigen, die Gott, der Vater, Ihm „aus der Welt gegeben hat" (Joh 17,8.9), in jenen ernsten Stunden des letzten Kampfes sein? — Die Heilige Schrift läßt uns darüber nicht im Ungewissen. Die Worte des Herrn sagen uns klar, daß Er uns, die Erlösten, Seine himmlische Braut, da haben will und bergen wird, wo Er selbst ist (Joh 14,3; Joh 17,24.). Noch ehe das antichristische Reich beginnt, wird der Herr uns zu sich holen, so daß in der Jetztzeit jeder wahre Christ freudig sprechen darf:
„Er ist das Haupt, ich bin Sein Glied, das Er endlich nach sich zieht."
- Die Verheißung von der Entrückung der Braut, die zum Bräutigam gehört, vor den Endgerichten ist uns, wie wir so oft schon im Lauf unserer Betrachtung betonten, oft im Worte Gottes zugesagt. Die Braut und der Geist des Herrn (denn sie sind es, die noch das Erscheinen des Antichristen und der Endgerichte „zurückhalten": 2Thes 2,6-10) müssen gen Himmel genommen sein — die Braut muß wie Christus und durch Christus zu Gott und Seinem Throne entrückt worden sein — ehe die letzte Entscheidung im größten Kampfe der Welt fällt.
Da nun nach Gottes Wort die himmlische Braut Christi, Seine Versammlung, zugleich der Leib Christi ist und mit Christo, dem himmlischen Haupte, ein Ganzes bildet (vgl. z. B. Eph 1,21.22; 5,23f.; 1Kor 12,12), so wird die Entrückung der Braut oder Gemeinde des Herrn Jesu mit Seiner eigenen Entrückung (obwohl etwa 2000 Jahre zwischen den beiden Entrückungen liegen) als ein Ereignis betrachtet.
.Hier nun, in unserem Kapitel, wo die Gewißheit des Sieges, der durch die Entrückung Christi zur Rechten Gottes gesichert ist, neu hervorgehoben werden soll, wird uns auch neu gezeigt oder in Erinnerung gebracht, wie sicher und geborgen die himmlischen Heiligen während der letzten Drangsalszeit sein werden: sie sind in und mit Christo entrückt, im Himmel droben. —
Was dann die irdischen Heiligen betrifft, den gläubigen Teil des Volkes Israel, das uns in unserem Kapitel als „das Weib" gezeigt wird, so wird uns auch deren Schutz und Sicherheit während des letzten, schweren Endgerichts an gleicher Stelle erwähnt: „Und das Weib floh in die Wüste, woselbst sie eine von Gott bereitete Stätte hat, auf daß man sie daselbst ernähre tausendzweihundertsechzig Tage." (Off 12,6.)
So wird uns hier die ganze Sachlage während der Drangsalszeit klar gezeigt: die himmlischen Heiligen haben droben ihre Wohnung und ihren Platz, sie sind im Himmel in Sicherheit; die irdischen Heiligen, d. h. die bekehrten Juden, denen die Erde gehört und die hier ihre Macht und Herrschaft ausüben werden, finden durch Gottes Dazwischenkunft und Fürsorge auf der Erde ihre Zufluchtsstätte, solange der Feind noch wütet.
Wo aber die Wüste ist, in welcher ,das Weib", der gläubige jüdische Überrest, während der Herrschaft des Antichristen und des römischen „Tieres" eine Zufluchtsstätte findet, wird uns hier nicht ausdrücklich gesagt. Doch dürfen wir wohl aus manchen Andeutungen im Alten Testament schließen, daß es die Länder und Nationen um Palästina her sein werden. Da ist die Wüste Kedar im Nordwesten von Arabien, die an das südliche Palästina grenzt; ferner Mesech im Norden Palästinas, gegen den östlichen Teil von Kleinasien hin (Lies Psalm 120,5; Jes 21,14.15.). Da ist ferner Philistäa (Zeph 2,7-9), sodann Moab, südöstlich von Palästina, das sogar ausdrücklich genannt wird als „Schatten" für „die Vertriebenen", als ein „Schutz vor dem Verwüster" (Jes 16,3.4.). Alle diese Länder scheinen einen Teil der „Wüste" zu bilden, wo der größte Teil der gläubigen Juden, während der zweiten Hälfte der letzten „Drangsalswoche", Zuflucht, Bewahrung und Versorgung von seiten Gottes findet, während einige der Zeugen in jenen Tagen in Jerusalem zu bleiben scheinen, wo sie natürlich der ganzen Wut des Antichristen ausgesetzt sind. Jedenfalls geschieht die Flucht in „die Wüste" eilig; es wird sogar nachher gesagt: „Es wurden dem Weibe die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, auf daß sie in die Wüste fliege, an ihre Stätte, wo sie ernährt wird eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit, fern von dem Angesicht der Schlange." (Off 12,14.)
Von dieser eiligen Flucht der gläubigen Juden der Endzeit, vor der letzten schweren Drangsalszeit, redet der Herr Jesus schon selbst vor Seinem Kreuzestode mit Seinen Jüngern, die Er hier noch als gläubige Israeliten behandelt und daher in ihrer Stellung eins macht mit den viele Jahrhunderte später lebenden bekehrten Juden in der Drangsalszeit, von welcher die Offenbarung redet.52 Er ruft ihnen zu: . daß alsdann, die in Judäa sind, aus die Berge fliehen! ... Betet aber, daß eure Flucht nicht im Winter geschehe, noch am Sabbat, denn alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt hin nicht gewesen ist, noch je wieder sein wird." (Mt 24,16.20.21.)
Die Zeit aber, in der „das Weib" während der Drangsal in der „Wüste" verborgen und geborgen ist, währt 3 Jahre; „eine Zeit (ein Jahr), Zeiten (2 Jahre) und eine halbe Zeit" (1/2 Jahr), wie es in Off 12,14 heißt. Wohl um den ganzen Ernst der furchtbaren Zeit und Lage auszudrücken, darin Israel sich kurz vor der Erscheinung des Herrn Jesu, ihres Messias und Königs, befinden wird, wird diese Zeit von Jahren auch in Tagen ausgedrückt; es sind „1260 Tage" (Off 12,6.). Zugleich wird aber auch damit gesagt, daß der Herr, der die Haare auf dem Haupte der Seinigen zählt, auch die Zahl der Tage und Stunden, darin Seine Zeugen leiden, genau festgestellt hat; das Leiden darf nicht einen Tag und eine Stunde länger währen, als Er es zugibt (Vgl. auch Off 2,10.). Ja, der Herr sitzt, wachend und wartend, wie ein Schmelzer am Tiegel, in dem die Seinigen im Feuer geläutert werden, um, sobald Er den rechten Augenblick gekommen sieht, den Tiegel rasch vom Feuer zu ziehen. (Vgl. Maleachi 3,2.3; Klgl 3,31-33.)
Diese 31/2 Jahre, die zweite Hälfte der letzten Woche der 70 Jahrwochen, von welchen der Prophet Daniel spricht (Dan 9,25), werden, wie wir schon bemerkten, wiederholt in Gottes Wort genannt. Eben solange und zur gleichen Zeit wirken ja die zwei Zeugen in Jerusalem (Off 11,3). Und eben solange, nämlich „42 Monate", wird Jerusalem vor dem Beginn des Reiches Christi noch „von den Nationen zertreten" werden. (Off 11,2.)
Und nun berichtet uns der Seher etwas bis dahin Unerhörtes, einen
51 „Teufel" (griech.) heißt „Verkläger" und „Satan" (hebr.) heißt „Widersacher". Er ist beides: „Lügner" und „Mörder".↩︎
52 Die dazwischenliegende Zeit von nahezu 2000 Jahren, in denen der Herr Jesus Seine himmlische Braut (die Kirche, „Versammlung" oder „Gemeinde") aus allen Völkern der Erde sammelt und nimmt, wird dabei von Ihm nicht in Betracht gezogen. (Vgl. Eph 3 über dieses „Geheimnis".)↩︎