Emil Dönges
Schriften von Emil Dönges
Off 17-19,4 - Das Gericht über Babylon
Off 18 - Babylons SturzOff 18 - Babylons Sturz
Zu Anfang des 17. Kapitels rief einer der sieben Engel, welcher die sieben Schalen des Gerichts hatte: „Komm her, ich will dir das Urteil über die große Hure zeigen." Nun aber wird das Urteil vollstreckt und das Gericht vollzogen. Der Seher schreibt: „Nach diesem sah ich einen anderen Engel aus dem Himmel herniederkommen, welcher große Gewalt hatte; und die Erde wurde von seiner Herrlichkeit erleuchtet. Und er rief mit starker Stimme: „Gefallen, gefallen ist Babylon, die große!" Der Engel ist eine hoheitsvolle Erscheinung von großer Macht und erinnert uns an den Engel, den wir in Off 10 vor dem Ertönen der letzten Posaune gesehen haben, der mit seiner erhobenen Rechten schwört, daß nun keine Frist mehr sei, sondern das Geheimnis Gottes jetzt vollendet werde. Vielleicht ist er selbst der Vollstrecker des großen Gerichtes Gottes über „Babylon", wenn auch „das Tier" und „die Hörner" die Werkzeuge sind. Von dem Glanze der Herrlichkeit des Engels wird vorübergehend die Erde erleuchtet, wie von dem Frührot der kommenden Sonne der Gerechtigkeit, die nun bald über der Erde aufgehen wird, sobald erst die „Hure", „Babylon", beseitigt und im Anschluß daran die Hochzeit Christi mit Seiner Braut gehalten worden ist.
Und der Engel ruft es aus „mit starker Stimme", daß das erste Ereignis schon geschehen sei: „Gefallen, gefallen ist Babylon, die große!" Babylon, der mächtige Sitz der Finsternis und Abgötterei und Feindschaft wider Gott und Sein Volk, soll nicht mehr länger eine Stätte des Glanzes und der Herrlichkeit, sondern ein Ort der Schrecken und der Verwüstung sein.
Nun vernimmt Johannes eine andere Stimme aus dem Himmel: „Gehet aus ihr hinaus, Mein Volk, auf daß ihr nicht ihrer Sünden mit teilhaftig werdet, und auf daß ihr nicht empfanget von ihren Plagen; denn ihre Sünden sind aufgehäuft bis zum Himmel, und Gott hat ihrer Ungerechtigkeit gedacht!"
Die Stimme, die Johannes hier „aus dem Himmel" hört, ist nicht die des mächtigen Engels, von dem wir eben sprachen. Vielleicht ist es die Stimme Christi selbst, denn wir hören, daß sie ruft: „Gehet aus ihr hinaus, Mein Volt!" So kann kein Engel rufen; denn die Gläubigen sind nur Christi Volk, Gottes Volk. —
Auch in „Babylon" sind Gläubige. Ach, es gibt heute wohl kein religiöses System in der Christenheit, so böse und verderbt es in seinen Einrichtungen und Lehren sein mag, in dem nicht Seelen wären, die zu Christi Volk gehören. Wie ernst und tieftraurig ist dies doch! Es ist gut, daß geschrieben steht: „Der Herr kennt, die Sein sind." (2Tim 2,19.) Wir würden inmitten der Finsternis, Verderbtheit, Verwirrung, wie sie in so manchen religiösen Einrichtungen, in „Babylon" (d. h. Verwirrung) herrscht, kaum Gläubige vermuten und entdecken, aber, wenn solche da sind und wo irgend solche sind, da kennt sie der Herr. — Und es ist Ihm nicht, wie leider manche Christen meinen, gleichgültig und einerlei, wo die Seinigen stehen, und wohin sie sich zählen, wenn sie nur gerettet sind. Wahrlich nicht! — Wir lesen gerade da, wo wir das allerdings tröstliche Wort lesen: „Der Herr kennt, die Sein sind", auch Seine ernste Aufforderung: „Und jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit." (2Tim 2,19.) So ruft der Herr auch in „Babylon" hinein: „Gehet aus ihr hinaus, Mein Volk, auf daß ihr nicht ihrer Sünden mit teilhaftig werdet!" Und Er ruft es nicht etwa am Tage des Gerichtes; Er ruft es vielmehr heute, und Er hat es schon all die Jahrhunderte hindurch gerufen, so lange es „ein Ohr" gegeben hat, um, wie es in den sieben Sendschreiben so oft heißt, „zu hören, was der Geist den Versammlungen" sagt: „Gehet aus ihr hinaus!" Das Böse war zwar damals und ist auch jetzt noch nicht so entwickelt, wie dies am Ende in Babylon der Fall sein wird, aber von Anfang an war im Hause Gottes, soweit es der Verantwortlichkeit des Menschen übergeben war, der Eigenwille und die Untreue des Menschen wirksam. Der treue Überwinder dagegen unterwarf sich stets dem Wort und Willen Gottes und überwand darum das in den einzelnen Gemeinden oder Zeitperioden der Kirche vorhandene und in den verschiedenen Sendschreiben gerügte Böse. Er blieb dadurch von „Babylon" und seinem Geiste frei. Das Wort „Gehet aus!" hatte für das Volk Gottes, dem Bösen gegenüber, stets seine Geltung und fand bei dem Überwinder Gehör.
Bevor das geschichtliche Babel durch die Meder und Perser besiegt wurde, rief Gott einstmals auch Sein irdisches Volk Israel aus Babel heraus: „Fliehet aus Babel hinaus und rette ein jeder sein Leben) werdet nicht vertilgt wegen seiner Ungerechtigkeit!" (Jer 51,6.) So ruft der Herr auch seit lange schon und ruft es heute noch, ehe das Gericht über „Babylon", d. i. die abtrünnige Kirche, kommt, den Seinigen zu: „Gehet aus ihr hinaus!" So hören wir den Herrn auch schon durch den Apostel Paulus rufen: „Darum gehet aus ihrer Mitte aus und sondert euch ab!" (2Kor 6,17.) Ganz ebenso ruft der Schreiber des Hebräerbrieses den Gläubigen aus Israel, vor Jerusalems Zerstörung, zu: „Laßt uns zu Ihm hinausgehen außerhalb des Lagers!" (Heb 13,13.) Und es war nur gesegnet für die Christen aus den Juden, diesem Worte zu folgen, ehe Jerusalem Zerstört wurde. Als dann Jerusalem, der Sitz des „Lagers", etwa zwei Jahrzehnte später wirklich zerstört wurde, da waren überhaupt keine Christen mehr in Jerusalem; der Herr hatte sie alle aus dem abtrünnigen System herausgerufen und nach Pella geführt. Und so wird, wenn Babylon einst gerichtet wird, der Herr die Seinigen schon vorher durch die Entrückung aus der Welt genommen und vor den Endgerichten bewahrt haben (Off 3,10.). Er hat sie dann hinaufgenommen in den Himmel. Aber Sein Auf: „Gehet aus ihr hinaus, Mein Volk!" war und ist Sein heiliges Gebot, dem die Treuen entsprechen, während sie noch hienieden sind. Hier hören wir, anläßlich der Schilderung des furchtbaren Gerichtes von Babylon, das Gebot und den Zuruf des Herrn, aus Babylon auszugehen, noch einmal und zum letzten Male zur Warnung für alle. Das zeigt, wie sehr Babylon dem Herrn ein Greuel ist, und wieviel Ihm daran liegt, die Seinigen von ihr und ihrem Geiste getrennt zu sehen; denn was Babylon kennzeichnet, und um weswillen der Zorn Gottes über sie kommen muß, ist Abgötterei, grundsätzliche Vermengung mit Fleisch und Welt und dazu Verfolgungswut. Babylon ist das verhaßteste Böse, das es je vor Gott gegeben hat, denn sie äffte das Gute nach, verderbte und verfolgte das Liebste, das Er auf Erden besessen, den Gegenstand Seiner besonderen Zuneigung, die Braut Seines Sohnes, indem sie vorgab, die wahre Kirche zu sein.
Wir begreifen nun gut, daß Gott solch ein schweres Gericht über Babylon bringt, und daß „Tod und Traurigkeit und Hungersnot" an einem Tage über sie kommen müssen und sie mit Feuer verbrannt wird (Off 18,8). Gott ruft den Vollstreckern Seiner Gerichte zu: „Vergeltet ihr, wie auch sie vergolten hat!" (Off 18,6) Er sagt nicht: „Wie sie euch vergolten hat", denn Er redet nicht Seine Erlösten an; diese sind ja alsdann bei Ihm im Himmel, und sie waren, solange sie auf Erden waren, nicht dazu da, ihre Feinde zu richten, sondern für sie zu beten. —
Wir hören nun drei Klassen von Klagenden, die bei dem plötzlichen Sturz und Strafgericht Babylons „Wehe, wehe!" rufen und weinen. Es sind dies die „Könige der Erde" (Off 18,9-10), die „Kaufleute der Erde" (Off 18,11-16) und drittens „jeder Steuermann" und „die Schifssleute" (Off 18,17-19.). Sie alle, besonders die Kaufleute und Schiffer, waren reich geworden durch sie, und nun war „in einer Stunde" ihre Pracht und ihr Reichtum und sie selbst verwüstet worden. (Off 18,15-16; 19.)
Wer aus der Geschichte weiß, welche Rolle die hohen geistlichen Würdenträger des „Weibes", das auf den sieben Hügeln sitzt, im Mittelalter an den Höfen der Fürsten gespielt haben, welche ausgesuchte Pracht sie entfalteten und noch heute entfalten, welch große Schätze und Reichtümer Rom aufgespeichert hat; welche üppige Verschwendung in Bauten, Kleidern und Festfeiern es entfaltet in Glanz und Herrlichkeit; wie es selbst Handel treibt mit Sklaverei und „Menschenseelen" da, wo ihre Missionen sind oder waren, nicht nur im Süden von Amerika und im dunklen Weltteil Afrika, der begreift gut die Klage der Könige, der Kaufleute und Seefahrer.
Im Gegensatz aber zu dieser Trauer wird den Bewohnern des Himmels zugerufen, sich zu freuen: „Sei fröhlich über sie, du Himmel, und ihr Heiligen und ihr Apostel und ihr Propheten! denn Gott hat euer Urteil an ihr vollzogen!" (Off 18,20.)
Und die Bewohner droben tun es, sie freuen sich (Off 19,1-4.). Doch ehe uns ihre Freude und ihr dreifaches Halleluja mitgeteilt wird, berichtet uns der Seher die Ausübung des Gerichtes Gottes an Babylon: „Und ein starker Engel hob einen Stein auf wie einen großen Mühlstein und warf ihn ins Meer und sprach: Also wird Babylon, die große Stadt, mit Gewalt niedergeworfen und nie mehr gefunden werden." (Off 18,21.)
Mit Gewalt, oder wie andere übersetzen: „mit einem Schwunge", wird die stolze Babylon von ihrer Macht und Höhe hinuntergeschleudert, wie ein schwerer Stein mit Wucht in die Tiefe des Meeres oder eines Stromes geworfen wird. Ein Vorbild davon war schon einst der Sturz des politischen Babylon, des Hauptes der vier Weltreiche, den Jeremias voraussah. Der Herr sprach zu ihm: „Wenn du dieses Buch (der Gerichte über Babylon) zu Ende gelesen, so binde einen Stein daran und wirf es mitten in den Euphrat und sprich: „Also wird Babylon versinken und nicht wieder emporkommen'." (Jer 51,63.64.) Der Sturz dieses zweiten geheimnisvollen „Babylons" ist nur noch furchtbarer, wie auch ihre Schuld um so viel größer war.
Es werden drei Anklagen von dem starken Engel wider sie erhoben: „Deine Kaufleute waren die Großen der Erde." — „Und durch deine Zauberei sind alle Nationen verführt worden." — „Und in ihr wurde das Blut von Propheten und Heiligen gefunden und von allen denen, die auf der Erde geschlachtet worden sind." (Off 18,23.24.) Dies sind die drei Anklagen gegenüber den drei Absichten des Segens, die Gott mit der Kirche verband. Erstlich hatte die Kirche für den Himmel leben sollen, aber stattdessen hatte sie die Schätze der Welt gesucht) ihre Kaufleute waren „die Großen der Erde". Sodann sollte die Kirche „der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit sein" (1Tim 3,15); stattdessen hatte Babylon die Wahrheit verderbt und durch „Zauberei" die Völker betrogen. — Schließlich sollte die Kirche hier sein um Christi willen, sollte für Ihn kämpfen und leiden (Phil 1,29; 2Tim 2,3.12), stattdessen aber hat Babylon gegen Christum und die Seinigen gewütet und Leiden, Verfolgungen und den Tod über die Gläubigen gebracht. —
So ist denn auch bei Babylons Sturz im Himmel droben, in Gottes Gegenwart selbst, solch große Freude. Wir lesen: „Nach diesem hörte ich wie eine laute Stimme einer großen Volksmenge in dem Himmel, welche sprach:
.Halleluja! das Heil und die Herrlichkeit und die, Macht unseres Gottes! denn wahrhaftig und gerecht sind Seine Gerichte; denn Er hat die große Hure gerichtet, welche die Erde mit ihrer Hurerei verderbte und hat das Blut Seiner Knechte gerächt an ihrer Hand. Und zum anderen Male sprachen sie: ,Halleluja! Und ihr Rauch steigt auf in die Zeitalter der Zeitalter. Und die Vierundzwanzig Ältesten und die vier lebendigen Wesen fielen nieder und beteten Gott an, der auf dem Throne sitzt und sagten: ,Amen, Halleluja!' Und eine Stimme kam aus dem Throne hervor, welche sprach: ,Lobet unseren Gott, alle Seine Knechte, und die ihr Ihn fürchtet, die Kleinen und die Großen!'" (Off 19,1-5.)
Im ganzen Buche der „Offenbarung" erscheint kein Ausbruch der Freude so groß und allgemein, wie dieser anläßlich des schnellen und furchtbaren Gerichtes über Babylon, „die große Stadt" (Off 18,10.18), die zugleich „die große Hure" ist (Off 19,1.2.). Ja, sie war beides: „groß" als „Stadt" und „groß" als „Hure". Wir wiesen schon früher darauf hin, daß Satan von der Kirche, der Gemeinde des Herrn, auf Erden ein Zerrbild hergestellt hat in „Babylon". Weil die wahre Kirche nach Gottes Ratschluß im Tausendjährigen Reich und auf der neuen Erde „die heilige Stadt" sein wird (Off 21,2.9), darum hat Satan hier aus der Kirche, soweit es ihm gelang, eine „große Stadt" für sich gemacht (Off 18,21.). Und weil ferner die wahre Kirche für den Sohn Gottes „die Braut" ist, „das Weib des Lammes" (Off 21,2.9), die Ihm, dem Herrn der Herrlichkeit, hier als „eine keusche Jungfrau verlobt" wurde (2Kor 11,2), darum hat Satan das, was den Namen der Kirche hier auf Erden trug, „durch ihre Zauberei verderbt", und sie ist „eine große Hure" (Off 19,2) geworden. So begreifen wir mehr und mehr das große Gericht über Babylon und die große Freude im Himmel über ihren Sturz. Es kann darum auch weder die Herabkunft „der heiligen Stadt" vom Himmel auf die Erde geschehen, noch auch die Hochzeit der Braut des Lammes im Himmel stattfinden, bis das Zerrbild von beiden, die „Stadt" und „Hure", durch Gottes schweres Gericht auf Erden völlig und für immer beseitigt ist. —