Schriften von Emil Dönges
Off 13,1-18 - Die beiden„Tiere"
Off 13,11-18 - Der Antichrist - Das zweite TierOff 13,11-18 - Der Antichrist - Das zweite Tier
„Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde aufsteigen: und es hatte zwei Hörner gleich einem Lamme und redete wie ein Drache. Und die ganze Gewalt des ersten Tieres übt es vor ihm aus, und es macht, daß die Erde und die auf ihr wohnen das erste Tier anbeten, dessen Todes wunde geheilt wurde. Und es tut große Zeichen, daß es selbst Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen läßt vor den Menschen!" (Off 13,11-13.)
Neben das erste Tier, das Römische Weltreich in seiner kommenden Gestalt, tritt also ein „zweites Tier". Das erste, eine politische Weltmacht, entsprang dem „Meere", ging also hervor aus einer in Aufruhr oder in Umwälzung befindlichen Völkermasse.70 Das geheimnisvolle „andere Tier" aber steigt aus der „Erde" empor, also aus dem Festland, d. h. aus dem Boden einer bestehenden festen Ordnung. Ja, wir können vielleicht noch bestimmtere Angaben machen über „die Erde", aus der dieses zweite „Tier" entsprang. — Wie sich nämlich am dritten Schöpfungstage „die Erde", das feste Land, abhob aus dem Wasser, so schied Gott nach Adams Fall und nach dem Gericht in Noahs Tagen aus der Mitte des Völkermeeres der Nationen Israel als festes Land. Hienach ist „die Erde" das Volk Israel.
Das zweite „Tier" tritt denn auch wirklich, wie wir aus anderen Stellen der Schrift erkennen, aus dem Volke Israel hervor. —
Das „Tier" erscheint zunächst wie ein „Lamm". Auch das ist bedeutungsvoll. Es ist eine Nachahmung des wahren Lammes, also des Sohnes Gottes. Es hat zwei harmlose „Hörner", wie ein Lamm. „Hörner" sind Bilder der Macht. Nun ist Jesus Christus, das wahre Lamm, Priester und König. Diese doppelte Macht und Ehre wird auch das zweite „Tier" erstreben. — Aber ein Ohr, das von Gott belehrt ist, das zwischen gut und böse unterscheiden kann, wird nicht getäuscht, denn „das Tier" führt die Stimme Satans: „es redete wie ein Drache". Im besonderen, ja im vollen Sinne haben manche Warnungen des Herrn Jesu auf dieses „Tier" Bezug. So, wenn Er sagt: „Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleiöung zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe!" (Mt 7,15.) „Das Tier" ist in der Tat ein „falscher Prophet", ja, es ist „der falsche Prophet", der Antichrist.
Oft hat der Herr Jesus und Sein Geist durch die Propheten davon geredet, daß in Israel später, wenn es als „Erde" (d. h. als gesammeltes, politisch geordnetes Volk) erst wieder in Erscheinung zu treten beginne, der falsche Messias auftreten und dort Aufnahme finden werde. So hören wir z. B. den Herrn Jesus zu den ungläubigen Juden sagen: „Ich bin in dem Namen Meines Vaters gekommen, und ihr nehmet Mich nicht auf. Wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen." (Joh 6,43.) Das ist eben der Antichrist, der falsche Messias Israels, den Satan als „Prophet" und „König" erwecken wird. Er wird nicht alsbald als „der Gesetzlose", als „der Mensch der Sünde und der Sohn des Verderbens" auftreten, aber zuletzt wird er sich so offenbaren und wird sich als „ein Gegenstand der Verehrung in den Tempel Gottes setzen und sich selbst darstellen, daß er Gott sei". (2Thes 2,3-10.)
Wir haben also den „Antichristen" vor uns, wie ihn der Apostel Johannes wiederholt nennt, der vor Israel „leugnet, daß Jesus der Christus (der Messias) ist" (1Joh 2,22 a), der aber auch in der abtrünnigen Christenheit, wenn er da sein wird, seine Anhänger finden wird, und dessen Geist jetzt schon in der Christenheit wirksam ist und für sie bezeichnenderweise „den Vater und den Sohn leugnet" (1Joh 2,22 b.). Er ist „der König", von dem Daniel weissagt, „der nach seinem Gutdünken handeln wird, der sich erheben und groß machen wird über Gott... und Gelingen haben wird, bis der Zorn (über Israel) vollendet ist" (Dan 11,36; vgl. auch Jes 30,33.). Weiter ist Er „der Hirte", der im Lande Palästina verderblich handeln wird, und den der Herr schließlich „durch Seine Hand richten" und „durch den Hauch Seines Mundes verzehren wird" (Sach 11,16-17; 2Thes 2,9.). Dieser Antichrist geht also aus dem jüdischen Volke hervor, wie auch aus Dan 11,37 ersichtlich ist, wo von dem Gott seiner „Väter" und von „der Sehnsucht der Weiber", d. h. von der Erwartung des rechten Messias geredet wird. Wohl jede gläubige Frau in Israel hoffte, daß ihr Sohn der verheißene und ersehnte Retter und Messias des Volkes werden oder sein möchte. Der Antichrist aber achtet nicht auf „Jehova", noch auch auf den „Gesalbten Gottes", den verheißenen Messias, Indessen auch ohne diese Schriftstelle müssen wir aus anderen Gründen unbedingt annehmen, daß der falsche Messias, der Antichrist, ein Jude ist. Würde er überhaupt irgendwelche Aussichten haben, von den Juden als der „Messias" angenommen zu werden, wenn es nicht ein Jude wäre? —
Wenn wir nun an die Stellung oder Lage des jüdischen Volkes zur Zeit des Auftretens des Antichristen denken, so können wir die satanische List wahrnehmen, die ihn dann als den „Messias" auftreten läßt. Der Überrest steht nämlich um jene Zeit in Erwartung des Messias; die Zeugen verkündigen Seine nahe Ankunft und die Beseitigung der heidnischen Weltmacht durch die Aufrichtung Seines Reiches. Jetzt tritt Satans Prophet und König, der Antichrist, auf. Die Auserwählten erkennen ihn an seiner Stimme, denn es ist „die Stimme des Drachen", d. h. Satans und nicht die des guten „Hirten". Wahrlich, von den Lippen des Antichristen kommen keine Worte der Erquickung und des Friedens für die Mühseligen und Beladenen. Und der Herr hat deutlich zuvor vor ihm gewarnt, wie vor allen „falschen Propheten" und falschen „Christi" jener Zeit. (Mt 24,23-27.)
Aber die Macht der Verführung und die Gefahr der Versuchung wird groß und emst sein für die Juden der letzten Zeit. Zunächst wird der Antichrist oder falsche Prophet, dieses zweite „Tier", mit dem ersten „Tiere", dem kaiserlichen Haupte des Römischen Reiches, einen Vertrag und Bund machen, wodurch er eine hohe, gebietende Machtstellung erlangt. Dieser Bund zwischen dem Antichristen und dem Römischen Reiche richtet sich, wie aus mehreren Propheten hervorgeht, gegen eine feindliche, politische Macht, die sich noch vor der Wiederkunft Christi und vor Jerusalems Befreiung im Norden Palästinas, da wo einst Assyrien, der grimmigste Feind Israels, sein Reich hatte, erheben wird; es wird der „König des Nordens" sein. Wir lesen von diesem Bündnis im Propheten Jesaias, wo der König des Nordens wiederholt „eine überflutende Geißel" genannt wird, gegen die der Antichrist sein Land allerdings vergeblich zu schützen sucht (Jes 28,15-21.). Auch der Prophet Daniel spricht davon, daß die Römische oder westliche Weltmacht, „das kleine Horn" (vgl. Dan 7,8), mit „den Vielen", d. h. mit der Masse der jüdischen Bekenner, an deren Spitze der Antichrist steht, einen Bund machen wird. (Dan 9,27.)
Zu dieser hohen Machtstellung des Antichristen, infolge seines Bundes mit dem Haupte der Römischen Weltmacht, wobei er „die ganze Gewalt dieses ersten Tieres vor demselben ausübt" und alle zur Verehrung desselben zwingen wird (er ist also gleichsam der Priester des römischen Oberhauptes; (Off 13,12), kommt noch die Tatsache, daß er große „Zeichen und Wunder" zu verrichten vermag. Wie wir im Buche Hiob sehen, kann Satan — allerdings nur unter Gottes Zulassung — in die Naturereignisse eingreifen; er brachte Sturmwind und Feuer über Hiobs Eigentum. So gibt Satan auch seinem letzten und größten Werkzeuge, dem Antichristen, solche Kräfte. Wir hören von diesem zweiten Tiere: „Und es tut große Zeichen, daß es selbst Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen läßt vor den Menschen." (Off 13,13.) Was also Elias auf Karmel tun durfte, um sich gegenüber den Priestern Baals als der Zeuge des allein wahren Gottes zu erweisen, das tut hier das zweite „Tier", der Antichrist, als Satans Werkzeug, um seine Ansprüche und Rechte geltend zu machen! Und wie einst Jesus Christus sich als der Sohn Gottes in Israel „erwiesen hat durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen" (Apg 2,22), so wird sich auch der Antichrist als der Messias auszuweisen suchen. Wir lesen von ihm, daß seine „Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge" (2Thes 2,9.). Wir hören, er verführt die, welche auf der Erde wohnen, und fordert sie auf, dem (ersten) Tiere ein Bild zu machen. Ja, mehr noch: „Es wurde ihm gegeben, dem Bilde des (ersten) Tieres Odem (nicht also eigentliches Leben) zu geben, auf daß das Bild des Tieres auch redete; und es machte, daß alle getötet wurden, die das Bild des Tieres nicht anbeteten." (Off 13,14-15.)
Das zweite „Tier", der Antichrist, läßt also dem Haupte des kommenden Römischen Weltreiches ein „Bild" errichten, vielleicht ein Standbild, und gibt ihm „Odem",71 daß es redet, und so verführt er erfolgreich die ungläubigen Juden und alle, „die auf der Erde wohnen", das Bild des (ersten) Tieres, „das die Wunde des Schwertes hatte und lebte", anzubeten. Und alle, die „das Bild des Tieres" nicht anbeten, werden getötet.
Gott läßt diesen satanischen Betrug zu; denn da die Menschen, besonders auch Israel, keine „Liebe zur Wahrheit" zeigten, sendet Gott ihnen nun ein Strafgericht: „eine wirksame Kraft des Irrtums, daß sie der Lüge glauben, aus daß alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit".
Wahrlich, welch ernste, finstere Zeit wird es sein!
Wir müssen annehmen, daß der Osten, und zwar Jerusalem, der Ort sein wird, wo der Antichrist das Bild des im fernen Westen, in Rom, thronenden Kaisers ausrichten wird, um so den Juden und allen Verführten im Osten ein sichtbares Abzeichen für das abwesende und darum unsichtbare Haupt des letzten Weltreiches vor die Augen zu stellen; und indem sie hier das Bild anbeten, beten sie das „Tier" in der Ferne selbst an und Satan zugleich (Vgl. Off 13,4.8. mit Off 13,12.16.). Zuletzt, d. h. in der zweiten Hälfte der letzten Jahrwoche Daniels, wird das Bild wohl in das „Heiligtum" selbst, in den von den ungläubigen Juden errichteten Tempel gesetzt (Dan 11,31; 12,11.). Es heißt zwar, daß „der Sohn des Verderbens", der Antichrist, sich selbst zuletzt „in den Tempel Gottes" setzen und von sich sagen werde, „daß er Gott" sei (2Thes 2,4.). Aber diese Verehrung des Antichristen im „Heiligtum" hängt zusammen mit der des Satan (Off 13,4) und des ersten „Tieres"72 und folgt ihr. Satan wird eine Art von Dreieinigkeit, die aus der Hölle stammt, auf Erden hervorzubringen wissen, um die nachzuahmen, die aus dem Himmel ist, welcher sich Israel und die Ungläubigen nicht zu ihrem Segen und Heil unterwerfen wollten. Es wird nämlich Satan angebetet werden (Off 12,9.12; Off 13,4), der an Stelle Gottes Verehrung und Anbetung empfängt. Zweitens wird der Antichrist, „der Mensch der Sünde", hier sein, der angebetet wird an der Stelle von Christus (Off 13,11; 2Thes 2,3.4.). Und es wird drittens „das Bild" des ersten „Tieres" da sein, das redet; denn es hat „Odem" (Geist, wie es auch übersetzt werden kann) (Off 13,15.). Dieses Bild steht an Stelle des Heiligen Geistes, durch den wir, die Erlösten Gottes, Gott, den Vater und den Sohn, in Seligkeit anbeten in Zeit und Ewigkeit.
Wahrlich, solch ernstes und furchtbares Strafgericht von Gott haben die Bewohner der abtrünnigen Welt nie zuvor gesehen, nie zuvor erduldet. Aber so wenig die Getreuen Gottes in Daniels Tagen das goldene Bild Nebukadnezars, des Hauptes des ersten Weltreiches anbeteten (Dan 3), ebensowenig wird einst der treue jüdische Überrest dem Bilde des Tieres, also dem Haupte des letzten Weltreiches, Huldigung und Anbetung bringen. Wenn in der Mitte der letzten Jahrwoche, bei deren Beginn das Haupt des Römischen Weltreiches mit den ungläubigen Juden auf sieben Jahre einen Bund gemacht hat (Dan 9,27), die Not aufs höchste steigt, indem dann der „Greuel"73 der Verwüstung „an heiligem Orte", im Tempel zu Jerusalem, stehen wird, dann wird der Überrest, „das Weib" von Kap. 12, wie wir schon hörten, aus Judäa fliehen. (Mt 24,15.)
70 Vgl. jedoch die Anmerkung bzw. Fussnote 65↩︎
71 An Psalm 115 werden die Götzen verhöhnt; „sie haben einen Mund und reden nicht; . . keinen Laut geben sie mit ihrer Kehle." Nun aber hat Satan ein Meisterstück der Verführung fertig gebracht, einen Götzen, der Odem hat und reden kann. Ihm huldigen darum alle, „die aus der Erde wohnen".↩︎
72 Schon die heidnischen römischen Kaiser von ehedem beanspruchten göttliche Verehrung; sie ließen ihre Standbilder darum in die heidnischen Tempel setzen. So wird die Anbetung des „Bildes des Tieres", d. h. des Hauptes des wiedererstandenen Römischen Weltreiches nichts Neues sein; nur daß Satan und der Antichrist sie unterstützen. — Wenn auch der Antichrist sich zuletzt „über alles erheben" wird, und sich selbst verehren läßt (2Thes 2,4), so wird er doch für sich selbst Satan dienen und den „Gott der Festungen" verehren. (Dan 11,38)↩︎
73 „Greuel" ist der bekannte Ausdruck in der Heiligen Schrift für „Götzendienst".↩︎