Leben und Wirken Albert von der Kämmers (Kurzbiografie)
Albert von der Kammer wurde am 7.11.1860 in Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern) geboren. Durch seine gläubigen Eltern kam er bereits früh zum Glauben an Jesus Christus; im Alter von 15 Jahren legte er erstmals öffentlich Zeugnis davon ab. Der Vater war als Evangelist im Gebiet um Stralsund, Wolgast und Anklam tätig und in einer Baptistengemeinde zu Hause. In den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts schloss sich diese Gemeinde den in Deutschland stark aufkommenden sogenannten Elberfelder Brüdern an. Albert von der Kammer ergriff damals den Kaufmannsberuf, gründete in Wolgast eine Existenz und heiratete in den 1880er-Jahren Marie Wallis, die Schwester eines Freundes, und wurde Vater von zwei Töchtern. In der Gemeinde beteiligte er sich an der Verkündigung. Durch die Verbindung mit den »Brüdern« erhielt er einen tiefen Einblick in die Heilige Schrift, der durch intensives Eigenstudium gefestigt und stetig erweitert wurde.
Obwohl sich die Trennungen unter den englischen Brüdern in Deutschland kaum auswirkten, wurde die Versammlung in Wolgast schließlich doch davon betroffen und ordnete sich ab etwa 1890 zunächst der Raven-Gruppe mit ca. 40 Versammlungen in Deutschland zu. Frederick E. Raven hatte von der Kammer auf einer Konferenz persönlich kennengelernt. Doch bei dieser Verbindung blieb es nicht lange, denn die starke zentrale Einflussnahme auf die örtlichen Versammlungen, bereits unter den Geschlossenen Brüdern und nun auch in Verbindung mit der Raven-Gruppe, bereitete den Brüdern in Wolgast zunehmend einige Nöte. Auch die strikte Ablehnung einer Teilnahme von Gläubigen aus anderen Gemeindegruppen beim Abendmahl gehörte dazu. Durch einen Besuch von Edmund Hamer Broadbent (1861-1945) von den englischen Offenen Brüdern, der sich 1904 in Deutschland aufhielt, fand man dann Übereinstimmung - auch in der Frage der Zulassung zum Brotbrechen. Nach dem Anschluss an die Offenen Brüder entstanden dann in Vorpommern mehrere Gemeinden dieser Prägung.
Etwa zu diesem Zeitpunkt begann sich Albert von der Kammer ganz dem »Werk des Herrn« zu widmen. Dazu siedelte er 1905 nach Sachsen über und baute 1911 in Klotzsche bei Dresden ein Haus. Ein umfangreicher Reisedienst im Umland führte zu zahlreichen Gemeindegründungen, sodass in den 1920er-Jahren Sachsen - neben Hessen (Bad Homburg), Baden, Württemberg und Pommern - einer von mehreren besonders starken Kristallisationspunkten der Offenen Brüder in Deutschland wurde. 1913 begann er seine schriftliche Arbeit mit der Verlegung und Herausgabe der Zeitschrift »Gegenseitige Handreichung aus dem Wort Gottes« gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Fritz Koch. Mit diesem Blatt sollte Bibellesern mittels Fragen und Antworten Hilfestellung zum Bibelstudium gegeben werden. Später kamen noch zahlreiche Artikel und Artikelserien sowie allgemeine Informationen hinzu, sodass die »Handreichungen« - ähnlich wie viele andere Periodika im Brüdertum - zum Organ einer sonst eher locker verbundenen christlichen Gruppe wurde. Für diese redaktionelle und verlegerische Tätigkeit, die bis 1936 dauerte und dann noch kurzzeitig von Erich Sauer und Fritz von Kietzeil bis 1939 fortgeführt wurde, ist Albert von der Kammer bis heute bekannt geblieben.17 1986 erschienen die »Handreichungen - biblische Fragen und Antworten« in einem Faksimile-Neudruck (23 Bände) in Koproduktion bei der Christlichen Verlagsgesellschaft, Dillenburg, und der Christlichen Literaturverbreitung, Bielefeld. Seit 2011 sind diese 23 Bände als Teil der Bibelsoftware CLeVer auch digital verfügbar. Auszüge aus den »Handreichungen« erschienen - auch nach dem Heimgang Albert von der Kämmers - mehrfach als Broschüren bzw. als Bücher, z. T. in mehreren Auflagen.
In enger Fühlung stand Albert von der Kammer mit den Brüdern Christoph Köhler (1860-1922, erster Leiter der Bibelschule Wiedenest, vorher: Allianz-Bibelschule, Berlin-Steglitz), Christian Schatz (1869-1947) und Jean E. Leonhardt (1853-1918). Mit diesen Brüdern und anderen fanden in den Jahren 1923 bis 1927 in Zwickau segensreiche größere Konferenzen statt. Später wurden diese Konferenzen nach Leipzig verlegt. Albert von der Kammer »war in seiner väterlichen Art sowohl Lehrer als auch Hirte; diese ihm vom Herrn geschenkten Gaben setzte er in großer Treue bis in sein hohes Alter ein. Seine Schriftbetrachtungen, mündlich und schriftlich dargeboten, waren aus der Fülle des Wortes geschöpft und führten in die Tiefe« (Schwammkrug). Er galt bald - über sein örtliches Wirkungsfeld hinaus - als ein echter »Vater in Christo«.
Auf das Verhältnis zwischen Offenen und Geschlossenen Brüder nahm Albert von der Kammer durch diverse Schriften Einfluss, in denen er Kritik an manchen Verfahrensweisen der Geschlossenen Brüder übte (s. z. B. https://www.bruederbewegung.de/pdf/kammerunterschied.pdf). Während es dabei noch um gegenseitige Abgrenzung ging, wurde diese durch das 1937 von den Nationalsozialisten erteilte Versammlungsverbot förmlich und inhaltlich ins Gegenteil umgekehrt. Es kam zum Zusammenschluss beider Brüdergruppen im »Bund freikirchlicher Christen« (BfC), den auch Albert von der Kammer begrüßte, was er durch seine Teilnahme an der Vereinigungskonferenz in Berlin zum Ausdruck brachte. Nach dem Krieg kam es dann erneut zu Umwälzungen innerhalb der deutschen Brüderbewegung. Im hohen Alter verbrachte Alebert von der Kammer seine beiden letzten Lebensjahre als DDR-Bürger in Ostdeutschland.
Ab etwa 1930 war Albert von der Kammer zunehmend durch gesundheitliche Probleme in seiner Tätigkeit beeinträchtigt. Nach einem Unfall Anfang 1950 war er vollständig bettlägerig, konnte aber noch zahlreiche Besucher empfangen und diesen zum Segen sein. Er wurde dann nach ca. 1 ½ Jahren am 9. Juli 1951 im gesegneten Alter von 90 Jahren heimgerufen zu seinem HERRN.
17 Zur Geschichte der »Handreichungen« siehe: Ulrich Müller, Geschichte der Handreichungen, https://www. bruederbewegung.de/themen/zeitschriften/handreichungen.html↩︎