Georges André
Schriften von Georges André
2Mo19; 32; 33 - Sinai – der Mittler
2. Mose 33,7-11 - 3. Das Zelt der Zusammenkunft2. Mose 33,7-11 - 3. Das Zelt der Zusammenkunft
„Und Mose nahm das Zelt und schlug es sich außerhalb des Lagers auf, fern vom Lager, und nannte es: Zelt der Zusammenkunft. Und es geschah, jeder, der den Herrn suchte, ging hinaus zum Zelt der Zusammenkunft, das außerhalb des Lagers war. Und es geschah, wenn Mose zum Zelt hinausging, so erhob sich das ganze Volk, und sie standen, jeder am Eingang seines Zeltes; und sie schauten Mose nach, bis er in das Zelt trat. Und es geschah, wenn Mose in das Zelt trat, so stieg die Wolkensäule herab und stand am Eingang des Zeltes; und der Herr redete mit Mose. Und das ganze Volk sah die Wolkensäule am Eingang des Zeltes stehen; und das ganze Volk erhob sich, und sie warfen sich nieder, jeder am Eingang seines Zeltes. Und der Herr redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund redet; und er kehrte zum Lager zurück. Sein Die- ner aber, Josua, der Sohn Nuns, ein Jüngling, wich nicht aus dem Innern des Zeltes“ ( 2Mo 33,7-11).
Als Folge der Sünde des Volkes entfernt sich Gott: „Ich werde einen Engel vor dir her senden . . . Ich werde nicht in deiner Mitte hinaufziehen“ (2Mo 33,2-3). Das Volk vernimmt dieses böse Wort, es trauert, und keiner legt seinen Schmuck an.
Was war in einer solchen Lage zu tun? Das Lager war in Zügellosigkeit geraten. Gottes Gegenwart wird sich daraus zurückziehen. Und Mose hatte doch auf dem Berge soeben die Unterweisungen zum Bau der Stiftshütte empfangen, wonach die Wohnung Gottes den Mittelpunkt einnehmen und das Volk sich rings herum lagern würde!
Mose fühlte wohl, dass dies angesichts der Unordnung unter dem Volk nicht mehr möglich ist. Sollte er für die, die den Herrn fürchten, auf jede Kundgebung der Gegenwart Gottes verzichten? Nein, Mose nimmt ein Zelt und richtet es für sich selbst außerhalb des Lagers, fern vom Lager auf und nennt es das Zelt der Zusammenkunft. Alle, die den Herrn suchen, gehen zum Zelt hinaus. Als sich Mose selbst dahin begab, „erhob sich das ganze Volk und sie standen, ein jeder am Eingang seines Zeltes; und sie schauten Mose nach, bis er in das Zelt trat“ (Verse 7–8). Es gab also zwei Personengruppen: Solche, die den Herrn suchten und zum Zelt hinausgingen und andere, die nur vom Eingang ihres eigenen Zeltes aus dorthin blickten.
Haben wir in Hebräer 13,13 nicht eine ähnliche Unterweisung? „Lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend.“ Die Christenheit gleicht heute wegen all der Vermischung und den Irrtümern, die sie erfüllen, in vieler Hinsicht dem Lager Israels. Auch heute ist es möglich, aus dem Lager hinauszugehen und, in Ausführung von 2. Timotheus 2,19-22, sich einfach zum Namen des Herrn Jesus hin zu versammeln und auf Seine Verheißung zu zählen: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Wie damals, folgen auch heute nicht alle dieser Aufforderung. Nur eine kleine Zahl sammelt sich zum Herrn hin, aber sie kann auf die Verheißung Seiner Gegenwart rechnen. „Und es geschah, wenn Mose in das Zelt trat, so stieg die Wolkensäule hernieder und stand am Eingang des Zeltes; und der Herr redete mit Mose.“ Das ganze Volk kann erkennen, dass die Gegenwart Gottes sich dort draußen offenbart, und nicht mehr in der Mitte des Lagers. Der treue Knecht selbst findet eine Gemeinschaft, wie er sie noch nie gekannt hat: Der Herr spricht mit ihm „von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet“.
Mose legt nun auf einem neuen Boden Fürsprache ein: Auf dem Grundsatz der Gnade! Im Bewusstsein, dass er selbst ein Gegenstand der Gunst Gottes ist, fleht er zu dem Herrn, diese Gnade auf das ganze Volk zu erstrecken. Er empfängt die wunderbare Antwort: „Mein Angesicht wird mitgehen, und ich werde dir Ruhe geben.“ Aber das würde nicht genügen. Wenn Mose in den Augen des Herrn Gnade gefunden hat, so beharrt er darauf, dass Gott mit ihm und mit Seinem Volk gehe. Schließlich neigt sich der Herr zu seinem Gebet: „Auch dieses, was du gesagt hast, werde ich tun; denn du hast Gnade gefunden in meinen Augen“ (Vers 17).
Die Vision der Gnade
Zutiefst erwärmt durch diese Vertrautheit mit Gott drückt Mose nun den brennenden Wunsch aus, die Herrlichkeit Seines Angesichtes zu sehen. Aber der Augenblick, wo die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi leuchten würde (2Kor 4,6), war noch nicht gekommen. Der Herr muss zu Seinem Diener sagen: „Du vermagst nicht mein Angesicht zu sehen, denn nicht kann ein Mensch mich sehen und leben.“ Aber wenn auch die Herrlichkeit noch nicht offenbart werden kann, so sagt der Herr doch: „Ich werde alle meine Güte vor deinem Angesicht vorübergehen lassen.“
In die Felsenkluft gestellt, allein im Heiligtum der göttlichen Gegenwart, empfängt Mose eine neue Offenbarung von Gott, dem er bis dahin so treu nachgefolgt ist. Als der Herr Mose in dem Dornbusch begegnet war, hat er Ihn als Den kennengelernt, der unveränderlich ist: „Ich bin, der ich bin.“ In Ägypten hat sich ihm Gott als der Herr Gott, der Bundesgott kundgetan. Am Sinai hat er das Gesetz vom gerechten und heiligen Gott empfangen. Aber in der Felsenkluft lernt er nun das Wesen Dessen kennen, der Gnade ist: „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit, der Güte bewahrt auf Tausende hin, der Ungerechtigkeit, Übertretung und Sünde vergibt“ (2Mo 34,6-7).2 In der Verborgenheit des Tempels lernt Jesaja später die Gnade kennen, die seine Ungerechtigkeit wegnimmt und für seine Sünde Sühnung tut. In dem Gesicht am Horeb hat auch Elia im Ton des leisen Säuselns die sanfte Stimme gehört, die sein Herz berührt. Im Tempel Jerusalems sieht Paulus Den, der ihn weit weg, zu den Nationen sendet. Und in dem Licht des Auferstehungsmorgens, allein im Garten des Joseph von Arimathia, wirft sich Maria Magdalene zu den Füßen ihres auferstandenen Herrn nieder.
Man begreift, dass der vom Berg herabgestiegene Mose nicht mehr derselbe ist. Die neuen Gesetzestafeln sind in seiner Hand. Sie wurden nicht zerschlagen, sondern in die Lade gelegt, die ein Bild von Christus ist. Er kommt nicht mehr, um die Schuldigen zu bestrafen und Schrecken im Lager zu verbreiten. Sein Angesicht glänzt und lässt die geschaute Güte und Gnade widerstrahlen: Er hatte „mit Ihm geredet“. Aaron und das Volk, zuerst erschreckt, nahen sich ihm, aber Mose legt eine Decke auf sein Angesicht: Die Zeit war noch nicht gekommen, wo die Herrlichkeit der Gnade völlig offenbart werden konnte. Selbst heute noch liegt die Decke auf dem Herzen des Volkes Israel.
Gott hat die Erkenntnis Seiner Herrlichkeit im Angesicht Christi leuchten lassen. Wir alle, die wir den Herrn Jesus kennen, können mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauen und so von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, nach demselben Bild verwandelt werden, als durch den Herrn, den Geist (2Kor 3,18). Haben wir die Einzelheiten dieses wunderbaren Verses schon beachtet: Wir alle . . . werden verwandelt werden? Dies ist nicht das Vorrecht eines besonderen Menschen, wie Mose es war, noch die Auszeichnung eines hervorragenden Dieners, sondern für alle ist die wunderbare Vision da: Es gibt für uns keine Decke mehr . . . Aber es braucht Zeit und ein Herz dazu, um Ihn zu betrachten!
2 Diese Offenbarung Gottes hier steht jedoch noch in Verbindung mit Seiner Regierung der Welt: «. . . Aber keineswegs hält er für schuldlos den Schuldigen – der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, am dritten und am vierten Glied.» Das Evangelium hingegen stellt uns Ihn in den Worten dar: «Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat: nämlich, dass Gott in Christus war, die Welt mit sich selbst versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend, und er hat in uns das Wort der Versöhnung niedergelegt» (2Kor 5,18.19). (C. H. M.)↩︎