Schriften von Georges André
5Mo 2,14-15 - Noch 38 Jahre . . .
5Mo 34 - 3. Allein auf dem Pisga5Mo 34 - 3. Allein auf dem Pisga
Georges André
„Und Mose stieg von den Ebenen Moabs auf den Berg Nebo, den Gipfel des Pisga, der Jericho gegenüber ist. Und der Herr ließ ihn das ganze Land sehen: das Land Gilead bis Dan, und das ganze Land Naphtali und das Land Ephraim und Manasse, und das ganze Land Juda bis zum hinteren Meer; und den Süden und den Jordankreis, die Talebene von Jericho, der Palmenstadt, bis Zoar. Und der Herr sprach zu ihm: Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe, indem ich sprach: Deinen Nachkommen will ich es geben. Ich habe es dich mit deinen Augen sehen lassen, aber du sollst nicht hinübergehen. Und Mose, der Knecht des Herrn, starb dort im Land Moab, nach dem Wort des Herrn. Und er begrub ihn im Tal, im Land Moab, Beth-Peor gegenüber; und niemand kennt sein Grab bis auf diesen Tag. Und Mose war 120 Jahre alt, als er starb; sein Auge war nicht schwach geworden und seine Kraft nicht geschwunden. Und die Kinder Israel beweinten Mose in den Ebenen Moabs dreißig Tage lang; und die Tage des Weinens der Trauer um Mose wurden vollendet.
Und Josua, der Sohn Nuns, war erfüllt mit dem Geist der Weisheit; denn Mose hatte seine Hände auf ihn gelegt; und die Kinder Israel gehorchten ihm und taten, wie der Herr Mose geboten hatte. Und es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, den der Herr gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht, nach allen Zeichen und Wundern, die der Herr ihn gesandt hatte zu tun im Land Ägypten, an dem Pharao und an allen seinen Knechten und an seinem ganzen Land, und nach all der starken Hand und nach all dem Großen und Furchtbaren, das Mose vor den Augen von ganz Israel getan hat“ ( 5Mo 34).
Kurz nach dem Hader von Meriba muss Aaron, begleitet von Mose und Eleasar, auf den Berg Hor steigen. Dort zieht Mose seinem Bruder seine priesterlichen Kleider aus und legt sie seinem Neffen Eleasar an. „Aaron starb daselbst auf dem Gipfel des Berges. Und Mose und Eleasar stiegen von dem Berge herab“ (4Mo 20,28). Nach dem goldenen Kalb wurde Aaron verschont. Als das Feuer des Herrn Nadab und Abihu verzehrte, die fremdes Feuer dargebracht hatten, schwieg Aaron, im Bewusstsein, dass die Sünde seiner Söhne weniger groß gewesen war als die seine. Er selbst wurde ein weiteres Mal verschont. Jetzt aber, am Abend seines Lebens, muss er sterben, des Schmuckes entkleidet, der die hohe Stellung, zu der er berufen war, bezeichnete, weil sein Glaube, wie der seines Bruders, im gegebenen Augenblick versagt hat.
Mose bleibt noch einige Monate lang allein an der Spitze des Volkes. Dieses letzte Jahr seines Lebens ist sehr ausgefüllt. Das ganze fünfte Buch Mose ist voll seiner Erinnerungen. Der Gesetzgeber fasst die Verordnungen zusammen, erteilt neue Anweisungen hinsichtlich des Landes und gibt dem Volk seine letzten Ratschläge. Vor den Augen aller bekleidet er Josua mit der nötigen Autorität, damit ihm dieser als Führer nachfolge. Er trägt sein Lied vor, dass Israel an die Ermahnungen des Herrn erinnern wird. Vor dem Sterben segnet er noch die Stämme, einen nach dem anderen, und gibt dadurch zu erkennen, dass er sowohl den kommenden Verfall des Volkes als auch die ihm von Gott gegebenen Hilfsquellen kennt.
Bevor er das Volk verlässt, dem er so treu gedient und vorgestanden hat, spricht er seine letzten Worte aus: „Deine Wohnung ist der Gott der Urzeit, und unter dir sind ewige Arme“ (5Mo 33,27). Im Gebet das uns im 90. Psalm aufbewahrt ist, kann Mose sagen: „Herr, du bist unsere Wohnung gewesen von Geschlecht zu Geschlecht.“ Diese Gemeinschaft, diese Vertrautheit mit Gott, hatten sie nicht seine Laufbahn gekennzeichnet, vom Dornbusch an bis zu den Ebenen Moabs? Eine Lebensverbindung, wovon der Herr Jesus sagen wird: „Bleibet in mir und ich in euch“ (Joh 15,4). Der Gott, den die Väter gekannt und der sich ihm in der Jugend offenbart hatte, war derselbe geblieben. Seine ewigen Arme hatten ihn selbst, wie auch sein Volk, alle die Jahre hindurch getragen.
Der letzte Tag ist gekommen. Mose verlässt die Ebenen Moabs, wo sich die Zelte des Volkes ausbreiten, und steigt auf den Berg Nebo, den Gipfel des Pisga. Sein Werk ist getan. Bis zur Grenze des Landes, durch all die Schwierigkeiten und Hindernisse hindurch, hat er diese Nation geführt und ihr die Gedanken Gottes mitgeteilt. Seine Aufgabe ist beendigt, aber nicht in der Weise, wie er es sich so sehr gewünscht hat, denn er darf ja Israel nicht ins Land einführen. Er hat nicht, wie Aaron, einen Bruder bei sich und einen Sohn, der ihm in seinen letzten Augenblicken beisteht. Selbst sein treuer Josua, der ihn einst auf den Sinai begleitete, ist in der Ebene geblieben. Aber ein Größerer nähert sich und lässt ihn Seine Gegenwart, Seine vertraute Nähe spüren: „Der Herr ließ ihn das ganze Land sehen. . . : Das ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe, indem ich sprach: Deinem Samen will ich es geben. Ich habe es dich mit deinen Augen sehen lassen.“ Abraham durchwanderte dieses Land nach seiner Länge und nach seiner Breite, wissend, dass Gott es ihm und seinem Samen gegeben hatte (1Mo 13,17). Die Glaubensmänner in Hebräer 11 sahen die Verheißungen, das himmlische Vaterland, von fern und begrüßten sie. Johannes in Patmos ist sich des Verfalls der Versammlungen bewusst (Off 2-3), aber sieht die Stadt, die Braut des Lammes (Off 21).
Mose war beim Dornbusch allein mit Gott. Heiliges Land, wo der „Ich bin“ sich ihm offenbarte und Seinen Knecht zu der Aufgabe trieb, die Er ihm anvertraute. Auf dem Sinai war der Gesetzgeber mit dem Herrn allein in der Wolke gewesen, zweimal vierzig Tage. Dann, in der Felsenkluft, hatte er Dessen Gedanken der Gnade kennengelernt. Wie viele Male auch war der Führer ins Heiligtum eingetreten, ermattet vom Undank des Volkes, um in der Stille die Stimme zu hören, die vom Sühnungsdeckel herab zu ihm redete (4Mo 7,89), „und er redete zu Ihm“. Auf dem Pisga, in diesem erhabenen Augenblick seines Lebens, ist der treue Freund, den er so gut kennt, da, und steht Seinem Diener zur Seite.
Mose darf das gute Land, das Gott Seinem Volk geben wird, betrachten, und entschläft dann in der Einsamkeit. Der Herr selbst begräbt ihn im Tal, aber niemand kennt sein Grab bis auf den heutigen Tag. Gott nahm sich des Leibes Seines Dieners an, wie Er später auch veranlassen wird, dass der Leib Seines Sohnes Sein Ihm gebührendes Grab bekommt. Im Brief des Judas sehen wir, dass sich zwischen dem Erzengel Michael und Satan wegen des Leibes Moses ein Kampf abspielte: Gott hat darüber gewacht, dass der Widersacher nicht einen Gegenstand der Verehrung und des Götzendienstes aus ihm machen konnte, wie aus der einfachen ehernen Schlange.
Eines Tages ist Mose doch in das Land eingetreten. Auf dem Berge der Verklärung (Lk 9,28-31) hat er das Angesicht Dessen gesehen, der ihm auf dem Sinai verborgen geblieben war, sich ihm jetzt aber in verherrlichter Menschheit zeigte. Er wurde Ihm nicht gegenübergestellt, um von der Vergangenheit zu reden, oder von alledem, was sich beim Durchzug durch die Wüste zugetragen hatte. Auch nicht, um einer fernen Zukunft gegenüberzustehen, wo die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen in Seinem Reich erstrahlen wird, sondern um von Seinem Tod zu reden, der sich in Jerusalem erfüllen sollte. Im Passahlamm und in den levitischen Opfern hatte Mose Ihn vorgebildet. Jetzt war die Wirklichkeit da: Jesus sollte nun als Gnadenstuhl dargestellt werden, damit Gott „gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist“. Das wunderbare Gesicht verschwindet. Die Wolke nimmt Mose und Elia hinweg, bis zum Tag der Auferstehung. Die Jünger sehen niemand mehr, als nur „Jesus allein bei ihnen“.
Als Mann Gottes, Mann des Glaubens, Befreier, Führer und Hirte, Gesetzgeber, Mittler, Fürsprecher und Prophet, in sich selbst so oft ein Bild von Christus, bleibt die große Gestalt Moses vor uns, einzigartig und einsam, damit wir, den Ausgang seines Wandels anschauend, seinen Glauben nachahmen (Heb 13,7).