Georges André
Schriften von Georges André
2Mo19; 32; 33 - Sinai – der Mittler
2. Mose 32 - 2. Der verhängnisvolle Zwischenfall des goldenen Kalbes2. Mose 32 - 2. Der verhängnisvolle Zwischenfall des goldenen Kalbes
„Und als das Volk sah, dass Mose zögerte, vom Berg herabzukommen, da versammelte sich das Volk zu Aaron, und sie sprachen zu ihm: Auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen! Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat – wir wissen nicht, was ihm geschehen ist. Und Aaron sprach zu ihnen: Reißt die goldenen Ringe ab, die in den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter sind, und bringt sie zu mir. Und das ganze Volk riss sich die goldenen Ringe ab, die in ihren Ohren waren, und sie brachten sie zu Aaron. Und er nahm es aus ihrer Hand und bildete es mit einem Meißel und machte ein gegossenes Kalb daraus. Und sie sprachen: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben. Und als Aaron es sah, baute er einen Altar vor ihm; und Aaron rief aus und sprach: Ein Fest dem Herrn ist morgen! Und sie standen am nächsten Tag früh auf und opferten Brandopfer und brachten Friedensopfer; und das Volk setzte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um sich zu belustigen.
Da sprach der Herr zu Mose: Geh, steige hinab! Denn dein Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, hat sich verdorben. Sie sind schnell von dem Weg abgewichen, den ich ihnen geboten habe; sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und sich vor ihm niedergebeugt und haben ihm geopfert und gesagt: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben. Und der Herr sprach zu Mose: Ich habe dieses Volk gesehen, und siehe, es ist ein hartnäckiges Volk; und nun lass mich, dass mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vernichte; dich aber will ich zu einer großen Nation machen. Und Mose ßehte zu dem Herrn, seinem Gott, und sprach: Warum, Herr, sollte dein Zorn entbrennen gegen dein Volk, das du aus dem Land Ägypten herausgeführt hast mit großer Kraft und mit starker Hand? Warum sollten die Ägypter so sprechen: Zum Unglück hat er sie herausgeführt, um sie im Gebirge zu töten und sie von der Fläche des Erdbodens zu vernichten? Kehre um von der Glut deines Zorns und lass dich des Übels gegen dein Volk gereuen. Gedenke Abrahams, Isaaks und Israels, deiner Knechte, denen du bei dir selbst geschworen hast, und hast zu ihnen gesagt: Mehren will ich eure Nachkommen wie die Sterne des Himmels; und dieses ganze Land, von dem ich geredet habe, werde ich euren Nachkommen geben, dass sie es als Erbteil besitzen auf ewig. Und es reute den Herrn das Übel, wovon er geredet hatte, dass er es seinem Volk tun werde.
Und Mose wandte sich und stieg vom Berg hinab, die zwei Tafeln des Zeugnisses in seiner Hand, Tafeln, beschrieben auf ihren beiden Seiten: auf dieser und auf jener Seite waren sie beschrieben. Und die Tafeln waren das Werk Gottes, und die Schrift war die Schrift Gottes, eingegraben in die Tafeln. Und Josua hörte die Stimme des Volkes, als es jauchzte, und sprach zu Mose: Kriegsgeschrei ist im Lager! Und er sprach: Es ist nicht der Schall von Siegesgeschrei und nicht der Schall von Geschrei der Niederlage; den Schall von Wechselgesang höre ich.
Und es geschah, als er sich dem Lager näherte und das Kalb und die Reigentänze sah, da entbrannte der Zorn Moses, und er warf die Tafeln aus seinen Händen und zerbrach sie unten am Berg. Und er nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und verbrannte es im Feuer und zermalmte es, bis es zu Staub wurde; und er streute es auf das Wasser und ließ es die Kinder Israel trinken. Und Mose sprach zu Aaron: Was hat dir dieses Volk getan, dass du eine große Sünde über es gebracht hast? Und Aaron sprach: Es entbrenne nicht der Zorn meines Herrn! Du kennst das Volk, dass es im Bösen ist. Und sie sprachen zu mir: Mache uns Götter, die vor uns hergehen; denn dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat – wir wissen nicht, was ihm geschehen ist. Und ich sprach zu ihnen: Wer hat Gold? Sie rissen es sich ab und gaben es mir, und ich warf es ins Feuer, und dieses Kalb ging hervor. Und Mose sah das Volk, dass es zügellos war; denn Aaron hatte es zügellos werden lassen, zum Gespött für ihre Widersacher. Und Mose stellte sich im Tor des Lagers auf und sprach: Her zu mir, wer für den Herrn ist! Und es versammelten sich zu ihm alle Söhne Levis. Und er sprach zu ihnen: So spricht der Herr, der Gott Israels: Legt jeder sein Schwert an seine Hüfte, geht hin und her, von Tor zu Tor im Lager, und erschlagt jeder seinen Bruder und jeder seinen Freund und jeder seinen Nachbarn. Und die Söhne Levis taten nach dem Wort Moses; und vom Volk fielen an diesem Tag etwa dreitausend Mann. Und Mose sprach: Weiht euch heute dem Herrn, ja, jeder in seinem Sohn und in seinem Bruder, um heute Segen auf euch zu bringen.
Und es geschah am nächsten Tag, da sprach Mose zum Volk: Ihr habt eine große Sünde begangen; und nun will ich zu dem Herrn hinaufsteigen, vielleicht kann ich Sühnung für eure Sünde tun. Und Mose kehrte zu dem Herrn zurück und sprach: Ach, dieses Volk hat eine große Sünde began- gen, und sie haben sich Götter aus Gold gemacht! Und nun, wenn du ihre Sünde vergeben wolltest! Wenn aber nicht, so lösche mich doch aus deinem Buch, das du geschrieben hast. Und der Herr sprach zu Mose: Wer gegen mich gesündigt hat, den werde ich aus meinem Buch auslöschen. Und nun geh hin, führe das Volk, wohin ich dir gesagt habe. Siehe, mein Engel wird vor dir herziehen; und am Tag meiner Heimsuchung, da werde ich ihre Sünde an ihnen heimsuchen. Und der Herr schlug das Volk, weil sie das Kalb gemacht hatten, das Aaron gemacht hatte“ ( 2Mo 32).
Als Aaron und das Volk das goldene Kalb machten, hatten sie eigentlich nicht im Sinn, den Herrn zu verlassen. Sie übertraten dabei vielmehr das zweite Gebot: „Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen, noch irgendein Gleichnis dessen, was oben im Himmel, und was unten auf der Erde ist. . . Du sollst dich nicht vor ihnen niederbeugen und ihnen nicht dienen.“ Der Geist des Menschen neigt immer zur Verkörperung des Geistlichen. Er benötigt eine sichtbare Form, einen Gegenstand, den er, wenn auch nicht anbeten, so doch verehren kann. „Und als Aaron es sah, baute er einen Altar vor ihm; und Aaron rief aus und sprach: Ein Fest dem Herrn ist morgen!“ (2Mo 32,5). Sie erniedrigten den Herrn zum Rang der Götter Ägyptens hinab: „Das ist dein Gott“.
Der Götzendienst entwürdigt den Menschen, er führt ihn zur Zügellosigkeit (Vers 25), zu Schwelgereien und zur Ausschweifung (Vers 6). Es genügt, Römer 1 zu lesen, um sich davon zu überzeugen. Und nichts ist ernster als den Namen Gottes mit dem Götzendienst zu verbinden.
Welches wird die Haltung Moses sein vor einer solchen Lage?
Auf dem Gipfel des Berges gibt ihm der Herr Kenntnis von dem, was sich ereignet hat (Verse 7–10). Mose, gegen den das Volk schon so manches Mal gemurrt hat, könnte die Gelegenheit ergreifen und den göttlichen Vorschlag annehmen, der ihn auf die Probe stellt: Soll er den Zorn Gottes gegen das Volk entbrennen lassen, damit sie vernichtet werden und er, Mose selbst, zu einer großen Nation gemacht wird? Aber der Gesetzgeber hat die Interessen seines Gottes zu sehr am Herzen, als dass er
so handeln könnte. Sogleich fleht er den Herrn an und führt zwei entscheidende Gründe für die Verschonung Israels an. Erstens, was würden die Ägypter sagen, wenn das Volk von der Fläche des Erdbodens vertilgt würde? Sie würden über das Unvermögen des Gottes Israels frohlocken! Zweitens hatte der Herr den Erzvätern sichere Verheißungen gegeben, ihre Nachkommenschaft zu mehren und ihnen das Land Kanaan zu geben. Was würde aus der Erfüllung dieser feierlichen Verheißung?
Verhält es sich mit der Fürbitte, die wir für unsere Geschwister ausüben können, nicht ähnlich? Wir dürfen uns dabei der Treue Gottes erinnern, Seiner Verheißungen, Seiner Gerechtigkeit Christus gegenüber („Er ist treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt“); anderseits sollen wir dabei auch an das Zeugnis denken, das die Christen vor der Welt abzulegen haben.
Mose sieht das Kalb und die Reigentänze (Vers 19). Da entbrennt sein Zorn, ein gerechter Zorn und nicht ein Ausbruch fleischlicher Gefühle. Er zerbricht die Tafeln des Gesetzes: Kaum erlassen, ist es ja schon gebrochen. Er nimmt das Kalb, zermalmt es zu Staub und lässt die Kinder Israel das damit überstreute Wasser trinken: Sie sollten sich in ihrem Inneren der Schwere ihrer Sünde bewusst werden. Wenn wir schwer gesündigt haben, müssen wir lernen dies einzusehen und die Sünde vor Gott bekennen, dabei aber auch in der Tiefe unserer Seele den Ernst der Sünde empfinden und den Abscheu Gottes ihr gegenüber. Mose legt den Leviten die schreckliche Aufgabe auf, die zu erschlagen, die sich offensichtlich besonders dem Götzendienst hingegeben hatten, auch wenn es ihre Brüder, ihre Nachbarn und ihre engsten Freunde waren. Dreitausend Menschen fielen auf diese Weise – ein trauriger Gegensatz zu dem ersten Tag, an dem das Evangelium verkündigt werden wird und wo dreitausend Seelen zum Herrn geführt werden (Apg 2).
Am nächsten Tag hatten sich die Erregung und der Zorn beruhigt. Wird Mose nun sagen: Gestern war ich erzürnt, aber eigentlich war das Böse nicht so schlimm? Ganz im Gegenteil! Mit tiefem Schmerz bestätigt er: „Ihr habt eine große Sünde begangen.“ Im Innern seines Herzens hat er die Sache erwogen. Er will zu dem Herrn hinaufsteigen und sagt zum Volk: „Vielleicht möchte ich Sühnung tun für eure Sünde“ (Vers 30). Er sagt nicht, welches Mittel er dazu verwenden wird. Er ist nicht einmal sicher, ob er damit Erfolg hat.
Vor dem Herrn erkennt Mose an, von Schmerz überwältigt, dass das Volk eine große Sünde begangen hat. Er fügt hinzu: „Und nun, wenn du ihre Sünde vergeben wolltest. . . !“, ohne den Satz vollenden zu können. Er weiß wohl, dass Gott nicht vergeben kann, wenn nicht Sühnung erfolgt ist. Daher fügt er hinzu, was er schon bei sich selbst beschlossen hat: „Lösche mich doch aus deinem Buch, das du geschrieben hast.“ Er will sich selbst als Sühnung für das Volk opfern. Aber er hat noch nicht gelernt, was der Psalmist später feststellen muss: „Keineswegs vermag jemand seinen Bruder zu erlösen, nicht kann er Gott sein Lösegeld geben“ (Ps 49,8).
Aber Gott vergibt dennoch! Er kann zwar nicht annehmen, dass Mose für das Volk bezahlt: „Wer gegen mich gesündigt hat, den werde ich aus meinem Buch auslöschen.“ Wenn Er die Sünde erträgt, so ist es, weil Er Sein Auge auf das Kommen eines Andern richtet, der sich selbst zum Opfer geben wird. Er wird Ihn zu einem Gnadenstuhl darstellen, damit Gott „gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist“ (Röm 3,24-26). Die „vorher geschehenen Sünden“ des Volkes, die während der ganzen Zeit des Alten Testaments verübt worden sind, konnte Gott in voller Gerechtigkeit „hingehen lassen“, im Blick auf das vollkommene Opfer, das zur bestimmten Zeit geoffenbart werden sollte.
Gott ist also gerecht, wenn Er hier dem Volk vergibt. Er bleibt Seinen Verheißungen gegenüber treu (2Mo 33,1), auch hält Er Seine Herrlichkeit gegenüber den Ägyptern aufrecht. Aber in Seinen Regierungswegen muss Er die Seinen doch züchtigen. Er zieht Seine Gegenwart aus ihrer Mitte zurück (2Mo 33,3)