Schriften von John Gifford Bellett
Die Welt vor der Flut und die Patriarchen
1. Mose 12-25 - Abraham1. Mose 12-25 - Abraham
„Durch Glauben war Abraham, als er gerufen wurde, gehorsam, auszuziehen an den Ort, den er zum Erbteil empfangen sollte; und er zog aus, ohne zu wissen, wohin er komme. Durch Glauben hielt er sich auf in dem Lande der Verheißung, wie in einem fremden, und wohnte in Zelten mit Isaak und
Jakob, den Miterben derselben Verheißung; denn er erwartete die Stadt, welche Grundlagen hat, deren
Baumeister und Schöpfer Gott ist" (Heb 11,8-10).
Während die Kapitel 1Mo 1-11 die Geschichte der Heiligen vor der Flut oder der Zeiten von Adam bis auf Henoch, und weiter die Geschichte Noahs und seiner Nachkommen bis zur Zerstreuung der Völker enthalten, wird uns vom 12. bis zum 25. Kapitel die Geschichte Abrahams erzählt. Sie bildet den dritten Teil des 1. Buches Mose und stellt uns einen neuen Abschnitt in den Wegen Gottes dar. Dieser Wechsel ist nicht zufällig oder bedeutungslos, sondern wir entdecken darin bei näherer Untersuchung eine schöne Ordnung und eine überraschende Entfaltung der Weisheit Gottes in Bezug auf die Verwaltung der Zeiten. Himmel und Erde werden abwechselnd berufen, die wunderbare Erzählung jener
Weisheit zu übernehmen und göttliche Geheimnisse darzustellen — Geheimnisse, wie jenes, das „Gott sich vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln und das, was auf der Erde ist" (Eph 1,10).
Adam war im Zustande der Unschuld ein Mensch der Erde. Er sollte sich an ihr erfreuen in dem Bewußtsein, daß alles sein war. Aber sobald er aus Eden vertrieben war, wurde er ein Fremdling auf Erden. Er erhielt keinen Befehl, die Erde zu verbessern oder zu schmücken. Er hatte einfach den Boden für seinen Unterhalt zu bebauen. Auch zeigt uns die Verwandlung Henochs, daß die Bestimmung und das Erbe jener frühesten Haushaltung Gottes himmlisch war6. ln Noah hingegen ist der Vorsatz Gottes ein anderer. Noah ist wieder ein Mensch der Erde. Er verließ die Arche in einem ganz anderen Charakter, als Adam den Garten verlassen hatte. Noah trat aus der Arche mit dem Auftrag, als Richter und Regierer die Welt in Ordnung zu halten. Nicht Fremdlingschaft, sondern Bürgerschaft auf der Erde und Herrschaft über sie entsprach jetzt wieder der Absicht Gottes. Doch ein zweiter Abfall offenbarte sich unter den Nachkommen Noahs. Im Laufe der Zeit strebten sie nach Unabhängigkeit, indem sie die Furcht Gottes beiseitesetzten und ohne Ihn fertig zu werden suchten, wie einst Adam im Garten es gemacht hatte, als er werden wollte wie Gott. Die Antwort Gottes auf den Hochmut des Menschen war die Sprachenverwirrung.
Nachher findet Abraham wieder Gnade in den Augen Gottes. Er wird von jenem Schauplatz des Abfalls abgerufen und aus seinem Hause und Lande geführt; und wie wir es nach der abwechselnden Darstellung himmlischer und irdischer Geheimnisse nicht anders erwarten können, wird nach Noah, dem Menschen der Erde, Abraham wieder berufen, ein himmlischer Mensch zu sein. Der Herr sagt zu ihm: „Gehe aus deinem Lande und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause". Das war der Charakter der Berufung Abrahams. Es war weniger eine Berufung aus sittlichem Verderben, aus Götzendienst und dergleichen, sondern vielmehr eine Berufung aus den Verbindungen der Natur und der Erde. Sicher gab es auch Götzen zu verlassen (vergl. Josua 24,2.3), aber das bildete nicht die Natur der Berufung. Vielmehr finden wir Ähnlichkeit zwischen Abraham und Adam, nachdem dieser den Garten verlassen hatte. Abraham verließ Ur in Chaldäa, wie Adam Eden verließ. Er empfing nicht den Auftrag, das Land Kanaan für den Herrn zu bebauen oder zu erobern und die Völker dort zu regieren. Die Einrichtungen der Welt wurden so gelassen, wie sie waren. Abraham hatte mit den Völkern, durch die ihn sein Weg nach Kanaan führte, nichts zu schaffen, und auch als er jenes Land erreicht hatte und die Kanaaniter dort vorfand, trat er in keinerlei Verbindung mit ihnen. Er kümmerte sich gar nicht um sie.
In Noah war die Regierung Gottes auf der Erde eingeführt worden, wie im Anfang die natürlichen Beziehungen in Adam. Abraham aber wurde aus diesem allem herausgerufen. Er empfing Gott Selbst durch den Glauben. Sowohl die Beziehungen der Natur, die Adam ihm überliefert hatte, als auch die Regierung, die in Noah aufgerichtet worden war, wurden von ihm auf gegeben7.
In unserem Patriarchen sehen wir also die Auserwählung und Berufung Gottes. Er gehörte der verderbten, abgefallenen Familie des Menschen an und hatte keinerlei Ansprüche an Gott zu machen. Aber eine unumschränkte Gnade, in deren Kraft alle Erlösten nach dem ewigen Ratschluß Gottes stehen, hatte ihn zu ihrem Gegenstand gemacht, und unter dieser Gnade ist er zu seiner Zeit als ein Auserwählter geoffenbart und von Gott berufen worden, als ein himmlischer Fremdling durch diese Welt zu pilgern. Die Schrift spricht von ihm als dem „Vater aller, die da glauben" (Röm 4,11.12); und in der Tat, wir finden in ihm das Leben des Glaubens in einer überaus köstlichen Weise dargestellt, und gerade das ist es, wobei ich in dieser Betrachtung hauptsächlich verweilen möchte.
In dem „Leben des Glaubens" finden wir nicht nur den Grundsatz der Abhängigkeit von Gott oder des Vertrauens auf Ihn, obgleich das vielleicht der zunächstliegende Gedanke ist. Es bezeichnet weit mehr als das. Es ist ein Leben, das große und mannigfaltige Kräfte offenbart, denn der Glaube vertraut nicht nur auf Gott oder glaubt an Ihn, sondern er versteht auch Seine Wege und handelt in Übereinstimmung mit Seinen Grundsätzen und Absichten. Er empfängt Seine Verheißungen, erfreut sich in Seiner Gunst, führt Seine Befehle aus, erwartet Sein Reich, erringt in Seiner Kraft Siege und wandelt durch Sein Licht im Lichte. Der Glaube stellt somit, obgleich in verschiedenartiger Weise, stets ein Leben dar, das Gott entspricht und durch die Gemeinschaft mit Ihm hervorgebracht wird. Demgemäß werden wir in dem Leben Abrahams Gelegenheiten finden, bei denen das Vertrauen auf Gott hervortritt. Zu anderen Zeiten offenbart sich Kraft, und Kämpfe werden bestanden. Dann wieder zeigen sich die Tugenden des Glaubens in dem bereitwilligen Aufgeben von Rechten und in der stillen Unterwerfung unter zugefügtes Unrecht. Diese Verschiedenartigkeit in dem Leben des Glaubens ist schön, denn sie ist nichts anderes als das mannigfaltige Hervorleuchten desselben Sinnes, des Sinnes Christi in den Heiligen.
Indes dürfen wir nicht meinen, daß wir in dem Gläubigen immer nur diesem Licht und dieser Kraft des Glaubens begegnen. Vollkommenheit in dem Leben des Glaubens wird nirgends gefunden, außer in dem Einen, der als „der Anfänger und Vollender des Glaubens" vor unsere Augen gestellt wird, und dessen Weg von Anfang bis zu Ende, und in jedem Augenblick das Muster dieses Lebens in vollem, ungetrübtem Glanz war. Dennoch dürfen wir das Leben eines Abraham, eines Joseph, eines David oder eines Paulus als ein Leben des Glaubens bezeichnen, weil in diesen Männern jener Grundsatz des Glaubens vorhanden war, obgleich sie immer wieder und auf die verschiedenste Weise die Verderbtheit der Natur, die Wirkung des Unglaubens -und die Ratschläge eines Herzens verrieten, das geneigt ist, mit Fleisch und Blut zu Rate zu gehen und die Wege einer abgefallenen Welt einzuschlagen.
Abraham begann dieses Leben des Glaubens mit einfältigem Herzen und heiligem Ernst. Er zog aus, „ohne zu wissen, wohin er komme". Er nahm Gott zu seinem Schild und seinem Teil, und gerade darin zeigte sich sein Glaube, denn durch die Trennung von der Welt, auf Grund eines unbedingten Vertrauens auf Gott, verlor er alles und erhielt dafür nichts, als das Wort Gottes.
Wir befinden uns nicht gern in solchen Umständen. Das menschliche Herz fühlt sich unbehaglich darin, aber der erneuerte Sinn heißt sie gut und rechtfertigt Gott in ihnen. Die Leiden Christi kommen zuerst, danach die Herrlichkeiten
(1Pet 1,11). Israel betrat das Land Kanaan nicht nach einer angenehmen Reise durch ein Land mit friedlichen Städten und Dörfern, mit wogenden Kornfeldern und fruchtbaren Weinbergen, mit Strömen und Weideplätzen, sondern sie durchzogen mühsam öde, unbewohnte Steppen und dürre, sandige Wüsteneien, in denen es nichts Ermunterndes für das natürliche Auge und Herz gab. Ebenso wurde Abraham aus allem herausgerufen, was für die Natur angenehm war, und er zog seines Weges, ohne zu wissen, wo seine Reise enden würde. Nur das eine wußte er, daß Gott ihn gerufen hatte, und das war genug für den Glauben. „Er zog aus, um in das Land Kanaan zu gehen; und er kam in das Land Kanaan".
Indes kam er nicht, um einen festen Wohnplatz dort zu finden, sondern nur, um sich in dem Lande der Verheißung aufzuhalten. Er zog von Ort zu Ort und schlug überall nur ein Zelt auf. Der Gott der Herrlichkeit hatte ihm gesagt: „Gehe aus deinem Lande ... in das Land, das ich dir zeigen werde". Er sollte es für immer in seinem Samen besitzen, aber was seine eigene Person betraf, so sollte er es nur sehen. Und dementsprechend finden wir auch, daß er es nur besieht, aber nichts davon in Besitz nimmt. Er geht zunächst nach Sichern, bis an die Terebinthe Mores. Von da zieht er südwärts in die Gegend von Bethel und Ai. Aber wohin er sich auch wenden mochte, überall wohnte er nur in einem Zelte. „Es waren zu der Zeit die Kanaaniter im Lande". Sie waren die Besitzer des Landes, und Abraham machte keinen Versuch, ihnen auch nur einen Fußbreit Boden zu entreißen. Er betrachtete und besaß das Land nur in der Weise, wie der Glaube und die Hoffnung es ihm gaben, aber er suchte kein persönliches, gegenwärtiges Besitztum darin. Die Verheißung lebte in seinem Innern, und sie bildete sowohl die Richtschnur seines Handelns, als auch die Freude seines Herzens.
Sehr bald aber steht in Abraham ein ganz anderer Mensch vor uns, denn obwohl er ein Mann Gottes war, so besaß er doch, wie wir alle, eine böse Natur, und es gibt, wie gesagt, keinen in dem Leben des Glaubens Vollkommenen, außer den Herrn Selbst. Eine Hungersnot kam über das Land, in das die Berufung Gottes Abraham gebracht hatte. Das war ohne Zweifel eine befremdende Überraschung für ihn. Allein wäre der Glaube tätig gewesen, so würde er dadurch nicht erschreckt worden sein. Der Glaube in Paulus zeigte sich einer ähnlichen Überraschung gewachsen. Durch die Stimme Gottes nach Macedonien gerufen, findet er dort Gefängnis und Bande. Aber Paulus hält diesen Stoß aus, während Abraham strauchelt. Paulus und sein Gefährte singen Loblieder in dem Gefängnis zu Philippi. Abraham aber nimmt seine Zuflucht zu einer Lüge, nachdem er vor der Hungersnot in Kanaan in einem anderen Lande Hilfe gesucht, von der die göttliche Berufung nicht das mindeste erwähnt hatte.
Solche Dinge sind zu allen Zeiten unter den Heiligen gefunden worden. Sie zeigen sich auch heute noch. Es gibt Kleinglauben und auch Unerschrockenheit unter den Auserwählten, so wie sich in jedem von ihnen Fleisch und Geist, die Natur und der erneuerte Sinn befinden. Aber bedenken wir wohl: wenn die Natur uns leitet, wird die Natur uns bloßstellen. Selbst ein irdischer Mann, der Pharao von Ägypten, machte Abraham beschämt, und anstatt in dem Zeugnis seines Zeltes und in der Freude seines Altars voranzugehen, war es eine Reise mit ermatteten Füßen, weil das Herz ihm Vorwürfe machte. Er mußte „die ersten Werke tun", die Stellung, die er verloren hatte, wiedergewinnen, und das ist stets eine schmerzliche Sache, ein kummervolles Werk. Er mußte aus Ägypten zurückkehren bis zu dem Platze zwischen Bethel und Ai, wo er zuerst seinen Altar erbaut hatte.
Die Herden, die er in Ägypten erhalten hatte, begleiteten ihn nach Hause. Der Glanz des Goldes und Silbers, die Gaben eines Landes, das jenseits dessen lag, wohin der Gott der Herrlichkeit ihn berufen hatte, schmückte und zierte seine
Rückkehr. So war es bei Abraham, und so kann es heute bei einem Gläubigen sein. Aber was sagen wir zu dem allem? Ist das Blöken und Brüllen solcher Herden in unseren Ohren gleich der sanften Musik eines guten und ruhigen Gewissens? Oder ist dieser blendende Reichtum gleich dem Glanze der göttlichen Gegenwart, die Abraham verloren hatte? Ich glaube, ich darf für Abraham antworten, — obgleich ich es von mir selbst nicht zu sagen wage — daß sein Geist diesen Unterschied wohl erkannte. Das ermattete Herz fühlte sich wenig erleichtert durch das, was er aus dem Lande Ägypten oder aus dem Hause des Pharao mitbrachte. Es konnte bei einem solchen Manne nicht anders sein. „Wer an mir sündigt, tut seiner Seele Gewalt an" (Spr 8,36), das muß auch er erfahren haben, und seine Handlungsweise in der Geschichte, die uns in unmittelbarer Verbindung mit seiner Rückkehr erzählt wird, zeigt uns etwas davon.
Lot, sein jüngerer Bruder, oder vielmehr seines Bruders Sohn, der mit ihm aus Ur nach Kanaan gekommen war, wird jetzt ein Anlaß zur Versuchung für ihn, wie vorher die Hungersnot. Aber der Glaube in Abraham triumphiert dieses Mal in bewunderungswürdiger Weise. Die Hirten der beiden Brüder können ihre Herden nicht mehr zusammen weiden. Sie müssen sich trennen. Das war der Anlaß zu der neuen Versuchung. Aber die Sprache Abrahams ist: „Lot möge wählen". Lot mag die wohl bewässerten Ebenen für sich nehmen. Abraham kann auf den Herrn des Landes vertrauen, obgleich er jene verliert. Er mag Brunnen graben müssen, anstatt sie zu finden. Aber ist es nicht besser, sie in der Kraft Gottes zu graben, als sie auf dem Wege der Habsucht zu finden? Ist es nicht besser, sozusagen in Kanaan auf sie zu warten, als ihretwegen wieder nach Ägypten zu gehen?
Das war eine herrliche Wiederherstellung. Und siehe da, jetzt besucht der Herr Seinen Knecht wieder, was Er in Ägypten nicht getan hatte und nicht hatte tun können. Der Gott der Herrlichkeit, der Abraham nach Kanaan gerufen hatte, konnte nicht mit ihm nach Ägypten gehen, aber Er hatte Sein Wohlgefallen daran, Sich dem Manne zu zeigen, der in der Freude des wiederhergestellten Vertrauens im Begriff stand, das Beste des Landes seinem jüngeren Bruder zu überlassen.
Und nun laßt mich fragen: Wo befinden wir uns? Wo ist unser Herz? Auf welchem Wege wandeln wir in diesem Augenblick? Kennen wir Ägypten in der Bitterkeit der Selbstanklage? oder genießen wir ein wiedererlangtes Kanaan in der Freude der Gunst Gottes? Wandeln wir täglich mit Gott? Das Leben des Glaubens kennt sehr wohl den Unterschied zwischen der Enge eines weltlichen und der Weite eines gläubigen Herzens. Abraham kannte diese Dinge. Er wußte, was Ägypten war, die Stätte des Goldes und Silbers, der Vorwürfe und des Todes. Er wußte, was es war, Ai wiederzugewinnen, ohne unterwegs einen Altar zu haben, und er wußte auch, was es war, wieder mit Altar und Zelt unter den Terebinthen Mamres zu ruhen.
So beginnt das mannigfaltige Leben des Glaubens. Doch es enthält noch weit mehr als das. Gerade bei dieser Verschiedenartigkeit der Handlungen zeigt sich die Einsicht des Glaubenden, die Wirksamkeit des Geistes Christi oder des geistlichen Sinnes, der die Dinge unterscheidet, wie sie sind, und der die Fähigkeit besitzt, Zeiten und Gelegenheiten Gott gemäß zu erkennen. Dieses feine Unterscheidungsvermögen des Heiligen finden wir in Abraham in dem jetzt folgenden Teil seiner Geschichte. Die Schlacht der „vier Könige gegen die fünf" wird uns in Kapitel 14 erzählt. So lange es nur ein Streit zwischen jenen Königen war, hatte Abraham nichts damit zu tun, aber sobald er hörte, daß sein Verwandter Lot in den Streit verwickelt war, regte er sich.
Alles ist schön zu seiner Zeit. „Abbrechen hat seine Zeit, und Bauen hat seine Zeit". Es gab für Abraham eine Zeit, stille zu sein, und eine Zeit, in Tätigkeit zu treten, und er verstand die Zeit. Die Grundsätze Gottes waren Abrahams Richtschnur. Lot war gefangengenommen worden, und jetzt war es Abrahams Sache, seine Bruderpflichten zu erfüllen. Das Schlachtfeld im Tale Siddim war nunmehr sein Platz, wie bis dahin das Zelt unter den Terebinthen Mamres. Es gab jetzt eine andere Aufgabe für ihn zu lernen, und die Zeit war da, das Schweigen zu brechen. Sie rief ihn, an der Spitze seiner waffengeübten Knechte, hinaus aufs Schlachtfeld.
Diese Einsicht des Sinnes Christi in dem Heiligen ist in der Tat schön. Jedes Ding ist nur schön zu seiner Zeit. Außer der Zeit ist dieselbe Handlung verkehrt und entstellt. Elia mochte von dem Gipfel des Berges Feuer vom Himmel auf die Obersten und ihre Fünfzig herabrufen (2Kön 1), und ebenso mögen die beiden Zeugen in den Tagen von Off 11 ihre Feinde verzehren durch das Feuer, das aus ihrem Munde geht. Aber für die Begleiter des demütigen und verworfenen Jesus war es unpassend, in solcher Weise mit den samaritischen Dörfern zu handeln (Lk 9). Nur zu seiner Zeit ist jedes Ding wirklich richtig. Wie wurde der Garten Gethsemane, der durch die Leiden des göttlichen Märtyrers geheiligt war, durch das Blut, das das Schwert Petri dort vergoß, entweiht! Aber ein anderes Schwert verrichtet den rechten Dienst, als es Agag in Stücke hieb (1Sam 15), oder als es in der Hand der Leviten in die Mitte Israels trat und weder Eltern noch Kinder verschonte (2Mo 32). Denn wenn Rache befohlen ist, wenn die Trompete des Heiligtums zum Kampfe bläst, dann sind Rache und Kampf ebenso vollkommen, wie zu anderer Zeit Gnade und Langmut. Es ist Gottes Sache, zu bestimmen und zu offenbaren, welche Handlungsweise und welche Wahrheit der Zeit entsprechend sind. Und wenn Gott Seine Gedanken kundgegeben hat, so zeigt sich das Leben des Glaubens immer in einer Weise und in einem Charakter, die dieser Offenbarung entsprechen. Die Pflichten und der Dienst des Glaubens fließen aus anvertrauten Wahrheiten hervor. Wenn die Wahrheit vernachlässigt wird, so ist es unmöglich, die Pflichten und den Dienst zu erfüllen. Und der wohlgefällige Wille Gottes, oder Seine geoffenbarte Weisheit in der Verwaltung der Zeiten, ist in dem Wechsel der Zeitalter verschieden. Das ist sehr beachtenswert; denn die richtige Unterscheidung der Dinge und die richtige Teilung des Wortes Gottes oder der Wahrheit wird unter anderen Tugenden in dem Leben des Glaubens erwartet. Abraham war mit diesem schönen Unterscheidungsvermögen ausgerüstet. Er kannte den Ton der silbernen Trompete, mochte sie nun zum Zelte der Zusammenkunft oder zur Schlacht rufen.
Doch wir finden bei dieser Gelegenheit noch etwas anderes bei unserem Patriarchen. Er wird durch zwei Siege ausgezeichnet, und zwar erringt er den einen über die Heere der Könige und den anderen über die Anerbietung des Königs von Sodom. Der erste wurde Abraham zuteil, weil er den Schlag genau zu Gottes Zeit führte. Er zog nicht früher und nicht später in die Schlacht, als Gott es wollte. Daher war der Sieg sicher; denn der Kampf war des Herrn, nicht des Abraham. Sein Arm wurde durch den Herrn Selbst gestärkt. Dieser Sieg Abrahams gleicht dem Siege Davids über Goliath, oder dem Siege Jonathans und seines Waffenträgers über das Heer der Philister (1Sam 14. 17), denn Abraham hatte nur eine Schar gegenüber den Heeren von vier verbündeten Königen. Der zweite Sieg, noch glänzender als der erste, wurde, wie alle geistlichen Triumphe, in der Kraft der Gemeinschaft mit den Quellen göttlicher Stärke errungen. Der Geist des Patriarchen siegte hier, wie vorher sein Arm. Er hatte so viel genossen in der Gemeinschaft des Königs von Salem, dieses königlichen und priesterlichen Fremden, daß der König von Sodom ihm vergeblich alle Habe anbot. Die Seele Abrahams war im Himmel gewesen, und so konnte er nicht wieder zu der Erde zurückkehren. Das war die gesegnete Erfahrung des Vaters der Gläubigen im Tal Schawe. Welch ein Glück wird seine Seele erfüllt haben! Gewiß, er hat mehr dort genossen, als in Worten ausgedrückt werden kann.
Doch wir finden hier noch mehr als die Siege des Glaubens. Die nächste Szene in Kapitel 15 zeigt uns die Kühnheit des Glaubens. Und ich möchte fragen, gibt es für Gott Selbst wohl etwas Köstlicheres, als diese Kühnheit? Die Einsicht des Glaubens ist herrlich und seine Siege sind glorreich, aber seine Kühnheit, indem er auf den Gott aller Gnade rechnet, übersteigt beides.
Nach dem Siege Abrahams über die Welt oder die Anerbietungen des Königs von Sodom kommt der Herr mit großen Verheißungen zu ihm. „Nach diesen Dingen geschah das Wort Jehovas zu Abram in einem Gesicht also: Fürchte dich nicht, Abram; ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn" (1Mo 15,1). Nach der Hitze des vorhergehenden Tages wollte Gott in Seiner Gnade Seinen Knecht aufs neue anerkennen und ermutigen. Aber der Glaube ist kühn und strebt scheinbar noch höher, als die Vorsätze und Unternehmungen der Gnade gehen. Abraham scheint die Worte des Herrn zurückzuweisen. „Ich bin dir ein Schild, dein sehr großer Lohn", sagt der Herr. „Was willst du mir geben?", erwidert Abraham, „ich gehe ja kinderlos dahin, und der Erbe meines Hauses, das ist Elieser von Damaskus".
Das war kühn, aber nicht zu kühn für das Ohr des Herrn, der Seine höchste Freude an einer solchen Sprache des Glaubens findet. Abraham mußte etwas Besseres haben, als einen Schild und einen sehr großen Lohn. Es ist gut, ein Teil zu haben, aber Abraham suchte einen Gegenstand für sein Herz. Adam erging es einst ebenso. Eden war für ihn nicht das, was Eva war. Der Garten mit allem, was er darbot, genügte ihm nicht. Erst die Gehilfin befriedigte ihn völlig. So ist auch für Christum Selbst die Kirche mehr als alle Herrlichkeit des Reiches, wie in dem Gleichnis die Perle und der Schatz größeren Wert hatten für den Mann, der sie fand, als alle seine Besitzungen, denn er verkaufte alles, was er hatte, um sie zu besitzen. Das verirrte Schaf, die verlorene Drachme und der verlorene Sohn bieten dem Himmel — dem Vater, dem Hirten, dem Geist und den Engeln — eine größere Veranlassung zur Freude, als alles übrige, und zwar deshalb, weil das Herz seinen Gegenstand erhält und die Liebe ihre Erwiderung findet. Liebe und Zuneigung bringen das Herz in Tätigkeit. Es kann in nichts anderem Ruhe finden als in dem Gegenstand seiner Liebe.
Es war in der Tat ein kühner Glaube, der Abraham befähigte, die Worte Gottes gleichsam zurückzuweisen. Aber er war köstlich für Gott, denn ein Glaube, der so handelt und auf solche Weise fordert, spricht die Gedanken und Gefühle des göttlichen Herzens Selbst aus. Gott Selbst verlangt nach Kindern, so wie Abraham es tat. Nicht der Geist der Knechtschaft soll das Haus Gottes erfüllen, sondern der Geist der Sohnschaft. Nicht Knechte, sondern Kinder will Er um Sich haben. Er hat „uns zuvorbestimmt zur Sohnschaft durch Jesum Christum für sich selbst". Er hat in Seinen Kindern einen Gegenstand für Sich Selbst gefunden, und Abraham sprach deshalb nur jenes Geheimnis aus, das dem Herzen Gottes und seinem eigenen gemeinsam war. Und sofort wird sein Wunsch beantwortet. Der Anblick des Sternenhimmels wird benutzt, um dem Patriarchen etwas Besseres zuzusichem, als alle Erbteile und Segnungen, alle Schilde und Belohnungen. „Und er führte ihn hinaus und sprach: Blicke doch gen Himmel und zähle die Sterne, wenn du sie zählen kannst! . . . Also wird dein Same sein!"
Wir können in der Tat sagen, daß der Glaube nie richtiger handelt, als wenn er hoch strebt und mit kühner Hand zugreift. Je höher die Grenze ist, die er sich steckt, desto mehr entspricht sie der Absicht Gottes. „Fordere dir ein Zeichen von
Jehova, deinem Gott", sagt der Prophet Jesaja zu Ahas, „fordere es in der Tiefe oder oben in der Höhe"; d. h. nimm alle göttlichen Hilfsquellen und benutze sie. Aber Ahas wollte nicht. Er antwortete dem Propheten: „Ich will nicht fordern und will Jehova nicht versuchen" (Jes 7,10-12). Was der König Ahas nicht tun wollte, indem er durch seinen Unglauben und die Trägheit seines Herzens Gott ermüdete, das tat Abraham wiederholt. Seine Seele ging in der Kraft des Glaubens bis zum Ende jener Unterhaltung mit Jehova voran. „Ich will dir dieses Land geben, es zu besitzen", sagt der Herr kurz nachher zu ihm. „Woran soll ich erkennen, daß ich es besitzen werde?" ist seine Antwort. Diese Worte zeigen denselben
Charakter, und weil es so ist, weil sie die Kühnheit des Glaubens verraten, so sind auch sie überaus angenehm vor dem Herrn. Abraham suchte etwas mehr als eine Verheißung. Nicht daß er an ihr gezweifelt hätte. Im Gegenteil, er war völlig gewiß, daß sie nie fehlen könnte, daß eher Himmel und Erde vergehen würden, als daß ein Wort von der göttlichen Verheißung ausfiele. Aber er begehrte einen „Eid und Blut" zu ihrer Besiegelung. Sein Glaube begehrte nach einem Bunde, als der Grundlage für seine Ansprüche, und er verlangte nichts mehr, als was die Gnade, der Vorsatz und das unumschränkte Wohlgefallen Gottes schon für ihn bestimmt hatten.
Welch ein reicher und kräftiger Trost liegt in diesem allem! Der Glaube ist nie zu kühn. Nein, je kühner er ist, desto mehr gefällt er Gott. Der Herr tadelte in den Tagen Seines Fleisches oft die Zurückhaltung und den Argwohn des Kleinglaubens, nie aber die Kraft und Bestimmtheit eines Glaubens, der sozusagen nach allem strebte und ohne Segnung sich nicht abweisen ließ. Auch die Worte, mit denen Gott in unserem Kapitel den Glauben Seines Dieners beantwortet, zeigen uns die Wonne, die Er an dessen Kühnheit empfand. Gerade die Art der Antwort drückt dies aus, wie auch in späteren Tagen bei dem Gichtbrüchigen in Mt 9. Dort lassen uns die Worte: „Sei gutes Mutes, Kind, deine Sünden sind dir vergeben", erkennen, wie sehr das Herz des Herrn, des Gottes Abrahams, durch den Glauben erquickt worden war, der ohne weiteres das Dach des Hauses abdeckte, um zu Ihm zu gelangen. Das gleiche finden wir hier. Der kühne, nicht zweifelnde Glaube Abrahams begehrt ein Kind, und noch in derselben Nacht führt der Herr Seinen Knecht hinaus und sagt, indem Er ihm den gestirnten Himmel zeigt: „Also wird dein Same sein". Derselbe Glaube wünscht das Land durch mehr als ein Wort der Verheißung zugesichert zu haben, und siehe da, der Herr bekräftigt den Bund dadurch, daß Er eine Feuerflamme zwischen den Opferstücken hindurchfahren läßt.
Diese Handlungsweise ist sehr bezeichnend. Sie drückt in beredter Weise die Gedanken Gottes aus. Der Herr begnügt Sich nicht mit der bloßen Verheißung eines Kindes, oder mit bloßen Versicherungen, daß das Land das Erbe des Samens
Abrahams sein solle, sondern Er vollzieht in beiden Fällen mit erhabener und ergreifender Feierlichkeit Handlungen, aus denen wir unwillkürlich die Freude herausfühlen, mit der Er auf diese Forderungen des Glaubens gelauscht hatte.
Möchten wir unseren Gott doch mehr kennen, wie Er gekannt werden muß, zu Seinem Preise und zu unserem Trost! Die Liebe freut sich, wenn sie in Anspruch genommen wird. Sie ermüdet, wenn man zu viel Umstände macht; das wäre gewissermaßen eine Beeinträchtigung ihrer wahren Natur und der ihr eigentümlichen Handlungsweise. Die Zuneigung zwischen Familiengliedem z. B. beseitigt alles umständliche Wesen. Im Familienkreise herrscht Vertraulichkeit, nicht Form. Die Liebe bewirkt in dem einen wie in dem anderen, daß er mit Bereitwilligkeit seine häuslichen Arbeiten verrichtet, und das gegenseitige Vertrauen aller erlaubt, daß es im Geist der Liebe geschieht. So ist es auch zwischen dem Herrn und uns. Die Vertraulichkeit des Glaubens ist Seiner Gnade angemessen und Seinem Herzen angenehm. Viele Umstände und Formen sind nur eine Ermüdung für Ihn.
Die Gnade ist ein Meer ohne Ufer, und wir werden ermuntert, mit vollen Segeln hineinzufahren. Der Ölkrug würde unerschöpflich gewesen sein, wenn der Glaube des Weibes noch weiter daraus ausgegossen hätte, und die Siege des Königs von Israel würden nicht aufgehört haben, bis zur völligen Vertilgung der Syrer, wenn sein Glaube das Schlachtfeld in dem Bewußtsein betreten hätte, daß es nur das Feld des Sieges sei (2Kön 4 und 2Kön 13). Doch die Kühnheit des Glaubens ist zu unbegreiflich, zu hoch für das enge Herz des Menschen, das nicht auf den Herrn vertrauen kann. Aber wie herrlich ist es, daß gerade diese Kühnheit der unendlichen Gnade Gottes entspricht und sie benutzt!
Ein glaubendes Herz ist auch ein glückliches Herz. Es ist gehorsam und verherrlicht Gott. Es ist dankbar, und deshalb ist es geeignet, den Heiligen zum Dienst bereitzumachen und von dem Bösen getrennt zu halten. Es ist sicher gut, wachsam zu sein, in stetem Selbstgericht voranzugehen und sorgfältig darüber zu wachen, daß wir in allem, was wir tun, gerecht sind. Aber dabei das Herz durch die Übung eines einfachen, kindlichen und gläubigen Sinnes im Lichte der Gunst Gottes zu erhalten, das ist es, was Ihn verherrlicht, was Seiner Gnade entspricht, und wodurch wir Ihm, mit dem wir zu tun haben, am meisten unseren Dank beweisen. „Wir haben mittels des Glaubens Zugang zu dieser Gnade, in welcher wir stehen". Nicht Vollkommenheit, nicht Wachsamkeit, nicht Dienste oder erfüllte Pflichten berechtigen uns, diesen herrlichen Platz in der Gunst Gottes einzunehmen. Nein, „mittels des Glaubens haben wir Zugang zu dieser Gnade".
2
Wir haben im ersten Teil unserer Betrachtung Abraham begleitet auf seiner Reise von Ur in Chaldäa nach Kanaan, auf seinem Zuge nach Ägypten, auf seiner Rückkehr von dort nach Bethel und Ai, wo er zuerst sein Zelt aufgeschlagen und seinen Altar errichtet hatte. Wir haben ihn gesehen im Tale Schawe und seiner Unterhaltung mit Gott gelauscht und haben reiche Belehrungen aus der Geschichte unseres Patriarchen geschöpft. Aber wir werden in ihrem weiteren Verlauf noch eine Menge anderer Unterweisungen und Darstellungen des Lebens des Glaubens finden, und der Herr wolle ihre Betrachtung zu unserer Ermahnung und Ermunterung gesegnet sein lassen.
In den Kapiteln 16 und 17 tritt Sara zum ersten Mal selbständig handelnd auf. Die Hungersnot hatte Abraham verleitet, das Land Ägypten aufzusuchen, und er hatte die Hilfsquellen jenes Landes mit Scham und Schmerz benutzt, und eine ermüdende Rückreise nach Kanaan War das Ergebnis gewesen. Jetzt überredet ihn Sara, sich der Magd aus Ägypten zuzuwenden. Wir wissen aus der göttlichen Unterweisung des Galaterbriefes, daß diese ägyptische Magd das Bündnis vom
Berge Sinai darstellt, das Gesetz, die Religion der Satzungen, während Sara in ihrer Aufforderung an Abraham, diese Ägypterin zu nehmen, ein Bild der Natur ist, die nicht nur ihre Auswege und Hilfsquellen, sondern auch ihre Religion und alles andere in „Fleisch und Blut" findet.
Der Geist hatte sich, wie es scheint, noch nicht mit Saras Seele beschäftigt. Wenigstens haben wir keinen Beweis dafür. Sie war sicherlich eine Auserwählte, aber unsere Auserwählung hat stattgefunden, lange bevor wir ein Gegenstand der göttliehen Wirksamkeit geworden sind. Und bis dahin hatte sich bei Sara weder das geistliche Leben, das Leben des Glaubens, noch die Wirkung der Wahrheit durch den Heiligen Geist auf ihre Seele gezeigt. Von Seiten des Herrn war bisher noch nicht von ihr die Rede gewesen. Sie war weder in der Übung des Geistes vor Gott die Gefährtin ihres Mannes gewesen, noch seine Mitschülerin in der Schule Gottes. Sie war nicht mit Abraham hinausgeführt worden, um die Sterne zu zählen, noch das Opfer zu bewachen. Sie befand sich noch sozusagen in der Stellung der Natur, und demgemäß forderte sie ihren Mann auf, ihr durch ihre ägyptische Magd Samen zu geben.
Das war die Stellung Saras in dieser Sache, und Abraham wurde durch die Natur betrogen und auf den Weg der Natur geleitet, so wie er früher durch eine Versuchung von dieser Seite überrascht worden war und dem Druck der Hungersnot nachgegeben hatte. Alles das war Unglaube und ein Abweichen von Gott. Es war die Handlungsweise des Menschen oder der Natur, nicht aber die des Glaubens oder des Geistes. Die Hagars und Pharaos sind armselige Zufluchtsstätten für die Auserwählten Gottes. Aber Gott hielt, wie wir zu unserem Trost sehen werden, Sein Auge auf Abraham gerichtet. Gott hatte Seinen Platz in Abraham, so gut wie die Natur, und Er behauptete ihn zur Wiederherstellung Seines Knechtes. Er erscheint ihm in einer neuen Offenbarung und fordert ihn aufs neue zum Glaubensgehorsam auf: „Ich bin Gott, der Allmächtige; wandle vor meinem Angesicht und sei vollkommen". Die Seele Abrahams hatte diese Wahrheit verloren. Er war zu Hagar eingegangen. Er hatte sein Vertrauen auf das Fleisch gesetzt. Er hatte den Boden verlassen, auf dem er in Kapitel 15 gestanden hatte. Doch der Herr will und kann dies nicht erlauben, und deshalb erscheint Er dem Geist Seines Heiligen in einer neuen Offenbarung Seiner Selbst, und es ist ein Erscheinen „mit Heilung unter seinen Flügeln". Abraham fällt auf sein Angesicht, überführt und beschämt, und seine Seele wird zu den Pfaden der Gerechtigkeit zurückgebracht.
Sicherlich gibt es auch heute noch solche Augenblicke in der Geschichte „derer, die da glauben", gerade so wie bei ihrem „Vater Abraham". Als der Herr in Kapitel 15 ihm erschien und mit ihm sprach, fiel Abraham nicht auf sein Angesicht. Da stand er vor dem Herrn in dem Bewußtsein, daß er im lichte war. Aber jetzt war Finsternis über seine Seele gekommen, und er war nicht bereit für die Gegenwart des Herrn. Er steht nicht aufrecht, um mit aller Kühnheit die Anliegen des Glaubens vor den Herrn zu bringen, sondern er liegt auf seinem Angesicht, schweigend und bestürzt. Der Wechsel in seiner Erfahrung ist groß, aber bei dem Herrn ist keine Veränderung, denn die Liebe ist immer die gleiche, mag sie nun tadeln oder trösten. Wenn wir in dem Lichte wandeln, so haben wir Gemeinschaft mit Ihm. Wenn wir unsere Sünden bekennen, so finden wir Vergebung bei Ihm. Wenn wir fähig sind vor Ihm zu stehen, so wird Er uns nähren und stärken. Wenn wir in Seiner Gegenwart überführt niederfallen müssen, so wird Er uns wieder aufrichten.
Entfernung von Gott erweist sich stets als Bitterkeit, aber Gott offenbart Sich der Seele als Wiederherstellung und Friede. Unter Seiner gnädigen Hand wird der Glaube wieder kühn gemacht, und Abraham läßt seine Anliegen in der früheren Kraft vor Gott kundwerden und begehrt von Gott, daß Ismael vor Ihm leben möge. Da ist Wirklichkeit, Wirklichkeit in der Betrübnis wie in der Freude, in dem Licht des göttlichen Antlitzes wie in dem Verbergen des eigenen Angesichts im Staube.
In den Kapiteln 18 und 19 finden wir im Blick auf das Leben Abrahams noch etwas anderes als diese Übungen des Glaubens. Gewisse göttliche Geheimnisse werden vor unsere Seele gestellt, allerdings unter der Form von einfachen Erzählungen. Die Begebenheiten ereigneten sich gerade so, wie sie aufgegezeichnet sind. Aber es liegt ihnen eine zwiefache Absicht zugrunde: zunächst haben sie den Zweck, Beispiele des Glaubenslebens in einem Heiligen zu geben, und dann sollen sie Wege und Vorsätze Gottes darstellen. In dieser Art hat die Weisheit Gottes die göttlichen Ratschlüsse und Geheimnisse in der ganzen Schrift veranschaulicht. Was war z. B. das Zelt der Zusammenkunft oder der Tempel anderes, als ein Ort für die beständige Erzählung des Geheimnisses von der Versöhnung und Stellvertretung? Was waren die verschiedenen Anordnungen Gottes in Bezug auf die Anbetung, die Bedienung Seines Hauses oder den Dienst der Gnade: die Opfer, die Dienstverrichtungen, die Feste und die heiligen Tage und Jubeljahre? Was war der Auszug aus Ägypten, der Durchzug durch das Rote Meer, die Reise durch die Wüste, der Einzug in Kanaan, die Kriege in dem Lande und der Thron des Friedefürsten? Waren nicht alle diese Dinge, seien es Einrichtungen des Heiligtums oder Tatsachen der Geschichte, Veranschaulichungen der verborgenen, ewigen Ratschlüsse des Herzens Gottes?
Die Kapitel 18 und 19 gehören zusammen. Sie geben uns eine lebendige Darstellung von gewissen Wahrheiten, die für uns jetzt wenigstens die gleiche Bedeutung haben wie die Ereignisse selbst damals für Abraham und seine Zeitgenossen. Sodom war zu jener Zeit die Welt. Es war gewarnt worden, hatte aber die Ermahnung zurückgewiesen. Es war völlig von Gott abgewichen, und jede Möglichkeit der Besserung war abgeschnitten. Sodom war heimgesucht und gezüchtigt worden durch den Sieg der verbündeten Könige (1Mo 14); aber es war Sodom geblieben. Es war womöglich noch gottloser geworden und befand sich in einem Zustand völligen Abfalls von Gott. Sein letzter Zustand war ärger und schlechter als der erste. Sodom stellt uns „die gegenwärtige böse Welt" dar, die sich selbst für das Gericht Gottes reif macht, gerade so wie ein anderes Geschlecht in den Tagen Noahs. (Vergl. Mt 24; Lk 17).
Doch mit diesem Tage des Gerichts über Sodom sind, wie mit jedem anderen ähnlichen Tage, zwei Umstände verbunden, die unsere eingehende Beachtung verdienen. Es sind: Befreiung aus dem Gericht und Absonderung, bevor das Gericht kommt. Lot wurde befreit, als die Stunde des Gerichts da war. Abraham war abgesondert, bevor sie kam. Gericht, Befreiung und Absonderung — das sind die Grundzüge der vorliegenden Handlungen. Sie sind voll von Bedeutung und finden ihre Anwendung auf unsere eigene Geschichte, was die Kirche Gottes und die Welt um uns her betrifft. Bevor diese Handlung ihren Anfang nahm, befand sich Abraham in einer himmlischen Stellung. Er war ein Fremdling hienieden. Er besaß nichts als ein Zelt und einen Altar, und er wanderte von Ort zu Ort, ohne einen Fußbreit Landes sein eigen zu nennen. Und als das Gericht kam, war er völlig davon getrennt, wie Henoch an einem früheren Gerichtstage. Beide befanden sich außerhalb oder über dem Schauplatz des Verderbens, nicht nur befreit aus dem Gericht, als es da war, sondern abgesondert, bevor es kam.
Abraham war vor dem Eintreffen des Gerichts mit dem Herrn aus der Ebene Mamres gekommen und hatte mit Ihm auf einer Anhöhe gestanden, von der aus man Sodom übersehen konnte. Und als das Gericht sich über die abtrünnige, verderbte Stadt ergoß, da stand er wieder auf jenem hohen Platz und überschaute von dort aus die einst so fruchtbare Ebene, jetzt ein Bild der schrecklichen Verwüstung. Er war in der Begleitung Dessen gewesen, der das Gericht ausübte, während Lot nur aus dem Verderben gerettet wurde. Wie Abraham der Henoch, so ist Lot der Noah dieses Gerichtstages. Er wird aus der verfluchten Stadt herausgeführt.
Welche ernsten Wahrheiten betreffs der Ratschlüsse Gottes werden uns hier aufs neue zu unserer Belehrung vor Augen geführt! Wir brauchen nicht erst zu fragen, auf welchem Boden wir hier stehen. In Sodom empfängt die Welt vorbildlich ihr Gericht. Der gerechte Überrest wird (in Lot) in der Stunde der Rache gerettet, und die Kirche ist (in Abraham) schon abgesondert und nach oben gebracht und blickt von dort auf den Schauplatz der gewaltigen Zerstörung herab. Ohne Zweifel stehen diese Geheimnisse in der Geschichte des Untergangs Sodoms vor uns. Zugleich finden wir Henoch, Noah und die überschwemmte Schöpfung in Abraham, Lot und den verfluchten Städten der Ebene wieder.
Das sind wunderbare Geheimnisse, und mit ihnen ist das Buch Gottes angefüllt. Immer aufs neue wird uns bezeugt, was wir sind, und wo wir uns befinden. Obgleich wir scheinbar in dem gewohnten Geleise des täglichen Lebens vorangehen, mit einem Geschlecht, das heute wie stets in seinem Herzen sagt: „Wo ist die Verheißung seiner Ankunft? denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an" (2Pet 3,4), obgleich keine sichtbaren Zeichen das herannahende Gericht ankündigen, so wissen wir doch, daß wir uns in einer Welt befinden, die dem Gericht entgegenreift, und daß der schreckliche Tag des Gerichts nahe ist.
Es gibt in dieser wunderbaren Erzählung noch manche Dinge, die unserer besonderen Beachtung wert sind, wie z. B. der Besuch des Sohnes Gottes bei Abraham, Abrahams Bitte für Sodom, die Zurückhaltung der Engel Lot gegenüber und die verschiedenartigen Charaktere der beiden Heiligen — des Heiligen des Zeltes und des Heiligen in Sodom. Doch es würde uns hier zu weit führen, wenn wir in alle diese Einzelheiten näher eingehen wollten. Nur möchte ich, ehe wir diesen Gegenstand verlassen, die Frage an uns richten: Verstehen wir wirklich die Zeit, in der wir leben? Was denken wir darüber, daß „der Tag des Menschen" in seinem höchsten Glanze vor uns steht? Nehmen wir daran teil, wenn die Menschen einander zu diesem Zustande der Welt beglückwünschen? Oder mißtrauen wir all dieser Pracht und verwerfen sie als den sicheren Vorboten des Gerichtes Gottes? Wissen wir, daß der Gott dieser Welt gerade ein „gekehrtes und geschmücktes" Haus für seine böse und verderbliche Tätigkeit passend findet, wie einst das reiche und mächtige Sodom? Glauben wir mit unseren Zeitgenossen, daß das unmöglich sei? oder halten wir im Gedächtnis, daß er gerade in einem solchen Hause am Schluß der Geschichte der Christenheit wirken will? Warten wir auf den Sohn Gottes, um uns zu jener geheimnisvollen Anhöhe zu bringen, auf die Er vor Zeiten unseren Patriarchen führte? Der Herr gebe uns Gnade, diesen Boden zu betreten! Und wir werden das um so leichter tun können, ja, es wird naturgemäß für uns sein, wenn wir, wie Abraham, nicht Heilige der Stadt, sondern Heilige des Zeltes sind, die sich „bei der Hitze des
Tages" der Gemeinschaft des Herrn der Herrlichkeit erfreuen.
Wir folgen jetzt unserem Patriarchen in das Land der Philister, in dem er sich während der Zeiten des 20. und 21. Kapitels aufhielt. Hier wird die alte Übereinkunft zwischen ihm und Sara nach langer Zeit wieder einmal wirksam, wie früher in Ägypten. Sie war zwischen ihnen getroffen worden, ehe sie ihr Heimatland verließen. Sie stammte gleichsam aus ihrem Geburtsort und war, wie ich sagen möchte, älter in ihnen, als irgend etwas von Seiten Gottes. Ach! trotz so mancher Veränderungen und Übungen hatten sich Abraham und Sara in dieser Beziehung nicht geändert.
Diese Übereinkunft war eine böse Sache, sowohl listig als unrein. Sie war falsch, so harmlos sie scheinen mochte, und schmeckte stark nach der Schlange, nach dem, der ein Lügner und der Vater der Lüge ist. Abraham sah sich gezwungen, sie dem Könige von Gerar, so schlecht sie war, mitzuteilen: „Es geschah, als Gott mich wandern ließ aus meines Vaters Hause, da sprach ich zu ihr: Dies sei deine Güte, die du mir erweisen mögest: an jedem Orte, wohin wir kommen werden, sage von mir: Er ist mein Bruder". Das war schlecht und böse. Es gibt keinen Grundsatz in dem Leben des Glaubens, der nicht durch diese niedrige Übereinkunft verleugnet worden wäre. So ist das Fleisch, die angeborene Verderbtheit. Der Weg des Fleisches bringt, so oft er eingeschlagen wird, tiefe Beschämung und Schmach. Er erniedrigt einen Heiligen selbst vor den Menschen. Abraham wurde durch das Fleisch vor Abimelech beschämt und bloßgestellt. Und dieses kann nie verändert, nie verbessert oder beseitigt werden. Es ist sich gleich in Ägypten und in Gerar. Es lebt noch in uns und folgt uns überallhin. Wir empfangen es bei unserer Geburt als Nachkommen Adams, und während der ganzen Dauer unseres Weges als Berufene Gottes haben wir es zu töten und zu verwerfen. Es ist wirklich betrübend, so etwas sehen zu müssen. Doch der Geist Gottes verbirgt nichts. Da liegt sie, diese häßliche und böse Sache, durch den Geist aufgezeichnet, vor uns. Doch Gott sei Dank! wir finden auch andere, glücklichere Gegenstände.
Verweilen wir zunächst einen Augenblick bei den Fortschritten, welche die Seele Saras unter dem Licht und der Leitung des Herrn auf ihrem besonderen und lehrreichen Wege machte. Unter dem Einfluß des Fleisches hatte sie anfangs mit Abraham jene unreine Übereinkunft getroffen, von der wir soeben gesprochen haben. Im Unglauben gab sie später die Hagar ihrem Manne zum Weibe, und dann nahm sie in der Hast und Empörung ihres Herzens die Folgen ihres Unglaubens übel auf und trieb die Magd, die sie selbst erwählt und in die Familie aufgenommen hatte, fort. Aber auf den Befehl des Herrn kehrte Hagar zu ihr zurück, und jetzt, zur Zeit von Kapitel 21, hatte Sara bereits vierzehn Jahre mit ihr zusammengelebt. Allerdings hatte sich der erneuerte Sinn oder das Leben des Glaubens in Sara bis dahin wenig oder gar nicht geoffenbart. Gerade während dieser Zeit hatte sie am Eingang des Zeltes ungläubig über die Verheißung Jehovas gelacht. Aber doch war sie in gewissem Sinn in der Schule gewesen, und sie scheint etwas gelernt zu haben, denn sie unterwirft sich geduldig und ohne Widerspruch der Gegenwart der Magd und ihres Sohnes in der Wohnung ihres Mannes. Wir hören von keinen neuen Streitigkeiten zwischen ihr und Hagar. Das ist wenigstens ein Zeugnis dafür, daß sie sich in der Hand und Schule Gottes befand, und daß sie darin lernte, bis sie zuletzt durch Glauben Kraft empfing, einen Samen zu gründen (Heb 11). Dann aber nimmt ihr Geist einen höheren Flug. Sie geht selbst ihrem Manne voraus. Gehorsam dem Befehl Jehovas (Kap. 17, 19), nennt Abraham das Kind Isaak, aber Sara deutet jenen Namen. Dazu gehörte eine tiefere Übung der Seele im Blick auf die Gabe Gottes. Dem Worte Gottes zu gehorchen ist gut, aber dies zu tun in der Freude eines geübten Herzens und in dem Verständnis eines Sinnes, der die göttliche Bedeutung jenes Wortes versteht, ist besser. „Abraham gab seinem Sohne, der ihm geboren worden, den Namen Isaak . . . und Sara sprach: Gott hat mir ein Lachen bereitet; jeder, der es hört, wird mit mir lachen". Das Wort des Herrn in Kapitel
17, 19 war für sie mehr als ein Gebot, das beobachtet werden mußte. Es war voll Licht und Bedeutung für das geöffnete Verständnis Saras. Und das führte sie weiter, um mit Kraft und Entschiedenheit zu handeln. „Treibe diese Magd und ihren Sohn hinaus", sagt sie zu Abraham, denn sie war glücklich in der Freiheit der Gnade und Verheißung, während Abraham noch unter den Ansprüchen der Natur und unter den Forderungen schmachtete, die seine eigenen Lenden erzeugt hatten. „Treibe diese Magd und ihren Sohn hinaus; denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohne, mit Isaak!" Das war die Sprache der Schrift, wie wir in Galater 4 lesen — es war die Stimme Gottes. Dieser Entschiedenheit des Glaubens in der Freiheit der Gnade drückt der Herr mit eigener Hand das Siegel auf. Was sprach mehr zu dem Herzen des Herrn in den Tagen Seines Fleisches als ein gleich kühner und freimütiger Glaube, ein Glaube, der durch eine Volksmenge hindurch Ihn erreichte, oder trotz der Vorwürfe eines falsch urteilenden Pharisäers zu Ihm drang?
Diese Kühnheit des Glaubens in Sara, diese Verwerfung der Magd, dieses Verlangen, sich in ihrem Isaak ganz allein zu erfreuen, ist die Sprache der Schrift. Sara redete in der Tat Gott gemäß. In Abraham wirkte jetzt die Natur. Er wollte
Ismael gern behalten. In Sara aber wirkte der Glaube. Doch die Natur in Abraham muß sich unterwerfen. Das Haus muß von Ismael befreit werden, denn es soll nur in Isaak aufgebaut werden. „Der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohne der Freien".
Alles das trägt schnell seine Früchte. Nachdem Hagar entfernt und das Haus gemäß dieser Forderung des Glaubens in Isaak errichtet ist, tritt die Herrlichkeit ein. Das ist die göttliche Ordnung. Da wir „Zugang haben zu der Gnade, in welcher wir stehen, . . . rühmen wir uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes". Das ist die Ordnung des Geistes in der Seele eines Heiligen, und das ist jetzt auch die Ordnung im Hause Abrahams.
Abraham wird von den Heiden besucht. Das ist sehr bedeutungsvoll. In den Tagen der Not und des Hungers suchte Abraham die Heiden auf, sei es in Ägypten oder in Philistäa. Jetzt aber kommen die Heiden zu Abraham. Abrahams Haus ist jetzt in Gnade errichtet. Ismael ist entlassen und Isaak erhöht. In vorbildlichem Sinne hat sich Israel zum Herrn gewandt, die Decke ist weggenommen, und Jerusalem hat zu Christo gesagt: „Gesegnet, der da kommt in dem Namen des Herrn!" Sein Kampf ist deshalb zu Ende und es empfängt doppelt. Der Heide sucht Israel auf. Abimelech und Pikol, der König und sein Kriegsoberster, kommen zu Abraham.
Das bezeichnet eine große Veränderung in den Wegen Gottes. Israel ist jetzt das Haupt und nicht mehr der Schwanz. Der Zipfel des Juden wird jetzt von dem Heiden ergriffen, denn der Jude hat durch Glauben den Herrn ergriffen und die Nationen sagen: „Gott ist mit dir" (Kap. 21, 22; Sach 8,23). Abraham ist daher — durch den Geist geleitet — in seinen Gedanken mit der Herrlichkeit und dem Reiche beschäftigt. Und das mit Recht, denn wenn der Jude von dem Heiden aufgesucht wird, anstatt von ihm zertreten zu werden, so ist das Reich nahe. Demgemäß errichtet unser Patriarch jetzt einen neuen Altar, nicht den Altar eines himmlischen Fremdlings, wie im 12. Kapitel, sondern einen Altar „dem ewigen Gott"8.
Diese Einsicht des Glaubens in Abraham ist bewunderungswürdig. Wir haben sie schon einige Male in ihm gesehen. Er kannte die Zeit des Friedens und die Zeit des Krieges, und er handelte dementsprechend am Tage der Schlacht der Könige. Er kannte seine Pflichten gegen Lot, seinen Bruder, und er kannte seinen himmlischen Platz, als das Feuer des Herrn die Städte der Ebene zerstörte. Er wußte auch, wie uns das vorliegende Kapitel in besonderer Weise zeigt, wann es galt, Unrecht zu leiden, und wann, es zurückzuweisen, wann, duldsam zu sein, und wann, seine Rechte geltend zu machen. Denn jetzt, wo der Heide ihn aufsucht, straft er Abimelech wegen eines Wasserbrunnens, den dessen Knechte mit Gewalt genommen hatten. Bis dahin hatte er sich über dieses Unrecht nicht beklagt, denn Abimelech sagt zu ihm: „Ich weiß nicht, wer das getan hat; weder hast du es mir berichtet, noch habe ich davon gehört außer heute". Das ist außerordentlich schön. Abraham hatte bis dahin Unrecht gelitten und es geduldig ertragen, weil er ein himmlischer Fremdling hienieden war, und bei einem solchen ist geduldiges Leiden angenehm vor
Gott. Aber jetzt sind die Zeiten verändert. Der himmlische Fremdling ist das Haupt der Nationen geworden und wird aufgesucht von dem Heiden. Jetzt muß Recht und Unrecht festgestellt und der Schrei des Unterdrückten gehört werden.
Das alles enthält so viel sittliche Schönheit, daß man das Werk des Geistes in Abraham nicht genug bewundern kann. Er war ein Israelit, der die Zeiten des Jahres kannte, der da wußte, wann er bei dem Passah und wann er bei dem Laubhüttenfest zu sein hatte. Gott teilte durch den Geist dem Abraham dieses schöne geistliche Verständnis mit. Zu einer anderen Zeit begehrte er nicht so viel von der Erde zu besitzen, daß er seinen Fuß darauf hätte setzen können. Er überließ Lot die Wahl des Landes. Er ließ die Kanaaniter, wo er sie fand. Er weigerte sich, durch den König von Sodom sich bereichern zu lassen, sei es auch nur um einen Faden oder Schuhriemen. Er wanderte hin und her mit seinem Zelte, als ein himmlischer Fremdling. Aber jetzt, zu einer Zeit, die durch die Hand Gottes bezeichnet war, kann er auch ein anderer Mann sein. Er kennt seinen Platz als Vater des Israels Gottes und als ihr Stellvertreter als Haupt der Nationen. Er weiß das Fest der Laubhütten zu seiner Zeit zu feiern. Er straft Abimelech, er bewirtet und bereichert ihn, und er macht einen Bund mit ihm, und das alles mit einer ruhigen, bewußten Würde, die unser Erstaunen wachruft.
Dann baut er einen neuen Altar oder ruft Gott in einem neuen Charakter an. So sehen wir hier in Abraham einen ganz anderen Mann vor uns als früher. Alle jene Dinge zeigen, daß eine den Gedanken Gottes entsprechende Verwandlung, wenn ich es so nennen darf, in ihm stattgefunden hatte.
Doch es gibt noch mehr zu betrachten in jenem herrlichen Glaubensleben, das unser Vater Abraham durch die Gnade bis zum Ende hin führte. Es war ein Leben, das in der Kraft der Auferstehung verbracht wurde; ja es war das Leben eines gestorbenen und auferstandenen Menschen. Es ist eine allerdings schwer zu lernende Aufgabe (obwohl die praktische Aufgabe unseres Lebens), daß wir ein gestorbenes und auferstandenes Volk sind. Abraham zeigte sich von Anfang an in diesem Charakter. Er ließ alles zurück, was die Natur oder die Welt ihm gegeben hatte. Er gab das Land, in das seine Geburt ihn gebracht hatte, auf für dasjenige, wohin der Glaube ihn führte. Und wie der Anfang, so war die Fortsetzung und das Ende seines Weges. Allerdings machte er wiederholt Fehltritte, aber bis zum Ende hin blieb er ein Mann des Glaubens, ein gestorbener und auferstandener Mensch.
Als ein solcher hatte er Isaak empfangen „und sah nicht seinen eigenen schon erstorbenen Leib an und das Absterben des Mutterleibes der Sara"; und als ein solcher opferte er ihn etwa zwanzig Jahre später auf dem Altar auf das Geheiß des Herrn. Die Verheißung war die Verheißung Gottes — das war genug für ihn. Der Glaube wird nie überwunden. Er hat unbegrenzte göttliche Hilfsquellen. Der Gläubige fehlt immer wieder, aber der Glaube wird nie besiegt, wird nie in seiner Erwartung zuschanden (Kap. 22). Und den überwindenden Glauben, den wir bei der Opferung Isaaks in Abraham finden, entdecken wir auch nachher bei der Beerdigung Saras. Der Glaube, der Isaak empfangen und geopfert hatte, beerdigt jetzt Sara. Abraham glaubte an die Auferstehung und an Gott als den Gott der Auferstehung. Er kannte den Gott, „der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre". Die Höhle Machpela zeigt uns dies. Erde zur Erde, Staub zum Staube, Asche zur Asche, in gewisser und sicherer Hoffnung — das war hier die Sprache des Herzens Abrahams. Das sorgfältige Kaufen jenes Platzes, um ihn zu seinem Eigentum zu machen und ihn als sein Besitztum zu haben, während er sonst nicht einen Fußbreit von dem ganzen Lande begehrte, redet in lebendiger Sprache von dem Glauben Abrahams an die Auferstehung. Sein Handeln mit den Kindern Heth um ein Erbbegräbnis gleicht dem Worte, das er am Fuß des Berges Morija zu seinen Knechten sprach: „Bleibet ihr hier mit dem Esel; ich aber und der Knabe wollen bis dorthin gehen und anbeten, und dann zu euch zurückkehren". Beides deutete im Voraus seine
Gedanken betreffs Isaaks und Saras an. Er übergab beide in die Hände Dessen, Der die Toten lebendig macht. Er wußte, daß das sterbende Weizenkorn wieder leben, daß die Handvoll Staub wieder eingesammelt werden würde. Angesichts des Todes errang sein Glaube den gleichen Sieg wie auf dem Berge Morija, als er das Holz auf den Altar legte und das geliebte Schlachtopfer band, um es Jehova zu opfern (Kap. 23)9.
Der Glaube in unserem Patriarchen trug der Reihe nach über alle Umstände den Sieg davon. Herrliche Siege eines kostbaren Glaubens! Und die gleichen Siege werden heute noch errungen. Der Glaube triumphiert auch heute noch über die Umstände. Er begegnet unserem eigenen persönlichen Zustande, als „tot in Vergehungen und Sünden". Er begegnet den mancherlei Schwierigkeiten und Versuchungen des Weges. Er begegnet dem letzten großen Feind. Ich brauche das, was mir auf der Reise oder an ihrem Ende begegnet, nicht mehr zu fürchten, nachdem ich das bereits überwunden habe, was mir bei Beginn des Weges entgegenstand. Dem Glauben fällt es nicht schwer, zu dem Berge Morija oder zu der Höhle Machpela zu gehen, wenn er bereits zu Hebron mit dem Herrn in die sternenhelle Nacht hinausgegangen ist. Wenn er in meiner eigenen Person dem Tode begegnet ist, so kann er ihm auch in meinem Isaak oder in meiner Sara begegnen. Wir sprechen, der Herr weiß es, von Seiner Gnade und nicht von unseren eigenen armseligen Erfahrungen. Aber dennoch darf jeder Gläubige von sich sagen: Habe ich nicht Frieden mit Gott? Weiß ich nicht, daß Er für mich ist? Weiß ich nicht, daß Seine Gnade meinem Zustand der Sünde, der Schuld und Verdammnis begegnet ist? Weiß ich nicht, daß ich abgewaschen, aufgenommen und in die Stellung eines Kindes gebracht bin? Habe ich nicht mit Abraham ein Heilmittel gefunden für meinen eigenen Zustand von Natur, und sollte ich nun auf meinem Wege ängstlich zagen, obgleich die Versuchung des Berges Morija oder der Tod und die Beerdigung zu Machpela meiner Warten mögen? Wenn der
Glaube schon der Sünde begegnet ist, so muß er sich auch als Sieger über den Tod kennen. Unsere Seelen sollten sich an den Gedanken gewöhnen, daß der herrlichste Sieg des Glaubens am Anfang des Weges errungen worden ist, und daß wir, wenn wir trotz der Sünde Frieden mit Gott haben, auch auf Stärke und Trost von Seiner Seite rechnen können, ungeachtet der Versuchungen des Weges, und auf Kraft und Triumph in Ihm, ungeachtet des Endes des Weges. Der Glaube, der sein erstes Werk getan hat, hat damit auch sein größtes Werk vollbracht. „Wenn wir, da wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, vielmehr werden wir, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden" (Vergl. auch Röm 8,32).
Der Glaube benutzt die Macht des Lebens über den Tod, und von dieser Kraft des siegreichen Lebens besaß Abraham etwas durch den Glauben. Das Erstorbensein seines eigenen Leibes, der Altar seines Isaak und das Grab seiner Sara wurden von ihm als einem auferstandenen Menschen betrachtet, und zwar im Lichte des Glaubens an Den, Der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre.
3
Wenn wir die wechselvolle und ereignisreiche Geschichte Abrahams weiter verfolgen, finden wir, daß er bis zum Ende hin auf demselben Boden steht und die früheren Siege davonträgt. Durch die Gnade aufrecht erhalten, behauptet er die nämliche Stellung, die er von Anfang an einnahm, als er durch Glauben der Berufung Gottes folgte.
Diese Berufung hatte mit oder vielmehr für Abraham zweierlei getan: sie hatte ihn von Mesopotamien getrennt und ihn doch in Kanaan als Fremdling gelassen. Aus seinem Lande, aus seiner Verwandtschaft und aus seines Vaters Hause wurde er fortgeführt; aber doch sollte er inmitten des Landes und Volkes, zu dem er kam, nur als Pilger weilen und, welchen Teil des Landes er auch durchziehen oder besuchen mochte, in einem Zelt wohnen. Seine Stellung war eine heilige, seine Trennung eine zwiefache: zunächst von den natürlichen Verbindungen, in denen er sich durch seine Geburt in Mesopotamien befunden hatte, und dann von dem Verderben, dem er in Kanaan begegnete. Er stand unter der Berufung des Gottes der Herrlichkeit, und eine solche Berufung macht dem Fleisch oder der Welt keinerlei
Zugeständnisse.
Er war der Erbe des Landes, in dem er sich als Fremdling aufhielt. Die Verheißung Gottes gehörte ihm ebenso sicher wie die Berufung Gottes. Er wußte, daß er durch göttlichen, unantastbaren Vorsatz zu Würden hoher Art bestimmt war.
Allein bis zum Ende hin war er bereit, ganz und gar ungekannt zu bleiben.
Zu den Kindern des Landes redete er von sich selbst als von einem Fremdling und Pilgrim. Er wollte nicht einen Fußbreit Boden von den Kindern Heth unbezahlt annehmen. Er trachtete nicht danach, in ihrer Mitte etwas zu sein. Er sprach nie von den Würden, die, wie er doch während dieser ganzen Zeit wußte, sein verheißenes Teil waren. In späteren Tagen finden wir bei David etwas ähnliches. Er hatte das öl Samuels, die Salbung Gottes für den Thron Israels, bereits auf seinem Haupte, und dennoch wollte er in dem gleichen Geiste wie Abraham verborgen bleiben und dankte einem reichen Nachbarn in seiner Not für ein Stück Brot. Diese Männer Gottes wollten sich selbst nicht kennen. Solcher Tugend begegnen wir in vollkommener Weise bei Dem, Der in dieser gefallenen, bösen Welt Sich zu nichts machte und der Diener aller wurde, obwohl Er der Gott des Himmels und der Erde war.
Welche herrlichen Tugenden entfalten sich unter der Macht der Berufung Gottes durch den Heiligen Geist! Mesopotamien ist verfallen, Kanaan ein fremdes Land geworden, und die eigene Person ist vergessen und verborgen! Die Berufung
Gottes bezweckt heute mit uns dasselbe wie damals mit Abraham. Sie möchte uns gern mit sich in Übereinstimmung bringen. Ihre Autorität ist unumschränkt. Nicht, daß Vaterland oder Verwandtschaft an und für sich notwendigerweise befleckend wären. Die Natur erklärt sie für berechtigt, und selbst das Gesetz Gottes erkennt sie zu seiner Zeit an. Aber die Berufung Gottes ist unumschränkt und fordert eine Trennung von hoher und besonderer Art. Und diese Berufung richtete sich an Abraham in Mesopotamien, dem Ort seiner Geburt, seiner Verwandtschaft und seiner natürlichen Beziehungen, und sie hallte beständig in seinem Herzen wider während der Zeit seines Aufenthalts in Kanaan. Er war durchaus nicht berufen, jene Dinge als böse anzuerkennen, aber es waren Dinge, von denen die Berufung Gottes ihn getrennt hatte. Nicht länger bildete das sittlich Böse oder die Verderbtheit einer Sache die Richtschnur seines Handelns, sondern vielmehr ihre Unvereinbarkeit mit der Berufung Gottes. Er mochte das Recht und die Ansprüche von tausenderlei Dingen zugestehen, aber nur die Stimme des Gottes der Herrlichkeit, auf die er im Glauben schon gehorcht hatte, durfte ihn leiten und regieren. „Niemand, der seine Hand an den Pflug gelegt hat und zurückblickt, ist geschickt zum Reiche Gottes“10).
Abraham entsprach dieser Berufung sehr treu. Gemäß ihr war er anfangs ausgezogen, nicht wissend, wohin er ging, und indem er alles verließ, was, abgesehen von dem wohlgefälligen Willen Gottes, selbst von der Natur anerkannt werden mußte. Er ging voran in der Kraft dieser Berufung, indem er sich in Zelten aufhielt, ungekannt und ohne Besitztum, als ein Fremdling in der Welt, ohne einen Schritt rückwärts zu tun. Und am Ende finden wir die Kraft seiner Berufung so frisch wie je in seiner Seele wirksam. Er handelt so ernst und einfältig im 24. Kapitel, wie er es im 12. getan hatte, und er befiehlt Elieser an, genau in derselben Weise zu handeln, wie er selbst von Anfang an gehandelt hatte. Abraham wollte Isaak auf dem Platze der Absonderung erhalten, mochte es kosten, was es wollte. Was auch die Folgen sein mochten, Isaak sollte weder nach Mesopotamien zurückgebracht, noch mit Kanaan verbunden werden. Waren die Umstände auch noch so schwierig, Isaak mußte an seinem wahren Platz unter der Berufung Gottes erhalten bleiben. Diese Handlungsweise zeigt uns den Charakter Abrahams in außerordentlich klarem licht.
Das herrliche Kapitel 24 enthält, wie wir wissen, auch ein höchst treffendes Vorbild von Christo und der Berufung Seiner Braut. Doch hierauf möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Lieber möchte ich dem ernsten, einfältigen Pfade nachspüren, den der in unserem Vater Abraham wirkende Glaube von Anfang bis zu Ende hin verfolgte. Die Stimme des Gottes der Herrlichkeit wurde immer noch von ihm vernommen. Er war nach wie vor der abgesonderte Mensch. Er zeigte deutlich, daß er ein himmlisches Vaterland suchte. Er hätte wohl Gelegenheit gehabt, in seine irdische Heimat zurückzukehren. Gerade die Reise des Elieser zeigt, daß er den Weg dahin nicht vergessen hatte. Aber er kehrte nicht dahin zurück, und er wollte es auch nicht.
Diese Fremdlingschaft unseres Patriarchen auf der Erde ist wirklich bewunderungswürdig. Er verließ Mesopotamien, hielt sich in Kanaan auf und verbarg und vergaß sich selbst. Er machte sich zu nichts und bekannte in Gegenwart der Kinder Heth, daß er nichts weiter sei als „ein Fremdling und ohne Bürgerschaft" in ihrer Mitte, und doch war er zugleich der, dem kraft der Verheißungen Gottes das ganze Land gehörte. Das alles bewies eine wirkliche, aufrichtige Fremdlingschaft in dieser Welt. Das Bewußtsein seines himmlischen Bürgerrechts machte Abraham so bereitwillig, hienieden ein Fremdling zu sein. Weil er Besitztümer in Aussicht hatte, brauchte er nichts in der Hand zu haben. Das Land der Verheißung war für ihn nur ein fremdes Land, weil es eben nur ein Land der Verheißung und nicht des Besitztums war. Er sah den Tag Christi und freute sich, aber er sah ihn „von feme" (Heb 11,9-14).
So finden wir also denselben Charakter, den Abraham im Anfang seiner Berufung geoffenbart hatte, bis zum Ende hin bei ihm hervortreten. Mochte er auch während des Weges nicht selten in der praktischen Betätigung des Glaubens fehlen, so ist er doch am Ende seiner Reise noch der gleiche himmlische Fremdling wie im Anfang. Und wahrlich, die nämliche Fremdlingschaft sollte bei uns gefunden werden, da ja ein wohlbekanntes Bürgerrecht in den Himmeln auch unser Teil ist. Dieselbe Trennung von der Welt geziemt uns, weil wir mit einem schon auferstandenen Christus verbunden und einsgemacht sind. Dies kann, solange wir hienieden sind, durch nichts verändert werden; wir sollten das Angesicht eines verworfenen Christus unverrückt anschauen, denn nur so kann diese Fremdlingschaft kräftig von uns aufrecht erhalten werden. Nur insoweit Christus von größerem Wert für uns ist als alles, was uns umgibt, werden wir den Geist und Charakter himmlischer Fremdlinge zur Schau tragen. Aber gerade weil es so viel an diesem steten Anschauen Christi fehlt, begnügen wir uns so gern mit der Welt und ihren Dingen. Wir haben noch nicht gelernt, was Mose gelernt hatte, nämlich „die Schmach des Christus für größeren Reichtum zu halten als die Schätze Ägyptens".
Das zu lernen ist schwer, aber gesegnet. Abraham verstand etwas davon. Er hätte nach Mesopotamien zurückkehren können. Er hatte, wie gesagt, den Weg dahin nicht vergessen, und kein Feind war da, um seine Reise zu verhindern. Aber die Berufung Gottes hatte sein Herz befestigt, und er richtete seinen Blick nur dahin, wohin Gottes Berufung ihn führte. Möchten unsere Seelen diese Dinge mit größerer Kraft festhalten! Wahrlich, unser Herz versteht wenig von ihnen, und doch sind sie die köstliche Frucht der göttlichen Energie in den Auserwählten Gottes.
*
Wir kommen jetzt zu einem Ereignis in der Geschichte Abrahams, das sich von allen vorhergehenden völlig unterscheidet. Ich meine seine Heirat mit Ketura. Diese Verbindung und die Kinder, die aus ihr hervorgingen, bilden, wie ich nicht zweifle, ein bestimmtes Vorbild. Abraham stellt hier einen neuen Zug der göttlichen Weisheit dar, ein weiteres Geheimnis in den Wegen der göttlichen Verwaltung der Zeiten. In diesen Kindern der zweiten Frau erblicken wir vorbildlich die Nationen, welche die Erde in den Tagen des tausendjährigen Reiches bevölkern werden, Zweige der großen Familie Gottes zu jener Zeit und Kinder Abrahams. Sie mögen weit ab, gleichsam an den Enden der Erde, wohnen, aber sie haben ihren Anteil an den Segnungen des Reiches und werden anerkannt werden, als zu der einen ausgedehnten tausendjährigen Familie gehörig. „Frohlocket, ihr Nationen, mit seinem Volke!" so wird zu ihnen gesagt werden. Die Enden der Erde werden dann ebenso gewiß das Erbteil Christi bilden, wie die Kirche in Ihm und mit Ihm in den Himmeln verherrlicht sein wird. Sie werden ebenso gewiß Ihm gehören wie der Thron Davids und das Erbe Israels, die in dem Lande ihrer Väter wieder aufgerichtet und ins Leben gerufen sein werden. Kinder Abrahams werden über die ganze Erde hin zerstreut wohnen. Denn in jenen Tagen der Herrlichkeit wird der König Israels der Gott der ganzen Erde sein. Christus ist der „Vater der Ewigkeit". Und wenn Israel einst durch Ihn verherrlicht ist, dann werden alle Nationen in Ihm gesegnet werden. Er ist sowohl „ein Licht zur Offenbarung der Nationen", als auch „zur Herrlichkeit seines Volkes Israel". Die Kinder Keturas, in andere Länder zerstreut, stellen dieses Geheimnis vorbildlich dar. Sie werden allerdings nicht Israel gleichstehen, aber dennoch werden sie auserwählt und geliebt sein, wie wir hier lesen: „Und Abraham gab dem Isaak alles, was er hatte. Und den Söhnen der Kebsweiber, die Abraham hatte, gab Abraham Geschenke; und er ließ sie, während er noch lebte, von seinem Sohne Isaak wegziehen nach Osten, in das Land des Ostens" (1Mo 25,5.6)11.
Das ist, wie ich glaube, die vorbildliche Bedeutung dieser neuen Familie Abrahams, und mit diesem außergewöhnlichen und wunderbaren Gegenstände schließt seine Geschichte. Durch sie hat Gott den großen und verschiedenartigen Offenbarungen Seiner Ratschlüsse und Geheimnisse ein neues, sehr beachtenswertes Zeugnis hinzugefügt. Zu Zeiten wird in Abraham der Vater gesehen, so z. B. in seinem Verlangen nach Kindern, in der Opferung seines Sohnes, in der Sendung Eliesers, um für seinen Sohn ein Weib zu suchen. Zu anderen Zeiten erblicken wir Christum in ihm, als den Einen, in welchem alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen, als das Haupt der Nationen, als den Vater des tausendjährigen Zeitalters. Dann wieder wird die Kirche oder das himmlische Volk in der Geschichte Abrahams dargestellt, und wieder zu anderen Zeiten befinden wir uns auf der Erde oder bei Israel.
Auf diese Weise hat unser anbetungswürdiger Gott und Vater, dem alle Seine Werke von Anbeginn der Welt an bekannt sind, in den Einzelheiten und mannigfaltigen Ereignissen des Lebens Abrahams verschiedene Teile Seiner Wege vorbildlich vor unser Auge gestellt. In Sara und ihrem Samen, in Hagar und ihrem Samen, sowie in Ketura und ihrem Samen sahen wir das Geheimnis Jerusalems, als „unser aller Mutter", dann Israel, das mit seinen Kindern jetzt in Knechtschaft ist, und endlich die Sammlung der Nationen der ganzen Welt, als Zweige der einen ausgebreiteten tausendjährigen Familie. Ein Geheimnis nach dem anderen wird so in dem Leben Abrahams behandelt, und wir empfangen über die verschiedensten Teile der „mannigfaltigen Weisheit Gottes" darin Belehrung.
Es mag sein, daß die lebenden oder persönlichen Vorbilder ebensowenig gewußt haben, was sie unter der Leitung Gottes darstellten, wie die sachlichen Bilder. Hagar war sich ihres vorbildlichen Charakters ohne Zweifel so wenig bewußt wie das Gold, das den Tisch der Schaubrote bedeckte, oder das Wasser, mit dem das eherne Waschbecken angefüllt war. Aber die Lehre, die für uns in den Personen wie in den Dingen liegt, wird dadurch nicht im geringsten berührt. Wir erblicken die Herrlichkeit Christi in der Stellung Salomos und die tiefe und köstliche Vorsorge Seiner Gnade in der goldenen Platte auf Aarons Stirn, aber wir denken nicht daran, zu untersuchen, was Salomo persönlich in dieser Beziehung war, ebensowenig wie es uns in den Sinn kommt, dies bei dem Golde zu tun. Der schlafende Adam belehrt uns über den Tod des Christus Gottes, und das Entzücken des erwachenden Adam über Eva zeigt uns die Genugtuung und Freude Christi über die Frucht der Mühsal Seiner Seele, aber wir fragen nicht danach, ob Adam auch gewußt habe, was er für uns war und tat. Wir können aus der Geschichte Hagars mancherlei Belehrungen über den ersten Bund schöpfen, so wie uns der Altar über das Reinigende des Blutes Christi belehrt, aber beide waren sich dessen nicht bewußt. Ebenso forschen wir auch bei Abraham, wenn er inmitten all dieser verschiedenen und wunderbaren Geheimnisse seinen Platz einnimmt, nicht nach dem Maße seines Verständnisses über diese Dinge. Die Weisheit Gottes — Christus, welcher der Gegenstand der ewigen Ratschlüsse war — kann sagen: „Siehe, ich und die Kinder, die Jehova mir gegeben hat, wir sind zu Zeichen und zu Wundem"; aber inwieweit Abraham dies sagen konnte, und in welchem Maße er selbst in die Bedeutung des Vorbildes, das er darstellte, oder in die Geheimnisse, die er wie in einer unbekannten Sprache ausdrückte, eingedrungen ist, haben wir nicht zu untersuchen. „Gott ist sein eigener Ausleger".
Unser Patriarch ist jetzt an dem Ende seiner Wege und Übungen angekommen, und seine Augen schließen sich für dieses Leben. „Und dies sind die Tage der Lebensjahre Abrahams, die er gelebt hat: hundertfünfundsiebenzig Jahre. Und Abraham verschied und starb in gutem Alter, alt und der Tage satt" (1Mo 25,7.8).
Er hatte das Land gesehen, aber er sollte es nicht besitzen. Er war der Mose eines früheren Geschlechts. Er war wie jener, ein himmlischer Mensch, ein Mann der Wüste, nicht des Erbteils, ein Mann des Zeltes, ein Kind der Auferstehung. Er wurde zu seinen Völkern versammelt, bevor das Land, der Verheißung gemäß, durch das Israel Gottes betreten wurde. Er sah das Land wie im Spiegel der Vorsätze Gottes und im Licht des Glaubens, aber er trat nicht in seinen Besitz ein. Er starb als ein Fremdling und ist bestimmt, mit Henoch vor ihm und Mose nach ihm, in der himmlischen Herrlichkeit des Sohnes des Menschen zu glänzen.
Hiermit haben wir den dritten Abschnitt des ersten Buches Mose beendet und damit die Szenen und Umstände des Lebens Abrahams. In diesen Bruchstücken, die der Heilige Geist für uns gesammelt und aufbewahrt hat, haben wir den Glauben gesehen, wie er seinen Großmut ausübt und seine Genossen erfreut, und endlich wie er seine Tröstungen und Verheißungen empfängt. Aber wir sind auch der Einsicht dieses Glaubens begegnet und haben erfahren, wie der Glaube in dem Licht oder entsprechend dem Urteil des Sinnes Christi wandelt.
Es ist außerordentlich schön, diese Verbindung in dem Manne des Glaubens zu sehen. Wir finden unter uns nicht oft die Einsicht des Glaubens mit seiner sittlichen Kraft vereinigt. In manchen Gläubigen ist eine ernste, ausharrende Kraft des Glaubens vorhanden, die gerade, treu und aufrichtig vorangeht, aber oft in dem Erkennen der Weisheit Gottes betreffs der Verwaltung der Zeiten fehlt. In anderen findet sich ein wohlunterrichteter Sinn, verbunden mit tiefem, geistlichem Verständnis und der Fähigkeit, in die Weisheit Gottes einzugehen, aber ohne die nötige Kraft zur Ausübung des Dienstes, den ein einfältigerer und ernsterer Glaube beharrlich ausüben würde. In Abraham dagegen finden wir diese beiden Dinge, wenn auch neben manchen Mängeln, miteinander vereinigt.
Nicht nur sollten unsere Herzen stets für die Gegenwart und Freude Gottes geöffnet und unsere Gewissen für Seine Forderungen und für Seinen Willen empfänglich sein, sondern es sollte sich in unserem Wandel mit Gott ebenso sehr das Licht der Kenntnis Seiner Gedanken offenbaren. Das Leben des Glaubens ist sehr unvollständig, wenn wir nicht, wie Abraham, die von Gott gekennzeichneten Zeiten verstehen, wenn wir nicht wissen, wann es nötig ist, zu kämpfen, und wann stille zu sein, wann das Unrecht eines Abimelech schweigend zu erdulden, und wann es entschieden zurückzuweisen, wann den Altar eines pilgernden Fremdlings zu errichten, und wann den Namen des ewigen Gottes anzurufen. Mit anderen Worten: wir sollten wissen, was der Herr Seinem eigenen ewigen Ratschluß entsprechend vorhat, und was Er in Seiner mannigfaltigen Weisheit der Vollendung entgegenführt. Das ist wahrer, einsichtsvoller Gehorsam, wenn das Verhalten des Heiligen der Weisheit Gottes in Bezug auf die Verwaltung der betreffenden Zeiten entspricht. So war es im Leben Abrahams.
Doch die höchste Stufe sittlicher Würde in ihm bestand darin, daß er ein Fremdling auf der Erde war. Das überstrahlt bei weitem alles andere. Gerade darum schämte Sich Gott nicht, Sein Gott genannt zu werden. Gott kann Sich zu einer Seele bekennen, die das Bürgerrecht in dieser gefallenen, verderbten Welt zurückweist. „Gott liebt den Fremdling" (5Mo 10,18). Er liebt den armen, freundlosen Fremdling mit der Liebe des Erbarmens und der Gnade, und Er sorgt für ihn. Aber mit dem abgesonderten Fremdling, der diesem ganzen verderbten Schauplatz den Rücken gewandt hat, verbindet Gott Seinen Namen und Seine Ehre und bekennt Sich zu ihm, ohne Sich seiner zu schämen (Heb 11,13-16).
Wie herrlich begann Abraham seine Reise! Der Herr und Seine Verheißungen waren alles, was er besaß. Er verließ seine natürliche Heimat, ohne daß er erwartet hätte, an dem Ziel seiner Reise eine andere Heimat zu finden. Er wußte, daß er auf Erden ein Fremdling und Pilgrim mit Gott sein sollte. Er verließ Mesopotamien, ohne Kanaan an dessen Stelle zu übernehmen. Demgemäß war er während seines ganzen Lebens, oder während seines ungefähr hundertjährigen Aufenthalts in Kanaan von allen daselbst wohnenden Völkern getrennt. Kanaan war für ihn, den himmlischen Menschen, die Welt, und er hatte während seines ganzen Lebens so wenig wie möglich mit ihr zu tun. Wenn die Umstände es erforderten, oder soweit seine Angelegenheiten ihn dazu nötigten, beschäftigte er sich mit dem Lande. Er wird gewiß mit den Bewohnern Kanaans Handel getrieben haben, soweit dies erforderlich war, aber seine Zuneigungen besaßen sie nicht. Er bedurfte eines Begräbnisplatzes, und er kaufte ihn von den Kindern Heth. Er trug kein Bedenken, mit ihnen wegen eines notwendigen Kaufs oder Verkaufs zu unterhandeln, aber er wollte lieber kaufen, als irgend etwas als Geschenk annehmen. Er wollte nicht ihr Schuldner sein oder durch sie bereichert werden. Ebensowenig waren sie seine Gesellschafter. Das nehmen wir überall wahr. Als Aner, Eskol und Mamre (vielleicht angezogen durch das, was sie in Abraham sahen) ein Bündnis mit ihm eingehen wollten, wies er ihre Bundesgenossenschaft allerdings nicht zurück, aber es war eine Gelegenheit von allgemeinem Interesse, was von dem Gott, der ihn berufen hatte, anerkannt und gutgeheißen wurde. Aber niemals bildeten die Kanaaniter seine Gesellschafter. Diese bestanden in seinem Weibe, seiner Haushaltung und seinem Mitheiligen Lot, dem Sohn seines Bruders, der mit ihm aus Mesopotamien gekommen war — Wenigstens so lange dieser als ein abgesonderter Mensch in Kanaan wandelte. Sobald Lot sich nicht mehr von dem Volk des Landes unterschied, war auch er für Abraham ebenso ein Fremder wie jene.
In diesem allem liegt eine ernste Lehre für uns. Zu Zeiten finden wir Engel in Abrahams Gesellschaft und nicht selten den Herrn der Engel Selbst, und zu allen Zeiten waren sein Altar und sein Zelt bei ihm, sowie die Geheimnisse oder Wahrheiten Gottes, wie sie ihm bekannt gemacht worden waren. Aber die Bewohner des Landes, die Menschen dieser Welt, waren nicht nach seinem Geschmack und erlangten deshalb weder seine Zuneigung, noch sein Vertrauen. Er war unter ihnen, aber nicht von ihnen, und lieber wollte er sein Haus ungebaut und Isaak unverheiratet sehen, als daß er ihm eine Tochter Kanaans zum Weibe genommen hätte.
Manchen unter uns scheint ein so entschiedener Bruch mit allem Irdischen und Natürlichen etwas Schreckliches zu sein. Allein wenn Jesus mehr geliebt würde, so würden alle diese Dinge nicht so hoch angeschlagen werden. Würde Sein Wert für uns innerhalb des Vorhangs mehr in unseren Herzen erwogen und geschätzt werden, so würden wir mit festerem und sichererem Schritt zu Ihm hinausgehen außerhalb des Lagers. „Ich habe erfahren", hat einst ein Märtyrer gesagt, „daß es keine Freiheit gibt, die derjenigen eines Herzens gleichkommt, das alles für Christum aufgegeben hat, keine Weisheit gleich derjenigen, die zu Seinen Füßen gelernt wird, keine Poesie, gleich der ruhigen Voraussicht auf die kommende Herrlichkeit". Von Abraham und seinen Gefährten in diesem Leben des Glaubens, die bekannten, daß sie Fremdlinge und ohne Bürgerschaft auf der Erde seien, sagt die Schrift: „Die solches sagen, zeigen deutlich, daß sie ein Vaterland suchen. Und wenn sie an jenes gedacht hätten, von welchem sie ausgegangen waren, so hätten sie Zeit gehabt zurückzukehren. Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet" (Heb 11,14-16).
Wir sind berufen, Fremdlinge zu sein, solche Fremdlinge, zu denen Gott Sich bekennen kann. Wenn die Welt nicht der Gegenstand der Wünsche und Zuneigungen Abrahams gewesen ist, so sollten wir fühlen, daß sie noch weit weniger der
Gegenstand unserer Wünsche sein sollte. Die Berufung des Gottes der Herrlichkeit machte Abraham zu einem Fremdling auf Erden. Das Kreuz Christi, das dieser Berufung noch hinzugefügt ist, sollte uns noch weit mehr zu Fremdlingen machen. „Ihr seid gestorben", sagt der Apostel, „und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott". Das ist eine Fremdlingschaft der höchsten Art, die Fremdlingschaft des Sohnes Gottes Selbst. „Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat".
6 Die Familie Kains stand in jenen Tagen vor der Flut in unmittelbarem Gegensatz hierzu. Allerdings bebaute auch sie den Boden, aber nicht, um einfach ihren Lebensunterhalt zu haben, sondern um das Leben zu verschönern und den Aufenthalt auf dieser Erde so angenehm wie möglich zu machen. Zweck und Ziel ihrer Arbeit waren die Kultur, der Gewinn und das Vergnügen. Dadurch unterschieden sich die beiden Familien. Die eine bildete sich unter dem Einfluß des Glaubens und des Gehorsams gegenüber den Offenbarungen Gottes, die andere wurde gekennzeichnet durch die Verachtung dieser Offenbarungen, gerade so wie es in der Welt bis zu diesem Tage ist.↩︎
7 Später ist der Same Abrahams, das Volk Israel, wieder ein irdisches Volk und stellt deshalb gerade das Gegenteil von der Berufung und Stellung Abrahams dar. Sie erschlagen die Völker Kanaans, und anstatt aus ihrem Lande und ihrer Verwandtschaft herausgerufen zu werden, werden sie gerade dahin geführt: Männer, Weiber, Kinder und selbst das Vieh reisen von Ägypten nach Kanaan — aus dem Lande der Fremdlingschaft in das Land ihres Besitztums.↩︎
8 Der Herr Jesus erkennt zu einer späteren Zeit dasselbe Pfand oder Symptom des Reiches. Als die Griechen auf das Fest kommen und Ihn zu sehenwünschen, wie der Heide hier Abraham aufsucht, sind Seine Gedanken sogleich auf die Herrlichkeit gerichtet. Er weiß allerdings, daß die Herrlichkeit nur durch Seinen Tod erlangt werden kann, und Er bezeugt das; aber doch gehen Seine Gedanken sogleich zu der Herrlichkeit hin. (Vergl. Joh 12,23)↩︎
9 Außer den Darstellungen des Glaubens gibt es in diesen Dingen auch herrliche Geheimnisse. Das Opfer Isaaks auf dem Berge Morija ist, wie niemand bezweifeln wird, ein wunderbares, geheimnisvolles Vorbild. Ebenso die Geschichte von Hagar und Ismael in Kapitel 21, die ein Bild des gegenwärtigen beiseitegesetzten, aber von Gott bewahrten Juden — eines heimatlosen Flüchtlings ist, der aber für zukünftige Vorsätze der Gnade bestimmt ist. (Vergl.Gal 4,25).↩︎
10 Der Herr Jesus handelte in den Tagen Seines Fleisches genau so wie der Gott, der vor alters Abraham berief. Er trat mit den unumschränkten Ansprüchen Gottes auf: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich", sagt Er, „ist meiner nicht würdig". Und wiederum: „Folge mir, und laß die Toten ihre Toten begraben". Wer, außer Gott, könnte zwischen uns und solche Beziehungen und Verpflichtungen treten? Derartige Pflichten und Zuneigungen werden, wie oben bereits bemerkt, durch die Natur als richtig anerkannt und durch das Gesetz Gottes selbst bestätigt; aber die Berufung Gottes ist unumschränkt, und der Herr Jesus machte in den Tagen Seiner Erniedrigung Anspruch auf diese Unumschränktheit.↩︎
11 Ich zweifle nicht daran, daß wir das nämliche Vorbild in der Heirat Moses mit der Äthiopierin und in der Heirat Salomos mit der Tochter des Pharaodargestellt finden. Moses zweite Frau steht, was ihre Würde betrifft, unterZippora, die in 2. Mose 18 besondere Ehre empfängt; und die Tochter desPharao, obgleich sie durch den König zu Jerusalem völlig anerkannt wird,erhält keinen Platz in der Stadt Davids.↩︎