John Gifford Bellet
Schriften von J.G. Bellet
Die Welt vor der Flut und die Patriarchen
1. Mose 6-11 Heb 11,7 - Noah1. Mose 6-11 Heb 11,7 - Noah
„Durch Glauben bereitete Noah, als er einen göttlichen Ausspruch über das, was noch nicht zu sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses, durch welche er die Welt verurteilte und Erbe der Gerechtigkeit wurde, die nach dem Glauben ist" (Heb 11,7).
Der erste Blick auf das, was uns von den Zeiten Noahs erzählt wird, läßt uns eine vollständige Veränderung des ganzen Zustandes der Dinge seit den Tagen der Schöpfung erkennen. Der Grund dieser außerordentlichen Umwälzung ist nicht schwer zu finden. In der Schöpfung war Gott allein in Weisheit und Güte tätig, und deshalb war alles gut und schön. Bei jeder Wiederkehr von Abend und Morgen ruhte das Auge Gottes mit Wohlgefallen auf dem, was Seine Hand bereitet hatte. Er sah, daß alles sehr gut war, und so ruhte Er am siebenten Tage und heiligte ihn. Aber jetzt ist nicht mehr die Hand Gottes beschäftigt, um ein vollkommenes Volk zu Seinem Wohlgefallen zu schaffen, sondern der gefallene Mensch füllt den Schauplatz mit Verderben und Gewalttat, zum Kummer und Schmerz Gottes. Darin liegt das Geheimnis der Veränderung. Der Mensch ist an der Arbeit gewesen, nicht der lebendige Gott. Daher ist die Erde voll Gewalttat. Riesen sind da, Helden, Männer von Ruhm, und das Dichten und Trachten derer, die damals „den gegenwärtigen bösen Zeitlauf" bildeten, war nur böse den ganzen Tag.
Die Veränderung ist eine vollständige Veränderung. Das Jubeln der Morgensterne, das Jauchzen der Söhne Gottes findet kein Echo mehr in der Schöpfung. Der Mensch hat sich ausgebreitet, aber nicht so, wie er aus den Händen Gottes hervorgegangen war, unschuldig und rein, sondern als ein verderbter Sünder, als ein verworfener, böser Arbeiter.
Das ist es, was den Anfang des sechsten Kapitels des 1. Buches Mose charakterisiert. Gibt es denn in der ganzen Schöpfung kein Heilmittel für dieses schreckliche Verderben? Nein, kein Heilmittel, keine Hoffnung! Selbst die Söhne Gottes sind verderbt und mit in den Kot gezogen worden. Die Töchter der Menschen haben sie zur Hurerei verleitet, und sie, die einst reiner waren als Schnee und weißer als Milch, sind schwärzer geworden als Kohle. Wie einst Adam durch die List der Schlange, so sind jetzt die Söhne Gottes durch die Schönheit der Töchter der Menschen verführt worden, der Lust ihrer Augen und den Begierden ihres Herzens zu folgen. „Sie nahmen sich zu Weibern, welche sie irgend erwählten".
Die Zunahme des Verderbens hielt gleichen Schritt mit der Vermehrung der Menschen auf der Erde. Ähnliches finden wir in der Geschichte der Kirche. Als die Zahl der Jünger sich vermehrte, da entstand Murren und Streit. Dem Menschen ist eben nie zu trauen. Je köstlicher das Gut ist, das Gott ihm anvertraut, desto schrecklicher wird er es verderben, und je mehr er an Zahl zunimmt, desto schlimmer stehen die Dinge. Ja, was ist der Mensch! „Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, weil er alle kannte und nicht bedurfte, daß jemand Zeugnis gebe von dem Menschen; denn er selbst wußte, was in dem Menschen war" (Joh 2,24.25).
Das also war der Zustand auf der Erde in den Tagen Noahs, und über all das Verderben und die Gewalttat, welche die Erde bedeckten, wird das Gericht Gottes verkündigt: „Mein Geist soll nicht ewiglich mit dem Menschen rechten". Zwar gibt Gott in Seiner Langmut noch eine Frist, indem Er hinzufügt: „Seine Tage seien hundertundzwanzig Jahre"; — aber das Gericht wird angekündigt, der Tag der Heimsuchung wird kommen, der Geist wird nicht ewiglich rechten. Aber Gott sei Dank! Er ist nicht nur ein Gott des Gerichts, sondern auch der Rettung. Mag auch das Werk Seiner Hand Ihn getäuscht haben, wenn wir so reden dürfen, so wird Er doch Seine Freude an den Ratschlüssen Seines Herzens finden. „Noah fand Gnade in den Augen Jehovas". Der Mensch als Sünder wird jetzt der Gegenstand der auserwählenden, vergebenden und rechtfertigenden Liebe. Er setzt jetzt das Herz Gottes in Tätigkeit, wie er einst bei der Schöpfung Seine Hand
beschäftigt hatte. Doch wollte Gott die Schöpfung nicht einfach wiederherstellen und in ihren früheren Zustand zurückführen. Das wäre Seiner nicht würdig gewesen. Im Blick auf den Menschen konnte es Ihn nur reuen, daß Er ihn geschaffen hatte, und in betreff des Schauplatzes um ihn her waren die Gedanken Gottes für immer verändert. Der Mensch, so wie er aus der Erdscholle gemacht worden ist, kann nie wieder den Gegenstand der Wonne Gottes bilden, aber die Gnade kann einen neuen Gegenstand bereiten, indem sie nicht das verdorbene Gefäß verbessert, sondern ein neues bildet, nach dem Gutdünken und nach den Gedanken des Töpfers. In seinem alten Zustande war es ruiniert; aber die Gnade nimmt es genau so, wie es ist, um ein glückliches und wohlgefälliges Gefäß, voll der reichsten Schätze und aller möglichen Schönheit, daraus zu machen.
Noah fand also Gnade in den Augen Gottes und erhielt eine göttliche Unterweisung, denn ein auserwähltes Gefäß ist stets ein Gefäß für die Wirksamkeit des Geistes Gottes. Der Herr teilte ihm Seine Gedanken mit. Er sagte ihm, daß das Gericht einer bösen Welt, deren Maß jetzt voll war, von Ihm beschlossen sei, aber daß er selbst mit seinem Hause gerettet werden sollte. Diese Mitteilung hatte einen ernsten, aber auch einen sehr köstlichen Charakter. Sie entsprach dem, was Gott vorher in Seinem eigenen Herzen beschlossen hatte. So wie Er bei Seiner geheimen Beratschlagung gesagt hatte: „Mein Geist soll nicht ewiglich mit dem Menschen rechten", so teilte Er jetzt Seinem Auserwählten mit, daß das Ende alles Fleisches vor Ihn gekommen sei. Er machte ihn mit Seinen Gedanken und mit Seinem Urteil über den sittlichen Zustand der Erde bekannt, so wie Er sie vorher im Geheimen ausgesprochen hatte; und schließlich befahl Er ihm, eine Arche zur Rettung seines Hauses zu bauen, entsprechend der Tatsache, daß Noah nach den Ratschlüssen Seiner erwählenden Liebe schon lange vorher Gnade in Seinen Augen gefunden hatte.
Laßt uns diesen Umstand wohl beachten! Es wird sehr zur Befestigung unserer Herzen beitragen. Er zeigt uns, wie genau und wie vollständig die Offenbarung, die Gott uns gibt, uns Seine Gedanken mitteilt. „Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?" sagt Gott bei einer anderen Gelegenheit, als Er, wie hier, gleichsam mit Sich Selbst zu Rate gegangen war. Und der Herr Jesus sagt zu Seinen Jüngern: „Ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört, euch kundgetan habe". Doch es gibt hierbei eine Ausnahme. Gott hatte 120 Jahre als Gnadenfrist festgesetzt, und Noahs Predigt währte genau so lange. Aber von diesem Vorsatz Gottes, von dieser genau vorher bestimmten Frist wurde Noah nichts mitgeteilt. Der Herr erwähnte diese bestimmte Anzahl von Jahren in Seiner Unterredung mit ihm nicht. Wohl wußte Noah, daß die Wasser nicht überhand nehmen konnten, bis er und die Seinen in der Arche in Sicherheit waren. Aber wie lange ihr Bauen dauern, oder ob nach ihrer Fertigstellung noch eine Zeit vergehen würde, das wußte er nicht. Diesen Teil des göttlichen Ratschlusses hatte der Vater Seiner eigenen Macht Vorbehalten. Es war eine Ausnahme in der Fülle der Offenbarung. Ereignisse mußten stattfinden und Zeichen dem Eintreffen des Gerichts vorhergehen. Wenigstens mußte die Arche fertiggestellt und mit den Tieren, die erhalten bleiben sollten, gefüllt werden. Hätte jemand zu Noah gesagt, die Wasser würden steigen, ehe die Arche fertig sei, so würde ihn das nicht im geringsten erschüttert oder beunruhigt haben.
Das war unmöglich. Zu sagen: „die Zeit ist nahe gekommen", würde damals ebensosehr ein Betrug gewesen sein, wie es bald der Fall sein wird, wenn der Überrest Israels, wie Noah, auf seine Erlösung warten wird (vergl. Lk 21,8). Die Zeit selbst, die Frist der göttlichen Langmut, war in die Gewalt des Vaters gestellt, und niemand wußte den Tag oder die Stunde. So reich und vollständig ist die Übereinstimmung zwischen früheren und späteren Tagen, zwischen den vorbildlichen Handlungen Gottes und ihrer Erfüllung. Noah war zu jener Zeit ein irdischer Mann, d. h. ein Auserwählter, bestimmt für ein Erbe auf der Erde, wie das Volk Israel es bald sein wird, und beide werden durch göttliche Unterweisung vor dem Betrug bewahrt, der sie beunruhigen und verführen könnte. Aber Tag und Stunde ihrer Rettung wird ihnen nicht mitgeteilt.
Die Arche war in ihrer Gestalt und ihrem Material vollständig von Gott vorgeschrieben. Noah hatte sie nur zu bauen. Der Herr bestimmte den Plan und die Einrichtung. Ihre Herstellung war nur eine Probe und ein Beweis des Glaubens. „Durch Glauben bereitete Noah, von Furcht bewegt, eine Arche". Die Anfertigung des Heiligtums von seiten Israels in späteren Tagen war eine ebensolche Handlung des Glaubens. Sie rich teten es auf mit willigem, dienstbereitem Herzen, indem sie ihre Armbänder, ihr Silber und Gold, ihre feine Leinwand, Dachsfelle, Akazienholz, öl, Räucherwerk und kostbare Steine dazu hergaben. Aber das alles war nur der Gehorsam des Glaubens, gegenüber dem Plan der Errettung, den Gott Selbst geoffenbart hatte. Ob die Israeliten das Heiligtum bauten, oder ob Noah die Arche baute, beides war nichts anderes als Glaube an die Verordnungen Gottes.
Und was ist heute das Evangelium und der Glaube daran anders, als eine Offenbarung der Vorkehrungen der Gnade Gottes und der Gehorsam gegen sie? Die Überzeugung der Auserwählten ist stets dieselbe gewesen — „es ist aus Glauben, auf daß es nach Gnade sei". Der Glaube an Gottes unumschränkte Verordnung war im Anfang die Überzeugung Adams, dann diejenige Noahs. Später war es die Überzeugung Abrahams und eines jeden wahren Israeliten, und heute ist es unsere. Wir alle werden, wie Adam, von der Furcht und der Unruhe des Gewissens befreit durch die Verkündigung und Annahme des zermalmten und zermalmenden Samens des Weibes. Wir alle bereiten gleichsam, wie Noah, eine Arche zur Rettung und werden Erben der Gerechtigkeit, die nach dem Glauben ist.
Wir alle nehmen, wie Israel, unsere Zuflucht von dem feurigen Berge zu dem Gnadenstuhl im Heiligtum — und Jesus, Jesus ist der Name, der die ganze Linie der Patriarchen, Propheten, Apostel und Heiligen, ob Juden oder Heiden, ob Kleine oder Große, entlang erschallt in der volltönenden Melodie, die in Ewigkeit die Himmel erfreuen wird.
Doch das Evangelium enthält nicht nur Gnade oder eine einfache nackte Verheißung. Es ist Versöhnung und Sieg. Es sind ebensowohl erworbene als verheißene Segnungen. Werfen wir einen Blick in das Heiligtum Gottes, so werden wir finden, daß nicht bloß Gnade da ist. Es ist Gnade auf dem Thron, Gnade auf der Lade des Bundes, Gnade, aufrechterhalten durch das Werk und die Person des Sohnes Gottes. Der Glaube betrachtet ein solches Geheimnis mit Ehrfurcht. Er spricht nie von bloßer Gnade. Es kann ebensowenig von Gnade allein in Gott die Rede sein, wie von sittlicher Gerechtigkeit im Menschen. Das Evangelium kennt solche Gedanken nicht, und deshalb kann der Glaube sie nicht annehmen. Gnade und Wahrheit sind einander begegnet. In dem Lobgesang der Engel heißt es zuerst: Herrlichkeit Gott in der Höhe! und dann: Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen! Das ist die Art und Weise des Evangeliums. Die Gnade herrscht durch Gerechtigkeit. Der Glaube versteht diese Wahrheit sehr wohl und hat sie zu allen Zeiten verstanden und sich ihrer erfreut. Auch Noah wandelte in den Fußtapfen dieses Glaubens und erlangte die Gerechtigkeit. „Dich habe ich gerecht vor mir erfunden in diesem Geschlecht", sagt Gott zu ihm. „Durch Glauben bereitete Noah, als er einen göttlichen Ausspruch über das, was noch nicht zu sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses, durch welche er die Welt verurteilte und Erbe der Gerechtigkeit wurde, die nach dem Glauben ist".
Glaube, Liebe und Hoffnung belebten seine Seele und waren der Ausdruck seines Lebens während jenes ernsten Zeitraumes von 12o Jahren. In wie schöner Weise sehen wir in Noah „das Werk des Glaubens, die Bemühung der Liebe und das Ausharren der Hoffnung" der Thessalonicher! Er bereitet die Arche in jenem Glauben, der die göttliche Warnung erhalten hat. Er predigt in Liebe seinem Geschlecht Gerechtigkeit (2Pet 2,5), und zugleich wartet er mit Ausharren auf den Herrn. Seine eigene Sicherheit und Errettung ist geordnet und gewiß, das weiß er. Aber er trägt auch Sorge, daß sein Nachbar sie mit ihm teile. Der Geist rechtete durch sein Zeugnis mit dem Mensehen, wie Er es heute noch tut. Aber jeder Schlag der Axt Noahs, jedes Niederfallen seines Hammers verkündeten der Welt, daß Er nicht ewiglich rechten würde.
Als die von Gott bestimmte Frist abgelaufen war, ging Noah mit den Seimigen in die Arche. Welch ein schönes Vorbild einer vollkommenen Errettung! Völlige Rettung und Sicherheit während der Stunde des schrecklichen Gerichts war das Teil Noahs. Und gleich der Rettung Noahs, gleich der Rettung Israels in der Nacht des Verderbens in Ägypten, ist auch die Rettung durch das Evangelium. In Ägypten hatte dieselbe Hand, die das Schwert des Verderbens durch das ganze Land trug, das schirmende Blut für die Israeliten verordnet. Konnte das Schwert einen von ihnen treffen? Unmöglich! Und in dem Fall Noahs hatte der Gott, der in betreff des Gerichts dieser Welt mit Sich zu Rate ging, Seinen Auserwählten über die Art des Entfliehens unterwiesen. Die Hand, welche die Wasser hervorbrechen ließ, schloß hinter Noah zu. Konnten die Wasser des Gerichts etwas gegen ihn ausrichten? Unmöglich!
Aber alles das wurde von einer feierlichen Gerichtsszene begleitet. „Die Sonne ging auf über der Erde, als Lot in Zoar ankam". Und gerade diese sonnige Stunde war die Zeit für den Feuer- und Schwefelregen. Nichts konnte geschehen, bevor Lot in jene Stadt gekommen war, aber dann hielt auch nichts mehr das Gericht zurück. Der Augenblick der Heimsuchung war völlig verborgen. Die Bewohner Sodoms mögen wohl gesagt haben: „Friede und Sicherheit" als sie die Morgensonne wie gewöhnlich den östlichen Horizont vergolden sahen. Aber gerade dann kam ein plötzliches Verderben über sie, und niemand entfloh.
Die Menschen zu Noahs Zeit „aßen und tranken, sie heirateten und wurden verheiratet", als die Wasser zu steigen begannen. Da war kein Verbot, es sei denn Noahs Eintritt in die Arche. Aber das war nach ihrer Meinung ja Narrheit, sich selbst und all seine Habe auf trockenem Lande in ein Schiff einzuschließen! Doch die Hut kam in dem Augenblick, als Noah in Sicherheit war, und verschlang sie alle. Das Wort Gottes, das Zeugnis des „Predigers der Gerechtigkeit", war ihnen „nach ihrem eigenen Willen verborgen". Ein plötzliches und sicheres Verderben kam über alle, die außerhalb der Arche waren, aber eine göttliche, unfehlbare Sicherheit war das Teil aller, die sich innerhalb der Arche befanden. Die Zufluchtsstädte in Israel waren von Gott verordnet, und ihre Mauern gaben unbedingt Rettung. Ebenso hat dieselbe Gerechtigkeit, die einen Fluch über jeden aussprechen mußte, der nicht alles hält, was in dem Buche des Gesetzes geschrieben steht, auch gesagt: „Verflucht ist jeder, der am Holze hängt" (Gal 3,13)! Könnte Gott nun Sein eigenes Heilmittel für den von dem Gesetz verfluchten Sünder verleugnen, wenn dieser sich im Glauben auf den für ihn am
Kreuze zum Fluch gemachten Heiland beruft? Ganz unmöglich! „Jehova schloß hinter ihm zu". Die Hand des Herrn verlieh der Lage Noahs Seine eigene Stärke und Sicherheit. Es ist nicht zu kühn, zu sagen, daß alle innerhalb der Arche so sicher waren, wie Gott Selbst. Obgleich der Herr gleichsam zu Seinen Himmeln und auf Seinen Thron zurückkehrte, und Noah auf der Erde, dem Schauplatz des Gerichts, zurückblieb, war Noah doch so sicher wie der Herr Selbst. „Wir haben Freimütigkeit an dem Tage des Gerichts, daß, gleichwie er ist, auch wir sind in dieser Welt". Jesus ist in den Himmel zurückgekehrt, während wir uns noch in dieser Welt befinden, deren Gericht von Gott beschlossen ist. Aber wir haben volle Freimütigkeit, da wir unserer Stellung nach Ihm gleich sind. Wie herrlich, dies aussprechen zu dürfen! Und diese geheimnisvolle, herrliche Sicherheit ist in dem kurzen Wort eingeschlossen: „Jehova schloß hinter ihm zu". Die Hand Gottes Selbst setzte Noah und alles, was sein war, in völlige Sicherheit.
Einige von aller Art lebenden Wesen wurden mit Noah von dem Schauplatz des Todes in die Arche der Rettung gebracht. „Acht Seelen", wie Petrus sagt, und mit ihnen eine Auswahl von Tieren der Erde, klein und groß, Gevögel und kriechende Tiere, alle wurden mit Noah unter ein Dach gebracht und gerettet. So war es auch später in Ägypten: nicht eine Klaue durfte Zurückbleiben. Die große Errettung erstreckte sich an jenem Tage in gleicher Weise auf alle, auf Mose und die 600 000 Mann mit ihren Weibern und Kindern und auf all ihr Vieh. Alles erfuhr die rettende Kraft Gottes. So dachte Gott auch später in den Tagen Ninives neben den „mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen, die nicht zu unterscheiden wußten zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken", an das viele Vieh in der Stadt. Und so wird auch in den kommenden Tagen, wenn Christus Sein Erbteil antreten wird, Seine Herrschaft alle Werke der Hand Gottes umfassen, „Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes, das Gevögel des Himmels und die Fische des Meeres" (Ps 8,7-8). Und die Gefilde und Ströme, die Hügel und die Bäume des Waldes werden vor Ihm jubeln.
Welch ein herrliches Geheimnis! Sind sie nicht alle Seine Geschöpfe? Hat nicht Seine Hand sie alle gemacht, und Sein Auge und Sein Herz sich an ihnen erfreut? Sollte die Schöpfung für Ihn verloren sein? Darf Jona wegen des verdorrten Wunderbaumes zürnen? Sollte der Herr nicht vielmehr die Werke Seiner Hand zu Seiner bleibenden Freude erhalten? Er will das Angesicht der Erde erneuern, wie geschrieben steht: „Jehovas Herrlichkeit wird ewig sein, Jehova wird sich freuen seiner Werke" (Ps 104,31). „Das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Denn die Schöpfung ist der Eitelkeit unterworfen worden (nicht mit Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat), auf Hoffnung, daß auch selbst die Schöpfung freigemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes" (Röm 8,19-21).
Werfen wir jetzt einen kurzen Blick auf den Charakter der Tage Noahs in Bezug auf die Verwaltung der Zeiten. Infolge des Abfalls Adams war die Erde nicht mehr der Schauplatz der Wonne Gottes, noch die Heimat Seines Volkes, und während all der Tage vor der Flut waren die Hoffnungen und das Erbteil der Heiligen himmlisch. Zugleich enthüllte Gott ein gewisses Maß der großen Geheimnisse Seines Herzens und Seines Wohlgefallens, die Er Sich vorgesetzt hatte in Sich Selbst vor Grundlegung der Welt. Die Himmel wurden dem Menschen geöffnet, als Adam, der Mensch der Erde, fiel3).
Aber obgleich der Himmel geöffnet war, hatte Gott deshalb doch nicht mit der Erde abgeschlossen. Der Ratschluß Gottes war, „alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln und das, was auf der Erde ist". Und da diese himmlische Berufung schon in der Geschichte der Heiligen vor der Flut geoffenbart worden war, so war jetzt die Zeit gekommen, Gottes großen Vorsatz betreffs der Erde zu enthüllen und zu zeigen, daß Er sie in Bezug auf die Verwaltung der Zeiten keineswegs aufgegeben habe, obgleich Er die Himmel geöffnet hatte.
So sehen wir in Off 4, nachdem die himmlischen Heiligen, „die Vollzahl der Nationen", die geheimnisvollen Ältesten und die lebendigen Wesen ihre himmlischen Plätze eingenommen haben, wie die Gedanken Dessen, Der auf dem Throne sitzt, zu der Erde zurückkehren. Der Regenbogen wird auf einmal rings um den Thron gesehen — ein Zeichen, daß der Bund, der der Erde ihre Sicherheit gibt, die Quelle der bevorstehenden Handlungen im Himmel sein würde. Ebenso war es in den Tagen Noahs. Als die himmlische Familie ihren Lauf beendet hatte und Henoch aufgenommen worden war, kehrten die Gedanken des Herrn zu der Erde zurück, denn das nächste charakteristische Merkmal der Wege Gottes ist die Prophezeiung Lamechs, durch welche die Gnade Gottes der Erde wieder zugesichert und Noah auf den Schauplatz geführt wird: „Dieser (Noah) wird uns trösten über unser Tun und über die Mühsal unserer Hände wegen des Erdbodens, den Jehova verflucht hat".
Dies alles ist so einfach, daß es kaum mißverstanden werden kann. Die Prophezeiung Lamechs sagt uns, was wir vorbildlich in Noah zu erwarten haben und auch finden. Wir erfahren durch sie, daß die Erde wiederhergestellt werden soll, daß Gott aufs neue in ihr Seine Ruhe und Sein Wohlgefallen finden, und daß der Mensch auf ihr einen glücklichen und heiligen Aufenthalt haben wird. Die völlige Verwirklichung von diesem allem wird allerdings erst in den kommenden Zeitaltern des wahren Noah, in dem allein alle Verheißungen Gottes Ja und Amen sind, ans Licht treten.
Jene Zeiten mußten indessen durch eine große Handlung eingeleitet werden. Die Berufung des himmlischen Volkes war jetzt eine ganz andere als bei den Heiligen vor der Flut. Diese hatten nichts mit dem sie umgebenden Schauplatz zu tun gehabt. Kains Familie war in dem ruhigen, ungestörten Besitz ihrer Städte und Reichtümer gelassen worden. Gott war nur beschäftigt gewesen, ein Volk abzusondem, ohne zum Ordnen und Richten der Welt zu schreiten. Er ließ sie, wie Er sie fand. Aber sobald Gott Sich vornimmt, Seine Ansprüche an die Erde wieder geltend zu machen, beschäftigt Er Sich sorgfältig mit allem, denn nur durch Gericht kann die Erde wieder gereinigt und für Seinen Fußschemel passend gemacht werden.
Diese Wahrheit bezüglich der Verwaltung der Zeiten wird uns hier vorbildlich gelehrt. Gott gedachte der Erde und fing an, Sich wieder mit ihr zu beschäftigen, aber durch reinigende Gerichte. Auf alles wurde das Urteil des Todes geschrieben, damit es als etwas Neues in der Kraft und Gnade Dessen dastehen sollte, Der die Toten wieder ins Dasein ruft. Die Erde selbst war im Wasser oder unter dem Wasser, und der auserwählte Überrest wurde, — wie in den später angeordneten Zufluchtsstädten im Lande Kanaan —, vor der Hand des Rächers gerettet, und dann erscheint alles aufs neue, wie in der Auferstehung.
Vierfüßige und kriechende Tiere und Geflügel, einige von jeder Art, gingen mit in die Arche. Dort waren die Erlösten geborgen vor jeder Furcht und jedem Unheil. Ja, sie waren mehr als sicher. Es wurde ihrer gedacht — „Gott gedachte des
Noah und alles Getiers und alles Viehes, das mit ihm in der Arche war".
So wird auch bei einem anderen auserwählten Überrest in späteren Tagen vor dem Bundes-Gott, der jetzt an Noah gedachte, „ein Gedenkbuch geschrieben sein für die, welche Jehova fürchten und seinen Namen achten" (Mal 3,16). Und kraft dieses Bundes-Gedächtnisses ließ Gott einen Wind über die Erde fahren. Die Wasser sanken, und die Arche ruhte auf dem Gebirge Ararat. Dieses Gedenken Gottes war köstlich für Noah. Es war der verborgene Trost des Glaubens. Indessen gab es für ihn in seinem Zufluchtsort auch gesegnete Übungen des Geistes. Die Arche besaß ein Fenster. Die Tür wurde von dem Herrn verwahrt, aber das Fenster war für den Gebrauch Noahs bestimmt. Der, der ihn eingeschlossen hatte, konnte auch allein ihn wieder hinauslassen. Die passende Zeit dafür stand in Seiner Hand. Aber obgleich die Zeit seiner Pilgrimschaft nicht abgekürzt werden konnte, so wurde doch die Hoffnung in ihm genährt und sein Geist auf gesegnete Weise geübt. Noah konnte das Fenster öffnen, hinaussehen und seine Boten aussenden, damit sie ihm über den Zustand der Erde Nachricht brächten.
Welcher Schönheit und Weisheit begegnen wir in diesem allem! Gott belehrt uns durch diese Erzählungen aus den frühesten Zeiten in vorbildlicher und sinnbildlicher Weise und teilt uns so die Geheimnisse des Evangeliums, die Erfahrungen der Seele und die persönliche Wirksamkeit des Geistes mit. Die großen Wahrheiten werden auf diese Weise unseren Herzen tief eingeprägt. Das ganze erste Buch Mose ist voll von solchen Bildern. Hier drückt die Sendung des Raben und der Taube die Erfahrung des Heiligen aus in der einander entgegengesetzten Wirksamkeit des Fleisches und des Geistes, die in ihm streiten. Der Rabe kehrt nicht zurück. Die Erde mag noch ungereinigt sein, aber die unreine Natur kann sich da aufhalten. Die „gegenwärtige böse Welt" wird dem gefallenen, entehrten Menschen genügen. In der Tat, die Arche war für den unreinen Raben mehr ein Ort der Gefangenschaft, als der Sicherheit. Er kehrt nie wieder dahin zurück, nachdem er ihr einmal entschlüpft ist. Aber Noah traut ihm nicht. Der Rabe mag draußen bleiben, aber das ist noch kein Beweis für Noah, daß die Erde rein ist. Er sendet ihm daher einen reinen Vogel nach, und die Nachricht, die dieser bringt, lautet anders. Die Taube kam zurück. Für sie gab es keine Ruhe auf einem Boden, der noch unter dem Gericht Gottes stand und ungereinigt war. Und Noah, in dem Bewußtssein, daß er ihr trauen kann, sendet sie zum zweiten und dritten Male aus. Er kann sich auf sie verlassen, denn sie hat nur an den Pfändern des Friedens und und der neuen Schöpfung Gefallen. Bei ihrer zweiten Rückkehr trägt sie ein Ölblatt im Schnabel, und nach ihrer dritten Sendung kommt sie nicht wieder zurück.
Die Erde war jetzt von dem Fluch befreit, und die Taube konnte sich an dem neuen Zustand der Schöpfung erfreuen. Noah versteht das Ausbleiben dieses reinen Geschöpfes. Er nimmt gleich die Decke von der Arche ab und sieht sich um, und der Gott der Herrlichkeit führt ihn hinaus, wie vorher der Gott aller Gnade hinter ihm zugeschlossen hatte. Die ganze Handlung ist sehr bezeichnend und ausdrucksvoll. Noahs Herz war durch keine Zweifel beunruhigt worden. Er hatte sich nicht damit beschäftigt, die Balken der Arche zu betrachten, ob sie auch imstande wären, die Wasser abzuhalten — er zweifelte keineswegs daran. Und durch ein gleiches Vertrauen wird Jesus verherrlicht in Bezug auf die Sicherheit, die Er dem Sünder gibt. Noah traute völlig auf die Seetüchtigkeit seines Fahrzeugs, weil Gott es angeordnet, ja, ich möchte fast sagen, weil Gott es gebaut hatte. Der Glaube gab seinem Herzen Ruhe und Sicherheit gegenüber dem Gericht. Zugleich war es erfüllt mit der Hoffnung der kommenden Herrlichkeit. Das ist die herrliche Stellung dieses „Gefangenen der Hoffnung". Ein Gefangener der Hoffnung ist einer von den Titeln, die der Geist allen Heiligen Gottes gibt (vergl. Sach 9,12). Jeremia war ein solcher. „Er war im Gefängnishofe eingesperrt, der im Hause des Königs von Juda war", und zwar um Christi willen. Zu ihm wurde gesagt, daß er das Feld Hanamels kaufen solle (Jer 32,7), und das war Nahrung für seine Hoffnung, wie das Ölblatt im Schnabel der Taube, denn es zeigte dem Propheten, daß gute Tage kommen sollten, obgleich er in jenem Augenblick im Gefängnis saß, das Heer der Chaldäer vor den Toren der Stadt lag und das ganze Land verwüstet war. Die Wasser umgaben ihn sozusagen überall, aber die Arche des Propheten besaß, wie die Arche des Patriarchen, ein Fenster.
Gerade so verhielt es sich auch mit Israel in der Passahnacht. Die Schuhe an den Füßen, den Stab in der Hand und die Lenden gegürtet, so warteten die Israeliten inmitten der Gerichte des Herrn. Aber wie unser Patriarch, so warteten auch sie nur darauf, auszuziehen in das Erbe des Herrn. Und Jesus, der in allen Dingen den Vorrang hat, zeigt uns immer aufs Neue den vollkommenen Weg eines Gefangenen der Hoffnung, der auf die Auferstehung seinen Blick richtet. So z. B. in Joh 12. Als Er nach Jerusalem kam und die jüdische Volksmenge und die heidnischen Fremden Ihn zu sehen wünschten, als es den Anschein hatte, als ob die ganze Würde und Freude des Sohnes Davids Seiner warteten, harrte Sein Herz doch auf die Hoffnung der Auferstehung, auf die „vor ihm liegende Freude", und mit dieser Erwartung beschäftigt, sprach Er von dem Weizenkom, das in die Erde fällt und stirbt. Mit Ausharren und Verlangen ruhte Sein Auge auf der Herrlichkeit, die nicht in jener Stunde, sondern jenseits von ihr lag. In völliger Hingebung und Aufopferung übergab Er Sich völlig dem Willen des Vaters, und die Stimme aus dem Himmel antwortete Ihm mit der Versicherung, daß für die Verherrlichung des Namens des Vaters zu Seiner Zeit gesorgt werden würde.
Unvergleichlicher Jesus! Diese Stimme aus dem Himmel war köstliche Nahrung für den Gefangenen der Hoffnung, ebenso wie die Verwandlung auf dem heiligen Berge. Jesus hatte mit Seinen Jüngern über Seinen Tod gesprochen und sie ermuntert, nicht ihr Leben in dieser Welt zu lieben, und wenige Tage nachher strahlte der heilige Berg plötzlich in dem Licht der Auferstehung oder der tausendjährigen Herrlichkeit. Und was war das Erscheinen dieser Herrlichkeit anders, als die Trauben von Eskol, die aus Kanaan in das Lager Gottes in der Wüste gebracht wurden, oder als die Rückkehr der Taube zu Noah, mit dem Ölblatt in ihrem Munde?
Doch die Zeit kommt, „dem Gefangenen der Hoffnung das Doppelte zu erstatten" (Sach 9,12). „Und Gott redete zu Noah und sprach: Gehe aus der Arche, du und dein Weib und deine Söhne und die Weiber deiner Söhne mit dir. Alles Getier, das bei dir ist, von allem Fleische, an Gevögel und an Vieh und an allem Gewürm, das sich auf der Erde regt, laß mit dir hinausgehen" (1Mo 8,17). — Und Noah ging hinaus. Er landete auf der erneuerten Erde, wo in jenem Augenblick alles wieder in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes war, nicht mehr verderbt, wie damals, als er in ihrem alten Zustand auf ihr umherging, sondern rein infolge der Reinigung durch das Gericht.
Alles, was dreizehn Monate vorher in die Arche gegangen war, kam jetzt wieder aus ihr hervor. Klein und groß war darin gewesen, und das Kleine war so sicher wie das Große, das Gewürm war so frei von aller Gefahr wie Noah selbst. Kostbare Wahrheit! Wir mögen klein sein, und wir sind es, wie unser Herz wohl weiß, aber der Himmel oder die kommende Herrlichkeit ist, wie die Arche, dafür eingerichtet, die Kleinen sowohl wie die Großen aufzunehmen. „Eine Stimme kam aus dem Throne hervor, welche sprach: Lobet unseren Gott, alle seine Knechte, und die ihr ihn fürchtet, die Kleinen und die Großen" (Off 19,5)! Wir können ruhig sein, obgleich wir wissen, daß wir in jeder Hinsicht klein sind, wie das Gewürm, das mit Noah hineinging, denn dieses Kleine war gleichfalls in den Bund eingeschlossen, der alles und jedes in seiner Art und nach seinem Maße zu Erben der neuen Welt machte. Das Haus des Vaters droben ist sicher diesem Unterschied von klein und groß entsprechend eingerichtet. Clemens und andere Arbeiter waren kein Paulus, in betreff des Maßes ihrer Arbeit oder der Energie des Geistes, aber ihre Namen waren im Buche des Lebens so gut wie der Name des Paulus (Phil 4,3). Der Vater hat Sein Haus in den Himmeln zu dem Zweck gebaut, die Heiligen ebensowohl wie Jesum Selbst darin aufzunehmen. Das ist ein Teil der ursprünglichen Bestimmung. Vor Grundlegung der Welt war dieser Plan festgesetzt. In den Ratschlüssen der ewigen Liebe war beschlossen, daß dieses Haus ein großes, mit vielen Wohnungen sein sollte, damit alle Kinder darin Platz finden möchten.
Was sollen wir dazu sagen? Entsprechen unsere Gedanken hierüber der Liebe Gottes? Ebensogut könnten wir sagen, daß unsere Ansicht von dem höchsten Berge der Schöpfung Gottes entspräche. Unser Blick kann nicht den zehntausendsten Teil der Erde erfassen, wieviel weniger „die Breite und Länge und Tiefe und Höhe — und die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus!" „Und Noah baute Jehova einen Altar; und er nahm von allem reinen Vieh und von allem reinen Gevögel und opferte Brandopfer auf dem Altar" (1Mo 8,20). Als in späteren Tagen Salomo das Königreich empfing, geschah es auf Grund des Blutes Christi und im Glauben an das Blut. Es handelt sich hier nicht darum, wie weit das Verständnis Salomos ging, sondern um die wahre Grundlage, auf der ihm das Königtum zuteil wurde. Er ging hinauf auf die Höhe zu Gibeon, weil dort das Zelt war, das Mose in der Wüste gemacht hatte, und opferte tausend Brandopfer. So auch unser Patriarch. Sobald er sein Erbe empfing und seinen Fuß auf die „jetzige" Erde (wie Petrus sie nennt) setzte, bezeugte er durch den Altar und das Opfer, daß er durch die Kraft desselben Blutes in sein Besitztum eintrat; denn in dem Glauben daran betete er an.
Die Antworten Gottes auf den einfältigen Glauben Seiner Knechte übertreffen alle Beschreibung. In der Nacht, die jenem Tage folgte, an dem Salomo sich vorbildlich auf das Blut Christi berufen hatte, erschien ihm Gott und sagte: „Bitte, was ich dir geben soll" (1Kön 3,5). So kostbar war das Blut in Seinen Augen, daß Er Sich dem Sünder, der es vor Ihn gebracht hatte, sogleich zur Verfügung stellte! Und auf Grund dieses Blutes und des Glaubens, der es vor Ihn bringt, dürfen auch wir jetzt zu einem jeden sagen: Bitte den Herrn, deinen Gott, um was du willst. Erbitte es in der Tiefe oder in der Höhe, ja, fordere von Ihm alles, was du bedarfst, alles, was Seine Hände bereitet haben! Er wird es dem Glaubenden nicht vorenthalten. Es verhält sich mit uns, wie mit Salomo. War er in sich besser oder vor Gott willkommener als wir? Nein, in keiner Hinsicht.
So war auch bei Noah nichts anderes vor Gott, als das Opfer und der Glaube, der sich auf das Opfer stützte. „Und Jehova roch den lieblichen Geruch, und Jehova sprach in seinem Herzen: Nicht mehr will ich hinfort den Erdboden verfluchen um des Menschen willen; denn das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend an; und nicht mehr will ich hinfort alles Lebendige schlagen, wie ich getan habe. Forthin, alle Tage der Erde, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, und Frost und Hitze, und Sommer und Winter, und Tag und Nacht" (1Mo 8,21-22). Die Reinigung der Erde durch die Wasser des Gerichts hatte keine Veränderung in dem Dichten und Trachten des menschlichen Herzens hervorgebracht. Es war noch böse und nur böse. Es war unverändert geblieben, denn: „was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch". Es gab in dem Menschen keine Veränderung, die Gott Gedanken des Friedens über ihn hätte eingeben können. Es war einzig und allein das Blut, auf das der Glaube eines armen Sünders vor Ihm sich stützen konnte. Aber dieses Blut erweckte - trotz des Bösen - Gedanken des Friedens in Seinem Herzen. Christus stand vor den Augen Gottes, und das war genug. Ebenso wie es der Fall war an dem großen Versöhnungstage in Israel (3Mo 16). Das Blut der Besprengung wurde da überall gesehen. Das war das große Geheimnis, der Hauptgrundsatz jenes vorbildlichen
Tages. Das Blut des Lammes Gottes wurde in die Gegenwart Gottes gebracht, begleitet von der Weihrauchwolke, so daß Aaron selbst verborgen blieb, während zugleich kein Mensch in dem Zelte der Zusammenkunft sein durfte, so lange der heilige Dienst der Blutsprengung währte. Christus wurde vorbildlich gesehen, und nur Er allein, und die Folge davon war, daß die Sünden hinweggetragen wurden in eine Wüste, in ein ödes Land — an einen Ort des Vergessens, wo es keine anklagende, richtende oder verdammende Stimme mehr gab, ja, wo nichts gehört werden konnte als die Stimme jenes Blutes, das Besseres redet als das Blut Abels.
Jenes Blut stand auch in dem Falle Noahs vor dem Auge Jehovas und bewegte Sein Herz. „Jehova sprach in seinem Herzen: Nicht mehr will ich hinfort den Erdboden verfluchen". Wie der Herr Selbst sagt: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse" (Joh 10,17). Das Herz Jehovas besiegelte die Annahme des Opfers, als der glaubende Noah sich vorbildlich auf Jesum stützte. Die unbeschränkte Aufforderung Gottes: „Bitte, was ich dir geben soll!" besiegelte sie später für Salomo (2Chr 1). In diesen und ähnlichen Zeugnissen, die sich wieder und wieder im Alten Testament in Vorbildern und Schatten finden, erkennen wir eine gesegnete Darstellung des Werkes des Kreuzes Christi vor Gott. Das Zeugnis des Vorhangs, das Erdbeben und die geöffneten Gräber zur Zeit, als das wahre Opfer ein für alle Mal dargebracht wurde, bezeugen dasselbe. In der verschiedensten Weise wird die Annahme des auf Golgatha geschehenen Werkes bestätigt und bezeugt.
Noah wird jetzt auch der Gegenstand neuer und vielfältiger Segnungen in der Herrlichkeit der neuen Erde, wie er vorher schon gesegnet war in der Erwählung der Gnade und in der Gerechtigkeit, die aus Glauben ist. „Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch, und füllet die Erde; und die Furcht und der Schrecken vor euch sei auf allem Getier der Erde und auf allem Gevögel des Himmels! Alles, was sich auf dem Erdboden regt, und alle Fische des Meeres, in eure Hände sind sie gegeben" (1Mo 9,1-2).
Diese Segnung brachte Noah auf der neuen Erde Besitz und Herrschaft und die freie Benutzung aller Geschöpfe, die gut zur Speise waren. „Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein". Das war ein großes Geschenk, so ausgedehnt, wie der Schauplatz, der ihn umgab. Er war Herrscher über alles, was er rings um sich her erblickte, Herr der neuen Erde, wie Adam Herr des Gartens gewesen war. Indes wird Noah nicht nur geehrt und bereichert, sondern auch unterrichtet. Er wird belehrt, daß das Blut der Tiere nicht mit ihrem Fleische gegessen werden sollte. „Das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blute, sollt ihr nicht essen". Dieser Grundsatz zieht dem Geschenk, das Noah empfing, eine Grenze, so wie einst das Geschenk, das Adam empfing, eine Beschränkung erfahren hatte dadurch, daß der Baum in der Mitte des Gartens davon ausgeschlossen wurde.
Das Blut war das Leben, und deshalb sollte der Mensch es nicht essen. Das würde bedeuten, daß er eigenwillig wieder an sich reißen wolle, was er durch die Sünde verloren hatte. Infolge seines Falles war ihm der Weg zum Baum des Lebens für immer versperrt worden. Wie hätte er sich einen Durchgang durch das flammende Schwert der Cherubim erzwingen können? Diese Anordnung sagte dem Sünder, daß er sein Recht auf den Baum des Lebens für immer verloren hatte und in eigener Kraft nie wieder zu ihm gelangen konnte. Das Leben ist gleichsam wieder zu Gott zurückgekehrt. Das Blut gehört Ihm. Und das Evangelium sagt uns, wie Er es dazu benutzt hat, um für den verlorenen, im Tode liegenden Sünder ein neues, unvergängliches und ewiges Leben zuzubereiten. Die Handlungsweise Gottes in dem Evangelium wird uns daher in der göttlichen Verordnung an Noah aufs neue dargestellt: „Das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blute, sollt ihr nicht essen". Der Altar Noahs hatte uns schon gesagt, daß Noah, wie Adam, an den Samen des Weibes glaubte, und daß jenes Geheimnis die Grundlage seiner Überzeugung und seiner Anbetung bildete. Und hier, wo Gott ihm alle Dinge zum Besitz und zum Gebrauch gibt, übergeht Er diese große Ausnahme in Seinem Geschenk nicht, weil sie den Seinem Evangelium zugrunde liegenden Hauptgedanken ausdrückt. Diese Ausnahme war, infolge der seit den ersten Tagen Adams eingetretenen großen Veränderung und im Blick auf den Unterschied zwischen einem unschuldigen Geschöpf und einem dem Verderben preisgegebenen Sünder, ebenso passend und notwendig, wie die
Ausnahme des Baumes der Erkenntnis, als Gott, der Schöpfer, einst alles dem Adam schenkte, womit Er den Schauplatz geschmückt und gefüllt hatte.
Wir empfangen Leben von Jesu, der durch Sein Blut Versöhnung gemacht hat, indem wir zugleich völlig anerkennen, daß wir es sonst nirgends erhalten können. Wir wissen, daß wir tot waren in Vergehungen und Sünden, aber wir wissen auch, daß wir jetzt Leben haben in Ihm, und in Ihm allein. Adam lernte dies durch die Verheißung des Samens des Weibes und durch das Schwert der Cherubim. Noah lernte und bezeugte es durch jene Verordnung und durch seinen Altar. Ja, das ganze Buch Gottes offenbart diese Wahrheit, und die Ewigkeit wird sie verherrlichen.
Doch mehr noch. Wir finden Noah mit dem Schwert der Gerechtigkeit in der Hand. Sein Mitmensch sollte beschützt und gerächt werden. Die Person des Menschen war geheiligt, und sein Leben oder sein Blut sollte gefordert werden von einem jeden, der es vergoß. „Und wahrlich, euer Blut, nach euren Seelen, werde ich fordern; von jedem Tiere werde ich es fordern, und von der Hand des Menschen, von der Hand eines jeden, seines Bruders, werde ich die Seele des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden".4
Wer wird dem nicht zustimmen? Unser ganzes Gefühl urteilt, daß es richtig ist, die Person des Menschen als geheiligt zu behandeln. Während jedes andere lebende Wesen dem Gebrauch des Menschen unterworfen wurde, sollte sein Mitmensch in seinen Augen geheiligt sein, und zwar deshalb, weil er „im Bilde Gottes" geschaffen ist. Es ist eine Würde in dem Menschen, die er allein besitzt. Er ist das natürliche Haupt der Schöpfung. Er ist der Besitzer und Regierer, nicht aber ein Teil des übertragenen Erbes oder des anvertrauten Besitztums.
Wir kommen jetzt zu einem anderen wichtigen Gegenstand. „Mit dir will ich meinen Bund errichten", hatte Gott zu Noah gesagt, bevor die Arche gebaut war. Jetzt, nachdem das Gericht vorüber und die neue Erde in Besitz genommen ist, wird jener Bund dem Auserwählten Gottes ausführlich vorgestellt und aufs neue zugesichert. Das Wort „Bund" wird bei Noah zuerst gebraucht. Die Bündnisse, von denen wir in der Schrift lesen, haben alle ihren besonderen Charakter. Die Personen, zwischen denen sie errichtet werden, sowie die Gegenstände, auf die sie sich beziehen, werden alle genau bezeichnet. Sie können nicht verwechselt werden. Mag es sich um den Bund mit Noah betreffs der Erde handeln, um den Bund mit Abraham und seinem Samen, um den Bund mit Pinehas betreffs des Priestertums oder mit David in bezug auf den Thron — stets werden die Personen und Gegenstände deutlich genannt. Aber alle diese Bündnisse, ob einzeln oder zusammengenommen, stellen nicht die besondere Berufung der Kirche dar. Geistliche Segnungen in den himmlischen Örtern und die Ergebnisse des Einsseins mit Christo werden durch sie weder beschrieben noch angedeutet. Das Alte Testament redet nichts von der besonderen Stellung, Berufung und Hoffnung der Kirche. Dagegen offenbaren die Schriften des Neuen Testamentes in reichem Maße einen Vorsatz oder einen Ratschluß, den Gott gefaßt hat nach dem Wohlgefallen Seines Willens, ein Geheimnis, das vor Grundlegung der Welt in Gott verborgen war, und das die Kirche unmittelbar betrifft. (Siehe Röm 16,25; 1Kor 2,7; Eph 1,9; 3,8-11; Kol 1,26; 2Tim 1,9).
Hier könnte die Frage entstehen: Nimmt denn dieser Vorsatz oder Ratschluß nicht die Form eines Bundes an? Hat er überhaupt nicht den Charakter eines Bundes? Er wird nie so genannt, obwohl viele Dinge als mit ihm in Verbindung stehend angedeutet werden, welche die Natur eines Bundes haben. Es werden Verheißungen gegeben, Bedingungen aufgestellt und Anordnungen getroffen, wie es zwischen zwei Parteien geschieht. „In der Rolle des Buches steht von mir geschrieben" — „ich war eingesetzt von Ewigkeit her" — und ähnliche Worte von hoher und heiliger Bedeutung mögen zur richtigen Beantwortung dieser Frage beitragen. Nicht nur waren unsere Auserwählung und Bestimmung die Gegenstände der Ratschlüsse Gottes vor Grundlegung der Welt (Röm 8,28.29; Eph 1,4.5; 1Pet 1,2), sondern wir wurden damals auch förmlich und tatsächlich von dem Vater Christo gegeben (Joh 6,37.39; 10,29; 27,2-9). Auch hören wir, daß Gott das ewige Leben verheißen hat vor ewigen Zeiten (Tit 1,2), ein Wort, das gleichfalls den Charakter eines Bundes andeutet.
Wie gesagt, wird der Ratschluß Gottes in Bezug auf uns nicht ein Bund genannt, aber doch hat er manche Eigenschaften eines Bundes. Und wie wird der Geist eines Gläubigen erfreut durch die kostbare Wahrheit, daß bei jener großen Handlung die ganze Gottheit zugunsten unserer Seelen tätig war! So lesen wir z. B. in l. Petr l: „Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi". Was für unerschütterliche Grundlagen sind das! Welch eine wunderbare Offenbarung der Gnade! Gott Selbst — Vater, Sohn und Heiliger Geist — beratschlagen und sind tätig für uns! In dem Evangelium der Gnade nimmt der Mensch nur den Platz des Sehens und Hörens ein, Gott den des Handelns. Und diese Handlungen Gottes sind, wie wir sehen, die Frucht köstlicher und wunderbarer Vorsätze, die Er in Sich Selbst faßte, bevor die Welten gegründet waren. Kann es für den Sünder wohl etwas geben, was die Unruhe seines Gewissens besser zu stillen vermöchte, als diese Handlungen und Opfer Gottes für ihn gemäß Seinen ewigen Ratschlüssen?
Noah erhielt die Verheißung, daß die Wasser nicht wieder zu einer Flut werden sollten, die Erde zu verderben, aber diese Verheißung ruhte auf den festen Grundlagen des Blutes eines Bundes. Noahs Altar hatte schon einen lieblichen Geruch, einen Geruch der Ruhe, zu Gott emporsteigen lassen, und in der Befriedigung und Freude darüber hatte der Herr gesagt: „Nicht mehr will ich hinfort den Erdboden verfluchen um des Menschen willen". Jenes Blut war die Grundlage der Verheißung. Es gibt keine verheißene Segnung, die nicht zugleich eine erworbene ist, keinen Thron der Gnade, der sich nicht auf die Lade des Bundes stützt.
Doch dem Bunde fehlt auch sein Siegel nicht. Der Bogen in den Wolken besiegelt ihn, wie das Blut ihn aufrecht erhält. Wunderbare Gedanken treten in diesem allem vor unsere Seele. Die Grundlage und das Zeugnis, das Blut und das Siegel, der Beweggrund und die Bestätigung der großen Tat Gottes stehen hier vor uns. Aber alle diese Zeichen, so schön und köstlich sie auch sein mögen, verschwinden, sobald wir an das große Gegenbild dieser Dinge denken. Der Heilige Geist Selbst ist uns jetzt gegeben als das Siegel unserer Sohnschaft, als das Unterpfand unseres Erbes, das Zeugnis des vollendeten Werkes Jesu und seiner Annahme in all seiner Genügsamkeit und Kostbarkeit.
Wie köstlich ist der Gedanke, daß die Verheißung Gottes durch das Blut des Sohnes aufrecht erhalten und durch die Gegenwart des Geistes bezeugt wird! Wie hat Gott Sich Selbst uns mitgeteilt in dieser wunderbaren Tat für Sünder! Die Seele kann nichts Höheres empfangen. Wir haben Anteil an göttlichen Handlungen, und zwar an solchen Handlungen, die auf ewige Ratschlüsse gegründet sind und die uns den Namen Gottes offenbaren als „Vater, Sohn und Heiliger Geist".
Die Betrachtung dieses Geheimnisses sollte unsere Herzen erheben, und wir sollten, wie Mose, „hinzutreten, um dieses große Gesicht zu sehen". Möchten wir viel darüber nachdenken. „Das Geheimnis Jehovas ist für die, welche ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzutun" (Ps 25,14).
Laßt uns diese große Handlung Gottes betrachten, die, bevor die Welten waren, angeordnet wurde. Laßt uns sie betrachten, wie sie alle Kräfte der göttlichen Liebe und Macht in dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist in Bewegung setzt und die tiefsten und wunderbarsten Vorsätze der Gnade und Herrlichkeit für die Auserwählten faßt. Laßt uns den Blick darauf richten, bis wir, wie Mose, Ihn entdecken, Der der Mittelpunkt von diesem allem ist.
Welch eine wunderbare Sache! Von Natur sind wir weit entfernt und entfremdet von Gott. Wir sind so in Gefangenschaft, daß wir nicht einen Schritt vorwärtskommen können. Aber Gott Selbst hat es unternommen, die unermeßliche Entfernung, die uns von Ihm trennte, zu beseitigen und das Haus unseres starken Feindes anzugreifen. Und in der Fleischwerdung Jesu Christi, in Seinen Leiden und Seinem Siege hat diese große Tat der Liebe ihre Erfüllung gefunden, und wir sind umgeben „mit Rettungsjubel". Wäre es möglich, daß wir, während wir dies anstaunen, noch im geringsten fürchten könnten, der Entfernte sei nicht nahe gebracht, oder der Gefangene nicht befreit? „Gewiß, bei Flut großer Wasser — ihn werden sie nicht erreichen". Wir dürfen mit aller Gewißheit sagen: „Du bist ein Bergungsort für mich; vor Bedrängnis behütest du mich; du umgibst mich mit Rettungsjubel" (Ps 32,7).
Diesen allgemeinen Gedanken über die Bündnisse und ihre Zeichen möchte ich noch eine Bemerkung über das Zeichen, das dem Noah gegeben wurde, hinzufügen. Es hat eine schöne Bedeutung. Der Bogen ruhte sozusagen triumphierend auf den Wolken. Sein Ansehen und seine Stellung waren die eines Siegers. Er rief den Wolken gleichsam zu: „Bis hierher sollt ihr kommen und nicht weiter". Die Erde sowohl wie der Bund, der jene sicherstellt, leben in dem Gedächtnis Gottes. „Der Bogen wird in den Wolken sein; und ich werde ihn ansehen, um zu gedenken des ewigen Bundes zwischen Gott und jedem lebendigen Wesen von allem Fleische, das auf Erden ist" (1Mo 9,16). Gott gedenkt also dieser Verheißung für die Erde und sieht den Bogen in den Wolken an zu aller Zeit und während all der verschiedenartigen Verwaltungen Gottes auf der Erde. Er gedachte daran, während die Herrlichkeit ihren Wohnsitz auf der Erde aufgeschlagen und Gott Selbst Sich zwischen den Cherubim in dem Tempel zu Jerusalem niedergelassen hatte. Und als der Thron Gottes jene Stadt verließ und das Heiligtum wegen der Greuel des Volkes die Herrlichkeit verlor, wurden der Thron und die Herrlichkeit durch den Regenbogen zum Himmel begleitet (Hes 1-11). Und obgleich die Erde dann für eine Zeit aufhörte, der Wohnplatz Gottes zu sein, so blieb sie doch noch vor Ihm im Gedächtnis. Er wollte ihrer eingedenk sein als des Gegenstandes Seiner treuen Fürsorge gemäß Seiner Verheißung5
Daher sehen wir auch, wenn der Himmel vor unseren Blicken geöffnet wird, den Bogen den Thron umringen (Off 4). Ferner zeigt er sich, wenn der Herr zur sofortigen und unmittelbaren Ausführung des Gerichts erscheint. In Offenbarung 10 sehen wir einen starken Engel, den göttlichen Vollstrecker des Tages des Herrn, herniederkommen auf die Erde, bekleidet mit einer Wolke, dem Symbol des Gerichts und dem schrecklichen Gefäß der Rache. Aber auf Seinem Haupte glänzt der Regenbogen, und das zeigt uns, daß Gott bis zum Ende hin Seiner Verheißung betreffs der Erde gedenkt. Die Wolke muß allerdings herabkommen — „sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels". Das Gericht muß stattfinden. Die Bücher müssen aufgetan und die Schalen ausgegossen werden, aber es geschieht nur, um diejenigen aus dem Reich zu entfernen, welche lästern, „um die zu verderben, welche die Erde verderben". Wenn die Wolke ihren Auftrag ausführt, muß sie auf das Geheiß des Bogens innehalten. Der Tag des Herrn, oder das Gericht, muß der Gegenwart des Herrn, oder der Erquickung und Wiederherstellung, Platz machen. „Es wird keine Frist mehr sein", mag der starke Engel rufen. Der gegenwärtige Zeitlauf mag wieder unterbrochen werden, wie einst in den Tagen Noahs, aber vor den Augen des Herrn glänzt der Bogen so herrlich wie je zuvor, und in Seinem Herzen lebt Seine Verheißung. Wie Israel um der Väter willen, so ist die Erde noch geliebt um Noahs willen, jenes wahren Noah, in dem (und in dem allein) alle Verheißungen Gottes Ja und Amen sind, und von dem in Seiner ganzen Fülle und Wahrheit gesagt werden wird: „Dieser wird uns trösten über unsere Arbeit und über die Mühe unserer Hände wegen des Erdbodens, den Jehova verflucht hat".
Unsere Erde wird daher das Gericht überdauern. Sie wird den Stoß des Herniederkommens des starken Engels aushalten, obgleich er mit einer Wolke bekleidet ist und seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde setzt und mit starker Stimme ruft, wie ein Löwe brüllt. Und wozu wird sie aufbewahrt? Noch zu etwas Höherem, als was der Bogen ihr verheißen hat. Sie wird nicht nur erhalten mit Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht, sondern sie wird freigemacht werden „zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes". Das ist mehr, als verheißen war. So wird das Siegel anerkannt und das Pfand eingelöst werden. Welch ein herrliches Geheimnis: Gottes Verheißung mit dem Opfer des Sohnes als Grundlage und der Gegenwart des Geistes als Zeugnis!
Und wir? Sollten wir heute solchen Offenbarungen Gottes mit derselben Ruhe gegenüberstehen, mit der sie uns gegeben werden? Oder was geziemt sich für uns? Die Königin von Scheba stand den Herrlichkeiten Salomos durchaus nicht in derselben Weise gegenüber, in der Salomo unter ihnen wohnte. Salomo war in ihrer Mitte zu Hause. Sie waren alle sein eigen. Es war seine Weisheit und sein Haus, das er gebaut hatte, die Speise seines Tisches und das Sitzen seiner Knechte. Es war sein Aufgang, auf dem er hinaufging zum Hause Jehovas. Die Königin von Scheba aber kam aus dem fernen Süden und wurde in dies alles nur hineingeführt. Passend war es, daß Salomo darin ruhte, und passend, daß sie außer sich geriet.
So sollte es auch sein mit dem Buch Gottes und dem Gläubigen. Alle die tiefen und kostbaren Geheimnisse, die der Geist darin entfaltet, sind Sein eigen, die Gedanken und Ratschlüsse des Herzens Gottes. Wir finden da keine Anstrengung, um durch die Art der Mitteilung Eindruck zu machen. Die Erzählung der Wunder der Gnade und Herrlichkeit ist ungekünstelt. Aber sollte die Seele, die in sie hineingeführt wird, ebenso unbewegt sein? Im Gegenteil! sie sollte noch viel mehr in Entzücken geraten als jene, die von den äußersten Enden der Erde kam, „denn mehr als Salomo ist hier".
Möchten wir mehr von diesem Entzücken kennen! Wir reden gar zu leicht von den Dingen Gottes in einer Weise, als ob nicht mehr Kostbarkeit darin enthalten wäre, als das, was unsere Herzen davon zu erfassen vermögen. Aber wenn vor unseren erstaunten Blicken ein Geheimnis nach dem anderen aus der Weisheit Dessen, Der größer ist als Salomo, hervorkommt, dann sollte wahrlich auch die Sprache unserer Herzen sein: „Glückselig sind deine Leute, glückselig diese deine Knechte, die beständig vor dir stehen, die deine Weisheit hören!"
4
Reich ausgestattet, gesegnet und geehrt, unterrichtet und zum Herrscher eingesetzt, und bei alledem in Ruhe und Sicherheit, so wurde Noah in die neue Welt eingeführt. Nichts Böses war ringsumher zu erblicken, kein Feind war zu sehen. Eine neue Probe des Menschen unter neuen Umständen begann, und wie bei Adam in Eden, so war auch hier von Gottes Seite nichts unterlassen worden. Alles war in Ordnung. Aber wie steht es mit dem Menschen? Wenn Adam vor der Zeit Noahs fehlte und den Garten verlor, wenn Israel nach ihm fehlte und das Land von Milch und Honig einbüßte, so mag wohl auch zu Noah gesagt werden: „Liebst du mich mehr als diese?" In Christo und in Ihm allein ist unfehlbare Treue und Stärke. Noah fehlt, wie die übrigen, und der jungfräuliche Boden der neuen Welt wird wiederum schnell besudelt durch den Fuß des ersten Menschen, der ihn betritt. „Und Noah fing an ein Ackersmann zu werden und pflanzte einen Weinberg. Und er trank von dem Weine und ward trunken, und er entblößte sich in seinem Zelte".
So wurde Noah zuschanden. Gerade der erste Mensch, der Adam des neuen Systems, beginnt die Geschichte des zweiten Abfalls, so wie sein Vorfahr die des ersten begonnen hatte, und schnell nimmt das Böse zu. Ham freut sich über die Schande seines Vaters. „Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und berichtete es seinen beiden Brüdern draußen".
Das war ein schrecklicher Fortschritt im Bösen. Es war nicht nur ein „Übereiltwerden von einem Fehltritt", sondern ein „Wohlgefallenfinden an der Ungerechtigkeit". Das natürlichsittliche Gefühl wendet sich mit Abscheu davon ab. Sem und Japhet „nahmen ein Gewand und legten es beide auf ihre Schultern und gingen rücklings und bedeckten die Blöße ihres Vaters". Noah erwacht von seinem Wein. Er, der übereilt worden war, kommt wieder zu sich selbst, wird wiederhergestellt, und die Gnade Gottes gibt ihm einen großen und herrlichen Triumph: der Wiederhergestellte richtet seinen Richter und verurteilt seinen Ankläger. Er sagt: „Verflucht sei Kanaan! ein Knecht der Knechte sei er seinen Brüdern!" Das war mehr als Wiederherstellung. Selbst das herrliche Wort des Apostels: „Wer wird wider Gottes Auserwählte Anklage erheben?" drückt das nicht aus, denn in diesem Wort liegt nur das Verstummen des Anklägers, während hier die Anklage auf den Kläger zurückgeworfen wird. „Freue dich nicht über mich, meine Feindin! denn bin ich gefallen, so stehe ich wieder auf . . . Und meine Feindin soll es sehen, und Scham soll sie bedecken, . . . nun wird sie zertreten werden wie Straßenkot" (Micha 7,8-10).
Doch laßt uns einen Augenblick das Gemälde betrachten, das der Geist der Prophezeiung vor uns entrollt.
Der Fluch über Kanaan ist nur ein Teil der Prophezeiung Noahs. Noah sah im Geiste von der erneuerten Erde in die Zukunft hinaus. Er sah die Rückkehr des Verderbens und der Gewalttat vorher, aber auch daß die Gnade Gottes in deren
Mitte ein Zeugnis aufrechterhalten würde. Er sah, daß der eine Zweig (Sem) der menschlichen Familie, welche die Erde jetzt wieder bevölkern sollte, ausgezeichnet werden würde durch die Offenbarung und Gegenwart Gottes unter ihnen, der andere (Japhet) durch seinen Erfolg und sein Emporkommen in der Welt, — ein Volk, das sich auf der Erde ausbreiten und berühmt werden würde —, und der dritte (Ham) durch das beständige und unveränderliche Zeichen der Erniedrigung und Knechtschaft. Seine Prophezeiung betrachtete sozusagen den Asiaten, den Europäer und den Afrikaner, oder den Hebräer im Osten, bei dem das Heiligtum Gottes sein sollte, den Heiden des Westens, der unter der Hand und der Vorsehung Gottes sich weit über seine Grenzen hinaus ausdehnen sollte, und den Sklaven des Südens, der wohl einen Wechsel seiner Herren kennen, aber selbst stets ein Sklave bleiben sollte.
So kurz diese Schilderung der Geschichte der Welt auch sein mag, so ist sie doch durchaus richtig und, soweit sie geht, vollständig und der Absicht des Geistes in Noah entsprechend.
Die drei Prophezeiungen, die wir in den frühesten Zeiten der menschlichen Geschichte finden, die von Henoch, von Lamech und von Noah, beschäftigen sich also alle mit der Erde und ihrer Geschichte, obgleich sie sich auf verschiedene Zeiten und Teile dieser Geschichte beziehen mögen, und sie geben zusammen ein vollständiges Bild des Ganzen. Wir müssen sie jedoch in dieser Reihenfolge betrachten: Noah, Henoch, Lamech.
Noahs Prophezeiung hat von alters her ihre Erfüllung gefunden und bestätigt sich heute noch in all den Veränderungen, die es in der ernsten und interessanten Geschichte der Welt gibt. Henochs Prophezeiung (Jud 14-15) redet von Gericht und wird ihre volle Erfüllung finden, wenn der gegenwärtige Zeitlauf zu Ende geht und der Tag des Herrn kommt, um die Gottlosen „von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben", zu überführen. Lamechs Prophezeiung (1Mo 5,29) redet von Ruhe und wird erst dann erfüllt werden, wenn „der Tag des Herrn" das Gericht ausgeführt hat, und „die Gegenwart des Herrn" Wiederherstellung und Erquickung bringen wird.
Es wird uns also in diesen Prophezeiungen die Gegenwart und Zukunft der Weltgeschichte — das Gute und Böse der Gegenwart sowie das Gericht und die Herrlichkeit der Zukunft — geschildert, und es ist nicht schwer, diese Dinge zu unterscheiden und die Reihenfolge und den Charakter jener früheren patriarchalischen Weissagungen zu verstehen.
Die Prophezeiung Noahs möchte ich jedoch noch etwas genauer betrachten, da wir uns hier hauptsächlich mit dieser beschäftigen. Sie wurde bei der Entdeckung des Bösen in seinem Sohne Ham ausgesprochen, und bevor wir diese Kapitel verlassen, wird der weitere Verlauf des Bösen bis zu seiner völligen Reife ausführlich beschrieben. Die erste Erscheinung des Bösen in Noah selbst und seine vorgeschrittene Form in Ham haben wir bereits betrachtet. Sein weiteres Wachstum erblicken wir in der Erbauung Babels, einige hundert Jahre nach der Flut, und zwar in einer wahrhaft erschreckenden Weise.
Beim Beginn der neuen Welt war der Altar Noahs als Zeichen des Glaubens und der Anbetung errichtet worden, aber jetzt werden die Stadt und der Turm erbaut, als Zeichen des Trotzes gegen Gott und der anmaßenden Unabhängigkeit des
Menschen. Und so verschieden diese beiden Dinge sind, so verschieden ist auch die Antwort des Himmels auf sie. Der Altar Noahs rief Worte und Zeichen des Friedens und der Sicherheit hervor. Das Geschrei der Stadt und das Erbauen des
Turmes rufen das Gericht herab. Verderben auf Erden und Rache von oben bezeichnen jetzt die Szene, statt wie damals, Anbetung hier auf Erden und Segen von Gott. Bei Noah ließ Gott das glänzende Zeichen Seines Bundes in den Wolken erscheinen, aber jetzt zerstreut Er die Gegenstände Seines gerechten Zornes über die ganze Erde.
Doch das ist noch nicht alles. Der hohe und stolze Turm mag umgestürzt, und die Erbauer mögen zerstreut werden, aber ihre Grundsätze bleiben bestehen. Das Gericht bessert den Menschen nicht. Der ganze Geist des Abfalls, der jene stolze und aufrührerische Vereinigung beseelt hatte, findet sich sehr bald in vollkommener Tätigkeit und Darstellung in einem einzelnen Menschen vereinigt. Nicht lange nach der Zerstreuung (es mögen ungefähr 30 Jahre sein) pflanzt Nimrod, der Enkel Hams, sein Zeichen gerade an der Stelle auf, die Zeugin des Gerichts Gottes gewesen war. „Der Anfang seines Reiches war Babel" (1Mo 10,10). Er entrollt sein Banner angesichts Dessen, Dem allein die Rache gehört, und ruft gleichsam: Wo ist der Gott des Gerichts? Er war wie der Tor in Psalm 14: „Der Tor spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott". „Er fing an, ein Gewaltiger zu sein auf der Erde". Er jagte „vor Jehova".
Gott zum Trotz trachtete er nach weltlicher Macht und Erweiterung seines Reiches. Er fügte Haus zu Haus und Feld zu Feld in dem Streben, allein Herr zu sein. Erek und Akkad und Kalne sind Mutterstädte, und das mächtige Ninive mit Rechoboth und Kalach und die große Stadt Resen sind nur Tochterstädte in dem Reiche dieses prahlerischen Abtrünnigen. Er hatte kein Herz für das, was Gott ihm geben konnte. Er unternahm es, selbst für sich zu sorgen, sein Glück selbst zu machen, um sich dann auch selbst allen Erfolg und alle Ehre zuschreiben zu können. Und gerade so ist der Mensch der Welt heutzutage. Sein Verstand und sein Fleiß, seine Geschicklichkeit und sein Mut machen ihn zu dem, was er ist, und verschaffen ihm das, wonach er strebt. So war Nimrod, dieser große Abtrünnige, das früheste Vorbild jenes Gesetzlosen, der am Ende der Tage seinen eigenen Willen tun und das Maß der Ungerechtigkeit des Menschen voll machen wird.
Wie wichtig ist es für unsere Seelen, das alles zu betrachten und darauf zu achten! Warten wir auf andere und reinere Dinge, und trachten unsere Herzen nach solchen Genüssen, die Gott gutheißen und Jesus mit uns teilen kann?
Hiermit schließt eigentlich der vorliegende Abschnitt. Die Szenen einer bösen und stolzen Empörung sind an unserem Auge vorübergegangen, und das 10. Kapitel endigt mit einem schwachen und entfernten Blick auf die Berufung eines anderen himmlischen und von der Welt getrennten Fremdlings. Aber das ist die Dämmerung eines neuen Tages, der Anbruch eines anderen Abschnitts der Wege Gottes, den wir hier nur in der Entfernung erblicken.
Wie schon früher bemerkt, schließt mit 1Mo 11 der zweite Teil des ersten Buches Mose. Er stellt eine vollständige abgeschlossene Handlung dar, die in passender Weise der vorhergehenden folgt und ebenso die folgende einleitet. In diesem Abschnitt (1Mo 6-11) ist der Schauplatz der Handlung auf die Erde verlegt. Vorher, in 1Mo 1-5, stand die himmlische Familie vor unseren Augen, und ihr Lauf endete mit der Entrückung Henochs. Aber hier ist, wie im Anfang im Garten Eden, die Erde wieder der Hauptgegenstand, und ich möchte, bevor wir schließen, den Inhalt dieses kleinen Bandes noch einmal kurz zusammenfassen.
Die Kapitel 1Mo 6-8 stellen die Sünde und das Gericht der Erde vor, sowie die Erwählung, den Glauben und die Befreiung der Heiligen.
Kapitel 9 zeigt uns die neue Stellung des Menschen in der neuen Welt, wie er in ihr ausgestattet und bereichert wird von dem Gott des Himmels und der Erde und wie dieser Gott ihn in der Gnade des Bundes sicherstellt und zum Vertreter und Vollstrecker der göttlichen Autorität macht.
Die Kapitel 1Mo 10-11 endlich enthüllen vor unseren Blicken große Teile der Geschichte der neuen Welt, den Beginn, den Fortschritt und die Reife des Bösen, wodurch die Erde aufs neue in einen solchen Zustand gebracht wird, daß der Herr Sich zum zweiten Male zurückziehen muß und wieder ein Volk absondert, damit es, wie die Heiligen vor der Flut, auf der Erde ein Volk von himmlischen Fremdlingen bilde.
Himmel und Erde haben so wiederholt das Geheimnis zum voraus dargestellt, das sie in den kommenden Tagen, den Tagen der Herrlichkeit, entfalten werden, wenn „in dem Namen Jesu jedes Knie sich beugen wird, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekennen wird, daß Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters" (Phil 2,10.11). „Das Land soll nicht für immer verkauft werden", sagt der Herr, „denn mein ist das Land" (3Mo 25,23). Dem Menschen ist eine bestimmte Anzahl von Jahren eingeräumt, während derer es in seine Macht gestellt ist, die göttliche Ordnung zu stören. Neunundvierzig Jahre durfte in Israel das Land verkauft werden, aber im fünfzigsten Jahre machte Gott Sein Recht geltend und stellte alles nach Seinen eigenen Gedanken wieder her. Es gab eine Zeit der Erfrischung und Wiederherstellung, als ob Er Selbst gegenwärtig wäre. — Welch eine herrliche und glückselige Hoffnung! „Jehovas ist die Erde und ihre Fülle", heißt es im Anfang von Psalm 24, und dann folgt die Frage: „Wer wird steigen auf den Berg Jehovas?" das heißt: wer wird die Regierung dieser Erde und ihrer Fülle übernehmen? Die Antwort findet sich in der Aufforderung in Ps 24,7: „Erhebet, ihr Tore, eure Häupter, und erhebt euch, ewige Pforten, daß einziehe der König der Herrlichkeit! Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Jehova, stark und mächtig! Jehova, mächtig im Kampf!" Einem ähnlichen Ausruf begegnen wir in Off 5. Auf die Frage: „Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu brechen?" erfolgt die Antwort: „das Lamm, das geschlachtet ist, der Löwe aus dem Stamme
Juda". Der, der auf dem Throne sitzt, gibt diese Antwort dadurch, daß Er das Buch aus Seiner Hand in die Hand des Lammes übergehen läßt. Die vier lebendigen Wesen und die gekrönten Ältesten vereinigen sich mit dieser Antwort in dem neuen Liede, das mit der Aussicht auf ihre Herrschaft über die Erde endet. Die himmlischen Heerscharen schließen sich ebenfalls dieser Antwort an, indem sie alle Stärke und Ehre und Herrlichkeit dem Lamme darbringen, und jedes Geschöpf, das im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und in den Meeren ist, beeilt sich, in seiner Ordnung und nach seinem Maße die nämliche Antwort auszusprechen. Das Recht des Lammes, die Herrschaft auf der Erde zu übernehmen, wird also gerade an dem Platze anerkannt und bestätigt, wo allein alle Herrschaft und Würde rechtmäßig bestätigt werden kann: in der Gegenwart des Thrones im Himmel.
Der hochgeborene Mann ist in ein fernes Land gezogen, tun ein Reich für Sich Selbst zu empfangen. Jesus, Der alle Macht von Seiten des Gottes dieser Welt (Mt 4) und von Seiten der Volksmenge (Joh 6) zurückwies, nimmt sie von Gott an, wie Er in Psalm 62 sagt: „Auf Gott ruht mein Heil und meine Herrlichkeit". Und zur rechten Zeit wird Er zurückkehren, und die, die Ihn in den Tagen Seiner Verwerfung anerkannt haben, werden mit Ihm glänzen an dem Tage Seiner Herrlichkeit. Die, welche Ihm hienieden gedient haben, werden dann einen anderen Platz mit Ihm einnehmen.
Im Blick auf diesen Tag sagt Paulus zu Timotheus: „Ich gebiete dir von Gott . . ., daß du das Gebot unbefleckt, unsträflich bewahrst bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, welche zu seiner Zeit zeigen wird der selige und alleinige
Machthaber, der König der Könige und Herr der Herren".
Und in derselben Voraussicht konnte der teure Apostel von sich selbst sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung liebhaben" (1Tim 5,14.15; 2Tim 4,7.8).
3Vergleiche das Kapitel „Die Welt vor der Flut" S. 17 ff.↩︎
4 In Noah wurde der Grundsatz der Regierung dargestellt wie Adam der Vertreter der Schöpfung war.↩︎
5 So verhält es sich auch mit dem Thron Davids. Er liegt gegenwärtig in Trümmern. Aber der Herr gedenkt Seiner Verheißung in Bezug auf ihn, wie der Verheißung betreffs der Erde. In Jer 33,20-26 finden wir diese beiden
Verheißungen und Bündnisse miteinander verbunden. Obgleich jetzt mißachtet und von den Bösen bespöttelt, sind diese Verheißungen doch noch im Gedächt= nis Gottes, und sie werden zu ihrer Zeit in Erfüllung gehen.↩︎