Schriften von John Gifford Bellett
Heb 1-13 - Die geöffneten Himmel
Heb 1-2 - Die geöffneten HimmelHeb 1-2 - Die geöffneten Himmel
Im Hebräerbrief tritt uns in besonderer Weise die Eigenart der Heiligen Schrift vor Augen, daß man sie in verschiedenem Licht lesen und von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten kann, ohne daß jedoch ein Lichtstrahl den anderen beeinträchtigt. Man könnte z.B. beim Lesen dieses Briefes ohne Schwierigkeit von sechs oder sieben verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen. Heute möchte ich mich in besonderer Weise mit den ersten beiden Kapiteln beschäftigen. In ihnen öffnen sich uns die Himmel, wie sie jetzt sind. Wie gesegnet ist es für das Herz, sich mit einem solchen Thema beschäftigen zu dürfen!
Wenn wir unsere Blicke emporrichten, so sehen wir über uns die sichtbaren Himmel; doch das, was wir sehen, sind nur die äußeren Himmel. Der Brief macht uns mit den inneren Himmeln bekannt, und zwar nicht ihrem physisch-natürlichen, sondern ihrem geistlich-sittlichen Charakter nach. Er führt uns in die Herrlichkeiten ein, die den Herrn Jesus umgeben und die mit Ihm in Verbindung stehen als Dem, der jetzt in die Himmel aufgenommen ist. Wir werden auf diese Weise befähigt, die Himmel zu erblicken, in denen Er Sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, sowie zu sehen, was Seine Tätigkeit dort ist und was auf jene Himmel folgen wird. Als der Herr Jesus hier war, öffneten sich, wie wir in Matthäus 3 lesen, die Himmel, um auf Ihn herniederzuschauen. Es befand sich zu jener Zeit ein Gegenstand auf der Erde, der würdig war, die Aufmerksamkeit des Himmels auf sich zu lenken. Und als Er zurückkehrte, wurde den Himmeln ein Gegenstand zuteil, den sie nie zuvor gekannt hatten, nämlich ein verherrlichter Mensch. Und nun ist es der Zweck dieses Briefes, uns die Himmel als den Platz dieses verherrlichten Menschen zu zeigen. Während wir also in Matthäus 3 die Himmel geöffnet sehen, um auf Christus hier herabzuschauen, öffnen sich in dem Brief an die Hebräer die Himmel, damit wir unsere Blicke auf Christus droben richten können.
Aber, wird man vielleicht fragen, ist das die ganze Geschichte des Himmels? Hört sie damit auf? Keineswegs. In den Kapiteln 4 und 5 der Offenbarung werden uns die Himmel vorgestellt, wie sie sich zum Gericht der Erde vorbereiten. Dann, am Schluß des Buches, finden wir die Himmel als den Wohnort nicht nur des verherrlichten Menschen, sondern auch der verherrlichten Kirche. Welch ein Buch ist es doch, das uns derartige Geheimnisse vorstellen kann! Es ist gleichsam eine göttliche Bibliothek. Da nimmt man einen Band zur Hand und liest etwas über die Himmel; man nimmt einen zweiten Band und liest von dem Menschen in seinem verderbten Zustand; man nimmt einen dritten und liest von Gott in Seiner Gnade, und so fort, in herrlicher, wunderbarer Vielfalt.
Betrachten wir jetzt die Kapitel 1 und 2 etwas näher. Da lesen wir: „Welcher, . . . nachdem er durch sich selbst die Reinigung der Sünden bewirkt, sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe”. Diese Worte bestätigen, was ich gerade sagte, daß nämlich dieser Brief uns die Himmel öffnen will. Der Herr ist hier auf der Erde gewesen und hat die Reinigung unserer Sünden bewirkt, und Er ist wieder hinaufgestiegen, um jetzt die Himmel als Der, der uns von useren Sünden gereinigt hat, einzunehmen. Wie unvergleichlich schön ist das! Angenommen, ich wäre in einem fernen Land gewesen, so könnte ich dir das vielleicht mit solch herrlichen Farben schildern, daß du mit Entzücken und dem sehnlichen Verlangen erfüllt würdest, dieses schöne Land auch einmal besuchen zu können. Wenn aber der Heilige Geist kommt und uns die fernen Himmel zeigt, so tut Er weit mehr als das: Er zeigt uns, daß unsere Interessen mit dem Himmel verknüpft sind und daß sie dort in jeder Weise wahrgenommen werden. Unser Stellvertreter nimmt droben den höchsten Platz ein und Er befindet sich dort gerade in dieser Eigenschaft. Wäre es möglich, mit jenem Ort in innigerer Verbindung zu stehen, als es der Fall ist? Man muß sich nur wundern, daß wir nicht alle mehr bereitstehen, so rasch wie möglich dorthin zu kommen. Welch ein Gedanke, daß unser hochgelobter Herr gerade deshalb, weil Er herniederkam, um für uns eines qualvollen Todes zu sterben, jetzt dort Seinen Platz hat und mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt ist! Ich wage zu behaupten, daß wir unmöglich ein höheres Interesse an dem Himmel haben könnten, als Gott es uns gegeben hat.
In Vers 4 sehen wir dann weiter, daß Christus Sich nicht nur als der, der uns von unseren Sünden gereinigt hat, droben befindet, sondern auch als wirklicher Mensch, und über die himmlischen Heerscharen gesetzt ist. Wir haben schon gesehen, welch ein Interesse wir an Ihm haben als dem, der uns von unseren Sünden gereinigt hat und reinigt. Nun macht uns dieses Kapitel mit Ihm bekannt als dem Sohn des Menschen, der über die Engel erhöht ist. Ein Mensch ist vorzüglicher erfunden worden als die Engel! Die menschliche Natur ist in der Person Christi erhöht worden über die Natur der Engel, und sei es selbst die eines Michael oder Gabriel. Das ganze Kapitel 1 befaßt sich also damit, uns Christus in der Herrlichkeit von zwei Gesichtspunkten aus zu zeigen. Wie wunderbar sind diese beiden Geheimnisse! Der, der die Reinigung unserer Sünden gemacht hat, und der wahrhaftiger Mensch ist, so völlig Mensch, wie wir es sind, sitzt zur Rechten der Majestät in der Höhe!
Die ersten vier Verse von Kapitel 2 betrachte ich als einen Zwischensatz. Freust du dich nicht auch über solche Zwischensätze? Der Heilige Geist redet so natürlich, wie wir Menschen miteinander reden würden. Wir sehen Freunde, die sich miteinander unterhalten, für einen Augenblick beiseite gehen, um eine persönliche Angelegenheit zu besprechen. Ähnlich macht es der Apostel hier. Er sagt gleichsam: „Ich belehre euch über wunderbare Dinge. Seht zu, daß sie bei euch nicht auf gleichgültige Ohren treffen!” Es genügt also nicht, daß wir nur Schüler sind; wir müssen gelehrige Schüler sein. Sind wir Jünger eines lebendigen Meisters in der Schule Gottes, so müssen auch unsere Gewissen in Übung kommen, während wir unsere Lektion lernen; und das ist es, was der Apostel hier bezweckt. Dieser Zwischenatz ist deshalb für das Ohr sehr wohltuend.
Doch obwohl die genannten Verse einen Zwischensatz bilden, eröffnen sie uns doch wieder eine neue Herrlichkeit. Wie ist das Feld der Heiligen Schrift doch so reich an kostbaren Früchten! Es ist nicht wie ein Acker, der trotz fleißiger Bearbeitung nur kärgliche Frucht bringt. Jener Zwischensatz enthält, wie gesagt, eine weitere Herrlichkeit Christi. Eigentlich sollten wir diese Ermahnung gar nicht nötig haben. Christus ist droben als ein Apostel, mein Apostel. Was bedeutet das? Er predigt mir. Gott redete ehemals durch die Propheten, jetzt hat Er zu uns geredet in dem Sohn und durch den Sohn. Christus im Himmel ist der Apostel des Christentums. Und was ist das Thema Seiner Predigt? Die Errettung, die Er als der, der uns von unseren Sünden gereinigt hat, bewirkt hat; und diese verkündigt Er uns als der Apostel unseres Bekenntnisses. Ahnen wir, wie reich der Himmel für uns ausgestattet ist?
Vers 5 nimmt dann wieder das Thema des ersten Kapitels auf. Die Herrlichkeiten Christi überragen die der Engel. „Denn nicht Engeln hat er unterworfen den zukünftigen Erdkreis, von welchem wir reden.” Was ist der „zukünftige Erdkreis”? Es ist das Tausendjährige Reich, von dem wir in Psalm 8 lesen. Wir haben hier drei Stufen in der Stellung des Sohnes des Menschen: „Ein wenig unter die Engel erniedrigt”; dann: „mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt”, und schließlich: „über die Werke der Hände Gottes gesetzt”. Der zukünftige Erdkreis ist also nicht Engeln, sondern dem Sohn des Menschen unterworfen. Findest du nicht, daß du ein Interesse an diesem verherrlichten Menschen hast? Ich sagte vorhin, daß, wenn ich in einem fernen Land gewesen wäre und dir seine Naturschönheiten beschrieben hätte, du sie auch gern sehen würdest. Dieser Brief zeigt dir aber, daß du ein persönliches Interesse an diesen Herrlichkeiten hast. Ja, ich möchte fragen: Gibt es einen einzigen Punkt auf dem Weg des Sohnes des Menschen, an dem du kein Interesse hättest? Der Apostel verfolgt hier diesen wunderbaren Weg unseres Herrn. - Noch einmal: der Hebräerbrief stellt dir die fernen Himmel vor Augen, zeigt dir die Herrlichkeiten, die mit Christus in Verbindung stehen, und läßt dich wissen, daß du ein persönliches Interesse an diesen Herrlichkeiten hast.
In Vers 10 kommt ein neuer Gedanke vor uns. „Es geziemte Ihm, um deswillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte, den Anführer ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen.” Laßt uns hierbei einen Augenblick verweilen. Es entsprach der Herrlichkeit Gottes, uns einen vollkommenen Erretter zu geben. Glaubst du das? Besitzt du Jesus so, daß du nie in Versuchung bist, auch nur für einen einzigen Augenblick von Ihm wegzublicken? Wir besitzen eine unanfechtbare, unfehlbare Errettung, eine .Errettung, die dem Ansturm jedes kommenden Tages gewachsen ist.
Von Vers 11 an sehen wir weiter, welches Interesse wir an dem verherrlichten Menschen haben. „Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem; um welcher Ursache willen er sich nicht schämt, sie Brüder zu nennen”. Er schämt Sich nicht! Verkünde es laut, damit Erde und Himmel es hören! Dieser verherrlichte Mensch hat Brüder, und diese sind die Auserwählten Gottes. Er „schämt sich nicht”, sie Brüder zu nennen, nicht nur wegen Seiner Gnade, sondern auch wegen ihrer persönlichen Würde. Er hat uns berufen, Seinen Thron mit Ihm zu teilen. Sollte Er Sich Seines eigenen Tuns schämen, der Beziehungen, in die Er Selbst uns zu Sich gebracht hat? Gib nicht niederen, kalten Gedanken Raum, wenn du die Heilige Schrift liest! Unsere Gedanken über Christus sollten dergestalt sein, daß sie unseren alten Menschen gefangen nehmen und uns wie auf Adlers Flügeln emportragen zu Ihm hin. „Inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen”, heißt es weiter in Vers 12. Christus stimmt den Lobgesang der Erlösten an und leitet ihn und schämt Sich nicht, in ihrer Mitte gefunden zu werden! „Und wiederum: „Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen.” Das hat Er getan, als Er hinieden war, und wir tun es jetzt. „Und wiederum: „Siehe, ich und die Kinder, die Gott mir gegeben hat.” Verstehst du jetzt, wo unser Interesse an dem verherrlichten Menschen liegt?
Wir kehren jetzt zu dem zurück, was Christus in Seiner Erniedrigung war, indem wir lesen: „Er nimmt sich fürwahr nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt er sich an”. Er ließ die Engel da, wo Er sie fand. Die Engel zeichnen sich aus durch Kraft. Sie bewahrten ihren ersten Zustand, und Er ließ sie dort. Der Mensch zeichnete sich durch Bosheit aus, und Er kam und knüpfte ein Band zwischen Sich und dem Menschen.
Vers 17 stellt uns eine weitere Herrlichkeit vor Augen, die Christus in den Himmeln eigen ist. Wir erblicken Ihn als unseren Hohenpriester, als Den, der die Sühnung unserer Sünden zuwege gebracht hat und der nun denen zu helfen bereit ist, die versucht werden. Dieser Brief enthält eine Fülle göttlicher Herrlichkeiten. Er ist wie massives Gold; er setzt sich aus lauter Herrlichkeiten zusammen und ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, schwer an göttlichen Gedanken, die sich auf dem engen Raum so dicht wie möglich zusammendrängen.