Schriften von John Gifford Bellett
Heb 2,8 - „Alles hast du seinen Füßen unterworfen“Heb 2,8 - „Alles hast du seinen Füßen unterworfen“
Wenn wir unseren Blick auf das Lukasevangelium richten, so entdecken wir sofort die innige und enge Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Mängel und Gebrechen der Menschen öffnen die Tür des Himmels, die, einmal geöffnet, sich nicht wieder schließt.
Zacharias und Elisabeth waren beide vor Gott gerecht, indem sie in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig wandelten (Lk 1,5.6). Sie waren aus priesterlichem Geschlecht, aus dem Samen Aarons. Doch nicht wegen ihrer Gerechtigkeit, sondern wegen ihrer Mängel und Gebrechen öffnete sich der Himmel. Elisabeth war unfruchtbar, und beide waren in ihren Tagen weit vorgerückt (V.7). Aber gerade in ihrem Kummer und in ihrer Schwachheit lag ihr eigentlicher Segen. Denn zu der unfruchtbaren Frau und zu dem kinderlosen Mann kommt der Engel Gabriel mit einer Verheißung aus dem Himmel. Der Himmel ist geöffnet und es zeigen sich die Engel in voller Tätigkeit und Freude. Ob es im Tempel, in der Königsstadt, oder in einem abgelegenen Dorf des verachteten Galiläa ist, es besteht kein Unterschied. Gabriel besucht alle diese Plätze mit derselben Bereitwilligkeit. Die Herrlichkeit Gottes erfüllt die Fluren Bethlehems genauso wie die Heerscharen der Engel. Der Heilige Geist erfüllt mit göttlichem Licht und göttlicher Kraft seine auserwählten Gefäße; und der Sohn selbst nimmt Fleisch und Blut an. Himmel und Erde sind also einander sehr nahegebracht. Die Tätigkeit und Freude, die dort oben ihren Anfang genommen haben, werden auf der Erde gefühlt und beantwortet. Die Hirten, die bevorzugten Frauen, der alte Priester und das noch nicht geborene Kind Johannes der Täufer nehmen gemeinsam Anteil an der heiligen Entzückung des Augenblicks. Und wie innig ist die Gemeinschaft zwischen Himmel und Erde! Der Engel nennt Zacharias und Maria mit Namen und redet mit ihnen über Elisabeth. Das Herz versteht diese Sprache. Sicher würden wir dem Herrn für dieses alles mehr danken. wenn wir einfältiger und in lebendigerem Glauben in dem Bewusstsein der Wirklichkeit und der Nähe des Himmels wandeln würden.
Jakob sah einst den geöffneten Himmel. Er sah eine Leiter, deren Spitze an den Himmel reichte, während das andere Ende auf dem Platz stand, wo er am Boden lag (1Mo 28,12) . Es war ein elender und unheiliger Platz, der Zeuge seiner Sünde und seines Unglücks; aber die Leiter stand an diesem Platz, und die Stimme des HFRRN, der dort oben in seiner Herrlichkeit stand. redete mit Jakob von Segnungen, von Sicherheit, von Führung und von dem Erbteil, das auf ihn wartete.
Ebenso sah Stephanus den Himmel geöffnet und die Herrlichkeit offenbart. Er sah aber auch den Sohn des Menschen stehend zur Rechten Gottes. Was einst die Leiter dem Erzvater Jakob ankündigte, das wurde dem Märtyrer Stephanus durch diese Erscheinung gezeigt, nämlich, dass er und die Umstände, in denen er sich befand, in demselben Augenblick erkannt und mit Anteilnahme im Himmel betrachtet wurden.
Und so ist es auch jetzt. Die Zeit macht keinen Unterschied. Der Glaube schaut jetzt denselben geöffneten Himmel an und erkennt, dass zwischen dem Himmel und unseren Umständen Gemeinschaft ist. Für das Auge des Glaubens gibt es eine Leiter, und der Himmel ist offen. Der „Mensch Christus Jesus“, der Mittler des neuen Bundes, der Sachwalter bei dem Vater, der Hohepriester, der Mitleiden hat und der uns bis in die Räume der Herrlichkeit vorangegangen ist, wird auf ihrer Spitze geschaut!
Doch das ist noch nicht alles. Der Glaube beugt sich noch vor einem anderen Geheimnis im Himmel. Er weiß, dass der Herr, indem Er seinen Platz im Himmel in solch einem gnadenreichen Charakter eingenommen hat, dieses auch als der tut, der von den Menschen verachtet und verworfen wurde. Sicher starb der Herr Jesus unter der Hand Gottes,’ seine Seele ist zu einem Opfer für die Sünde gemacht. „Dem HERR gefiel es, ihn zu zerschlagen“ (Jes 53,10). Seine Auferstehung aber zeugte von der Annahme seines Opfers bei Gott. Und in diesem Charakter fuhr Er auf zum Himmel, um dort dem Vorsatz in Gnade weiter dienstbar zu sein, der mit solch einem Sterben und Auferstehen verbunden ist. — Doch starb der Herr auch unter der Hand der Menschen, das will sagen: Die Bosheit der Menschen hat ebenso Anteil an seinem Tod wie die Gnade Gottes. Einst von den Ackerbauern weggeschickt, von der Welt gehasst und verworfen, wurde Er schließlich gekreuzigt und getötet. Ebenso ist auch seine Auferstehung der Beweis von dem bevorstehenden Gericht über diese Welt (Apg 17,31). Seine Himmelfahrt bringt lhn zu der Erwartung des einen Tages, wo seine Feinde „als Schemel seiner Füße“ hingelegt werden (Heb 1,13). Der Glaube schaut daher den zum Himmel aufgefahrenen Jesus als den Hohenpriester, der im Himmel in Gnaden unser Fürsprecher ist, und der gleichzeitig auf das Gericht seiner Feinde wartet.
Bei der Predigt des Evangeliums tritt das erste dieser Geheimnisse in den Vordergrund. Obwohl zwar stets erwähnt wird, dass der Mensch den Herrn der Herrlichkeit getötet hat, so ist doch der Tod des Herrn als des Lammes Gottes der Grund der Gnade, der in der Predigt hervorgehoben wird, während das, was die Mörderhände des Menschen vollbracht haben, kaum berührt wird. So sehr wir auch Ursache haben, uns der ersten Wahrheit zu rühmen, so ist es doch ein beklagenswerter Mangel in den Seelen der Heiligen und in dem Zeugnis der Versammlung, wenn die Tatsache, dass der Herr durch Menschenhände getötet wurde, nicht in ihrer Tragweite erkannt und behandelt wird. Im Himmel wird sie nicht vergessen werden. Das, was dort gegenwärtig geschieht, ist allerdings die Folge des Todes Jesu als des Opfers für die Sünde sowie die Folge seiner Fürbitte als Priester. Doch bald wird der durch Menschenhände bewirkte Tod des göttlichen Märtyrers, des Sohnes Gottes, den Handlungen des Himmels einen neuen Charakter verleihen.
Dieser Unterschied wird in Gottes Wort stets festgehalten. Der in Offenbarung 4 geöffnete Himmel trägt ganz andere Grundsätze und Tätigkeiten zur Schau als der Himmel, den wir im Hebräerbrief geöffnet sehen. Sie sind ebenso unterschiedlich wie die beiden Gesichtspunkte, unter denen wir den Tod betrachten müssen, nämlich entweder als geschehen durch Menschenhand, d. h. durch uns, oder durch Gottes Hand, d. h. für uns. Sowohl im Hebräerbrief als auch in der Offenbarung sehen wir einen Thron und einen Tempel im Himmel.
Es besteht jedoch ein deutlicher Unterschied. Im Hebräerbrief ist es der Thron der Gnade, in dem alle unsere gegenwärtigen Bedürfnisse ihre Behandlung finden; in der Offenbarung aber ist es der Thron des Gerichts, und zwar umringt von den Werkzeugen und Vollstrecker des Zornes und Grimmes Gottes. Im Hebräerbrief ist das Heiligtum oder der Tempel durch den Hohepriester unseres Bekenntnisses in Besitz genommen, der dort als Mittler eines besseren Bundes (Heb 8,6) in der Kraft seines eigenen kostbaren Blutes dient, während aus dem Tempel der Offenbarung schreckliche Stimmen zur Vorbereitung des Urteils hervorgehen, und Blitze, Donner und Erdbeben vernommen werden. Dieser Tempel gleicht dem, den Jesaja gesehen hat. Er ist mit Rauch gefüllt, so dass die Türschwellen beben zum Beweis, dass der Gott, dessen die Rache ist, sich dort in seiner Herrlichkeit offenbart (les 6).
Das in der Offenbarung in Betreff des Himmels dargestellte Bild ist höchst feierlich. Der Himmel ist hier der Platz der Macht, die sich zum Gericht bereitet. Die Siegel werden geöffnet, die Posaunen geblasen, die Schalen geleert; alles birgt eine schreckenerregende Heimsuchung der Erde in sich. Der dort stehende Altar ist nicht der Altar aus dem Hebräerbrief, wo das himmlische Priestertum von dem Brot des Lebens isst, sondern ein Altar, der Feuer für die Erde liefert. Auch wütet dort ein Krieg, bis sich schließlich der Himmel für Ihn öffnet, dessen Name das „Wort Gottes“, dessen Gewand in Blut getaucht ist, und der ein Schwert in seinem Mund trägt, um damit die Völker zu schlagen (Off 19,13-15).
Wahrlich, das ist der Himmel in einem ganz neuen Charakter. Die Gegenüberstellung ist sehr treffend. Es ist nicht der Himmel, der jetzt durch den Glauben angeschaut wird — ein Heiligtum des Friedens, versehen mit allen Zeugnissen und Mitteln der Gnade —, sondern ein Himmel, der uns erklärt, dass das Gericht zu seiner Zeit von dem Herrn, der jetzt in Gnade handelt, ausgeführt werden wird. Der Himmel ist jetzt der Platz der Gnade. In Offenbarung 4 wird er der Platz des Gerichts sein, bis wir am Schluss der Handlungen des ganzen Buches, in den Kapiteln 21 und 22, in den Himmel der Herrlichkeit gebracht werden.
Der Mensch muss sich mit der ernsten Wahrheit vertraut machen, dass das Gericht der Herrlichkeit vorangeht — ich rede hiervon unter Bezugnahme auf die Wege Gottes mit der Welt. Der Gläubige ist vom Tod zum Leben hinübergegangen. Für ihn gibt es kein Gericht mehr. Aber er muss wissen, dass bezüglich der Regierung Gottes über die Erde oder die Welt das Gericht der Herrlichkeit vorangeht. Das Königreich wird kommen mit dem Schwert oder der „eisernen Rute“, bevor es mit dem Zepter erscheint. Wenn der Sohn die Nationen als Untertanen annimmt, wird Er sie zuerst wie ein Töpfergefäß zerschmettern. Der Alte an Tagen sitzt auf dem von Feuerflammen umringten Thron und die Bücher sind vor Ihm geöffnet, bevor der Sohn des Menschen sich zu Ihm naht in den Wolken des Himmels, um Macht und Ansehen zu empfangen (Ps 2; Dan 6).
Dieses alles wird uns in der Heiligen Schrift deutlich vorgestellt. In Offenbarung 4 beschäftigt sich der Himmel — wenn ich mich so ausdrücken darf — mit einem neuen Gedanken und einem neuen Gegenstand. Es ist Christus als verworfen durch die Menschen, und nicht Christus als durch Gott zur Erlösung der Sünder aufgenommen. Deshalb werden Vorbereitungen getroffen, um das Böse, das der Herr Jesus hier auf der Erde erduldet hat, zu rächen und die Rechte des Herrn auf der Erde zu verteidigen. Mit anderen Worten: Gott beginnt dort, jene Handlungen und Taten zur Ausführung zu bringen, die Jesus nach dem Gericht über seine Feinde in sein Königreich einführen werden.
Der Herr Jesus beeilt sich indes nicht, in der zweiten Eigenschaft als durch die Welt Verachteter und Verworfener handelnd aufzutreten. Er hemmt sozusagen seine Schritte, bevor Er in dem Charakter der Offenbarung erscheint. Und in diesem Aufschieben der Gerichte und in diesem Verweilen auf dem Platz der Gnade erblicken wir wieder einen lieblichen Zug des Herrn, den wir durch den Glauben kennen. Wie langsam bewegte Er seine Schritte, als Er sein Urteil über Jerusalem aussprechen sollte! Ehe die Worte „euer Haus wird euch öde gelassen“ über seine Lippen kamen, hörte man Ihn sagen: „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel!“ (Mt 23,37.38). Er verweilte in den Ebenen, indem Er jede Stadt oder jedes Dorf in der Gegend in dienender Gnade besuchte, bevor Er auf dem Ölberg Platz nahm und die Gerichte und Verwüstun- gen aussprach, die über Zion kommen sollten (Mt 24,1). Von Ihm nun, der auf diese Weise so zögernd zur Gerichtsstätte schritt, steht geschrieben: „Er ist langmütig euch gegenüber, da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen“ (2Pet 3,9).
Er ist derselbe Herr, sowohl hier auf der Erde als auch dort im Himmel, obwohl die Zustände unterschiedlich sind. Die Gnade, die während seiner irdischen Laufbahn in lhm war, ist dieselbe, die nun im Himmel in Ihm ist. Wie trostreich und herrlich ist dies! Welch ein Glück, wenn wir in Wahrheit sagen können: Wir kennen Ihn! Der Glaube erkennt in Jesus im Himmel denselben, den er hier auf der Erde gekannt hat. Er, der Diener und Zeuge der Gnade Gottes bezüglich der Menschen, ist der, der einst der Träger der Feindschaft der Menschen gegen Gott war, und der sich zugleich als der Gott der Rache offenbaren wird.
Aber wir entdecken noch mehr in Ihm, und zwar in unmittelbarer Beziehung zu unserer gegenwärtigen Betrachtung. Als Er auf der Erde war, sah Er sich nach seinem Königreich um. Er zeigte sich der Tochter Zion als ihr König und als der Sohn Davids. Er erschien als der, der durch die Propheten angekündigt war, und kam, „sanftmütig und auf einer Eselin reitend“ (Mt 21,5), in die Stadt. Schon zu Anfang war sein Stern, der Stern des königlichen Bethlehemiters, im Morgenland erschienen, um die Heiden zum Thron Davids zu rufen, der in der Stadt Davids geboren war. Doch was Er damals suchte, hat Er nicht gefunden: „Die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Nichtsdestoweniger hat Er im Himmel dasselbe Verlangen nach seinem Königreich. „Ein gewisser hochgeborener Mann zog in ein fernes Land, um ein Reich für sich zu empfangen“ (Lk 19,12). Obwohl er auf dem Thron des Vaters sitzt, denkt Jesus an sein Reich, so wie Er hier auf der Erde daran dachte. Auch in diesem Charakter sind wir mit demselben Jesus in Gemeinschaft. Auf der Erde war Jesus der König Israels und hatte großes Verlangen nach seinem Reich. Dadurch jedoch, dass seine Mitbürger Ihn verwarfen, hat Er sein Königreich im Himmel empfangen. Zu seiner Zeit wird Er wiederkehren, um in der Wonne seines Herzens da zu herrschen, wo Er zu Anfang vergeblich versucht hatte, sein Reich aufzurichten. „Ich schaute in Gesichten der Nacht: Und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und wurde vor ihn gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird“ (Dan 7,13.14).
Doch wir entdecken noch mehr. Hier auf der Erde war es der Wunsch des Herrn Jesus, von seinen Jüngern gekannt zu sein. Er verlangte danach, dass sie, die armen Sünder, den Schleier, der seine Herrlichkeit verhüllte, mit ihren Blicken durchdringen würden. Auch war es seine Wonne, sich in seiner Gnade dem Glauben offenbaren zu können. Der Glaube, der, gestützt auf die Person Jesu, in seinen Erwartungen keine Grenzen kannte und Ihm mit Freimütigkeit nahte, war Ihm köstlich. Der Sünder, der sich inmitten der Verachtung der Welt an Ihn klammerte und sich Ihm direkt und allein anvertraute, war Ihm stets willkommen. Die Seele, die mit Freimütigkeit seine Gegenwart und Gemeinschaft suchte, konnte stets der Erhörung gewiss sein.
Jesus verlangte, mit seinen Auserwählten eins zu sein. Er verlangte ein vollkommenes, persönliches und bleibendes Einssein. Er wollte bei dem Vater sowohl seinen Namen und die Liebe, in welcher Er stand, mit ihnen teilen, als auch die Herrlichkeit, deren Erbe Er war. Er suchte völlige Übereinstimmung. Er hatte das Bedürfnis nach Gemeinschaft, sowohl bezüglich seiner Freude als auch seiner Leiden. Wir können unmöglich ermessen, wie schmerzlich die Enttäuschung für sein Herz war, als dieses Bedürfnis nicht befriedigen werden konnte ja, schmerzlicher noch, als jene Enttäuschung, als Er kam, um ein Königreich zu fordern, und es nicht empfing. „Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit mir zu wachen?“ (Mt 26,40) das war die Sprache eines alleingelassenen Herzens. Jesus begehrte, als Er hier auf der Erde war, seinen Thron mit den Seinen zu teilen. Er wollte nicht allein bleiben. Er wünschte, seine Ehre und Herrschaft mit seinen Auserwählten so zu teilen, wie Er verlangte, dass sie an seiner Freude und an seiner Traurigkeit teilnehmen sollten.
Nun, dieses alles findet Er in der Versammlung. Die Versammlung ist berufen, den oben angedeuteten Wünschen zu entsprechen und alles für Ihn zu sein, sei es jetzt im Heiligen Geist oder später im Königreich. Sie ist berufen, jetzt durch den Geist in seine Gedanken, in seine Liebe, in seine Freude und in seine Leiden einzutreten und anschließend in seiner Herr- lichkeit zu erscheinen und auf seinem Thron zu sitzen.
Welch ein Geheimnis! Dass die Versammlung jetzt mit dem innewohnenden Geist beschenkt und bestimmt ist, das Erbe seiner Herrschaft verherrlicht mit Ihm zu teilen, das ist die Erfüllung des innigen Wunsches des Herzens Jesu, des Sohnes Gottes. Er kam hier auf die Erde, um ein Königreich zu empfangen. Er suchte die Zuneigungen der Seinen; aber sein Volk war nicht bereit, seine Herrschaft anzuerkennen. Auch seine Jünger waren nicht fähig, jene Gemeinschaft mit Ihm zu verwirklichen. Doch jetzt empfängt der Herr ein König- reich im Himmel und später kommt Er auf die Erde, um die Herrschaft anzutreten. Jetzt hat Er bereits Gemeinschaft mit den Seinen durch den Heiligen Geist, der in ihnen wohnt; und am Tag ihrer Vollendung wird ihr Lob vollkommen sein. Das Königreich wird seine Herrlichkeit und Freude ausmachen. Es wird „die Freude des Herrn“ genannt werden; denn zu jedem Einzelnen von denen, die es mit Ihm teilen, wird gesagt werden: „Geh ein in die Freude deines Herrn“ (Mt 25,21). Doch die Einheit, in der die Versammlung sich mit Ihm befindet, wird noch köstlicher sein. Sie war hier sein höchster Wunsch und wird später sein reichster Genuss sein. Auch Eva war für Adam der größte Schatz.
Der Herr hat ein Anrecht auf sein Königreich, und zwar zunächst wegen des Bundes oder des vor Grundlegung der Welt gefassten Ratschlusses Gottes, dann aber auch, weil es Ihm persönlich von Rechts wegen gehört. Er ist der vollkommene Mensch, und darum hat Er ein Anrecht auf die ganze Schöpfung. „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis; und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt“ (1Mo 1,26). — Ferner wird Er das Reich in Besitz nehmen, weil Er in allem gehorsam war, so wie wir lesen: „... und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unter- irdischen“ (Phil 2,7-10). Auch wird Er als Folge des Anrechts, den sein Tod Ihm verleiht, das Königreich übernehmen; denn wir lesen: „... und durch ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen — indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes —, durch ihn, es seien die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln“ (Kol 1,20). Und oben am Kreuz, auf dem Er sein Werk vollbrachte, standen die in den meist bekannten Sprachen der Welt geschriebenen Worte: „Dieser ist Jesus, der König der Juden“ (Mt 27,37).
Die Herrschaft über alle Dinge gehört also von Rechts wegen dem Sohn des Menschen, kraft des ewigen Bundes, kraft seines persönlichen Anrechts, kraft der Rechte, die sein Werk, sein Gehorsam und sein Tod Ihm verliehen und — so möchte ich hinzufügen — kraft des Rechts der Überwindung. Denn die Gerichte, die seinen Weg bis zum Thron bahnen und die alle Ärgernisse aus dem Königreich entfernen müssen, werden durch seine eigene Hand zur Ausführung gebracht. „Erhebt, ihr Tore, eure Häupter, und erhebt euch, ewige Pfosten, damit der König der Herrlichkeit einziehe! Wer ist dieser König der Herrlichkeit? Der HERR, Stark und mächtig! Der HERR, mächtig im Kampf!“ (Ps 24,7.8).
Welch starke Grundlagen sind also für die Herrlichkeit des Sohnes des Menschen gelegt! Jeder Anspruch erhöht die Herrlichkeit seines Namens. Dies sehen wir auch in der Offenbarung. Niemand im Himmel oder auf der Erde kann das Buch öffnen außer dem Lamm, das geschlachtet ist — der Löwe aus Juda. Er, der auf dem Thron sitzt, überreicht es Ihm sofort. Die Versammlung in Herrlichkeit, die Engel und jedes Geschöpf in allen Teilen des großen Gebietes des Lammes Gottes rühmen seine Rechte und seine Hoheit. Und da seine Rechte durch Tausende von Zeugnissen und Wundern so sicher und erwiesen sind, wird dieses auch der Fall sein bezüglich der Macht und des Reiches, worauf sie sich gründen. In Jesus Christus, dem Sohn Gottes, sind — mögen wir Ihn als den „Herrn des Himmels“ oder als den „Sohn des Menschen“ betrachten — alle Absichten Gottes betreffs der Herrschaft über alle Dinge wiederhergestellt und bestätigt. Wir können bezeugen, dass so, wie alle Verheißungen Gottes in Ihm Ja und Amen sind (2Kor 1,20), dieses auch bezüglich der Bestimmung der Menschen unter der Regierung Gottes seine volle Anwendung findet.
Adam war die Herrschaft, Noah die Regierung und Abraham die Vaterschaft über die Gläubigen geschenkt. David hatte Urteile zu vollstrecken und Salomo repräsentierte das Königtum. In Christus werden alle diese Herrlichkeiten sich vereinen und ausstrahlen. In Ihm und unter Ihm wird die „Wiederherstellung aller Dinge“ (Apg 3,21) stattfinden. Viele Kronen und viele Namen wird Er tragen. Sein Name „Herr“ in Psalm 8 und sein Name „König“ in Psalm 72 sind in ihrer Bedeutung verschieden. Jeder von ihnen bezeichnet eine besondere Herrlichkeit. Die Kronen sind verschieden, aber Ihm gehören sie. In Jesaja 9 wird Jesus auch „Vater der Ewigkeit“ genannt. Er ist König und zugleich Vater — Er ist der wahre Salomo und der Abraham Gottes. In Ihm werden alle gesegnet sein; und vor Ihm wird sich jedes Knie beugen (Röm 14,11). Sowohl das Schwert oder die „eiserne Rute“ als auch das „Zepter der Gerechtigkeit“ werden in seinen Händen sein. Er wird richten mit David und herrschen mit Salomo.
Als Sohn Davids übernimmt Jesus die Macht, um sie in einem Ihm gegebenen Gebiet der Herrlichkeit auszuüben. Als Sohn des Menschen handhabt Er diese Macht in einem ausgedehnteren Kreis. Er kommt in seiner eigenen Herrlichkeit, in der Herrlichkeit des Vaters und in der der heiligen Engel. Auch als der auferstandene Mensch nimmt Er die Macht in seine Hand. Dieses wird uns in 1Kor 15,23-27 gezeigt, und in dieser Eigenschaft hat Er auch seine besondere Ehre. Er wirft den Tod als letzten Feind unter seine Füße. Als der auf- erstandene Mensch muss Er auch den Tod vernichten.
Die Herrlichkeit wird Christus unter verschiedenen Formen umringen und Ihm unter verschiedenen Charakteren eigen sein. Das Königreich selbst wird in seinem ganzen Wesen voll der Herrlichkeiten Christi sein, die, wenn auch in ihrer Art verschieden, in vollkommener Harmonie zueinander sein werden. Das Kreuz hat bereits ein Beispiel dieses vollkommenen Werkes gezeigt. Güte und Wahrheit sind sich dort begegnet. Gott war dort gerecht und rechtfertigte dennoch den Gottlosen. Dieses wird sich in den kommenden Tagen in voller Kraft erweisen. So, wie Güte und Wahrheit sich begegnet sind und Gerechtigkeit und Friede sich geküsst haben (Ps 85,2), so werden auch eines Tages Autorität und Gehorsam, Segen und Herrschaft, ein Name von Majestät und aller Kraft, und zugleich ein Name, der wie „ein Regen auf das Gras“ niederfallen wird, zusammen erkannt und gewürdigt werden. Sowohl die allgemeine Herrschaft des Menschen über den ganzen ausgedehnten Kreis der Werke Gottes und die Ehre des Königtums betreffs der Herrschaft über’ alle Nationen als auch die Gegenwart des „Vaters der Ewigkeit“, um Segnungen auszustreuen, werden dann vorhanden sein. „Und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst“ (Jes 9,5).
Alles findet in dieser herrlichen und gesegneten Herrschaft des Sohnes Gottes seinen Zielpunkt, auch wenn der Weg dorthin durch ein Meer voller Bedrängnisse und selbst durch die Gerichte über die gegenwärtige böse Welt gehen wird. Gott selbst wird alles in Ordnung bringen. Die Menschen werden es nicht verhindern können, auch wenn sie sich weigern, anzuerkennen, dass die Erde mit ihren Bewohnern der Nichtigkeit unterworfen ist und dass Christus allein ihre Grundfeste stützt. Mit sicheren Schritten nahen jene Tage heran, wo die Ereignisse es denen, die es nicht glauben wollen, zeigen, dass alles erschüttert werden wird, was nicht in dem „Bündel der Lebendigen“ (1Sam 25,29) mit eingeschlossen ist.
Das Schwert und das Zepter dieses kommenden Tages sind gänzlich eins in ihrer Herrlichkeit. „Denn trunken ist im Himmel mein Schwert“ (Jes 34,5). Welch ein Ausdruck! Die Sonne wird in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt und die Kräfte der Himmel er- schüttert werden, Finsternis wird unter seinen Füßen sein und dicke Wolken werden Ihn begleiten am Schlachttag. Die Macht davon wird sich zeigen in dem Treten der Kelter des Grimmes Gottes (Off 19,15). Alle, die hoch und erhaben sind, die Fürsten und Gewal- tigen, die Beherrscher der Finsternis, das Tier und der falsche Prophet, sowohl die Könige und Reichen der Erde als auch der Drache, die alte Schlange, welche der Teufel und Satan ist — alle befinden sich dann unter den Feinden, an denen sich die Kraft der Gerichte erweisen wird.
Zeigt dieses Schwert nicht auch seine Herrlichkeit? Würden das Schwert Josuas oder Davids solche Siege davongetragen haben und hätten sich mit ihnen die Fürsten der Finsternis besiegen lassen? Würden „Tod und Hölle“ sich unterworfen haben? „Ziehst du den Leviatan herbei mit der Angel?“ (Hiob 40,25). Und in wessen Hand muss das Schwert sein, das solche Heere vernichten kann? Das Werk in jenen Tagen der Rache zeigt deutlich, wer der Überwinder ist.
In allem — sowohl in seinen Handlungen als auch in seinen Leiden — strahlt seine Herrlichkeit uns entgegen. Die Überwindungen dieses Gottes der Heerscharen haben von alters her stets denselben erhabenen Charakter gezeigt. Seine Krieger stellten die Herrlichkeit seiner Person zur Schau und dieses werden sie auch künftig tun. Deshalb steht von Ihm geschrieben: „Der HERR ist ein Kriegsmann, HERR ist sein Name“ 2Mo 15,3). Diese Ausdrucksweise zeigt uns, dass die Kriegsführung des Herrn seine Souveränität, seinen Namen, seine Herrlichkeit und seine Person offenbaren. In Ägypten erfuhren die Götzen seine mächtige Hand, so wie sie diese später unter den Philistern und in Babel fühlten. Dagon fiel vor der Bundeslade; Bel und Nebo wurden durch dieselbe Macht zu Boden geworfen.
Wie das Schwert des Herrn, so hat auch das Zepter seine volle Herrlichkeit. Salomo war nur ein Vorbild. Die Regierung Noahs und die Oberherrschaft Adams verschwinden gegenüber der Regierung und Herrschaft Jesu. Das ganze Weltall wird Ihm unterworfen sein, sowohl die Schöpfung als auch alle Nationen. „Singt dem HERRN ein neues Lied, singt dem HERRN, ganze Erde! Singt dem HERRN, preist seinen Namen, verkündet Tag für Tag seine Rettung! Erzählt unter den Nationen seine Herrlichkeit, unter allen Völkern seine Wundertaten!“ (Ps 96,1-3). Die unterwürfigen und gerechtfertigten Nationen von dem einen Ende des Himmels bis zum anderen werden unter dem Schatten dieses Zepters und in dem Licht dieses Thrones der Majestät wandeln. Es wird ein Bund sein zwischen den Men- schen und den Tieren des Feldes. Die Wüste wird sich erfreuen, die Lämmer werden hüpfen wie Hirsche und der Mund der Stummen wird sich zum Lob öffnen. Die Sonne wird in diesem Reich nicht untergehen, noch der Mond sich zurückziehen; denn der Herr wird dort ein ewig leuchtendes Licht sein. „Man wird weder Böses tun noch Verderben anrichten auf meinem ganzen heiligen Berg; denn die Erde wird voll Erkenntnis des Herrn sein“ (Jes 11,9).
Israel wird wieder aufwachen — seine Totengebeine werden lebendig werden. Die beiden Stücke von Juda und Ephraim werden wieder miteinander vereinigt sein. Von der Stadt wird gesagt werden: „Der HERR ist hier“; von dem Land wird man sagen: „Dieses Land da, das verwüstete, ist wie der Garten Eden geworden“; und es wird begrüßt werden mit den Worten: „Der Herr segne dich, du Wohnung der Gerechtigkeit, du heiliger Berg!“ (Hes 48,35; Hes 36,15; Jer 31,23).
Die Heiden werden zu einem richtigen Verständnis gebracht werden. Die unverständige Welt hat Ihn, ihren Schöpfer, nicht erkannt. Die Fürsten und Könige der Erde haben sich gegen den Gesalbten Gottes erhoben; sie haben das Band zerrissen und ihre Torheit zur Schau gestellt. Aber ihr Verstand wird erleuchtet werden, Die Geschichte Nebukadnezars ist hiervon ein Beispiel. Die Vernunft dieses goldenen Hauptes — des großen Hauptes heidnischer Macht kehrte zu ihm zurück, nachdem er zum Gericht während eines Zeitraums derselben beraubt war. Von da an erkannte und verstand er die Herrschaft Gottes des Himmels. „Nun rühme ich, Nebukadnezar, und erhebe und verherrliche den König des Himmels, dessen Werke allesamt Wahrheit und dessen Wege Recht sind, und der die zu erniedrigen vermag, die in Stolz einhergehen“ (Dan 4,34).
Ebenso wird auch bald die Welt nicht länger sein Zepter verkennen, sondern im Gegenteil Ihn anbeten und bekennen, den sie einst so schändlich verworfen hat. Denn „über ihn werden Könige ihren Mund verschließen“ (Jes 52,15). Das tierische Herz wird von ihnen genommen und ein Menschenherz ihnen geschenkt werden. Nicht länger sollen sie durch den Ochsen, der seinen Herrn kennt, sowie durch den Kranich, die Turteltaube und die Schwalbe, die ihre Zeiten kennen, beschämt werden, sondern sie werden dann „geflogen kommen ... zu ihren Schlägen“ (Jes 60,8). — Ja, die ganze Schöpfung wird sich, gleich den Juden und Heiden. unter diesem göttlichen Zepter ergötzen. „Der Wolf wird sich beim Lamm aufhalten, und der Leopard beim Böckchen lagern“ (Jes 11,6). Selbst das Land wird wieder den Segen des Früh- und Spätregens und die Arbeit des göttlichen Landmannes erkennen. „Du hast dich der Erde angenommen und ihr Überfluss gewährt, du bereicherst sie sehr: Gottes Bach ist voll Wasser. Du bereitest ihr Getreide, wenn du sie so bereitest“ (Ps 65,10).
Welch ein Zepter! Ist seine Herrlichkeit nicht wie die Herrlichkeit des Schwertes? Kann jemand anderes als Christus eine solche Macht in Händen haben? Das, was Adam durch seinen Sündenfall einbüßte; das, was Israel im Land der Verheißung verloren hat; das, was Abraham in seiner empörerischen und verworfenen Nachkommenschaft einbüßte; das, wessen sich das Haus Davids bezüglich des Thrones beraubt sah; das, was die Schöpfung selbst durch den verloren hat, der sie der „Knechtschaft des Verderbens“ (Röm 8,21) unterworfen hat — ja, alles wird wiederhergestellt, aufgerichtet und offenbar werden am Tag des Sohnes des Menschen.
Nur „der Sohn“ kann solch ein Reich in Besitz nehmen. Bereits in dem ersten Teil unserer Betrachtung haben wir gesehen, dass die Kraft des vollbrachten Opfers in der Person des Schlachtopfers ruht. Der freie Zugang zum Heiligtum, welches damals völlig geöffnet wurde, gründet sich allein auf die Person des Hohenpriesters und Mittlers, der sich dort befindet. So können die Herrlichkeiten und Kräfte des zukünftigen Königreichs auch nur durch diese Person ausgeübt, bedient und zur Schau gestellt werden. Der Sohn Gottes dient sowohl in den höchsten als auch in den niedrigsten Umständen — in Reichtum wie in Armut, in Ehre wie in Unehre, als Nazaräer wie als Bethlehemiter, auf der Erde wie im Himmel, in einer Welt irdischer wie himmlischer Herrlichkeiten. Doch von Anfang bis zum Ende verkünden uns die verschiedensten Seiten und Veränderungen dieses großen Geheimnisses, wer Er ist. Der Glaube kümmert sich nicht darum, wo er Ihn schaut, und wo er Ihm folgt, sondern hat nur diesen einen glänzenden und unaussprechlichen Gegenstand vor Augen und fühlt tief jedes Wort, welches, selbst aus Unverstand, einen Flecken auf Ihn werfen könnte.
Doch wir müssen noch bei anderen Herrlichkeiten des kommenden Königreichs des Herrn Jesus einen Augenblick verweilen.
Der zweite Mensch ist vom Himmel (1Kor 15,47); und seine Erscheinung wird von einer Majestät begleitet sein, vor der jeder Glanz des Thrones Salomo erbleichen muss. Ja wahrlich, in seiner Gegenwart wird jeder Glanz verschwinden. „Und der Mond wird mit Scham bedeckt und die Sonne beschämt werden; denn der HERR der Heerscharen herrscht als König auf dem Berg Zion und in Jerusalem, und vor seinen Ältesten ist Herrlichkeit“ (Jes 24,23). Sowohl himmlische als auch wiederhergestellte irdische Dinge werden in seinem Reich sein. Adam besaß den Garten Eden samt dessen anziehender Schönheit und Fruchtbarkeit. Doch — was mehr als alles war — Gott, der Herr, wandelte mit ihm in dem Garten. Noah, Abraham und andere besaßen eine große Menge Vieh; und Gott gab Noah die Herrschaft über die Erde. Doch was mehr war — sie empfingen Besuche von Engeln, ja sogar Gesichte und Besuche von dem Herrn der Engel. Das Land Kanaan war ein vortreffliches Land — ein Land. wo Milch und Honig floss. Doch was mehr als dieses war — die Herrlichkeit befand sich dort, und das Zeugnis der göttlichen Gegenwart war zwischen den Cherubim.
Genauso wird es sein am Tag der Offenbarung der Macht des Sohnes Gottes. Der Himmel wird den Schauplatz irdischer Schönheit ebenso gewiss mit einer neuen und ganz besonderen Herrlichkeit umstrahlen, wie Gott, der Herr, im Garten Eden wandelte, und wie die Engel vor dem Auge der Erzväter auf- und niederstiegen und selbst wie die göttliche Gegenwart im Heiligtum in Jerusalem, in dem Land der Verheißung, geschaut wurde. Nicht nur werden dann himmlische Besuche stattfinden, nicht nur wird die Herrlichkeit vom Himmel offenbart werden, sondern alles wird einen neuen und äußerst schönen Charakter tragen. Die Erde wird Zeuge jenes wunderbaren, alles übertref- fenden Geheimnisses sein, dass sie selbst aus ihrem Staub und ihrer Sklaverei eine Familie für den Himmel bereitet hat, die in Herrlichkeit zu ihr zurückkehren wird und dazu berufen ist, die derselben zuerkannte Macht und Autorität zu ihrem Segen auszuüben. „Denn nicht Engeln hat er den zukünftigen Erdkreis unterworfen, von dem wir reden; es hat aber irgendwo jemand bezeugt und gesagt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, oder des Menschen Sohn, dass du auf ihn siehst?“ (Heb 2,5.6).
Welch ein Band zwischen den höchsten und niedrigsten Dingen! „Der zweite Mensch (ist) vom Himmel“. Die heilige Stadt wird aus dem Himmel herniederkommen und die himmlische Herrlichkeit tragen. Vor ihren Blicken wird die Regierung des Königreichs der Macht über die Erde ausgeübt werden. Ganz sicher wird dieses die Souveränität Adams und die Herrlichkeit Salomos weit überstrahlen.
Bei der Szene auf dem heiligen Berg in Matthäus 17 sowie bei dem königlichen Einzug in Jerusalem in Matthäus 21 wird diese Zukunft des Sohnes und „die zukünftige Welt“, sowohl im Himmel als auch auf der Erde, sinnbildlich dargestellt. Die himmlische Herrlichkeit strahlt auf den Berg hinab. Die Gestalt Jesu ist verändert. Sein Antlitz leuchtet wie die Sonne; seine Kleider sind weiß wie das Licht; und Mose und Elia erscheinen mit Ihm in Herrlichkeit. Ebenso nimmt der demütige Jesus bei der Gelegenheit seines Einzugs in die heilige Stadt einen Charakter von Majestät an. Er zeigt sich als der Herr der Erde und ihrer Fülle, und zugleich als der Sohn Davids im Triumph. Er wird während eines Augenblicks auf dem Weg von Jericho nach Jerusalem gesehen, und zwar bekleidet mit seinen irdischen Rechten und Würden, so wie Er in einem anderen Augenblick auf einem hohen Berg nur in seiner persönlichen, himmlischen Herrlichkeit erschienen war. Obwohl die himmlische Herrlichkeit von der irdischen getrennt ist, so ist doch Jesus bei beiden feierlichen Gelegenheiten verherrlicht und ist für einige Augenblicke von dem niedrigen Pfad als der verworrene und verachtete Jesus abgetreten. Diese Szenen waren vorübergehend, aber dasjenige, wovon sie das Unterpfand waren und was sie repräsentierten, wird in Kraft und Glanz an dem kommenden Tag der Herrlichkeit bleihencl sein. Denn an diesem Tag wird die Erde voll sein von der Herrlichkeit des Sohnes Gottes (Jes 6,3). Ja, diese Fülle ist es, die ihr den Glanz und die Größe verleihen wird. So, wie Er die Sonne der himmlischen Herrlichkeit ist, so wird Er auch der Herr der Erde und ihrer Fülle sein und zugleich der König Israels und der Völker. In der wunderbarsten Weise werden dann alle Sphären der Herrlichkeit ineinander verschmelzen: die untersten Teile der Erde und das, was weit über allen Himmeln ist. „Er, der offenbart worden ist im Fleisch“ — „aufgenommen in Herrlichkeit“. Der zweite Mensch ist niemand anderes als der Herr vom Himmel.
Welch wunderbare Geheimnisse und Ratschlüsse Gottes! Es sind Ratschlüsse, die in den verborgenen Zeiten vor Grundlegung der Welt von Gott gefasst wurden. Möchten doch die Liebe und die Anbetung unserer Herzen den Betrachtungen unserer Seele folgen!
Ja, der Sohn, der von Ewigkeit her im Schoß des Vaters war, nahm Fleisch und Blut an und war im Schoß der Jungfrau. Als Sohn des Menschen — Gott offenbart im Fleisch — wandelte Er inmitten der schwierigsten Pfade dieses Lebens — Pfade, die im Tod am Kreuz ihren Ausgang nahmen. Er verließ das Grab für die Herrlichkeit, und die untersten Örter der Erde für den höchsten Platz im Himmel. Aber als die „Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,20) wird Er über der Erde aufgehen, und zwar bekleidet mit Glanz und Herrlichkeit, mit Ehre und Hoheit, um die zukünftige Welt zu erleuchten.
Es gibt aber noch ein anderes Geheimnis, das erfüllt werden muss, bevor der Schauplatz der Herrlichkeit, „die zukünftige Welt“, in Erscheinung tritt. Die Versammlung muss im Himmel sein, so wie ihr Herr bereits dort ist.
Der Weg der Versammlung ist derjenige eines unbeachteten Fremdlings. „Deswegen kennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (1Joh 3,1). Und genauso unbekannt, wie ihr Weg inmitten dieser Welt ist, wird auch der Weg sein, auf dem sie von hier weggeführt werden wird. Alles, was sich auf die Versammlung bezieht, trägt hier auf der Erde den Charakter der Fremdlingschaft. Die Welt wird die Aufnahme der Versammlung dem Herrn entgegen in der Luft nicht wahrnehmen. Auch sie selbst kennt den Zeitpunkt ihrer Aufnahme nicht. Doch wissen wir, dass das neue Band, das uns mit dem Himmel verbindet, geknüpft werden wird, ehe das Königreich offenbart werden wird. Die Heiligen werden den König begleiten, wenn Er mit dem Schwert des Gerichts in seinem Reich erscheint, um die Erde zu reinigen, damit Er mit dem Zepter des Friedens und der Gerechtigkeit so regieren kann, wie Er es verheißen hat. „Wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem werde ich Gewalt über die Nationen geben; und er wird sie weiden mit eiserner Rute“ (Off 2,26.27). „Und ich werde ihm den Morgenstern geben“ (Off 2,28).
Diese Worte schließen etwas ganz besonderes in sich. Die Sonne ist das Licht am Himmel, welches am meisten mit der Erde, mit den Werken und den Interessen der Menschen in Verbindung steht. Die Sonne beherrscht den Tag; der Mond und die Sterne beherrschen die Nacht; aber der Morgenstern hat keinen Platz in diesem System. „Er hat den Mond gemacht für bestimmte Zeiten; die Sonne weiß ihren Untergang. Du machst Finsternis, und es wird Nacht; in ihr regen sich alle Tiere des Waldes; Die jungen Löwen brüllen nach Raub und fordern von Gott ihre Nahrung. Die Sonne geht auf: Sie ziehen sich zurück und lagern sich in ihren Höhlen. Der Mensch geht aus an sein Werk und an seine Arbeit, bis zum Abend“ (Ps 104,19-23). In allen diesen Bestimmungen wird der Morgenstern nicht mit einem einzigen Wort erwähnt. Schön und glänzend ist er, doch leuchtet er nur in einer einzigen Stunde. Die Menschen haben sich niedergelegt, der Schlaf ist ihnen durch Gottes Gnade noch süß, während der Morgenstern bereits am Himmel leuchtet.
Die Zeit, in der die Sonne scheint, ist die unsrige, oder mit anderen Worten: die Sonne ist die Freundin und Gefährtin der Menschen. Aber der Morgenstern ruft nicht den Menschen an seine Arbeit. Er scheint zu seiner eigenen Zeit — es ist weder Tag noch Nacht.
Derjenige, der vor dem Anbrechen der Morgenstunde erwacht, der Mann, der vor Sonnenaufgang sein Lager verlässt, der Wächter, der die Nacht durch gewacht hat — diesen leuchtet der Morgenstern, aber sonst niemandem.
In der Sprache der Bibel bezeichnet die Sonne das Königreich. Wir lesen: „Ein Herrscher unter den Menschen, gerecht, ein Herrscher in Gottesfurcht; und er wird sein wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, ein Morgen ohne Wolken“ (2Sam 23,3.4; vergl. auch Mt 13,43; 17,4.5).
Haben wir daher nicht ein Licht zu erwarten vor dem Licht des Königreichs? Sind diese Zeichen am Himmel nicht für die bestimmten Zeiten hingestellt worden? Gibt es keine Stimmen in diesen Sphären? Liegt nicht ebenso ein Geheimnis in dem Morgenstern, in der Stunde seines einsamen Scheinens, wie auch in der Sonne, wenn sie in ihrer Kraft aufgeht über der Erde? Ist dieser Morgenstern am Himmel nicht das Zeichen von Ihm, dessen erstes Erscheinen nicht für die Welt, sondern für ein Volk sein wird, das auf die Ankunft seines Herrn vom Himmel her wartet? Die Hoffnung Israels, des irdischen Volkes, begrüßt den „Aufgang aus der Höhe“ (Lk 1,78). Aber die Versammlung heißt den Morgenstern willkommen. „Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern. Und der Geist und die Braut sagen: Komm!“ (Off 22,16.17). Alles ist unser; und unter dieses alles gehört auch der Morgenstern unserer Verwandlung, um dem Herrn Jesus gleichförmig zu sein, sowie die aufgehende Sonne für den Tag unserer Kraft in Verbindung mit dem Herrn Jesus.
Nachdem der Morgenstern für einen kurzen Augenblick geschienen hat, wird die Sonne zu ihrer bestimmten Zeit ihren Platz einnehmen. „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reich ihres Vaters“ (Mt 13,43), „Und er wird sein wie das Licht des Morgens, wenn die Sonne aufgeht, ein Morgen ohne Wolken: Von ihrem Glanz nach dem Regen sprosst das Grün aus der Erde“ (2Sam 23,4), „Es freue sich der Himmel, und es frohlocke die Erde! Es brause das Meer und seine Fülle! Es frohlocke das Feld und alles, was darauf ist! Dann werden jubeln alle Bäume des Waldes vor dem HERRN; denn er kommt, denn er kommt, die Erde zu richten“ (Ps 96,11-13).
Es hat jemand gesagt: „Der Glaube hat eine Welt für sich selbst“. O möchten wir doch mehr in der Kraft dieses Glaubens wandeln! Diese Kraft liegt in dem Ernst und der Wärme, die auch die Einfalt und Wirklichkeit des Glaubens zur Schau tragen. David und Abigail wandelten, als sie sich einander in der Wüste Paran begegneten, in jener Welt, die der Glaube für sich hat. Nach dem Augenschein und nach aller mensch- lichen Beurteilung war David damals ein Spielzeug in der Hand der Bösen. Er musste sich in den Höhlen und Schlupfwinkeln der Erde verbergen; seine Speise verdankte er einem reichen Mann. Aber der Glaube erblickte etwas anderes in David. Der hilfsbedürftige, verfolgte Flüchtling war in seinen eigenen Augen und in den Augen Abigails der künftige Herr des Königreichs und der Gesalbte des Gottes Israels. Abigail beugte sich vor ihm als vor ihrem König nieder und er nahm mit königlichem Wohlwollen „ihr Angesicht an“. Der Vorrat, den sie mitbrachte — ihr Brot und Wein, ihre Trauben und Feigen — waren nicht ein Beweis ihrer Wohltätigkeit dem bedürftigen David gegenüber, sondern es war die dem König David dargebrachte Steuer eines willigen Untertans. Sie fühlte sich glücklich und geehrt, wenn sie auch nur seine Knechte bedienen konnte. So kam sie bei dieser schönen Gelegenheit in eine andere Welt — das Zeugnis ablegend, dass der Glaube wirklich eine ihm gehörende Welt hat. Und diese Welt war für das Herz Abigails wichtiger als alle Schätze des Hauses Nabals. Die Wüste hatte für sie einen größeren Wert als die Herden und Felder des Berges Karmel, denn dort genoss sie im Geist jene herrlichen Dinge, die der Glaube vor ihr Auge brachte.
Geliebte Brüder, es ist glückselig, wenn auch wir, durch den Glauben geleitet, in unsere eigene Welt eintreten und darin wandeln! Besaß nicht Noah solch einen Glauben, als er das Schiff baute, welches scheinbar mehr für das Land als für das Wasser berechnet war? Hatte Abraham nicht solch eine Welt im Auge, als er sein Land, seine Familie und sein Vaterhaus verließ? Ruhten nicht auch die Blicke von Paulus auf einer solchen Welt, als er sagte: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit“ (Phil 3,20.21)*
Und besitzen nicht auch wir bereits diese Welt, wenn unsere Seelen durch den Glauben Zugang haben „zu dieser Gnade, in der wir stehen“ (Röm 5,2)? Diese Gnade ist jetzt der gegenwärtige, erfreuende Ruheplatz des gereinigten und mit Blut besprengten Gewissens sowie die glänzende Wohnstätte der Hoffnung, von wo aus diese hinaufschaut zu der „Herrlichkeit Gottes“ (Rom 5,1.2). Oft wird dieser Glaube nur noch wenig genossen, aber dennoch ist er der unsrige. Inmitten unserer Schwachheit hat der Glaube nur den Sohn Gottes zu verherrlichen, und ein geistlicher Fortschritt ist es, Ihn inniger zu genießen.
Am Schluss dieser Betrachtung, in der wir die „zukünftige Welt“ vor unser Auge führten, möchte ich noch hinzufügen, dass uns in dieser Zeit nur wenige Dinge so sehr auf dem Herzen liegen sollten wie die Verwerfung Christi. Es ist sicher angebracht, dieses hier zu bemerken. Denn wenn Christus, wie wir behaupten, in der „zukünftigen Welt“ herrlich ist, so ist Er auch der Verworfene „in dem gegenwärtigen Zeitlauf‘. Doch dieses wird so leicht vergessen; und das ist der Wunsch des Fürsten dieses Zeitlaufs. Die Menschen richten unaufhörlich ihr Streben dahin, alle gesellschaftlichen, sittlichen und religiösen Zustände zu verbessern. Dies alles dient nur dazu, um Christus, der nicht von dieser Welt ist, aus dem Auge zu verlieren! Nur der Glaube schaut einen verworfenen Christus und eine verurteilte Welt. Der Glaube erkennt, dass, wenn das Haus auch gekehrt und geschmückt worden ist, es doch nicht durch den Hausherm oder Besitzer verändert ist.
Es ist ein großer Irrtum, geliebte Brüder, wenn man Hand ans Werk legt, um die Welt zu verbessern und sie für Christus zuzubereiten. War David einmal, als es sich um das Tragen der Bundeslade handelte, bezüglich der Gedanken Gottes leichtfertig, so zeigte er hinsichtlich dieser Gedanken bei einer anderen Gelegenheit große Unwissenheit, als das Bauen eines Zedernhauses für die Bundeslade in Frage kam. Er trachtete danach, Gott eine feste Wohnstätte in einem verunreinigten, unbeschnittenen Land zu geben. Er irrte größtenteils deshalb, weil er die Reinheit der Herrlichkeit Gottes nicht kannte bzw. sie nicht beachtete. Ebenso verhält es sich mit denen, die den Namen des Herrn Jesus Christus, des Sohnes Gottes, mit der Erde, so wie sie jetzt ist, und mit ihren Königreichen verbinden wollen. Wie aufrichtig das Verlangen ihres Herzens in diesem Punkt auch sein mag, so wie dieses auch bei David der Fall war, so irren sie doch größtenteils deshalb, weil sie die Heiligkeit der Herrlichkeit des Herrn nicht kennen oder nicht beachten.
Dies ist eine Unterweisung, die wir stets nötig haben. Noch ist der Sohn Gottes ein Fremdling auf der Erde. Er sucht nicht die Welt, sondern ein von der Welt auserwähltes Volk, das noch eine Zeit lang mit Ihm hier auf der Erde die Fremdlingschaft teilt, und zwar inmitten all der Eitelkeit, wodurch jetzt die Welt gekennzeichnet ist. „Ihr aber seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen; und ich bestimme euch, wie mein Vater mir bestimmt hat, ein Reich“ (Lk 22,28.29).
Schaut Ihn!! Der unter uns gewohnt, Der Schmach und Hohn getragen, Schaut Ihn! Der droben herrlich thront, Wird Schwert und Zepter tragen!