Werner Mücher
Fragen und Antworten
2Mo 20,1-17 - Gelten die Zehn Gebote heute noch?2Mo 20,1-17 - Gelten die Zehn Gebote heute noch?
AZ (07.04.2005)
Ich habe eine Frage zu den Zehn Geboten. Zählen diese heute oder nicht? Generell: welche Gebote gelten heute und welche sind durch Christus erfüllt und außer Kraft gesetzt?
Gern versuche ich eine Antwort aus diese Frage zu geben: Das Gesetz gehört zum Alten Testament und das Alte Testament behandelt die Beziehung Gottes zu seinem irdischen Volk Israel. Das Neue Testament hingegen ist für das neue Volk Gottes, nämlich die Gemeinde, die ein himmlisches Volk ist. Darum beginnt das NT auch mit Christus, weil die Gemeinde ein Teil von Ihm ist. Das Gesetz hat Gott gegeben, als Er das Volk Israel zu seinem irdischen Volk machte. Die unumschränkte Gnade konnte Gott geben, als sein Sohn für die Gemeinde am Kreuz gestorben war. Das Gesetz ist ein Teil des Bundes, der die Beziehung Gottes zu Israel regelte. Darüber hinaus ist das Gesetz die Minimalforderung Gottes an den Menschen im Allgemeinen. Insofern hat das Gesetz nach wie vor Gültigkeit, es ist sogar ausdrücklich für alle Menschen bestimmt:
Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn jemand es gesetzmäßig gebraucht, indem er dies weiß, dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Zügellose, für Gottlose und Sünder, für Heillose und Ungöttliche, Vaterschläger und Mutterschläger, Menschenmörder, Hurer, Knabenschänder, Menschenräuber, Lügner, Meineidige, und wenn etwas anderes der gesunden Lehre zuwider ist, nach dem Evangelium der Herrlichkeit des seligen Gottes, welches mir anvertraut worden ist. (1Tim 1,8-11),
In diesen Versen erfahren wir also bereits sehr wichtige Grundsätze zum Gesetz: Es ist nicht für den Gerechten – d. h. für den, der durch
Gnade gerechtfertigt worden ist – bestimmt, sondern dient als Spiegel für den Gesetzlosen usw., damit er sich als Sünder erkennt.
Der Dekalog und die Zeremonialgesetze
Nun muss man allerdings zwischen den 10 Geboten (dem sog. Dekalog) und den Zeremonialgesetzen unterscheiden. Die Zeremonialgesetze bezogen sich auf gerichtliche Ausführungsbestimmung, auf Opfervorschriften usw. In Zukunft, wenn die Gemeinde entrückt ist und Gott kurze Zeit danach wieder ein erlöstes Volk Israel haben wird (im 1000j. Friedensreich), werden alle Gesetze wieder in vollem Umfang gültig sein. Wir lassen jetzt für unsere Betrachtung die Zeremonialgesetze außer Betracht, es geht uns um den Dekalog, wovon ja das Sabbatgebot ein Teil ist.
Kann ein Mensch durch das Gesetz gerechtfertigt werden?
Die Rechtfertigung durch das Gesetz ist lediglich eine theoretische Möglichkeit. Gott hatte dem Volk gesagt: „Und meine Satzungen und meine Rechte sollt ihr beachten, durch welche der Mensch, wenn er sie tut, leben wird. Ich bin der HERR“ (3Mo 18,5).
Es ist aber auch wirklich nur eine theoretische Möglichkeit. Gott wusste natürlich, dass kein Mensch das Gesetz halten konnte und daher durch das Gesetz auch nicht gerechtfertigt werden konnte. Darin liegt aber auch der tiefe Sinn, weshalb Gott das Gesetz gegeben hat: Dass der Mensch nämlich erkennen würde, dass er es nicht halten kann. Das liegt nicht am Gesetz, sondern an der sündigen Natur des Sünders. (Der nicht-wiedergeborene Sünder will durchaus nicht Gottes Willen tun.) Weniger konnte Gott nicht fordern, weil er heilig ist. Das Gesetz ist heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut (Röm 7,12). Doch der Mensch taugte nichts. Er war so durch und durch ein Sünder, dass er es nicht halten konnte.
Daneben gab es die Möglichkeit der Vergebung der Sünden durch ein Sündopfer. Dabei muss man bedenken, dass es viele Sünden gab, für die es überhaupt keine Vergebung gab. Vergebung gab es nur für Sünden aus Versehen. Heute wissen wir, dass die Opfer auch gar keine Sünden wegnehmen konnten, sie waren lediglich Hinweise auf das Opfer Christi. Durch die Opfer lernen wir als Christen, was für ein großartiges Opfer unser Herr auf dem Kreuz von Golgatha gebracht hat.
Das Gesetz ist ein Zuchtmeister auf Christus
Paulus nennt das Gesetz in Galater 3,24 einen Zuchtmeister, und zwar auf Christus hin. Das bedeutet, dass das Gesetz Menschen zeigen sollte, dass sie es nicht halten können, damit sie mit ihrer Sündhaftigkeit und Verlorenheit zu Gott kommen und von Ihm Vergebung durch den Glauben an das Werk seines Sohnes bekämen. Weiterhin heißt es in Galater 3, dass der Gläubige jetzt nicht mehr unter dem Zuchtmeister (unter dem Gesetz) ist. Nachdem Christus gekommen ist und sich ein Sünder heute zu Christus als seinem Herrn bekennt, untersteht er der Autorität Christi. Wer Christus im Glauben annimmt, nimmt Ihn auch als Herrn an (Röm 10,9); wer Christus demnach nicht als Herrn annimmt, kann überhaupt nicht errettet werden.
Das Sabbatgebot
Der Sabbat hat mit der irdischen Schöpfung zu tun. Nachdem Gott in 6 Tagen Himmel und Erde geschaffen hatte, ruhte er am 7. Tag (1Mo 1; 2). Da der Mensch aber sehr schnell in Sünde fiel, konnte der Menschen keinen Anteil an der Ruhe Gottes haben. Doch nachdem Gott das Volk Israel erlöst hatte, gab Er ihm das Sabbatgebot.
Der Sabbat ist ein Bild der Ruhe eines von der Knechtschaft erlösten Volkes. Doch das Volk Israel hat den Sabbat durchweg nicht gehalten. Sie konnten ihn nicht halten, weil sie dazu keine Kraft hatten. Der Herr Jesus geißelte die Pharisäer und Schriftgelehrten, weil sie den Sabbat auf eine äußerliche Weise hielten.
Anhand des Sabbats macht Gott einen wichtigen Grundsatz klar. Man muss 6 Tage arbeiten, sich also anstrengen, und dann bekommt man Anteil an der Ruhe Gottes. Das ist das ganze Prinzip des Gesetzes: Der Mensch muss selbst etwas tun („wer diese Dinge tut“ – 3Mo 18,5), und danach bekommt er Anteil an der Ruhe Gottes (der Erlösung). Das ist aber kein Weg zur Erlösung. Niemand hat die Erlösung auf diesem Weg erreicht.
Deshalb hat Gott mit dem Kommen des Herrn Jesus etwas völlig Neues eingeführt: Der Mensch muss zuerst einsehen, dass er sich selbst nicht erlösen kann; er kommt mit seinen Sünden zum Kreuz. Dort findet er Vergebung. Er wird also nicht auf der Grundlage (nach dem Prinzip) des Gesetzes gerechtfertigt, sondern auf der Grundlage (dem Prinzip) des Glaubens und der puren Gnade Gottes. Die Erlösung ist das Geschenk Gottes, zu der ein Mensch auch nicht das Allergeringste beisteuern kann – sonst wäre es auch nicht mehr Gnade. Der erlöste Mensch bekommt nicht nur Vergebung seiner Sünde, er bekommt auch neues (ewiges) Leben; er bekommt eine Natur, die prinzipiell nicht sündigen kann und Gott nur gehorsam ist (einmal davon abgesehen, dass der Gläubige noch die sündige Natur in sich hat – das ist jetzt nicht unser Thema).
Der Gläubige beginnt also gleichsam mit der Ruhe des Gewissens in Christus (Mt 11,28). Dann kann er 6 Tage arbeiten, d. h. Gott dienen (vgl. 1Thes 1,9.10). Das ist der einfache Grund, dass Christen den ersten Tag der Woche feiern und nicht den letzten Tag, obwohl es kein ausdrückliches Gebot im NT gibt, den Sonntag zu heiligen. Zugleich ist der Sonntag der Auferstehungstag ihres Herrn, an dem sie seinen Tod verkündigen (vgl. Apg 20,7).
Die Autorität des Gesetzes – die Autorität des Herrn Jesus
Als der Herr Jesus hier auf der Erde war, war er als Jude dem Gesetz unterworfen (Gal 4,4). Er ist der Einzige, der das Gesetz vollkommen erfüllt hat. Insofern kam Er nicht um aufzulösen, sondern um zu erfüllen (Mt 5,17). Dennoch ist Christus des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit (Röm 10,4). Für den Gerechten gilt das Gesetz nicht mehr. Es ist weder das Mittel zu seiner Rechtfertigung noch der Maßstab seines christlichen Lebens. Ersteres werden viele Christen noch zugeben, bei letzterem werden sie abwinken. Es besteht eine große Übereinstimmung unter Christen, dass der Christ nicht durchs Gesetz gerechtfertigt wird, doch viele behaupten, dass das Gesetz die Richtschnur seines Lebens sei (z. B. die Adventisten). (Nebenbei bemerkt: Es gibt in der adventistischen Lehre fundamentale Irrtümer, die Lehre ist gar nicht von Pappe.)
Damit komme ich nun zu einem wichtigen Punkt. Das Gesetz sagt im Allgemeinen gar nicht so sehr, was ein Mensch tun soll, sondern was er nicht tun soll (siehe dazu die 10 Gebote). In diesem Sinn ist das Gesetz negativ. Es schreibt die Dinge vor, die ein Mensch nicht tun darf. Selbst beim Sabbatgebot bedeutet die Heiligung dieses Tages eben, dass es verboten war zu arbeiten. Im Christentum hingegen geht es nicht in erster Linie um Verbote, sondern um das positive Handeln als Kinder Gottes. Nicht das Gesetz ist unsere Richtschnur, sondern der Wille des Herrn, und zwar so, wie Er seine Jünger und durch die Jünger bzw. die Apostel (siehe die Briefe) uns belehrt hat.
Zusammenfassung
Gott hat also durch den Herrn Jesus im NT eine völlig neue Ordnung eingeführt, einen viel höheren Maßstab für seine Kinder. Ihre Aufgabe ist es heute, dass Leben des Herrn Jesus zu offenbaren: „Wer da sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt hat“ (1Joh 2,6).
Sie können das dadurch tun, da sie von neuem geboren sind und dass sie ihrem Herrn in Hingabe folgen. Das ist ein viel höherer Maßstab als das Gesetz im AT. Indem sie Christus in Liebe gehorsam sind und anderen Menschen in Liebe dienen, erfüllen sie das Gesetz, nicht buchstäblich, wohl aber seinem geistigen Wesen nach, denn die Summe des Gesetzes ist, dass man Gott lieben und ihm gehorchen soll. Christen tun das aber auf einer höheren Ebene. Ihr Maßstab ist nicht das Gesetz, sondern das Leben ihres Herrn.
W. M.