Schriften von Frederic Charles Jennings
Mt 26,36-46 , Mk 14,32-42 Lk 22,39-46 Joh 18,1-3 Ps 102 - Gethsemane
Gethsemane im LukasevangeliumGethsemane im Lukasevangelium
Wenn du willst
Lk 22,39-46: Und er ging hinaus und begab sich der Gewohnheit nach an den Ölberg; es folgten ihm aber auch die Jünger. Als er aber an den Ort gekommen war, sprach er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt. Und er zog sich ungefähr einen Steinwurf weit von ihnen zurück und kniete nieder betete und sprach: Vater, wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir weg – doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe! Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel, der ihn stärkte. Und als er in ringendem Kampf war, betete er heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen. Und er stand auf vom Gebet, kam zu den Jüngern und fand sie eingeschlafen vor Traurigkeit. Und er sprach zu ihnen: Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt.
Wir wollen uns nun dem Bericht dieser selben Szene in Lukas 22 zuwenden. Dort werden wir finden, dass das Wort „möglich“ ersetzt worden ist durch „willst“4. „Wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir weg.“ Sagt mir, war das nicht noch eine weitaus unwiderstehlichere Bitte für einen Vater, so etwas zu hören von seinem geliebten Sohn? Kann man sich irgendetwas ausdenken, was ein größeres Gewicht hätte haben können als das, was jetzt sein Herz bewegt haben muss? Und haben nicht gerade diese Unterschiede in den Evangelien eine Schönheit in sich selbst? Einige sehen natürlich darin nichts anderes als Flecken und Fehler; wir sehen in ihnen nichts anderes als Schönheiten. Denn in dem Evangelium nach Matthäus wird Er uns vorgestellt als das Schuldopfer, und so ist es das göttliche Gericht über die Sünde, das getragen werden musste. Es ist nicht möglich, dass es anders sein sollte.
In Lukas dagegen sehen wir Ihn als das Friedensopfer, und der vorherrschende Gedanke ist die Liebe, die willig war, das Opfer zu geben, das das Gericht tragen sollte. Genauso wie wir in dem Gespräch des Herrn mit Nikodemus zuerst hören: „So wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, also muss der Sohn des Mensch erhöht werden“ (Joh 3,14). So musste es sein. Es ist nicht möglich, dass es anders sein konnte. Aber diesem Satz folgt: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab“ (Joh 3,16), und hier finden wir die Willigkeit der Liebe, in der Gabe vorherrschend. Wir sehen, wie das parallel läuft zu den beiden Berichten in Matthäus und Lukas über Gethsemane.
Aber wir wollen uns hier noch ein wenig aufhalten und lassen das bekannte Licht einer anderen vorbildlichen Szene darauf fallen. Zwei Männer erklimmen einen Hügel und der Jüngere spricht: „Mein Vater, siehe das Feuer und das Holz, wo aber ist das Schaf zum Brandopfer?“ Denkst du, dass nicht ein Stich voller Pein durch das Herz des Vaters ging, als er antwortete: „Gott wird sich ersehen das Schaf zum Brandopfer, mein Sohn“, und bald wird das Lamm gefunden in dem unterwürfigen Sohn, der auf dem Altar liegt (1Mo 22,7-12). Und die Hand des Vaters, bewaffnet mit einem Messer, ist erhoben, um zuzuschlagen. Dann … Gott verschonte den Sohn Abrahams …, seinen eigenen Sohn verschonte Er nicht. Das war nicht möglich, wenn du und ich mit Ihm auf ewig zusammen sein sollten, und Er war nicht willig, dass das nicht so sein sollte.
Doch wir wollen uns jetzt auch noch mit der Schönheit des wohlbekannten, aber niemals erschöpften Verses beschäftigen, durch den einige von uns schon oft zur Anbetung getrieben worden sind. „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme“ (Joh 10,17). Denk darüber nach! Obwohl der Vater den Sohn liebte vor der Schöpfung der Welt, obwohl jeder Gedanke, jedes Wort, jede Tat, die Jesus hervorbrachte – wie wir sagen mögen –, neue Freude für Gott erweckte, verschwindet das trotzdem scheinbar alles durch dieses Wort „darum“. Warum? Es erzählt uns etwas, was ein so überwältigender Grund für die Liebe wird, dass alle anderen Gründe daneben vollständig verblassen. Und was war das? Er, der gute Hirte, legte sein Leben ab, damit Er es wieder nahm. Aber ist das alles? Einfach sein Leben abzulegen, um es wieder zu nehmen? Wie vergeblich würde das gewesen sein. Aber, ach, es ist wegen der Schafe, dass Er es ablegt, und es ist wegen derselben Schafe, dass Er es wieder nimmt, damit Er ihnen jenes Auferstehungsleben geben könnte, das niemals mit irgendeiner Verdammnis verbunden werden kann – und das ist der Grund, warum der Vater den Sohn liebte! Kann es sein, dass jetzt noch die Anbetung ausbleibt?
Kein Moment in der ganzen Geschichte der Erde, von Adam an bis heute, kann jemals in Bezug auf das, was davon abhing, verglichen werden mit dem, was zwischen den zwei Worten „willst“ und „doch“ in Lukas 22,42 liegt. Ihr werdet bemerken, dass ich eine kleine Pause dazwischen gemacht habe. Gott sei Dank, dass die Trennung nicht wörtlich gerechtfertigt ist. Sofort, ohne irgendeinen Zwischenraum, folgte das „doch“ dem „willst“, und ein anderes Gebet steigt auf von jenem Dulder, nämlich dass der Wille seines Vaters getan werde, koste es, was es wolle („doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe“); selbst wenn es bedeuten würde, dass Er jenen bitteren Kelch trinken sollte. Welch eine Wahrheit, zu kostbar, als dass man darüber wegeilen dürfte. Wohl mögen wir uns fragen: Was war das nun für ein Wille? Lasst uns unsere Gedanken zurückschicken zu dem Tag jener jüdischen Altäre. Denken wir an einen Ochsen, der sein Leben verliert und dessen Blut am Fuß des Altars ausgegossen wird. Der Vater schaut auf das Opfer, der Sohn schaut in das Angesicht des Vaters, und während Er schaut, sagt Er: Daran hast Du keine Freude, mein Vater! Und die Antwort: Wahrhaftig, mein Sohn, dieses Opfer hat meinen Willen überhaupt nicht getan, es hat die Barriere, die mich immer noch trennt von meinen geliebten Geschöpf, dem Menschen, nicht beseitigt. Der Vorhang ist noch immer nicht zerrissen – Ich bin unfähig hinauszugehen, und der Mensch ist unfähig hineinzukommen – die Sünde trennt noch immer. Nein, Ich habe keine Freude daran. Mein Wille ist immer noch unausgeführt.
Immer noch folgen Opfer auf Opfer; Ochsen und Ziegen und Lämmer werden geschlachtet, aber alle sind kein Wohlgefallen für den Vater. Dann spricht der Sohn wieder: Es ist von mir in der Rolle des Buches geschrieben und auf mich weisen all diese nutzlosen Opfer hin. Siehe, Ich komme, denn meine Freude ist es, deinen Willen, o mein Gott, zu tun. – Und hier ist Er nun! Vorgeschattet, in diesem Garten auf seinem Angesicht liegend, erfüllt Er diesen Willen, während Er gleichzeitig in seiner Heiligkeit davor zurückschreckt. Was ist dies anderes als göttliche Vollkommenheit? Wie völlig unpassend würde irgendeine Leichtfertigkeit bei Ihm hier sein. Gerade seine Vollkommenheit wird gemessen an seiner Angst (Furcht).
4 Anm. d. Red.: Im Vergleich zu obiger Stelle in Matthäus 26,39.↩︎