Schriften von Frederic Charles Jennings
Jes 52,13 - 53,12 - Der„Mann der Schmerzen“
Jes 53,1-3Jes 53,1-3
Jes 53,1-3: 1 Wer hat unserer Verkündigung3geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden? 2 Und er ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir ihn begehrt hätten. 3 Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen4und mit Leiden vertraut, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt; er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet.
Um die gewaltige Aussage zu erfassen, müssen wir uns klarmachen, dass der erste Abschnitt eng zusammenhängt mit dem Schluss des vorigen Kapitels. Dort erhielten Nichtjuden und ihre Könige eine Ankündigung, über die sie sich wunderten; jedoch galt diese Prophezeiung – so sagt der Prophet Israels – zuerst uns. Sie war für uns bestimmt, zu uns gesandt: Aber wer unter uns glaubte daran? Der Arm ist der Körperteil, durch den eine Arbeit erledigt wird, die besondere Kraft erfordert. Der Arm führt das aus, was der Wille diktiert. Gibt es ein treffenderes Bild für den, der in der Tat der Arm Gottes war? Und wer tat so wie dieser Arm mit Freuden den Willen Gottes? Er wirkte so mächtig, dass niemand anders gefunden werden konnte, selbst wenn man den Himmel, die Erde und die Orte unter der Erde durchsucht hätte (vgl. Off 5,3).
Doch wem wurde dieser Arm offenbar? Wer erkannte in diesem demütigen Menschen den mächtigen Arm Gottes? Israel hatte wiederholt gerufen: „Wache auf, wache auf, du Arm des Herrn!“ Aber als der Arm erschien, wer erkannte Ihn? Konnte Er, der angeblich der Sohn eines Zimmermanns war, der Arm des Herrn sein? Konnte Er, der verborgen und unbekannt in diesem einfachen Haus im verachteten Galiläa wohnte, der Arm des Herrn sein? Niemals konnte etwas Gutes aus Nazareth kommen (Joh 1,46); konnte der Arm des Herrn überhaupt von dort sein? Und als Er dann tatsächlich von dort kam, wurde Er von allen abgewiesen, selbst von denen, die wir für die Ehrbaren, Weisen, Angesehenen und religiösen Führer des Volkes gehalten hatten. Ist es möglich, dass Er, der von all jenen verachtet war, doch der Arm des Herrn war? Wir erwarteten einen ganz anderen. Unser hochmütiger Blick ging in eine ganz andere Richtung. Wir erhofften einen mit „königlichem Banner und allem, was dazugehört, mit Ansehen, Pomp und Prunk herrlichen Krieges“ und der Israels Heerscharen anführen würde wie der Oberste des Heeres des Herrn in lang vergangenen Zeiten (Jos 5,14) und der uns im Siegeszug von der römischen Besatzung befreien würde. Das wäre in unseren Augen großartig gewesen! Voller Freude hätten wir uns um so einen geschart! Doch mit diesen hochtrabenden Erwartungen, was konnten wir Ehrenwertes finden in diesem unscheinbaren Mann? Er weinte mit den Weinenden; Er war ein Mann vieler Schmerzen, der sich nur wenige Augenblicke mit den sich Freuenden freute.
Langsam fällt der Schleier von den Augen unseres Herzens, und wir erinnern uns, dass das Passahlamm nie vor dem Zehnten des Monats bestimmt und abgesondert wurde. In den ersten zehn Tagen unseres Jahres [das jüdische Jahr beginnt im Frühjahr; Anm. d. Übers.] kennt nur der Herr das Passahlamm, und nur seine Augen ruhen mit Wohlgefallen auf Ihm. Niemand anderes weiß es! So ist es auch mit unserem Messias; auch Er war verborgen und wurde als Lamm Gottes erst dann bezeichnet, als dreißig Jahre vergangen waren. So wuchs Er vor Ihm alleine heran.
Das Haus Davids glich lange einem gefällten Baum, und Jahrhunderte vergingen, bis ein Nachkomme Davids auf seinem Thron saß. Aber siehe da, aus den Wurzeln des gefällten Baumes wächst ein sich gut entwickelnder Spross heran, während alles andere ausgedörrt, trocken und abgestorben ist. So wuchs Er heran, eine menschliche Blume, wie sie lieblicher weder Gott noch Mensch zuvor auf Erden gesehen hatten. Und doch, als Er an die Öffentlichkeit trat und anfing zu wirken, Gutes tat, die Schmerzen der Menschen teilte sowie auch linderte, wurde Er von unseren Führern verachtet. Und leider wurde Er auch von uns, die wir nun unseren Unglauben beklagen, nicht geachtet. Wir handelten wie Menschen, die sich von einem Gegenstand abwenden, an dem sie kein Interesse haben.
Die traurige Menschheitsgeschichte wiederholt sich in unseren Tagen. Wir stehen kurz vor dem erneuten Kommen des Herrn Jesus. Und wieder wenden sich die Ehrbaren, die Gelehrten und die rein religiösen Menschen von dem ab, der einzig die „Kraft Gottes zur Errettung“ ist: dem wahren Arm des Herrn.
So wie damals, als nur einige wenige, die sich ihrer Hilflosigkeit bewusst waren, an Ihn klammerten, so ist es auch heute: Die Geschichte wiederholt sich. Nur verhältnismäßig wenige treibt die Last ihrer Sünden zu seinen Füßen. Denjenigen allerdings erscheint Er weit begehrenswerter als alle Kostbarkeiten der Welt. Allein bedauern wir die geringe Vertrautheit mit Ihm. Darf ich annehmen, dass unsere ausgetrockneten Herzen nach Ihm dürsten und danach verlangen, Ihn besser zu kennen? Denn Ihm allein, der für uns der „Arm des Herrn“ geworden ist, verdanken wir unsere Errettung, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Damit kommen wir zum dritten Teil dieser Prophetie, dem dritten Buch des Pentateuchs (Leviticus), das uns ins Heiligtum mit den vielen damit verbundenen Opfern führt. Hier sehen wir das eine Opfer, das all diese Schattenbilder ersetzt hat und durch das wir sogar Zugang zum Allerheiligsten haben. Die nächsten drei Verse enthüllen das Geheimnis dieser Leiden. Wir sollten gut hinhören, nicht gleichgültig, sondern mit Ergriffenheit über diese Offenbarung. Denn das hier Geschriebene geht uns persönlich in höchstem Maße an.