Schriften von Frederic Charles Jennings
Jes 52,13 - 53,12 - Der„Mann der Schmerzen“
Jes 53,4-6Jes 53,4-6
Jes 53,4-6: 4 Doch er hat unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen. Und wir, wir hielten ihn für bestraft5, von Gott geschlagen und niedergebeugt; 5 doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden. 6 Wir alle irrten umher wie Schafe, wir wandten uns jeder auf seinen Weg; und der Herr hat ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit.
Wie überwältigend sind diese Verse! Sie werfen ein heiliges Licht auf jenes Leiden, das durch eine dreistündige Finsternis auf Golgatha dem menschlichen Auge verborgen blieb. Die Aussagen sind so klar und deutlich, dass man sich kaum vorstellen kann, dass sie vor mehr als 700 Jahren vor ihrer Erfüllung geschrieben wurden.
Das erste Wort in Vers 4 ist das „Amen“, das auch im Neuen Testament vorkommt und das unser Herr Jesus so oft verwendete. [Die Wurzel bedeutet so viel wie „so sei es, wahrhaftig, wirklich, fürwahr, wahrlich“; Anm. d. Übers.] Es drückt den höchsten Grad einer Bestätigung aus. Niemand sollte auch nur im Geringsten über die wahre Ursache dieser unvergleichlich schweren Leiden im Zweifel sein. Ganz sicher hatte dieser Grund nicht existiert in seinem Leben, das dem Vater wohlangenehm war. Nein, nur durch die drei letzten Stunden am Kreuz erfahren wir etwas darüber.
Keine Peitsche, die seinen Rücken pflügt, keine Dorne, die seine Stirne aufreißt, kein Nagel, der seine Hände und Füße durchbohrt, kann Ihm auch nur ein Stöhnen abringen. Es bedarf noch tieferer Qual, um den Schrei „Eli, lama sabachtani“ auszulösen. Was konnte der Grund für noch mehr Qualen sein?
Zur Mittagsstunde verstummen die Spötteleien der Menschen. Die sonst so helle Sonne verdunkelt sich. Kein Licht fällt auf diese heilige Szene, während meine Sünde auf Ihm liegt. (Möchtest du dich mir anschließen mit gebeugtem Haupt und niedergeschlagenen Augen?). Gott […] verlässt Ihn deshalb, und die Schläge seiner Rute treffen Ihn; verglichen damit waren die römischen Peitschenhiebe sanft. Einzig davor schreckte seine unschuldige Seele zurück, so dass sogar im Voraus sein Schweiß wie große Blutstropfen wurde. Und doch war auch dieser Vorgang im Garten nur ein Schatten dessen, was Ihn erwartete. Wie unerträglich muss erst die Wirklichkeit gewesen sein? Könnten wir das nur ein ganz klein wenig ermessen, würden unsere Herzen nicht so geteilt sein. Wir würden unser Leben nicht so selbstsüchtig vergeuden, wie wir es leider oft tun. Wir wollen uns einsmachen mit den Worten dieses angesehenen Mannes in biblischen Zeiten: „Mit dem Gehör des Ohres haben wir von dir gehört, aber nun haben unsere Augen dich gesehen. Darum verabscheuen wir uns und bereuen in Staub und Asche.“ Wenn dieser Anblick nicht Reue und Buße bei uns auslöst, was sonst kann uns dazu bewegen?
Gern hätten wir es uns erspart, diese tiefgehenden Betrachtungen zu verlassen. Doch es ist unumgänglich, eine seltsame und falsche Auslegung dieser Worte zu untersuchen. In Matthäus 8,16.17, dem ersten Evangelium des Neuen Testaments, lesen wir: „Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm; und er trieb die Geister aus mit einem Wort, und er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten.“ Aus dem letzten Satz schließen manche, dass der Herr Jesus damals in seinem Leben die Krankheiten anderer getragen hätte und dass daher die Seinen nie krank werden dürften! Jedoch ist Er nie krank oder schwach geworden. So trug er die Krankheiten bestimmt nicht. Als Er einen Mensch mit einer verdorrten Hand heilte, hatte das keine Auswirkung auf Ihn selbst. Sein Körper war nicht den Schwachheiten unterworfen, die unser Los sind. Unsere Gebrechen sind eine Folge der Sünde, die in die Welt kam. Zwar unterwarf Er sich freiwillig den sündlosen Schwächen wie Hunger, Durst und Müdigkeit, aber Er hatte durchaus nichts gemein mit den Folgen des Kommens der Sünde in die Welt. Er wurde in allem versucht (auf die Probe gestellt) in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde (Heb 4,15).
Warum schreibt denn Matthäus, dass Er „unsere Schwachheiten nahm und unsere Krankheiten trug“? Unmöglich konnte es nur aus Mitleid mit den leidenden Menschen sein. Der Herr Jesus traf überall auf die bitteren Folgen der Sünde wie Besessenheit, Krankheit, Schmerz, Missbildungen, Tränen, und heilte immer. Aber obwohl Er auf Erden Macht und Autorität hatte, die Auswirkungen der Sünde oder die Strafe dafür zu beseitigen (Mk 2,10), übernahm Er selbst die Verantwortung für die Ursache. Er allein konnte das tun, da Er die Sünde, die solche Leiden verursacht hatte, an „seinem Leib auf dem Holz tragen“ [1Pet 2,24] würde. Niemals konnte Er, als die Zeit gekommen war, einen einzigen Schmerz wegnehmen, ohne auch die Sünde zu tragen, die diesen Schmerz verursacht hatte. So wie der kleinste Seufzer oder eine einzige Träne die Existenz der Sünde beweist, genauso ist das Stillen des Seufzens und des Weinens ein Beweis für die Sühnung der Sünde. Nichts anderes im ganzen Universum hätte das zustande bringen können als nur diese Leiden am Kreuz während der letzten drei Stunden. Matthäus berichtet uns, dass Er unsere Leiden getragen hat, damit die Prophezeiung Jesajas sich erfülle. Das damals Geschehene war nur ein Bild (so wie seine Taufe im Jordan ein Bild war von der Erfüllung der Gerechtigkeit), doch für die endgültige Erfüllung müssen wir alleine zum Kreuz blicken.
Wenn die Ursache der Sünde nun weggenommen ist, warum sind seine Folgen nicht beseitigt, wenigstens für die, die in Reue und Glauben die Versöhnung für sich in Anspruch genommen haben? Warum werden Gläubige noch mit Krankheit und Tod konfrontiert? Weil alles Handeln Gottes mit den Menschen abhängt von dem Platz, den sein geliebter Sohn einnimmt. Er wird immer noch abgelehnt und erhält noch nicht die Ihm gebührende Ehre. Sein Versöhnungswerk ist zwar vollkommen und vollständig abgeschlossen hinsichtlich der Forderung Gottes – „Er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt“ –, die tatsächliche Anwendung auf unser Leben liegt jedoch noch in der Zukunft. Die Sünde haftet unserem Körper noch an. Warum würden wir sonst ermahnt, durch den Geist die Handlungen des Leibes zu töten (Röm 8,13)? Wir warten noch darauf, tatsächlich in den Stand von Kindern Gottes versetzt zu werden (d.h. Gott anzugehören und öffentlich als seine Kinder anerkannt zu werden), dann, wenn auch unser Körper erlöst sein wird (Röm 8,23). Bis jetzt wird der Herr Jesus noch abgelehnt, und der Geist Gottes befindet sich noch hier auf der Erde. Daher besteht der Segen Gottes nicht in Heilung von Krankheiten – unser Körper steht noch unter der Macht des Todes (Röm 8,10) –, sondern in „jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern“ (Eph 1,3), entsprechend dem Platz, den Christus und der Heilige Geist jetzt noch einnehmen.
Er war sündlos und fleckenlos; Er hat unsere Sünden nicht während seines Erdenlebens getragen und hat sie auch nicht bis an das Kreuz getragen – sein Leben lang hatte Er sich im Wohlgefallen seines Vaters gesonnt –, sondern als fleckenloses Lamm opferte Er sich selbst und trug unsere Sünden nur, als Er am Kreuz hing.
In Vers 5 fällt das Licht Gottes auf diese Leiden und macht auf ergreifende Weise klar: Wir waren die Übertreter und Er wurde bestraft; wir hatten gesündigt und Er wurde dafür geschlagen. Wir waren schuldig, Er erlitt den Tod, der Sünde Lohn! Unsere Worte müssen jetzt verstummen, denn Stille kann mehr ausdrücken als Worte. Hinter den Schlägen, den Wunden, dem Tod, ahnen wir etwas von seiner Liebe zu uns.
Was sich jetzt vor unseren Augen entfaltet, nehmen die intelligentesten der Geschöpfe mit tiefem Erstaunen wahr. Wie gern würden sie diese unerforschlichen Tiefen noch mehr ergründen! Dieser Gott, von dem wir uns alle in verschiedene Richtungen entfernt haben, sollte veranlasst haben, dass unser aller Ungerechtigkeiten wie eine gewaltige Flut von stinkenden Abwässern in einem Schwall sich an einen bestimmten Ort ergießen sollten – auf Ihn, der Ihm am teuersten war? Wie ist es möglich, einem solchen Gott fernzubleiben? Uns erwartet nicht nur Brot, sondern eine Umarmung; nicht der Rang eines Knechts, sondern des Vaters Brust; nicht die Kleidung eines Lohnarbeiters, sondern der beste Anzug. Wäre das hinreichend bekannt, welcher verlorene Sohn würde nicht nach Hause zurückeilen? Ich möchte meinen Leser an die Hand nehmen und mit ihm zusammen so zu diesem Gott rufen: „O mein Vater, lass mich für den Rest meines Lebens in dieser Welt nahe bei Dir bleiben, denn Du hast mich so teuer erkauft. O Gott mein Vater, lass die Liebe, die Ihren einzigen Sohn für mich Unwürdigen nicht verschont hat, mein unstetes Herz für immer an Dich binden. Ich habe mich von Dir entfernt, nicht nur als ich noch nicht wiedergeboren war, sondern selbst auch seitdem ich Deine Liebe kenne. Ich schäme mich und bitte Dich flehentlich, dass ich nicht wieder von Dir weggehe. Herr Jesus, wenn ich auch unbeschreiblich schwach bin, bleibe ich doch Dein Schaf, das Dich braucht. Du bist mein Hirte, der sogar sein Leben für mich gegeben hat. Ich flehe Dich an, halt mich nah bei Dir bis zu dem Tag, wo ich für immer bei Dir sein werde!“
Im Heiligtum haben wir des Herrn Jesu Leiden mit den Augen Gottes gesehen. Kehren wir nun zurück zum ersten Pentateuch der Bibel, denn auf das Buch über das Heiligtum, Leviticus, folgt Numeri, das Buch „in der Wüste“, wie es in der hebräischen Bibel genannt wird. In 4. Mose wird die Wüstenwanderung Israels beschrieben, einschließlich der Prüfungen, denen das Volk unterworfen war, und seines ständigen Versagens. Auch in Jesaja kommen wir gerade zu diesem Aspekt des Heilands Leiden: wie Er unter den Anfechtungen seitens der Menschen litt und doch standhaft blieb; Er versagte nie.