Frederic C. Jennings
Schriften von Frederic C. Jennings
Mt 26,36-46 , Mk 14,32-42 Lk 22,39-46 Joh 18,1-3 Ps 102 - Gethsemane
Drei Jünger begleiten den HerrnDrei Jünger begleiten den Herrn
Kehren wir zu dem Garten zurück. Als wir ihn verlassen hatten, sahen wir acht Jünger dort sitzen, denn Er hatte aus mitfühlender Rücksicht – die alle Wege mit seinem Volk kennzeichnet – sie gebeten, dort zu warten, bis Er hingegangen wäre, um zu beten. Nicht an einem unbestimmten Ort, wie das Wort „dorthin“ möglicherweise andeuten könnte, sondern indem Er zu einem speziellen Flecken hinzeigt; „jener Fleck dort drüben“, so könnten wir vielleicht sagen. Wir werden den Wert dieses präzisen Ausdruckes bald erkennen.
Nur drei Jünger begleiten den Herrn auf jenem Pfad der Trauer; und warum werden diese drei so ausgewählt? Sicherlich weil es dieselben drei waren, die allein mit Ihm auf den heiligen Berg gegangen waren und dort Zeugen der Szene des Triumphs und der Herrlichkeit waren. Dann wiederum lag da ein kleines Mädchen in dem, was wir „Tod“ nennen, Er aber „Schlaf“ nannte; und alle müssen den Raum des Todes verlassen außer Petrus, Jakobus, Johannes und die Eltern. Sie, und sie allein von allen Jüngern, teilen den Triumph jener Siegesstunde über den Tod. So sollen sie, und sie allein, Ihn weiter begleiten auf dem Pfad der Trauer, weiter als die anderen Jünger. Wie bedeutungslos ist dies alles für den Unglauben; wie einfach, wie klar, wie erfüllt mit Bedeutung und göttlicher Wahrheit für den Glauben. Denn so ist es immer gewesen und ist es bis zum heutigen Tag. Jene, die am weitesten auf dem Pfad des Vorrechts, der Freude und des Segens gehen, sind solche, die allein gehen können und auch gehen müssen auf dem Pfad der Trauer. Solche, die am meisten göttlichen Trost empfangen haben, müssen dies am meisten erwarten, und wiederum wird von dieser Trauer größerer Segen kommen, weil wir dann viel besser befähigt sind, mit anderen Mitgefühl zu haben und ihnen zu helfen. Scheint es nicht so, als wenn die geheimnisvolle Lehre der Auserwählung nicht nur Bezug hat auf die grundlegende Wahrheit der Errettung? Alle elf waren auserwählt, aber dieselbe Souveränität wählte drei von den elf aus. Es ist immer Auserwählung im Hinblick auf Vorrecht und Dienst der Auserwählten. Wie einer unserer Dichter geschrieben hat.
Wenn Jesus auf alle in gleicher Weise scheinen würde,
dann würden alle in gleicher Weise lieben.1
Aber man darf hier das Gleichgewicht nicht vergessen, indem man die Verantwortlichkeit des menschlichen Willens beiseitesetzt, und so weigern wir uns zu behaupten, dass der unbußfertige Sünder auserwählt ist zur Unbußfertigkeit. Ebenso weigern wir uns auch, den Gedanken zu akzeptieren, dass Gott einige auserwählt hat – nicht nur in seiner Souveränität, sondern bewusst ohne einen Grund –, dass sie völlig unnütz seien oder dass sie nicht dienen sollen. Das ist niemals wahr. Er kennt wohl die natürliche und geistliche Fähigkeit eines jeden von uns, und Er wählt aus, was passend ist gemäß unserer Fähigkeit, und sieht zu, dass wir über dieses Vermögen hinaus niemals belastet werden. Es fehlen da auch nicht einige Kompensationen, denn wir werden sehen, dass die acht Jünger, die am Eingang zurückgeblieben waren, nicht so ernst getadelt wurden wie die, die Ihn begleitet hatten und mehr bevorrechtigt waren. Einer unser Dichter drückt solche Kompensationen folgendermaßen aus.
Wer würde wagen zu wählen,
gar nichts oder beides zu kennen?
Vor Freude zu beben,
oder vor Qual zu zittern?
Niemals die größte Pein,
niemals die größte Freude.
Denn das Herz, dass das eine nicht kennt,
kann das andere niemals wirklich wertschätzen.2
Aber jetzt können die drei nicht mehr weitergehen, und sie werden gebeten, dort zu bleiben, denn jetzt ist bildlich gesprochen die Grenze ihrer Fähigkeit erreicht. Aber der Herr geht noch weiter ohne seine Jünger; Er ist alleine, als Er zu jenem Flecken geht. Mit welch einer erstaunlichen Präzision schattet diese Szene die Wirklichkeit dessen vor, was weniger als vierundzwanzig Stunden später geschehen sollte. Wenn Jesus das Sühnungswerk vollbrachte, musste Er allein sein. Niemand im Himmel, auf der Erde oder unter der Erde teilt das mit Ihm. So war es auch am Versöhnungstag, der ein Vorbild der drei Stunden der Finsternis auf Golgatha ist. Es soll kein Mensch in dem Zelt der Zusammenkunft sein, wenn er (der Hohepriester) hineingeht, um Sühnung zu tun (3Mo 16,17). Damit er ein richtiges Vorausbild sein konnte, musste auch er alleine sein. Aber wird hier denn Versöhnung vorgeschattet? Spricht „dorthin“ von den letzten drei Stunden auf Golgatha? Fraglos, denn beachte: Er zog sich ungefähr einen Steinwurf weit zurück, und auf genau dem Flecken, auf den ein Stein fallen würde, dort fiel Er hin.
Einen Steinwurf weit
Aber warum wird uns das von Lukas berichtet (Lk 22,41)? Aus welchem anderen Grund konnte es sein als dem, dass das „Steinewerfen“ die göttliche Weise des Gerichts war, die in Israel ausgeübt wurde? Wir machen alle Hinrichtungen so mechanisch und automatisch wie möglich. Unsere Henker ziehen einen Stuhl weg oder ziehen einen Hebel und senden 2000 Volt elektrischen Strom durch den Verbrecher, aber in jenen alten Tagen, in denen Gott direkt und persönlich Israel regierte, war die göttlich angeordnete Art, Gericht auszuüben, wenn es um den Tod ging, die Steinigung, und die, die gegen den Sünder gezeugt hatten, sollten selbst die Ersten sein, die dieses Urteil ausübten, so wie geschrieben steht: „Die Hand der Zeugen soll zuerst an ihm sein, ihn zu töten, und danach die Hand des ganzen Volkes“ (5Mo 17,7).
Nun wirf dieses Licht einmal auf diesen „Steinwurf“. Ist die Schönheit zu übersehen? Erfüllt uns nicht die Bewunderung bei diesem Steinwurf? Das war gerade die Stelle, auf die Er hingewiesen hatte, als Er in den Garten ging. Sein Weg endete dort, wo das Gericht fiel. So war es mit dem Schatten in Gethsemane und so war es mit der Wirklichkeit auf Golgatha. Hat nicht auch jener Weg im Gericht geendet?
Aber wie weit ist ein Steinwurf? Das ist natürlich ein ziemlich unbestimmter Ausdruck. Einige werfen einen Stein ungefähr 150 Yards [ca. 137 Meter], aber derselbe Werfer schafft es möglicherweise nicht, einen anderen Stein mehr als wenige Fuß weit zu werfen. Alles hängt nämlich von dem Gewicht des Steines ab. Aber haben wir denn überhaupt keine Möglichkeit, die Weite zu berechnen? Auch wenn wir nicht das genaue Gewicht haben, wissen wir nicht wenigstens, ob es ein großer oder kleiner, schwerer oder leichter Stein war? Sicherlich haben wir einen Hinweis! Wenden wir uns dazu nach Matthäus 26,39. Dort heißt es: „Und er ging ein wenig weiter“; gibt acht: nur „ein wenig“. Wenn dieses „wenig“ der „Steinwurf weit“ war, dann wissen wir, dass es ein sehr schwerer Stein gewesen sein muss. Ach, wissen wir nicht, wie wahr das ist? Wer kann das Gewicht des Gerichtes ermessen, das Er trug, als Er Sühnung für unsere Sünden und für die Sünden der ganzen Welt tat?3
1 Wörtliche Übersetzung aus dem Lied „Seeking the Beloved“ von William Cowper (1731–1800):Did Jesus but shine alike on all, | then all alike would love.↩︎
2 Wörtliche Übersetzung aus dem Gedicht „Compensation“ von Frances Ridley Havergal (1836–1879):Who would dare the choice, | neither or both to know, | the finest quiver of joy | or the agony-thrill of woe? | Never the exquisite pain, | then never the exquisite bliss, | for the heart that is dull to that | can never be strung to this.↩︎
3 Anm. d. Red.: In 1. Johannes 2,2 wird das etwas vorsichtiger ausgedrückt: „Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.“ Das liegt daran, dass die Sühnung zwei Aspekte umfasst: Genugtuung Gott gegenüber und Stellvertretung den Menschen gegenüber. Die Genugtuung betrifft tatsächlich die Sünden aller Menschen, die Stellvertretung dagegen nur die Sünden derer, die errettet werden.↩︎