Erich Sauer
Schriften von Erich Sauer
Das Morgenrot der Welterlösung
Dritter Teil: Die vorlaufende Heilsoffenbarung
D. Das Gotteszeugnis der Prophetie
10. Kapitel: Die Messiasprophetie10. Kapitel: Die Messiasprophetie
„Die Väter haben Sein geharrt."
Christus ist durch das Alte Testament im Kommen begriffen. 288 das Evangelium ist im Alten Bunde am Werden. „Das Alte Testament ist Morgendämmerung und Morgenrot. Das Morgenrot gehört zur Sonne. So gehört das Alte Testament zu Jesus Christus“ (E. Brunner).
„Das Alte Testament sagt, was der Christus ist, das Neue sagt, wer er ist, und zwar so, daß offenbar wird: nur der kennt Jesus, der ihn als den Christus erkennt, und nur der weiß, wer der Christus ist, der da weiß, daß er Jesus ist. So entsprechen die beiden Testamente den beiden Hauptnamen des Erlösers, das Alte seinem Berufsnamen Christus, das Neue seinem Eigennamen Jesus; aber beide sind von einem Geiste durchhaucht und deuten einander." 289
Allumfassend ist darum auch das Messiasbild der alttestamentlichen Prophetie. 290 Sie schildert:
I. Die Person des Messias.
Seine Menschheit nach Familie, Ort, Zeit.
Seine Gottheit (diese in verhüllter Form). 291
II. Das Werk des Messias.
Sein Kommen in Niedrigkeit.
Sein Kommen in Herrlichkeit.
I. Die Person des Messias
Christus ist schon vor seiner Menschwerdung das Zentrum der Heilsgeschichte. Seine alttestamentliche Vorausdarstellung ist zugleich Selbstdarstellung; denn der „Geist Christi” war in den Propheten (1Pet 1,11). Schon die vorchristliche Offenbarungsgeschichte ist „Geschichte Christi“.
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Seine Menschheit. Zielbewusst im Lauf der Jahrhunderte voranschreitend, schildert die alttestamentliche Weissagung die Menschheit des Erlösers in immer enger werdenden, konzentrischen Lichtkreisen, einer sich nach oben hin verjüngenden Pyramide gleich. Zunächst
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Die Familie. Der Welterlöser stammt
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aus der Menschheit, ist „Weibessame“ (1. Mose 3,15)
so heißt es zur Zeit Adams und Evas (um 4300);
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von allen Rassen der Menschheit aus Sems Geschlecht (1. Mose 9,26)
so prophezeit Noah (um 2300);
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von allen Semiten aus Abrahams Samen (1. Mose 12)
so sagt ihm Gott selbst um 1900;
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von allen Nationen, die von Abraham stammen, aus Israel
so beweisen es die Bundesübertragungen an Isaak und Jakob (um 1850 vgl. 1. Mose 26,3; 28,13);
so heißt es um 1800 (1. Mose 49,10). 292
Dann steht die Spezialisierung der Verheißung einige Jahrhunderte hindurch still. Wohl schreibt Mose um 1500 sein fünfteiliges Werk, weissagt auch von dem Kommen eines Propheten wie er (5. Mose 18,15 vgl. Apg 3,22; 7,37), und vor allem sind Stiftshütte und Opfereinrichtungen Vorbilder auf Christum als den Priester (bes. 2. Mose 25-31; 3. Mose 1-7; 16; Joh 5,46); aber weiterführen tut er die Zugipfelung der Verheißung nicht. Ebenso bleibt Bileam, der heidnische Seher, sein Zeitgenosse, mit seiner Weissagung von dem kommenden König durchaus innerhalb des Rahmens des allgemeinen Israels stehen: „Ich sehe ihn, doch nicht schon jetzt; ich schaue ihn, doch nicht in der Nähe: es geht ein Stern aus Jakob auf, und ein Herrscherstab erhebt sich aus Israel” (4. Mose 24,17).
Erst mit Nathan, dem Propheten der Davidszeit (um 1050), also 700 Jahre später, hebt die Spezialisierung der Prophetie von neuem an. Inzwischen war aber das israelitische Königtum entstanden (mit Saul, 1100); und dies war, vom Gesichtspunkt der Königsherrschaft Gottes aus (2. Mose 19,5; 6; 5. Mose 33,5), ein Rückschritt, ein Zugeständnis an die „Herzenshärtigkeit“ der Menschen (vgl. Mt 19,8). Aber der Plan Gottes kann nicht durch menschliche Querwirkungen vereitelt werden.
Aus Israel sollte der gott-menschliche Messiaskönig kommen. Irgendein Israelit mußte darum sein Ahnherr sein. Daß dies aber gerade ein König sein müsse, war in keiner Weise notwendig. Zum Königtum des Messias war eine irdische Königsdynastie durchaus nicht erforderlich, ja, nach dem Plan Gottes nicht einmal erwünscht. Jede beliebige Privatperson aus dem Stamm Juda konnte zum Vorfahren des Messias erwählt werden.
Nachdem aber nun einmal das Königtum da war und - wenn auch zunächst nicht von Gott gewollt, so doch tatsächlich von ihm selbst eingesetzt - , bestand die Oberregierung Gottes über das Zukurzkommen der Menschen darin, daß Gott nun nicht eine Privatperson, sondern gerade einen gläubigen Träger der Krone zum Ahnherrn des Messias erwählte.
Dies ist die Bedeutung der Sendung Nathans im Heilsplan (1Chr 17,3-14; 2Sam 7,4-16). Durch Nathans Weissagung an David wurden die messianischen Verheißungen, innerhalb des Königsstammes Juda, auf ihn, den gekrönten Sohn Isais, übertragen (vgl. Jes 11,1). Von nun an ist der Messias „Sohn Davids" (vgl. Off 5,5).293
Die weitere Spezialisierung der Verheissung ging dann durch das Davidische Königsgeschlecht hindurch. Von den zahlreichen Söhnen Davids (2Sam 5,13; 14) wurden namentlich zwei die Träger des messianischen Segens: Salomo und Nathan, beides Söhne der Bathseba (1Chr 3,5). Von Salomo stammt Joseph. ab, der rechtliche „Vater” des HErrn Jesu (Mt 1,6; 16), von Nathan die Jungfrau Maria, seine eigentliche Mutter 294 (Lk 3,23; 31). Genau genommen stammt Christus also nicht von der königlichen Salomo-Hauptlinie ab, sondern von der nicht-regierenden Nathan-Nebenlinie. Das eine ist das Juristische, das andere das Organische; aber das Organische ist bedeutsamer als das Juristische.
So war die Prophetie in stufenweisem Aufgang des Lichts vom Allgemeinen zum Besonderen vorangeschritten, vom Amt zum Amtsträger, vom Sachlichen zum Persönlichen, gleichsam von „Christus" zu „Jesus". Das Alte Testament war ein „Ziehen des Vaters zum Sohne" gewesen, gleichwie das Neue Testament ein „Ziehen des Sohnes zum Vater hin" ist (1Kor 15,28).
Das irdische Königtum ging später zugrunde. Mit Zedekia verlor das Davidische Geschlecht seine Krone (2Chr 36,11-20). Aber das Reich und die Macht und die Herrlichkeit blieben dennoch mit David verbunden (Jes 55,3); und in der Endzeit wird Christus, gerade als „David", sein Volk und die Völkerwelt weiden (Hes 37,24; 25; Hos 3,5; Jes 11,1-10; Jer 23,5). „Mein Knecht David soll ihr Fürst sein für immer!” (Hes 37,25 vgl. Off 22,16.) So hatte der Mensch, was er gewollt hatte, bekommen (das irdische Königtum); aber zuletzt hatte Gott dennoch sein Recht behalten (das himmlische Königtum).
- Der Ort. Mit der Nathans-Weissagung an David war die Frage nach der Familie des Messias abschließend beantwortet worden (um 1050). Aber noch war die Frage nach dem Ort und der Zeit nicht geklärt. Darum wurden noch zwei weitere Hauptweissagungen hinzugefügt, und zwar Michas Weissagung vom Ort, nach 300 Jahren (um 725), 295 und Daniels Weissagung von der Zeit, nach 500 Jahren (um 536). 296
Obwohl von einem Nachkommen des heldenhaften Kaleb gegründet (1Chr 2,50; 51), und in der Richterzeit sieben Jahre lang Wohnsitz des Richters Ibzan (Ri 12,8-10), tritt Bethlehem-Ephrata („Brothausen, das Fruchtbare") in den Jahrhunderten vor David in der Geschichte Israels doch nur sehr unrühmlich hervor, und zwar in Verbindung mitTod und Totenklage (1. Mose 35,19; 20) Götzendienst (Ri 17,7 ff), Unsittlichkeit, Bruderkrieg (Ri 19; 1 ff) 297 und Hungersnot (Ruth 1,1). Aber gerade aus dieser Stadt erwählte sich Gott, der sich stets zu dem Geringen herabneigt, den Ahnherrn des Messias; und so wurde Bethlehem-Ephrata, als „Stadt Davids", der Ort, in dem „Christus der HErr" geboren werden sollte (Micha 5,1; Lk 2,11).
Aber noch genauer wurde die Prophetie. Fast zweihundert Jahre, nachdem Micha den Ort geweissagt hatte (um 725), verkündete Daniel um 536
c) Die Zeit. Dies geschah in der Weissagung von den „siebenzig Jahrwochen", genauer gesagt, den 69 Jahrwochen vor dem Anbruch der 70. Damit aber erreicht die Zugipfelung der Prophetie ihren Höhepunkt und zugleich ihren Abschluß.
„So wisse nun und merke: Von der Zeit an, da ausgeht der Befehl, daß Jerusalem soll wiederum gebaut werden, bis auf den Gesalbten, den Fürsten,298 sind sieben Wochen und zweiundsechzig Wochen, so werden die Gassen und Mauern wieder gebaut werden, wiewohl in kümmerlicher Zeit; und nach den zweiundsechzig Wochen wird der Gesalbte ausgerottet werden und nichts mehr sein” (Dan, 9,25; 26).
Die 70 Wochen („Siebenheiten") sind je sieben Jahre. Dies begriff ein Israelit wie Daniel sehr leicht; Galt doch, nach dem mosaischen Gesetz, jedes siebente Jahr als ein Sabbatjahr (3. Mose 25,4). Also umspannen die 7+62=69 Jahrwochen bis „auf den Gesalbten (den Messias) den Fürsten“ 483 Jahre.
Ihr Anfang ist der Ausgang des Befehls, die Stadt Jerusalem wieder zu bauen (Vers 25). Hiermit kann nicht der Erlaß des Kores gemeint sein (536); denn dieser bezog sich vornehmlich auf den Wiederaufbau des Tempels (2Chr 36,23; Esra 1,1-4; 5,13-15; 6,3-5), eine Aufgabe, die durch den Fürsten Serubabel, den Hohenpriester Josua und die Propheten Haggai und Sacharja bis zum Jahre 516 ausgeführt wurde (Esra 5,1; 6,14; 15). Den eigentlichen Wiederaufbau der Stadt vollführten erst, einige Jahrzehnte später, der Priester Esra, der Statthalter Nehemia und der Prophet Maleachi.
Ihre Tätigkeit setzte ein mit dem auch die politische Neuorganisierung Palästinas betreffenden Erlaß des persischen Königs Artaxerxes I. Longimanus (Arthasatha) im siebenten Jahre seiner Regierung (465-424), also im Jahre 457 (Esra 7,25; 7). Der Beginn der Tätigkeit Esras ist also der Anfang der siebenzig Jahrwochen. Wenn Nehemia erst einige Jahre später (445) mit dem Mauerbau beginnen konnte, so lag dies daran, daß sich dem grundlegenden Anfang zunächst besondere Schwierigkeiten in den Weg gestellt hatten. Aber Anfang und „Ausgang" blieb jener erstere Erlaß trotzdem. 299
Rechnen wir nun zu diesem Jahre 457 die geweissagten 69 Jahrwochen. d.h. 483 Jahre hinzu, so kommen wir in das Jahr 26/27 nach Christi Geburt, also genau in das Jahr, in dem Christus, nach Luk, 3,1, kurz hinter Johannes dem Täufer, mit der Himmelreichsbotschaft begann! Denn als der HErr auftrat, war er ungefähr 30 Jahre alt (Lk 3,23), und da Herodes der Große seine Geburt noch miterlebt hat (Mt 2), selber aber schon im Jahre 749 der Stadt Rom, also „4 vor Chr. Geb.", gestorben ist, muß der HErr schon vier oder fünf Jahre vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung geboren worden sein, war also buchstäblich beim Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit, im Jahre 26/27, etwa dreißig Jahre alt. 300
So hat auch hier die Erfüllung in überraschendster Weise die Weissagung bestätigt; und indem die alttestamentliche Messiasprophetie die Menschheit des Erlösers nach Familie, Ort und Zeit genau bestimmt hatte, hat sie sich gleichzeitig als ein volLommenes, göttliches Gemälde erwiesen.
2. Die prophetische Vorausahnung der Gottheit des Messias. Aber auch die Gottheit des Messias ist im Alten Testament - wenn auch nur verhüllt und in Bildern und Rätselworten - angedeutet. Zuerst am verhältnismäßig deutlichsten in der Nathansweissagung: „Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein“ (1Chr 17,13). Sich darauf gründend, nennt David in Psalm 110 seinen Sohn seinen „Herrn“ (Ps 110,1; Mt 22,44; 45), und der vorbildliche David legt, gleichsam vom Throne herabgestiegen, seine Krone zu den Füßen dessen nieder, der, sitzend zur Rechten des HErrn, der eigentliche, wahre „David" ist (Hos 3,5; Hes 37,24; 25). Weiterhin sagt derselbe (Apg 4,25) Psalmist: „Küsset den Sohn, dass er nicht zürne" und „Der HErr hat zu mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget“ (Ps 2,12; 7), ein Wort, welches das Neue Testament auf die Auferstehung Jesu bezieht (Apg 13,33 vgl. Röm 1,4), die ja sein Versetztwerden aus dem Leben in Knechtsgestalt in das Leben der Erhöhung war und also seine „Zeugung“ in sein königliches Dasein.
Auf die Gottheit des Messias weist ferner bildhaft auch Jesaja hin, indem er den „Wurzelzweig Isais“ (Jes 11,1) als „Zemach (Sproß) des Herrn“ (Jes 4,2) bezeichnet und als „Wunderbar-Rat, Kraft-Held, Ewig-Vater, Friedefürst“ (Jes 9,6). Für Micha ist er der „HErr, dessen Ausgang von Anfang und Ewigkeit her gewesen ist“ (Micha 5,1), für Jeremia „der HErr unsere Gerechtigkeit“ (Jer 23,5; 6) und für Maleachi „der HErr, den ihr sucht“ und „der Engel des Bundes, des ihr begehret“ (Mal 3,1). 301
II. Das Werk des Messias
Wie die Person des Messias von den Propheten unter einem harmonischen Gegensatz geschaut worden war, so auch sein Werk. Dort war es der Gegensatz zwischen Gottheit und Menschheit, hier zwischen Niedrigkeit und Hoheit. Die „Leiden, die auf Christum kommen sollten" und „die Herrlichkeiten danach " - das ist der zweifache Grundinhalt aller ihrer Weissagung (1Pet 1,11).
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Christi Kommen in Niedrigkeit. In einem geradezu großartigen Kleingemälde schildert sie sein erstes Kommen, diesen dunklen Untergrund seiner strahlenden Königsherrlichkeit.
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Durch dies alles ist er der leidende und triumphierende „Gottesknecht", der, als der Stellvertreter der Sünder, die Erlösung vollbringt und also Jesaja 53, diese wunderbarste Weissagung des Alten Testaments, erfüllt (Apg 8,32-35).
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Christi Kommen in Herrlichkeit. Aber auch das zweite Kommen des HErrn wird in lebendigster Farbenpracht geschildert. Hierbei schauen die Propheten , nach dem Gesetz der „prophetischen Perspektive", das erste und zweite Kommen Christi oft in einem Bilde zusammen (Jes 61,1; 2; Lk 4,18-20).
Gekrönt mit der gold-silbernen Doppelkrone( Sach 6,11-13) des melchisedekschen Königs- und Priestertums (Ps 110,4), herrscht der Messias in Gerechtigkeit und siebenfacher Geistesfülle über sein Reich (Jes 11,2-4).
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Bekehrung 302 und Vereinigung Israels (Hes 37,15-22),
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Erneuerung der Nationen (Zeph 3,9),
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Friede unter den Völkern (Micha 4,3; 4),
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Segnungen der Natur (Jes 11,6-8; Hos 2,23; 24),
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erhöhter Glanz von Sonne und Mond (Jes 30,26)
das sind einige der Herrlichkeiten dieses goldenen Zeitalters.
So gleicht das Alte Testament einem gestirnten Nachthimmel gleichwie das Neue einem sonnenhellen Tage, „und ist kein Wort im Neuen Testament, das nicht hinter sich sehe in das Alte, darinnen es zuvor verkündigt ist ;... denn das Neue Testament ist nicht mehr denn eine Offenbarung des Alten, gleich als wenn jemand zum ersten ein beschlossen Brief hätte und darnach aufbräche" (Luther). 303 An die letzte Messiasprophetie des Alten Bundes (Mal 3,1) knüpft dann die erste Geburtsankündigung des Neuen Bundes an (Gabriel an Zacharias: Lk 1,5-17). Denn Christus ist das Omega des Alten und das Alpha des Neuen Testaments.
III. Das Schweigen Gottes
Die Propheten hatten geredet. Fast 4000 Jahre lang hatte Gott sich geoffenbart, zuerst in der Menschheit, dann besonders in Israel. Namentlich seit Mose hatte es eine ununterbrochene Kette prophetischer Botschaften gegeben.
Dann plötzlich mit Maleachi verstummt die Prophetie. Gott zieht sich in seine Himmelshöhe zurück und - schweigt -, schweigt 400 Jahre! -, schweigt und harrt.
Und die Menschheit hier unten im Tränental muß noch weiter fast ein halbes Jahrtausend auf den verheißenen Erlöser warten! Und doch ist schon alles gesagt, was vor dem Erscheinen des Weltheilands zu sagen war! Die alttestamentliche Gottesoffenbarung ist schon vierhundert Jahre vor Christi Geburt abgeschlossen und fertig!
Wozu da noch diese Schule der Sehnsucht für die Gläubigen in diese so lange Zwischenzeit zwischen Maleachi und Johannes dem Täufer?
Warum kam Christus nicht schon zur Zeit Maleachis?
Die Antwort liegt darin, daß das Evangelium nicht nur offenbarungsgeschichtlich, sondern auch welt- und kulturgeschichtlich vorbereitet werden musste. Und gerade dies geschah in der Zwischenzeit zwischen dem Alten und dem Neuen Testament, besonders durch Alexander den Großen, den Hellenismus und das Römerreich. Damit aber treten die Weltreiche unter den Gesichtspunkt der Heilsvorbereitung, und der offenbarungsgeschichtlich schweigende Gott ist zugleich der weltgeschichtlich handelnde Gott.
Hier ist es besonders das Buch Daniel, welches die Nacht dieses halben Jahrtausends erleuchtet.
Zwei lange, offenbarungslose Zeiten kennt die Heilsgeschichte der Bibel: die Zeit zwischen Maleachi und Johannes dem Täufer und die Zeit zwischen Christus und dem kommenden Gottesreich. Die erste währte 400 Jahre; die zweite währt jetzt schon fast 2000 Jahre. Beides sind „Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24).
Die Leuchte der ersten ist der Völkerprophet Daniel, der Leitstern der letzteren ist die Offenbarung Johannes. Das Buch Daniel wurde den Heiligen des Alten Bundes gegeben beim Eintritt in die Nacht zwischen der ersten Zerstörung Jerusalems (586 v. Chr.) und dem ersten Erscheinen des HErrn. Die Offenbarung Johannes wurde den Heiligen des Neuen Bundes gegeben beim Eintritt in die Nacht zwischen der zweiten Zerstörung Jerusalems (70 nach Chr.) und dem zweiten Erscheinen des HErrn. 304 So gehören sie denn beide zusammen: das eine ist das Gegenstück des andern, und das zweite ist die Vollendung des ersten.
288 Genau dieselbe Wortform „Christos" gebraucht schon im 3. Jahrhundert v o r Christi Geburt die Bibel der ägyptischen Auslandsjuden, die Septuaginta", die von Juden angefertigte, griechische Übersetzung des Alten Testaments. Man lese dort Stellen wie Ps 2,2; 1Sam 2,10; Dan 9,25.↩︎
289 Vgl. W. Vischer, Das Christuszeugnis des Alten Testaments, 1935, S. 7.↩︎
290 Vgl. Franz Delitzsch, Messianische Weissagungen in geschichtlicher Folge, Berlin 1899.↩︎
291 Vgl. 17↩︎
292 Eigentlich hatte Ruben das Erstgeburtsrecht. Dennoch ist der Messias nicht „Löwe aus dem Stamm Ruben". Denn Ruben war, wegen seiner Sünde von 1. Mose 35,22, seines Erstgeburtsrechtes und Messiasrechtes entkleidet worden (1Chr 5,1; 1. Mose 49,3; 4). Die dann folgenden Brüder Simeon und Levi waren aber auch ausgeschaltet (1. Mose 49,5-7), und zwar wegen ihrer Bluttat in
Sichern (1. Mose 34,25).
Daher wurde Rubens Erstgeburtsrecht folgendermaßen geteilt:
a) Den doppelten Anteil am äußeren Erbbesitz (5. Mose 21,15-17) bekam Joseph (in Ephraim und Manasse: 1Chr 5,1; 2;
b) die Priesterwürde (vgl. 2. Mose 13,2; 15) bekam, im Hinblick auf 2. Mose 32,26-28, Levi: 4. Mose 3,12; 45; 8,17; 18, und
c) die Herrschaftswürde (vgl. 1. Mose 43,33; 48,14; 18; 19) bekam Juda, der vierte Sohn Jakobs (1Chr 5,2 Daher ist der Messias „Löwe aus dem Stamm J u d a" (Off 5,5; 1. Mose 49,9; 10).↩︎
293 Der Name „David" kommt im Alten Testament 986mal, im Neuen Testament 59mal, zusammen also 1045mal vor (der Name „Jesus" 996mal).↩︎
294 Matthäus gibt den Stammbaum des Joseph, Lukas den der Maria oder, genauer, den ihres Vaters Eli (Lk 3,23), des Schwieger„vaters" des Joseph (daher Vers 23, vgl. Neh 7,63). Auch der Talmud nennt Maria eine Tochter Elis. - Ebenso erklären Luther, Bengel, Lange, Delitzsch, v. Oosterzee, Ebrard, Riggenbach, v. Viebahn, Dächsel, Modersohn u. a.↩︎
296 Dan, 9, 24-27 vgl. 1.↩︎
297 Wenn auch nur indirekt. Jonathan, der Levit, der Hauspriester des Götzendieners Micha, war aus Bethlehem zu Micha gekommen (Ri 17,7-10; 1-5; 18,30).↩︎
298 Daß mit diesem „Gesalbten" Christus gemeint ist (und nicht etwa Cyrus oder der nach 2. Makk. 4, 34 im Jahre 172 v. Chr. ermordete Hohepriester Unias III.), lehrt auch die altkirchliche Auslegung, unter den Neueren Schrifterklärer wie Hengstenberg, Hävernick, Auberlen, Kliefoth, Keil, B. Keller, G. Stokmann↩︎
299 Ebenso erklären Auberlen, Stokmann, Dächsels Bibelwerk, B. Keller, auch Isaak Newton (der bekannte Physiker). Vgl. G. Stokmann, Die Erlebnisse und Gesichte des Propheten Daniel, Gütersloh 1922, S. 147 ff.↩︎
300 Bekannt ist, daß sich Victoria v. Aquitanien (gest. 465) und der römische Abt Dionysius Exiguus (gest. um 556) bei der Festsetzung der christlichen Zeitrechnung um 4-6 Jahre geirrt haben. Das Jahr „1" der christlichen Zeitrechnung sollte nicht gleich „753" der Stadt Rom sein, sondern zum mindesten 749, wenn nicht noch 1 oder 2 Jahre früher. Das Jahr 26 ist auch das „15. Jahr des Tiberius" (Lk 3,1). Denn dort rechnet Lukas die Regierungsjahre nicht von der Alleinherrschaft des Tiberius ab (d. h. vom Tode des Augustus am 19. August 14), sondern von seiner Erhebung in die Mitregentschaft (kurz vor dem 16. Januar 12). –
Vgl. v. Zahn, Lukaskommentar, Leipzig 1920, S. 183-188; 205 f.↩︎
301 Hierher gehört auch das Selbstzeugnis der ewigen „Weisheit" in Spr 8,22-31. Vgl. Joh 1,1-3. — Auch die obige Reihenfolge ist geschichtlich geordnet: Nathan und David um 1050, Jesaja und Micha um 720, Jeremia um 586, Maleachi um 430.↩︎
302 Hos 3,5; 2,17-19; Jes 11,9; Zeph 3,13.↩︎
303 Kirchenpostille von 1522 (WA., Bd. X, 1. Abt., 1. Hälfte, S. 181 f.↩︎
304 Vgl. Auberlen bei P. Althaus, Die letzten Dinge, Gütersloh 1933, S. 253↩︎