Erich Sauer
Schriften von Erich Sauer
Das Morgenrot der Welterlösung
Zweiter Teil: Die Uroffenbarung
7. Kapitel: Das babylonische Menschheitsgericht7. Kapitel: Das babylonische Menschheitsgericht
Über der Menschheit lastet das babylonische Gericht. Alle Geistes- und Kulturgeschichte steht unter dem Zeichen dieser zerschmetternden Urkatastrophe. Vergeblich ringt die Welt gegen sie, ihren Bann mit eigener Kraft zu überwinden.
I. Die urgeschichtliche Menschheitszersplitterung
Drei Beweggründe führten nach der Schrift zum babylonischen Turmbau: Trotz, Vereinigungswille und Ruhmsucht. Dreifach ist darum auch das göttliche Gericht: Der nach oben stürmende Trotz wurde durch das „Hernieder"fahren des HErrn (1. Mose 11,4; 5), der Wille zur Vereinigung durch die Zerstreuung und Zersplitterung und der ruhmsüchtige Ehrgeiz durch den Namen der Schande gerichtet. Fortan ist gerade die Stadt, durch die man sich einen „Namen" machen wollte (1. Mose 11,4) - gerade in ihrem Namen! - ein Symbol der Niederlage; und Babel, die „Wirrstadt", die Stadt der Zermengung, 170 ist schon als bloßer Ortsname ein Beweis für die Ohnmacht des Sünders und die Zwecklosigkeit aller Rebellion gegen Gott. 171
II. Die sprachgeschichtliche Bewußtseinsverwirrung
Die Verwirrung der Sprachen ist zunächst etwas Vierfaches: eine Verwirrung von Wörterbuch, Grammatik, Aussprache und Ausdrucksweise (Phraseologie), und in diesem Sinne gibt es heute ungefähr eintausend Sprachen und Hauptdialekte. Aber sie ist doch noch mehr.
Ganz gleich, welches die Ursprache gewesen sein mag, ob ‑ wie die Rabbinen und Kirchenväter meinten ‑ das Hebräische oder das Syrische oder ‑ was wohl das allein Richtige ist ‑ keine der uns überlieferten alten Sprachen: In jedem Fall ist die Gemeinsamkeit der Sprache mit einer starken Einheitlichkeit des Geisteslebens verbunden gewesen. Denn da die Sprache die lautliche Versinnlichung des Geistigen ist, muß auch das Geistige aller Menschen so lange in besonderem Sinne einheitlich gewesen sein, als noch der Ausdruck dieses Geistigen, die Sprache, einheitlich war. Die Sprachenverwirrung war also zugleich eine Verwirrung der geistigen Grundanschauungen der Menschheit, indem durch eine Machtwirkung Gottes auf den menschlichen Geist, an Stelle der ursprünglichen Einheit, eine vielfache Zersplitterung des Denkens, Empfindens und Vorstellens eingesetzt wurde.172So aber wird die Sprachenverwirrung zugleich eine Verwirrung des Bewußtseins.
„Die ursprüngliche Sprache, in der Adam im Paradiese alle Tiere benannte (1. Mose 2,20), war gleichsam ein großer Spiegel gewesen, in dem sich die ganze Natur getreulich widergespiegelt hatte. Nun aber zerbrach Gott diesen Spiegel, und jedes Volk erhielt nur eine Scherbe davon, das eine eine größere, das andere eine kleinere, und nun sieht jedes Volk nur ein Etwas von dem Ganzen, nimmermehr aber das Ganze selbst. Deshalb weichen auch die Auffassungen der Nationen hinsichtlich Religion und Philosophie, Kunst, Wissenschaft und Geschichte so stark voneinander ab, ja steigern sich oft bis zu gegenseitigem Widerspruch" ( Bettex). 173
Dies alles mußte jedoch noch mehr Folgen nach sich ziehen. Mit der Zerrüttung des Weltbewußtseins verband sich eine weitere Zerrüttung des Gottesbewußtseins.
III. Die religionsgeschichtliche Glaubensentartung
Am Anfang der Menschheit steht der Glaube an den einen Gott da, der sich in dreifacher Weise offenbart: in Natur (Röm 1,19; 20), Gewissen (Röm 2,12‑15) und Geschichte (1. Mose 1‑11). Das spätere Heidentum ist dann eine Verkehrung dieses seines dreifachen Ursprungs: Verzerrung der Erinnerung an die Uroffenbarung, Mißdeutung der Naturoffenbarung (Röm 1,23) und unklarer Seelenkonflikt mit der Gewissensoffenbarung ‑ das sind die drei Grundelemente aller heidnischen Religion.
Dennoch aber blieb die göttliche Einwirkung auf die Menschheit durch die allgemeine Offenbarung bestehen. Gott hält den Menschen wie ein gealtiger, starker Magnet. „Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns” (Apg 17,27). Gott sucht den Menschen, um in ihm selber ein Suchen zu wecken, ein Suchen nach ihm, wie die Mutter die Seele ihres Kindes sucht, damit es sie wieder suche, „daß sie den HErrn suchen sollten, ob sie ihn fühlen und finden möchten” (Apg 17,27). Daher ‑ von Gott selbst gewirkt ‑ das auffallend große Fragen und Suchen in der Völkerwelt, auch unter den Heiden. Aber das ist das Tragische, daß dies Suchen der Menschen von Satan, dem großen Betrüger, auf eine falsche Spur abgelenkt wird. Fortan ist der Mensch auf der Suche nach Gott und doch zugleich auf der Flucht vor ihm. Er will ihn haben und stößt ihn von sich; er sucht seine Segnungen und meidet seine Nähe; er will nichts von ihm wissen und kann doch nicht los von ihm. (Bracker)
Die menschliche Urwurzel dieser ganzen religiösen Zwiespältigkeit und Entartung ist, nach der Belehrung des Apostels Paulus, die Undankbarkeit. Denn „obwohl sie wußten, daß ein Gott ist, haben sie ihn nicht gepriesen als einen Gott, noch ihm gedankt, sondern sind in ihrem Dichten eitel geworden, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert“ (Römer 1,21). Im einzelnen aber sind es besonders die folgenden Elemente, die ‑ unter dämonischer Irreführung ‑ diese Umwertung aller Werte auf dem Gebiet des religiösen Lebens hervorgebracht haben.
Zunächst die Beobachtung des Traumes. Denn da handelt ein Etwas, das sich bewegte, hörte und sah, auch wenn alle Glieder des Leibes in Untätigkeit waren! Da erschienen auch Tote, ebenfalls handelnd, und bewiesen damit ihre geist‑artige Weiterexistenz. 174
Dann ferner die Beobachtung des Todes. Denn war es nicht hier diese „Seele”, dieses Unsichtbare, Innere, das nun mit dem letzten Hauch atemartig, luftartig den Körper verließ? Und dann wurde der Tote so still! Ist dies nicht ein Beweis, daß es keine Bewegung gibt, ohne das Wollen eines inneren Ich, einer innewohnenden wirksamen Atemseele?
In der Natur aber draußen ist alles voll Bewegung: in den Pflanzen und Tieren, im Lauf der Gestirne, im majestätischen Gewitter, im Dahinbrausen der Ströme, im geheimnisvollen Magneten und im Feuerfunken des angeschlagenen Steines! Ist dies alles nicht ein deutliches, überwältigendes Zeugnis von dem Dasein und Innewohnen gewaltiger Wesen, die in allen diesen Bewegungen um uns herum wirksam sind? ‑ So aber wird die Natur von Geistern beseelt gedacht, und die animistische 175 Weltanschauung ist entstanden.
Da aber der Mensch keine andere Seele kannte als nur die seine, ist die Ausstattung dieser Naturgeister mit den Eigenschaften der Menschenseele nur das durchaus Folgerichtige, und da es sich ferner bei den Naturgeistern ‑ entsprechend der Wucht ihrer Elemente ‑ nur um Wesen gesteigerter Lebensform handeln konnte, mußten ihnen auch diese menschlichen Eigenschaften in gesteigertem Maße zugeschrieben werden. Dadurch jedoch entstand notwendig eine Verbindung
von Dämon und Held, wobei das Dämonische durch das Menschliche ins Personhafte und das Heldische durch das Dämonische ins Übermenschliche gesteigert wurde. 176 Dies ist aber das Wesen des heidnischen Gottbegriffes.
Hier nun setzt die religionsbildende Kraft der menschlichen Sprache ein. Denn es ist eine Eigentümlichkeit des menschlichen Geistes, unwillkürlich und oft unbewußt das Stoffliche und Geistige nebeneinander zu stellen und beide gegenseitig ineinander hineinzutragen. So vermenschlicht die Sprache das Außermenschliche und redet von einer lachenden Sonne, einem freundlichen Zimmer, einem munteren Bach; und umgekehrt überträgt sie das Außermenschliche in das Menschliche und spricht von einer kalten Lieblosigkeit, einem sonnigen Charakter oder einer strahlenden Freude. Noch phantasiereicher spricht sie von den „Pfeilen" der Sonne (den Sonnenstrahlen), dem „Stechen" des Mondes (vgl. Ps 121,6), den „Fenstern des Himmels" (Mal 3,10), den „Wimpern" der Morgenröte (Hiob 3,9).
Solange der Mensch nun an der Bildhaftigkeit dieser sprachlichen Vergleiche festhält, besteht keine Gefahr, im Gegenteil, sogar eine Bereicherung seines Geistes. Im Augenblick aber, wo er, verfinstert durch die Sünde (Eph 4,18; Röm 1,21b; 22) und irregeleitet durch dämonische Mächte, von dieser phantasievollen Umkleidung des Wirklichen mit Bildern fortschreitet zum Glauben an die Wirklichkeit dieser Bilder selbst, ist auch von dieser Seite aus eine neue Welt naturvergötternder Vorstellungen am Entstehen, und die Sprache reiht sich ein unter die Haupttriebkräfte heidnischer Religionsbildung. 177
Von Bedeutung ist hierbei auch das grammatische Geschlecht; denn in manchen Fällen war gerade dies das Entscheidende, ob man sich eine Gottheit männlich oder weiblich dachte. 178
Dies alles beweist, daß von einem eigentlichen, national gearteten Heidentum vor der Sprachenverwirrung nicht die Rede sein kann. Mögen einzelne, naturvergötternde Ideen schon vor dem babylonischen Gericht vorhanden gewesen sein: Das eigentliche, national geartete Heidentum selbst hat erst mit der Beiseitesetzung der Völkerwelt und der Zersplitterung der Menschheit in getrennte Nationen seinen Anfang genommen (vgl. 5. Mose 4,19; Röm 1,18‑32).
Dies alles aber geschah zugleich unter dämonischer Mitwirkung. Denn die Götter der Heiden sind keine leere Einbildung. Apollo und Diana, Aphrodite und Istar und wie sie alle heißen, sind, nach dem Zeugnis des Neuen Testaments, keine bloßen gedanklichen Personifikationen von Naturkräften oder reine Idealgebilde irrender, naturvergötternder Phantasie, sondern in ihrem Hintergrund sind irgendwie wirklich vorhandene, dämonische Geistmächte, die sich auf dem Wege okkulter Inspirationen, in national geartetem, mythologischem Gewande ‑ teils in lichtvoll‑poetischer, teils schauerlich‑düsterer Einkleidung ‑ den einzelnen Völkern offenbarten. 179 Sonst hätte der große Völkerapostel auch nicht aus jener Wahrsagerin in Phil..ippi einen Python‑Geist 180 unter ausdrücklicher Berufung auf den Namen des HErrn Jesu, „austreiben" können (Apg 16,18); und ebensowenig hätte er von den außerisraelitischen Religionen sagen können, daß die „Heiden das Opfer, das sie darbringen, den bösen Geistern darbringen" (1. Kor.. 10,20). 181 So aber beruht das gesamte Heidentum nicht nur auf Irrtum und Trug, sondern zugleich mit auf spiritistischer Grundlage.
Durch dies alles wird der Heide, unter dämonischer Beeinflussung, der „Schöpfer seiner Götter. 182 In seinen Religionen drückt sich seine Gottlosigkeit aus. Religion ist die Sünde, nämlich die Sünde gegen das erste Gebot, die Vertauschung Gottes mit den Götzen " (P. Althaus), der „kräftigste Ausdruck des Widerspruchs des Menschen zu Gott und mit sich selber" (K. Barth) 183
Dies Ganze ist der Irrweg von Milliarden von Menschen! Jahrtausende hindurch hat er die Menschheit beherrscht. „Indem sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden“ (Röm 1,22). Damit aber wird das babylonische Menschheitsgericht zu einem Gericht von ungeheuerster Auswirkung. Denn die mit der Zersplitterung der Menschheit und der Beiseitesetzung der Völkerwelt verbundene Bewußtseinsverwirrung hatte eine Religionsverwirrung zur Folge, die die Sprachenverwirrung an Bedeutung noch weit übertraf.
Auch politisch war er von den schwersten Folgen.
IV. Die weltgeschichtliche Völkerspannung
Von nun an ist die Weltgeschichte ein Ringen zwischen zwei Kräften: der Mittelpunktsziehkraft der Weltreiche 184 und der Mittelpunktsfliehkraft der einzelnen Völker, 185 und zwar so, daß immer wieder die Mittelpunktsziehkraft der Welteroberer zuschanden gemacht wird durch die Mittelpunktsfliehkraft der einzelnen Nationen. Die bedeutsamste Form dieser Auseinandersetzung ist der Krieg, und darum werden Kriege und Kriegsgeschrei sein, bis daß der HErr kommt (Mt 24,6). 186
Zugleich aber wird all dieser Widerstreit der Geschichtskräfte von dem obersten Geschichtsherrn überwaltet (Am. 9,7; Jes 45,1), und dadurch wird die Völkergeschichte ein Völkergericht. „Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist Schande der Nationen” (Spr 14,34). „Alle Epochen, in denen der Glaube herrscht, sind glänzend und fruchtbar” (Goethe); aber sittlich morsche Kulturen gehen unfehlbar zugrunde.
Das Maß des Gesegnetwerdens der Völker hängt zu großem Teil 187 ab von dem Grad ihrer Beachtung der göttlichen Schöpfungs‑ und Geschichtsordnungen (Jer 18,7-9!). 188 Völker sind Organismen (Hos 11,1) und werden darum als Einheit zur Verantwortung gezogen. 189 Sie leben ein einheitliches Leben durch Generationen hindurch. Darum werden auch die Nachkommen zu Trägern des Gerichts oder des Segens der Taten ihrer Vorfahren (z. Bsp. Hes 35,5; 6). Nur durch dies alles erklärt sich die dramatische Spannung des Ganzen und das Auf und Nieder der Kulturen im Wirbel der Reiche und Rassen.
So sind göttliche Schöpfungs‑, Geschichts‑ und Erhaltungsordnungen:
- die Ehe und Familie als Urzelle des Ganzen,
- die Stände (1Pet 2,13; 14; 18; Eph 6,5‑9; Kol 3,22; 4,1; 1. Kor.. 7,20),
- die Obrigkeit (Röm 13,1‑6; 1Pet 2,13) seit Noah (l. Mose 9, 6), die Gemeinsamkeit des Blutes (Röm 9,3) und der Geschichte, der Geistigkeit und Sprache, der Bildung und Sitte,
- ferner Autorität (1Pet 2,17; Röm 13,7) und Gehorsam (Röm 13,5),
- Volksgemeinschaft und Rechtspflege, letztere mit Todesstrafe (1. Mose 9,6; Röm 13,4),
- gottgegebene Grenzen (Apg 17,26),
- Liebe zur Heimat und zum eigenen Volk (Röm 9,3),
- Achtung vor anderen Völkern.
V. Das heilsgeschichtliche Erlösungsziel
Dennoch bedeutet die Sprachenverwirrung nicht, daß Gott etwa gegen jede Vereinigung des Menschengeschlechts sei. Im Gegenteil, die innigste, geistliche, umfassendste Gemeinschaft der Menschen ist geradezu sein Ziel (Micha 4,1‑4!).
Aber die Einheit, die er will, hat ihn selber zum Mittelpunkt, ist „in Christo” seinem Sohne (Eph 1,10; Joh 10,16; 17,21,22), den er zum König bestimmt hat (Ps 2,6; Sach 14,9).
Der Mensch aber wollte eine Entthronung des Schöpfers, um selber die Regierung in die Hand zu nehmen; und gerade diese Zusammenballung der fleischlichen Kraft war ein Bollwerk gegen die Durchführung der Erlösung.
Darum mußte sie fallen und der „zerstreuende Arm Gottes” sich offenbaren. Auf dem Wege der Zerstörung der dämonischen, fleischlichen Einheit sollte die wahre, göttliche, geistliche Einheit bewirkt werden. Die Aufhebung des Universalismus der Uroffenbarung hatte darum die desto sicherere Erreichung des End‑Universalismus zum Ziel, und deshalb ist auch das babylonische Gericht ‑ eine Gnade.
VI. Der endgeschichtliche Gottestriumph
Aber die Menschheit kämpft dauernd gegen den göttlichen Plan. Der Geist des besiegten, rebellischen Babel wirkt auch in den folgenden Jahrtausenden fort; ja am Ende der Zeit wird er sogar scheinbar sein Ziel erreicht haben und triumphieren, und der Antichrist wird das Werk Nimrods vollenden (Off 13,7; 8).
Die Geschichte der Stadt Babel hat
ihr Vorzeichen ‑ in der Stadt Kains (1. Mose 4,17),
ihr Sinnbild ‑ im Turmbau (1. Mose 11),
ihren Hauptanfang ‑ in Nebukadnezar (Dan 2,38),
ihren Fortgang ‑ in der Weltgeschichte (Dan 2 u. Kap. 7),
ihre Vollendung ‑ im Antichristentum (Off 13 u. Kap. 17),
ihr Ende ‑ im Triumph Christi (Off 18 u. 19).
Denn nach dem Antichristen wird Christus erscheinen und den Sieg gewinnen (Off 19,11‑21); und über die „Hure" (Off 14,8; 17,1‑18), das gen Himmel hinaufstürmende Babylon, wird die „Braut" triumphieren (Off 21,9), die vom Himmel herabgekommene Gottesstadt (Vers 10), das neue Jerusalem.
170 Zu Babel, „Balbel" vgl. hebräisch balal, „durcheinandermengen". Die stolze, keilinschriftliche Deutung der Babylonier „Bab-ilu" = „Gottespforte" ist Volksetymologie und schon deshalb nicht stichhaltig, weil Schreibungen wie Bab-i/i und Bab-ilam vorkommen, so daß der Name nichts mit dem babylonischen Wort „ilu" (hebräisch El, arabisch Allah), „Gott", zu tun haben kann. Dr. Pinches (Assyriologe am Britischen Museum in London) glaubt, daß das Wort „Babel" lautnachahmend ist ähnlich wie das englische Zeitwort ,.to babble" (babbeln, plappern). vgl. französisch balbutier (ebenso Urquhart, Die neueren Entdeckungen und die Bibel, 1898, I, 256 f.).↩︎
171 Turmbauten gehörten auch später zu den charakteristischsten Stücken der vorderasiatischen Kultur. So sagt z. B. das Gesetzbuch des Königs Hammurahi (um 1900 v. Chr.): „Er machte hoch die Spitze des Tempelturms von An-na (in Erech) . . . ; er war der Schirm seines Landes, der wieder zusammenbrachte die zerstreuten Bewohner von Isin." Im Tempelbezirk jeder babylonischen Stadt stand ein -Turm als Mittelpunkt. So steht noch heute in Babylon eine riesige Turmruine, der Brs Nimrud, von dem es bei Renovierungen in den altbabylonischen Keilschriften oft heißt, daß seine Spitze bis in den Himmel reichen solle. Nebukadnezar erhöhte die Spitze des Stufenturms Etemenanki, „damit sie mit dem Himmel wetteifere" (vgl, A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des Alten Orients, Leipzig 1906, S. 278 ff.).↩︎
172 Darum hat jede Sprache ihren besonderen Sprach„geist".↩︎
173 Natur und Gesetz, 1923, S. 212.↩︎
174 Der Gott- und Geistbegriff als solcher ist Erbbesitz aus der Uroffenbarung, brauchte also nicht erst auf dem Wege religionsgeschichtlicher Entwicklung herausgebildet zu werden. Worum es sich handelt, ist seine Verknüpfung mit den Elementen der Natur.↩︎
175 Von lateinisch anima = "Seele'', der Glaube an das Beseeltsein der Natur.↩︎
176 Vgl. Wilh. Wundt, Elemente der Völkerpsychologie, Leipzig 1912, S. 361 f.:411. — Der Heide schafft sich also seinen „Gott" nach seinem Bilde (vgl. umgekehrt 1. Mose 1,27).↩︎
177 Zu der weiteren Ausgestaltung des Gottbegriffes, besonders der Göttergeschichte (des „Mythus") und der Jenseitsvorstellung des Heidentums, haben noch viele andere Triebkräfte mitgewirkt, z. B. das Furcht- und Wunschmotiv, das Vergeltungsbedürfnis, das Nachdenken über die Weltursache, ferner Erinnerungen aus der Volksgeschichte und Heldensage.↩︎
178 Vgl. G. Runze, Religionsphilosophie, Leipzig 1901, S. 107 f.↩︎
179 Ebenso Joh Warneck, Die Lebenskräfte des Evangeliums in der animistischen Heidenwelt, 1922, S. 60-72.↩︎
180 Wörtlich „python" (Apg 16,16). — „Python" war unter anderem eine Bezeichnung der Wahrsager des Apollodienstes. ln Delphi, der wichtigsten Orakelstätte Apolls, waltete als Hauptpriesterin die ,,Pythia" (ein Medium). Vgl. auch das Medium von Endor (1Sam 28,7; 8) und 3. Mose 20,27 („Geist").↩︎
181 Hier liegt also ein gewisses Wahrheitselement des nationalen Polytheismus. Vgl. die Engelfürsten von Persien (Dan 10,13; 20) und Griechenland (Dan 10,20). — Ebenso Th. Oehler, Calwer Bibellexikon, 1924, S. 811; auch Besser, Menken.↩︎
182 Der Verschiedenartigkeit des Nationalcharakters usw. entspricht auch eine Verschiedenartigkeit der religiösen Grundstimmungen:
- Der Grieche sagt: „Mensch, erkenne dich selbst!"
- Der Römer sagt: „Mensch, beherrsche dich selbst!"
- Der Chinese sagt: „Mensch, bessere dich selbst!"
- Der Buddhist sagt: „Mensch, vernichte dich selbst!"
- Der Brahmane sagt: „Mensch, versenke dich selbst!"
- Der Mohammedaner sagt: „Mensch, beuge dich selbst!"
- Aber Christus sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun!" und
- in ihm sagt der Christ: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus" (Phil 4,13).
183 Andererseits liegt auch dem Götzenbegriff der Gottesgedanke zugrunde. Jeder Abgott ist, bei aller Entstellung, ein Zerrbild des einen, wahren Gottes. Der Mensch ist in seinen Religionen auf der Flucht vor Gott; aber auch auf der Flucht wird er von Gott gehalten, kommt von dem Gottesgedanken nicht los und muß im Verleugnen von ihm zeugen. Wahrheit und Unwahrheit, Würde und Unwürdigkeit liegen im Heidentum nicht nebeneinander, sondern ineinander. „Darum ist das Verhältnis der Offenbarung zur menschlichen Religion stets ein Zwiefaches in einem: das Evangelium bricht die Religionen, ist ihr Gericht, sofern sie Lüge, Sünde sind; das Evangelium erlöst, erfüllt die Religionen zu der Urwahrheit, von der sie herkommen und in ihrer Weise zeugen" (nach P. Althaus, Der Wahrheitsgehalt der Religionen und das Evangelium, Neue Allgemeine Missionszeitschrift 1934, S. 282 f.).↩︎
184 Vertreter dieser .,Zentripetalkraft" sind z. B. Nimrod, Nebukadnezar, Kores, Alexander der Große, Napoleon.↩︎
185 Vertreter dieser „Zentrifugalkraft" sind u. a. die Kämpfer von Marathon, Arminius, Gandhi und überhaupt alle Freiheitskriege und nationalen Erhebungen.↩︎
186 Dennoch bedeutet das Zersplitterungsgericht nicht etwa die Entstehung von Völkern an sich, sondern von geistig, religiös, sprachlich und politisch voneinander getrennten Völkern. Die rassische Gliederung der Menschheit als solche beginnt schon sofort nach der Sintflut (Sem, Hain, Japhet) und ist durchaus kein Gericht. Auch auf der neuen Erde wird es noch „Völker" geben (Off 21,24; 22,2). Gott erstrebt eben Mannigfaltigkeit in der Einheit, d. h. eine „Völkerfamilie".↩︎
187 Allerdings bleiben auch hier noch Geheimnisse der göttlichen Weltregierung, die wir nicht zu lichten vermögen. Man denke nur z. B. an das Volk der Armenier.↩︎
188 In diesem Sinne gibt es auch Umkehr ganzer Nationen zu Gott, d. h. „Volksbußen" (vgl. Jer 18,7; 8! Ninive: Buch Jona).↩︎
189 Vgl. die Völkerreden der Propheten, die stets die Nationen als Einheiten anreden (z.B. Amos 1; 2; Jes 13-23; Jer 46-51).↩︎