Schriften von Erich Sauer
Das Morgenrot der Welterlösung
Erster Teil: Die Grundlagen der biblischen Offenbarungsgeschichte
2. Kapitel: Die Weltschöpfung2. Kapitel: Die Weltschöpfung
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Mit dem Wort seiner Macht rief er Sonnen- und Sternensysteme hervor. „Er sprach: Da geschah es; er gebot: Da stand es da!” (Ps 33,9 vgl. V6).
I. Der Ursprung der Weltschöpfung
Warum Gott überhaupt eine Welt schuf, vermag niemand zu sagen. Als der absolut „selige Gott“ (1Tim 1,11) ist er um seiner selbst willen da, genügt ewig sich selbst und bedarf nicht eines anderen, der für ihn da wäre. Wohl ist er die Liebe, und Liebe braucht wesensnotwendig einen Geliebten, ein anderes Ich, auf das sie sich liebend erstreckt. Aber dies andere Ich war in Gott schon ewig vorhanden. Im Sohne gelangte die göttliche Liebe schon anfangs- und endlos zu völliger Entfaltung und restloser Befriedigung. „Du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24).
Darum ist das einzige, was hier gesagt werden kann, dies: Gott hat die Welt geschaffen, weil er sie schaffen wollte. Sicher ist zwar sein Wollen und seine Freiheit nicht unbeherrschte Willkür, so daß auch der Schöpfungsentschluß aus ewigen, innergöttlichen Gründen hervorgegangen sein muß; aber welche diese sind, hat uns Gott nicht geoffenbart, und damit müssen wir uns bescheiden (Röm 11,33; 34).
II. Der Zweck der Weltschöpfung
Deutlicher ist in der Schrift die Frage beantwortet, wozu Gott die Welt schuf.
1. Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. Alles, was Gott tut, hat ewig ihn selber zum Ziel, es geschieht „um seines Namens willen” (Ps 23,3), durchaus für ihn selbst ( Eph 5,27), „zum Preise seiner Herrlichkeit” (Eph 1,6; 12; 14), „auf daß Gott alles sei in allen“ (1Kor 15,28). Denn weil Gott, kraft seiner Vollkommenheit, stets das Höchste wollen muß, und selber, infolge seiner Göttlichkeit, der Höchste ist, muß er stets den Inhalt seines eigenen Wesens zum Ziel seines Wollens haben. Darum muß auch sein Werk so eingerichtet sein, daß es zu ihm hin sei und in ihm sein Ziel habe. Der Zweck der Weltschöpfung muß also in der Entfaltung, Darstellung und Offenbarung der Herrlichkeit Gottes bestehen. Er selbst ist ihr Anfang, ihre Mitte und ihr Endziel, der Erste und der Letzte, das A und das O (Röm 11,36; Kol 1,16; Heb 1,2).
2. Offenbarung der Liebe Gottes. Dieser Selbstverklärungsplan Gottes muß aber ein vollkommener sein und sich darum in doppelter Weise entfalten. Nicht nur seine Allmacht und Allwissenheit, sondern auch seine Gerechtigkeit, Liebe und Wahrhaftigkeit müssen in die Erscheinung treten. Ersteres kann zwar schon im Räumlichen geschehen, das heißt im Mineralreich, Pflanzen- und Tierreich; letzteres aber erfordert die Schaffung sittlich freier Persönlichkeiten, also ein Geistesreich innerhalb der Kreatur. Da aber gerade das Heilige das eigentlich Wesenhafte an Gott ist, muß auch in seinem Weltplan im Sittlichen der höhere Zweck des Stofflichen liegen, und der Hauptgrund des ganzen Schaffens einer Welt muß die Verklärung der sittlichen Eigenschaften Gottes als des Heiligen, Seligen und Weisen in der Schöpfung sittlich freier Persönlichkeiten sein. Erst in ihnen — nämlich in den Engeln und den Menschen — kann sich Gottes Selbstverklärung geschöpflich vollenden.
Das Wesen eines solchen Geisteslebens und überhaupt das Wesen aller wahren Sittlichkeit ist aber nicht etwa nur sachliche Gesetzesausführung und bloße, rein rechtliche Freiheit von Sünde und Schuld, sondern personhaft organische Anteilnahme an dem sittlichen Leben der Gottheit selbst. Denn Gott, als der oberste Gesetzgeber, hat die sittliche Weltordnung nach seinem Wesen bestimmt, und er ist Liebe, vollkommenste Liebe (1Joh 4,16). Darum muß auch die sittliche Bestimmung der freien Kreatur eine Bestimmung zur Liebe sein, und der oberste Endzweck der Weltschöpfung muß in der Selbstentfaltung Gottes als des Vollkommenen, Heiligen und Liebenden durch Aufrichtung einer Lebens- und Liebesgemeinschaft zwischen Schöpfer und Schöpfung bestehen. Das aber heißt: Gott hat die Welt ins Dasein gerufen, um sie lieben zu können, und auf daß sie ihn wiederliebe. Sein Ziel ist fortan, sie zum ewigen Mitgenuss seiner Heiligkeit und Liebe und damit zur Seligkeit und Herrlichkeit zu führen (vgl. Röm 8,17)
Kein Wunder darum, daß bei einer so hohen Bestimmung der Weltschöpfung auch auf dem biblischen Schöpfungsbericht in besonderer Weise der Stempel der Göttlichkeit liegt. Deutlich zerfallen die sechs " Tage " in zwei Dreiheiten, die in ihren Gliedern einander genau entsprechen.21 Am ersten Tage schuf Gott das Licht, am vierten die lichttragenden Gestirne; am zweiten die Luft und das Meer, am fünften die Vögel in der Luft und die Fische im Meer; am dritten das Land und die Pflanzen, diese niedrigste Stufe des irdischen Lebens, am sechsten die Landtiere und den Menschen, diese höchste Stufe des irdischen Lebens. Das Werk der sechs Tage trägt also unverkennbar das Gepräge der göttlichen Dreizahl. Es holt, nachdem es in drei sich steigernden Schöpferimpulsen bis zu einem gewissen Höhe- und Ruhepunkt gelangt war, von euern aus und beginnt, zum Ausgangspunkt zurückkehrend, gleichsam von vorn, um wiederum in dreifacher Steigerung sein Ziel zu erreichen. Mit der Schöpfung des Lichts fängt es an, mit der Schöpfung der Lichter setzt es sich fort.22 So aber wird diese doppelte Dreiheit eine tiefe, zahlensymbolische Prophetie von dem Ursprung, Charakter und Ziel der Erdwelt überhaupt. Alles ist von ihm, durch ihn und zu ihm hin. In allem will er sich verklären. Alles soll göttlich sein.
III. Die Größe der Weltschöpfung
1. Die Heerschar der Sterne. Unermeßlich und weltenweit ist der Gesichtskreis der Bibel. Sie redet nicht nur von Erde und Zeit, sondern vor allem von Himmel und Ewigkeit, und die obere Welt beschreibt sie als eine Vielheit himmlischer Sphären. „Die Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht fassen” (1Kön 8,27) 23. Weit davon entfernt, in der kleinen Erde etwa „die Welt” zu sehen, die den mathematischen Mittelpunkt und Hauptinhalt der ganzen Schöpfung ausmache, sind ihr die Völker vielmehr „wie ein Tropfen am Eimer”, wie ein „Sandkorn”, das in der Waagschale bleibt (Jes 40,15); die Inseln sind ihr wie „Stäubchen", und die gesamte Menschheit wie „Heuschrecken" (Jes 40,22). Ja, die ganze Erde ist ihr wie eine „Fußbank" am himmlischen Thron (Mt 5,35; Apg 7,49).24 Niemand aber wäre so töricht zu meinen, daß die Fußbank der Mittelpunkt eines Palastes sei, oder daß der Schemel am Königsthron diesen an Größe und Bedeutung überträfe! Nein, „alle Völker sind wie ein Nichts vor ihm" (Jes 40,17). „Wenn ich anschaue den Himmel, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitest: Was ist der Mensch, daß du sein gedenkst, und der Erdensohn, daß du ihn beachtest?” (Ps 8,4; 5).
Schon die Größe unserer eigenen Erde übersteigt alles Denken. Sämtliche Menschenbauten der Welt, alle Schiffe, Städte und Dörfer, würden, zusammengenommen, noch nicht einmal drei Kubikmeilen ausmachen.25 Die Erde aber hat über 2600 Millionen solcher Kubikmeilen! Und doch ist sie selber im Wirbel der Gestirne nur ein astronomisches Atom, nur ein winziges Stäubchen im Sonnenozean des Weltalls! Allein schon im riesigen Glutball der Sonne hätte sie über eine Million mal Platz; 26 und wollte ein Schnellzug ohne Unterbrechung in rasender Fahrt von hier bis zur Sonne gelangen, so brauchte er über 168 Jahre dazu.27
Die Sonne selber aber ist auch nur ein Stern inmitten einer gewaltigen, kugelförmigen Gruppe von 400 Sternen,28 und hier sind die Entfernungen noch unermeßlicher. Allein bis zu unserer allernächsten Nachbarsonne, dem Fixstern „Alpha Centauri",29 braucht das Licht, das doch in einer einzigen Sekunde siebenmal die Länge des ganzen Erdäquators fliegt, 30mehr als vier Jahre und drei Monate! Und zum Stern 61 im Schwan, unserem drittnächsten Fixsternnachbar, müßte der schnellste Eisenbahnzug der Welt 80 Millionen Jahre fahren.31 Und doch stehen die Sterne in einem solchen Sonnensternhaufen, verglichen mit den sternlosen Abgründen des eigentlichen Weltraums, noch ungemein eng beieinander! Das beweist schon dem stern- unkundigen, nächtlichen Wanderer das dicht Nebeneinander-Gedrängtsein der diamantartig blitzenden Lichtpünktlein im Sternbild der Plejaden, unweit des Orion, die einen ähnlichen Sternhaufen bilden, wie der „unsrige".32Wie funkelt hier Stern neben Stern! Ja, die photographische Platte zeigt hier auf einer Fläche des Himmels, die nicht größer ist als die Mondscheibe (!!), 1681 Sterne und in der weiteren Umgebung noch ungefähr 5000 andere! 33Und doch sind diese geradezu zu nichts zusammenschrumpfenden Entfernungen zwischen den einzelnen Sternen Milliarden und Abermilliarden von Kilometern! Und daneben — beginnt erst der „Welt"-raum!
Was müssen aber das erst für Strecken sein, die hinter und zwischen solchen Sterngruppeninseln liegen, bis wir endlich zu dem eigentlichen Hauptring der Milchstraßenspirale gelangen, die mit ihrem hundertmillionenfachen „Sternenstaub" das Auge des Erdenbewohners entzückt! Und dann folgen, nach weiteren, unermeßlichen Fernen, noch andere Milchstraßensysteme, wie das Andromeda-Weltall mit seinen unzähligen Sonnen oder gar der unergründliche Spiralnebel H 156 im Sternbild des Großen Löwen, dessen Entfernung man auf über 500 000 Lichtjahre schätzt! 34Ja, wahrlich, dies alles zusammengenommen beweist, daß die Sterne im Weltall so dünn verteilt sind, wie wenn man auf Erden alle 30 bis 100 Kilometer einen einzigen Stecknadelkopf anträfe, 35oder als ob man einen Liter Wasser über die ganze Oberfläche der Erde, das heißt auf über 510 Millionen Quadratkilometer, aussprengen wollte! 36Und vergessen wir bei dem allem nicht: Diese „Wassertröpfchen" und „Stecknadelköpfe" von einem Millimeter Durchmesser sind jene Glut- und Feuerwelten mit Millionen mal Millionen Quadratkilometern Oberfläche und einem Rauminhalt, der selbst eine Trillion, das heißt, eine Milliarde mal einer Milliarde Kubikkilometer noch um Hunderttausende von Millionen mal Millionen übertrifft! 37
Das Ganze aber ist der die gesamte Schöpfung umspannende Weltrahmen der Heilsgeschichte. „Der HErr hat seinen Thron in den Himmeln errichtet, und sein Königtum herrscht über das All” (Ps 103,19). Erst im Zusammenhang mit der Sternenwelt wird uns der Umfang des göttlichen Heilsrates bewußt. Darum: Stellen wir die Heilsgeschichte der Bibel in den Flammengoldgrund ihrer Weltall-Übergeschichte. Erst dann wird auch ihr Mittel- und Brennpunkt, das Kreuz von Golgatha, richtig gewürdigt. Dann wölbt sich das ganze Weltall über dem Kreuz. „Der Fuß des Kreuzes bleibt auf der Erde, aber sein Haupt taucht in die Ferne der Sternenwelten mit ihrer Allgeschichte hinein." 38Und überwältigt, vernehmen wir weiter die Verheißung des HErrn: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch (!) das Reich (!!) zu geben" (Lk 12,32). „Hebet zur Höhe eure Augen empor und sehet: wer hat diese da geschaffen? Er, der ihr Heer herausführt nach der Zahl, der sie alle mit Namen ruft" ( Jes 40,26). „Herr der Heerscharen ist sein Name" ( Jes 51,15).
2. Die Heerschar der Engel. Aber wozu diese Welten im Ätherraum? Hat Gott etwa Gefallen am toten Stoff? Ist er nicht der Gott der Lebendigen? Kann etwa unbeseelter Stoff ihn, den Herrn alles Lebens, lobpreisen? Oder ist nicht vielmehr das Sternenall Gottes weltweit mit persönlichem Leben erfüllt?
In der Tat: Wenn nur unsere kleine Erde, dieses Stäublein im Sonnenwirbel des Weltalls, organisches Leben trüge, „dann stünden ihr Millionen von toten Gestirnkolossen sinnlos gegenüber. Dann wäre das ungeheure All eine grenzenlose Wüste, in der nur auf der winzigen Erde die einsame Blume des Lebens blühte".39 Dann wäre der Feuerglanz der Millionen von Sonnen, die doch nichts beleuchteten, nur „ein großes, sinn- und zweckloses Feuerwerk im toten Weltraum",40 und alle Gestirne und Weltkörper wären nur brennende oder ausgebrannte Krater!
Ganz anders redet die prophetische Weltanschauung der Schrift. Sie weiß von Thronen und Herrschaften, von Fürstentümern und Gewalten (Kol 1,16), von Gottessöhnen und Morgensternen (Hiob 38,7), von der Heerschar der Höhe in der Höhe (Jes 24,21), von Cherubim und Seraphim, von Erzengeln und Engeln (Jud 9; Off 5,11; 12,7). Und diese alle nennt sie mit dem selben Wort „Heerschar des Himmels” wie auch die Sterne! 41
Schon diese Zusammenschau und Zusammenbenennung gibt uns ein Ahnen einer tieferen Beziehung. Denn wie könnten anders die „Morgensterne” jubeln und gleichzeitig, zusammen mit den „Gottessöhnen”, jauchzen (Hiob 38,7)? Wie könnte das Sternenall Gottes den Schöpfer anbeten? Wird der Staub ihn preisen? Wird er seine Wahrheit verkünden? Aber „du bist, der da ist, du, HErr, allein! Du hast die Himmel gemacht, der Himmel Himmel und all ihr Heer, die Erde und alles, was darauf ist. . . . Und du machst dies alles lebendig, und das Heer des Himmels betet dich an!” (Neh 9,6). Und wie könnte anders der psalmist im gleichen Zusammenhang mitden Engeln auch die Sterne zur Lobpreisung gottes auffordern?
„Lobet den HErrn von den Himmeln her,
Lobet ihn in den Höhen!
Lobet ihn, alle seine Engel,
Lobet ihn, alle seine Heerscharen!
Lobet ihn, Sonne und Mond
Lobet ihn, alle ihr leuchtenden Sterne!” (Ps 148,1-3.)
Nein, dies alles ist mehr als nur dichterischer Schwung! Es beweist uns für Engel und Sterne eine nicht nur redebildlich vergleichende, sondern tatsächliche und wirkliche Beziehung, eine Beziehung, die uns im einzelnen allerdings noch undurchschaubar ist. Dies eine jedoch erkennen wir jetzt schon: Die Engel nehmen in ungezählten Heerscharen (Lk 2,13), teils einzeln (Apg 5,19), teils in organisierten Körperschaften (Off 12,7; Kol 1,16) an der menschlichen Heilsgeschichte teil. In diesem Sinne sind sie
Zuschauer unseres Wandels, 42
Boten unseres Königs, 43
Helfer in unsern Notlagen,44
Kämpfer für unsern Endsieg,45
Wächter der göttlichen Weltordnung,46
Vollstrecker der göttlichen Gerichte,47
Anbeter der göttlichen Erlösungstaten.48
3. Der Thron Gottes. Und doch! Alles „Sichtbare ist vergänglich”, nur „das Unsichtbare ist ewig” (2Kor 4,18). Die Sterne aber sind sichtbar und werden darum „vergehen”. „Sie werden alle veralten wie ein Gewand, und wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen” (Ps 102,27; Heb 1,12). Die ewige Welt Gottes muß darum noch höher sein, weit über den Sternen, im Unsichtbaren über allem Sichtbaren.
Dort ist der Thron Gottes, dort die Wohnstätten der Engel, dort das himmlische Jerusalem, welches unser aller Mutter ist (Gal 4,26). Dorthin wurde auch Christus „über alle Himmel” erhöht (Eph 4,10) und ist nun zur Rechten des Vaters „höher als die Himmel geworden” (Heb 7,26). Dort wohnt der Allerhöchste als der Lichtquell aller Welten, und von ihm strahlt alles Leben in die Schöpfung hinaus (Apg 17,28).
Der Gedanke an eine solche Thronhöhe im Weltall muß dem nachdenkenden Geist bald einleuchten. Die gesamte Schöpfung ist beherrscht von dem Gesetz der Steigerung. Wohl ist Gott allgegenwärtig und durchdringt mit seinem Leben die ganze Kreatur (1Kön 8,27; Apg 17,28; Kol 1,17). Dies schließt aber nicht aus, daß es über allen Gefilden des Lichts noch einen besonderen Lichtgipfel gibt, in dem sich seine Herrlichkeit am vollkommensten entfaltet. Schon im Stein blitzt ein Abglanz des göttlichen Gedankens auf, noch schöner in der Rose, noch ergreifender im Lied der Nachtigall, noch geistiger im Menschenauge; und unter den Menschen: welch Stufenunterschied zwischen dem geringsten und elendsten, bis hin zu dem Schönsten der Menschenkinder, in welchem die Fülle der Gottheit wohnt! So gibt es auch auf Erden Wüsten und Einöden mit keinem Bewohner, unwirtliche Gegenden mit nur wenigen, fruchtbare mit vielen, schöne und schönste Gegenden mit der höchsten, irdischen Lebensfülle. Ebenso in den himmlischen Räumen; es gibt kleine und große Sterne, kalte und heiße, finstere und strahlende; es gibt geführte und führende Planeten und Sonnen, Abgründe des Raums und Sonnenfamilien; und so gibt es auch über dem allen einen Zentralpunkt des Weltalls, einen Ort unmittelbarster Gottesgegenwart, eine Stätte konzentriertester Lichtherrlichkeit, eben den Thron Gottes.49
Aber das Licht, in dem ER wohnt, ist höher als alles Sichtbare; es ist anders als aller Sonnen und Sterne Glanz. Es ist unerschaubar dem irdischen Auge; es ist „unzugänglich" (1Tim 6,16), allem Diesseitigen entrückt (2Kor 12,4).
Nur die Engel im Himmel können es schauen (Mt 18,10), nur die Geister der Vollendeten im ewigen Licht (Mt 5,8; 1Joh 3,2; Off 22,4), nur die Reinen und Heiligen, gleichwie Er selber der Reine ist (1Joh 3,2).
Darum kann es hienieden vom Himmlischen nur Bildersprache geben. Auch das „Oben”-sein des Ewigen ist nicht rein räumlich zu verstehen (Ps 139). Es ist die sinnhafte Veranschaulichung der Jenseitigkeit des Göttlichen. Es ist die raumsymbolische Darstellung der Erhabenheit des Überräumlichen.
Darum versinnbildlicht auch die Bibel dies „Über" durch das „Ober", das geistig Überlegene durch das räumliche Höherliegen, das „Über"zeitliche und „Über"räumliche durch das sinnhafte „Ober"räumliche. Und weil Gott der Herr des Himmels, zugleich der Vollkommenste und Allerhöchste ist, greift auch die Bibel in ihren Sinnbildern zu dem Kostbarsten auf Erden und redet in Edelsteinsprache von dem Lichtthron seiner Herrlichkeit.
- Von himmlischem Wesen spricht der blaue Saphir (2. Mose 24,10; Hes 1,26),
- von Heiligkeit und Licht der kristallhelle Jaspis (Off 4,3 vgl. 21,11; Off 4,6; 15,2; 22,1),
- von Bundestreue und Belebung der grüne Regenbogen von Smaragd (Off 4,3; Hes 1,28).50
Wir aber beugen uns nieder und beten ihn an und sagen mit den Schlußworten der „Weltharmonie” des Kopernikus:
“Groß ist unser HErr und groß seine Macht
Und seiner Weisheit kein Ende.
Preiset ihn, Sonne, Mond und Planeten,
In welcher Sprache auch immer ein Loblied erklingen mag.
Preiset ihn, ihr himmlischen Harmonien,
Und auch ihr, die ihr Zeugen und Bestätiger seiner enthüllten Wahrheiten,
Und du, meine Seele, singe die Ehre des HErrn dein Leben lang! Amen.”
21 Die erste Dreiheit enthält die Werke der Scheidung (des Lichts von der Finsternis, der oberen Wasser von den unteren, des trockenen Landes vom Meer). Die zweite Dreiheit enthält die Werke der Belebung und Ausschmückung (Sonne, Mond und Sterne; Fische und Vögel; Landtiere und Mensch).↩︎
22 Vgl. Franz Delitzsch, Kommentar über die Genesis, Leipzig 1860, S.88f.↩︎
23 So ist auch das hebräische Wort für „Himmel" stets eine Mehrzahlform, die Himmel", ha-schamajim, wobei „im" die männliche Mehrzahlendung ist (vgl. Cherubim, Seraphim), Vgl. Eph 4,10 („alle Himmel"); 2Kor 12,2 (dritter Hlimmel).↩︎
24 „Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße" (Jes 66,1)↩︎
25 F. Bettex errechnet sogar nur eine Kubikmeile (Natur und Gesetz, 1923, S. 46)↩︎
26 Genauer 1 297 000mal.↩︎
27 Die Erd-Sonnen-Entfernung ist 149,5 Millionen Kilometer↩︎
28 Da die Anordnung der mit bloßem Auge sichtbaren, näheren Sterne „in keiner erkennbaren Beziehung zur Milchstraße steht, müssen alle diese Sterne einen großen, nahezu kugelförmigen Sternhaufen bilden, zu dem auch unsere Sonne gehört" (Prof. Klein, Die Welt der Sterne, 1919, S. 95) und der (nach Prof. Riem, Natur und Bibel, 1911, S. 42) aus ungefähr 400 Sonnen besteht.↩︎
29 Am südlichen Sternhimmel.↩︎
30 Die Sekundengeschwindigkeit des Lichtstrahls ist 300 000 Kilometer; der Äquator der Erde ist 40 000 Kilometer lang.↩︎
31 9,7 Lichtjahre. Vgl. Klein, a. a. O. S. 31.↩︎
32 „Der prächtige Anblick, den die Plejaden in einem Fernglase darbieten, wird noch erhöht, wenn man weiß, daß diese gleich funkelnden Diamanten auf dem dunklen Himmelsgrunde leuchtenden Sterne ein großes Sternsystem für sich bilden. Dies ist erwiesen durch die Tatsache, daß alle Sterne dieses Haufens sich gemeinsam durch den Weltraum fortbewegen, während zugleich auch Bewegungen ihrer einzelnen Glieder um den gemeinsamen Schwerpunkt der ganzen Gruppe stattfinden", so daß die Plejaden also nicht nur ein scheinbarer Sternhaufen, sondern eine wirkliche, räumlich zusammenhängende Fixsterngruppe sind (vgl. Klein, a. a. 0. S. 66).↩︎
33 Klein, a. a. O. S. 66.↩︎
34 G. Wolf, Die Milchstraße, Leipzig 1908.↩︎
35 Prof. Schwarzschild, bei Riem a. a. O. S. 71.↩︎
36 Riem a. a. O. S. 72.↩︎
37 So ist z. B. bei unserer Sonne der Durchmesser 1 390 000 Kilometer, die Oberfläche 6 Billionen und 70 000 Millionen Quadratkilometer und ihr Rauminhalt 1 Trillion und 406 000 Billionen Kubikkilometer. — Zu der Frage, wie bei solchen Größenverhältnissen unsere winzige Erde, wenn auch nicht stofflich und räumlich, so doch sittlich und heilsgeschichtlich der Mittelpunkt des Weltalls sein könne, bemerken wir mit Dr. von Gerdtell: „Sedan ist als Ortschaft unbedeutend; aber es ist doch durch die Entscheidungsschlacht Wilhelms I. gegen Napoleon III. weltberühmt und ein Hauptwendepunkt der europäischen Geschichte geworden. Es ist somit zu einer geschichtlichen Bedeutung gekommen, die in keinem Verhältnis zu seiner geographischen steht." Auch sonst zeigt die Weltgeschichte gar oft, daß Orte, in denen die gewaltigsten Kämpfe von jahrhundertelanger Bedeutung ausgetragen worden sind, in sich selber, nach Lage und Größe, ganz klein und unbedeutend gewesen waren (vgl. auch S. 103)↩︎
38 v. Gerdtell, Ist das Dogma von dem stellvertretenden Sühnopfer Christi noch haltbar? Eilenburg 1908, S. 16.↩︎
39 v. Gerdtell, a. a. O. S. 97. und doch gibt es schon auf der Erde über 200 000Pflanzenarten, dazu noch 300 000 Pilzarten, ferner 80 000 Käferarten (Bettex, Zweifel? 1922, S. 7; Natur und Gesetz, 1923, S. 131), 200 000 Schmetterlingsarten (Prof. Dennert), und die Gesamtzahl aller Lebe-Arten ist über 2 Millionen.↩︎
40 Vgl. Bettex, Symbolik, 1922, S. 201-210.↩︎
41 So bezeichnet der Ausdruck „Herr des Himmels" in 5. Mose 4,19; Jes 34,4; Jer 8,2 die stofflichen Sterne, in 1Kön 22,19; Lk 2,13; Off 9,14 die Engel; an anderen Stellen bedeutet er beide zugleich (z. B. Ps 148,1-6; Jes 24,21-23; 40,26; Hiob 38,7).↩︎
43 Lk 1,11; Mt 1,20; Dan 9,22; Off 1,1; 22,6; 16; Heb 2,2. Daher das Wort „Engel", griechisch angelos von angello: ich schicke, ich sende.↩︎
44 Heb 1,14; Apg 12,7; Dan 3,25; 27; 6,23; 2Kön 6,17 (Lk 22,43)↩︎
45 Dan 12,1; Off 12,7-9; 19,11-14; Dan 10,13; 20.↩︎
46 Dan 4,14; 20; 1Kor 11,10.↩︎
47 Jes 37,36; Apg 12,23; Mt 13,39; Off 14,19; 15,1; 6; 7; 17,1.↩︎
48 Luk, 2,13; 14; 15,10; 1Pet 1,12↩︎
49 Vgl. J. P. Lange, Das Land der Herrlichkeit, Bielefeld 1863, S.64. — Sonst wäre ja auch die Himmelfahrt Christi nur eine Unsichtbarwerdung, nicht aber eine „Himmelfahrt" (Mk 16,19; Kol 3,1).↩︎
50 Grün ist schon im Altertum das Sinnbild des Lebens (so in Ur in Chaldäa um 2000 v. Chr.).↩︎