Erich Sauer
Schriften von Erich Sauer
Das Morgenrot der Welterlösung
Zweiter Teil: Die Uroffenbarung
5.Kapitel: Naturbund und Weltgeschichte (Der Bund Gottes mit Noah)5.Kapitel: Naturbund und Weltgeschichte (Der Bund Gottes mit Noah)
Die Sintflut war beendet. Die „damalige Welt” war dahin (2. Petrr 3,6). Eine neue Menschheitsperiode begann.
Gleich im Anfang wurden die Richtlinien für die Zukunft gegeben. Der Bund Gottes mit Noah bildet die Grundlage aller kommenden Natur-, Menschheits- und Heilsgeschichte.
I. Die Naturordnung
„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht” (1. Mose 8,21; 22; 9,11; 15). Eigenartig ist die Begründung: „Denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an.” Also das, was soeben noch Grund für die Vernichtung gewesen war (1. Mose 6,5!), wird nunmehr zum Hauptgrund für die Verschonung. Auch hier zeigt sich deutlich die Notwendigkeit einer Unterscheidung der Haushaltungen. Sonst glaubt man unter Umständen, „Widersprüche" zu sehen, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden sind. In Wahrheit begann jetzt, nach der Flut, die Zeit der göttlichen Geduld (vgl. Apg 14,15-17; 17,30), und das „Dahingehenlassens der Sünden unter der Nachsicht Gottes" (Röm 3,25 Elb.) ; und mit Noah, dem „Ruhebringer",140setzte für die sündige Menschheit eine Jahrtausende lange Periode der „Ruhe” vom göttlichen Zorn ein.
Zugleich wird dem Menschen sein Königsrecht über die Erde bestätigt.
II. Die Herrschaftsordnung
Aber jetzt ist sein Verhältnis zur Natur, besonders zur Tierwelt, nicht mehr das ursprünglich harmonische, sondern eine Beziehung mit Gewalttat, Unterdrückung und Widerstreit. Im Paradiese hatte die geistige Majestät des irdischen Königs das Tier gewissermaßen magisch gebunden: nun aber ist es eine Herrschaft mit Furchtwirkung auf der einen und Scheu, ja lähmendem Schrecken (wörtlich „ Zusammenknicken") auf der andern Seite (1. Mose 9,2). Und dazu paßt auch das sicher schon früher von den Menschen sich selbst angemaßte, ihnen aber erst jetzt von Gott zugebilligte Recht, Tiere zu töten und sie - ausgenommen ihr Blut 141- zur Nahrung zu verwenden (1. Mose 9,2-5).
Mit dieser Herrschaft des Menschen über die Natur verbindet sich auch ein Herrschaftsrecht des Menschen über Menschen.
III. Die bürgerliche Ordnung
„Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll wieder durch Menschen vergossen werden” (1. Mose 9,6). Damit wird für den Mörder die Todesstrafe eingeführt. Dies aber schließt die Kontrolle des einzelnen durch die Gesamtheit und die Einsetzung öffentlicher Gerichte und Rechtszucht in sich und bedeutet nichts Geringeres als die Einführung obrigkeitlicher Gewalten und damit die Grundlegung aller späteren Staatenbildung (Röm 13,1-6; 1Petrr 2,13-17). Wenn aber die Todesstrafe des Mörders mit der Gottesbildlichkeit des Ermordeten begründet wird (1. Mose 9,6), so zeigt dies, daß die Ausübung der Justiz auf der Grundlage des menschlichen Gottesbildes und folglich des geistigen und geistlichen Adels der Menschheit erfolgen solle, daß somit die Obrigkeit nicht auf brutaler Gewalt, sondern auf der Anerkennung des göttlichen Naturrechts in der menschlichen Gesellschaft beruhen müsse. Nur so wird sie Vertreterin des Rechts und „Dienerin Gottes" zum Wohl ihrer Untertanen (Röm 13,4).
Diese Einsetzung menschlicher Obrigkeit war aber zugleich eine notwendige Ergänzung zu der Verschonung der Menschheit vor nochmaligem Flutgericht. Denn wenn Gott, mit Rücksicht auf die angeborene Sündhaftigkeit des Menschen, hinfort kein Vertilgungsgericht mehr wie die Flut über ihn kommen lassen wollte, so mußte er dem Überhandnehmen der Sünde durch Einführung von Ordnung und Recht einen Damm setzen und somit den Grund legen zu einer geordneten, bürgerlichen und staatlichen Entwicklung. So aber gehören Naturordnung, Herrschaftsordnung und bürgerliche Ordnung zusammen.
Möglich jedoch wurden sie erst durch das Vierte:
IV. Die Heilsordnung
„Noah baute Jahwe (Jehova) einen Altar und opferte Brandopfer auf dem Altar; und Jahwe sprach in seinem Herzen: „Nicht mehr will ich hinfort den Erdboden verfluchen um des Menschen willen” (1. Mose 8,20; 21). Unverkennbar ist hier der Zusammenhang zwischen Opfer und Naturbund gegeben, und zwar so, daß das Opfer die Grundlage des Naturbundes ist.
Drei Dinge sind vor allem zu beachten: der Name Jahwe (Jehova), der Altar und das Brandopfer.
„Jahwe” ist der Bundesname des Höchsten, der Name des Gottes der Heilsgeschichte und Erlösung. 142 Zu ihm müssen sich die Herzen der Frommen erheben. Zum Himmel, zur Höhe müssen ihre Opfer und Gebete emporsteigen, wenn sie vor seinen Thron gelangen sollen. Um den Opfern diese Richtung nach oben zu geben, werden von nun an auf Erden erhöhte Stätten und Altäre errichtet, von denen aus sie im Feuer himmelwärts aufsteigen sollen.
Zwar ist die Gegenwart Gottes überall und nicht durch die Grenzen eines Oben und Unten beschränkt (Ps 139 !); aber in der Sprache der Anbetung wird die Jenseitigkeit Gottes symbolisch durch raumhafte Vorstellungen veranschaulicht, das geistig Überlegene durch das räumliche Höherliegen, das Überzeitliche und Überräumliche durch das sinnhafte Oberräumliche. So wird denn an dieser Stelle zum ersten Male in der Bibel ein Altar erwähnt und das Opfer olah, d. h. das Aufsteigende, genannt.143 Die reinen Opfertiere selbst aber weisen - wie alle Opfer von Anbeginn der Welt - auf das eine Opfer von Golgatha hin, das Lamm ohne Fehl und ohne Flecken (1Pet 1,19; 20), das in Wahrheit die Grundlage aller Bewahrung und Errettung der Welt ist.
Am deutlichsten aber leuchtet die Verbindung von Naturordnung und Heilsordnung in dem Bundeszeichen auf, das der HErr, zum Symbol seiner Gottestreue, in die Wolken gesetzt hat:
dem Regenbogen. 144
V. Das Bundeszeichen
Der Regenbogen ist „der farbige Glanz der hervorbrechenden Sonne auf der abziehenden Wolkennacht, der Triumph der Sonne über die Fluten" (J.P. Lange). Einer Himmelsbrücke gleich verbindet er die obere Welt mit der unteren, und siebenfach erstrahlend - mit dem Grün des Smaragds als der Farbe des Lebens 145- bezeugt er den Bund zwischen Schöpfer und Schöpfung. 146 „Aufleuchtend auf dunklem Grund, noch kurz zuvor in Blitzen sich entladendem Grunde veranschaulicht er den Sieg der göttlichen Liebe über den finster-feurigen Zorn; entstanden aus der Wirkung der Sonne auf das dunkle Gewölk versinnbildlicht er die Willigkeit des Himmlischen, das Irdische zu durchwirken; ausgespannt zwischen Himmel und Erde verkündet er Frieden zwischen Gott und den Menschen, den ganzen Gesichtskreis überspannend bezeugt er die allumfassende Allgemeinheit des Gnadenbundes" ( Delitzsch). 147
Damit aber wird er zum Sinnbild des Heils und der Erlösung überhaupt und erscheint als solcher am Thron des HErrn als des Führers und Vollenders der Heilsgeschichte (Hes 1,28; Off 4,3). Und wie wir hienieden stets nur einen halben Bogen in den Wolken erblicken - ein Sinnbild zugleich aller Unvollkommenheit unseres jetzigen Erlösungserlebens (1Kor 13,9-12; 1Joh 3,2) -, so werden wir einst, „rings um den Thron", den vollen Bogen erkennen und die Treue des Bundesgottes in Vollendung und Herrlichkeit preisen (Hes 1,28; Off 4,3). So aber wird der Regenbogen zum Natursymbol unserer ewigen Errettung.
So ist beim Regenbogen alles ein Sinnbild:
-
die Entstehungszeit - denn er entsteht bei der Wiederkehr der Sonne (Hes 1,28 Luth.);
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die Entstehungsart - denn er erstrahlt als Verklärung der Finsternis durch das Licht (1. Mose 9,14);
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die Siebenzahl der Farben - denn sieben ist die Zahl des Bundes (z. Bsp. 3. Mose 16,14 und oft); 146
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die Vorherrschaft des Grün - denn Grün ist die Farbe des Lebens (Off 4,3); 145
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die Bogenform - (d.h. Brücken-)form - denn er versinnbildlicht die Verbindung zwischen Schöpfer und Schöpfung (1. Mose 9,12-17);
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die weite Umspannung des Gesichtskreises - denn er zeigt die Allumfassenheit des Gnadenbundes (1. Mose 9,12; 15; „alles Fleisches");
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die ewig-himmlische Kreisform - denn so wird er zum Sinnbild der göttlichen Vollkommenheit (Hes 1,28; Off 4,3).
140 „Noah" kommt von dem Zeitwort „nuach" = "ruhen", z. B. 2. Mose 20,11; 5. Mose 5,14.↩︎
141 An den Bund Gottes mit Noah knüpfte die rabbinische Überlieferung die Lehre von den sieben noachischen Geboten an, die man als für alle Menschen, auch die Nichtjuden, verbindlich betrachtete (Verbot von Gotteslästerung, Götzendienst, Totschlag, Raub, Blutschande, Ungehorsam gegen die Obrigkeit, Blutgenuß). Diese liegen — besonders die drei fett gedruckten - der Brüderberatung in Jerusalem (Apg 15, besonders Vers 20; 21) zugrunde.↩︎
142 Vgl. Anhang: „Die Namen Gottes."↩︎
143 Das Opfer Abels wird einfach ,,minchah", d. h. „Gabe", genannt (1. Mose 46,3 vgl. das Zeitwort manach = schenken)↩︎
144 Wie es scheint, hat es, nach 1. Mose 9,12-17, vor der Sintflut noch keinen Regenbogen gegeben. Die tellurischen Verhältnisse sind offenbar durch die Flut gänzlich umgestaltet worden.↩︎
145 Vgl. Off 4,3 Der Smaragd ist grün. Grün ist die Farbe des Lebens.↩︎
146 3 ist die Zahl Gottes, 4 die Zahl der Welt; 7 ist die Summe und Verbindung der beiden.↩︎
147 A. a. O. S. 277.↩︎