Schriften von Erich Sauer
Das Morgenrot der Welterlösung
Zweiter Teil: Die Uroffenbarung
4. Kapitel: Zwei Menschheitswege4. Kapitel: Zwei Menschheitswege
Der neue Zeitabschnitt trug ein besonderes Gepräge. Sein Hauptzweck war, offenbar zu machen, was die Sünde in der Menschennatur eigentlich bewirkt hatte. Darum war er von drei leitenden Grundsätzen beherrscht; er vollzog sich
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ohne besondere grundsätzliche Befehlseinrichtungen Gottes (lies 1. Mose 3,14-19),
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in fast lediglicher Beschränkung der Offenbarung auf das Zeugnis von Natur, Gewissen und Geschichte 1 ) 119und
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ohne grundsätzliche, irdische Kontroll- bzw. Strafinstitutionen für den Sünder für den Fall seines Ungehorsams.
In der Paradieseszeit hatte es Verbot und Gebot gegeben (1. Mose 2,16; 17). Dasselbe war in allen späteren Haushaltungen der Fall. Nur hier in der Zeit zwischen Adam und Noah, als der einzigen derartigen Periode im gesamten göttlichen Heilsplan, hatte die Menschheit grundsätzliche Freiheit, zu tun und zu lassen, was sie wollte. Keine Obrigkeit und keine Regierungsgewalt waren von Gott eingesetzt, um den Sünder in der Selbstoffenbarung seiner Schlechtigkeit einzuschränken. Der Mensch sollte eben ungehinderte Gelegenheit bekommen, zu zeigen, was er leisten konnte, und zu offenbaren, was er werden würde, wenn er sich „frei" entwickelte. Damit aber wird dieser zweite Zeitabschnitt des Heilsplans zum „Zeitabschnitt der menschlichen Selbstbestimmung", oder um mit Delitzsch zu reden, zur Zeit der „Freiheitsprobe" des Menschengeschlechts. Das Ende aber ist - die Sintflut!
Schöpfer der vorsintflutlichen Kultur ist Kain. Zugleich ist er Urbild und Grundform der ganzen, aus ihm hervorkommenden Menschheitsgeschichte, sofern diese sich in Loslösung von Gott und in innerer Gemeinschaftslosigkeit in bezug auf den Höchsten entwickelt.
I. Kains geistig-religiöse Natur
Kain war nicht ein Vertreter religiöser Gleichgültigkeit oder gar Gottesleugner. Er brachte vielmehr Gott ein Opfer dar und „brannte" 120 vor Neid, als er Abels, aber nicht seine Gabe anerkannt sah. Und er war, weil ihm die innere Frömmigkeit fehlte, trotz seines äußeren Gottesdienstes, der erste Mensch, der aus dem Bösen war (1Joh 3,12).
Und aus der falschen Gesinnung des Opfernden ergab sich von selbst ein falscher Inhalt seines Opfers. Während Abel sein Erstes und „brachte (1. Mose 4,4), opferte Kain kein Erstlingsopfer, sondern das „Erstbeste", ein Irgend-Etwas, das er gerade fand. Und während Abel ein blutiges Opfer darbrachte und damit die Todeswürdigkeit seiner Sünde anerkannte, 121 die nur durch das stellvertretende Sterben eines unschuldigen Opfers vor Gott zugedeckt werden konnte, brachte Kain einen lediglichen Ausdruck seiner Abhängigkeit und Dankbezeugung dar und als diesen noch dazu ein selbsterarbeitetes Erzeugnis der eigenen Kraft. 122 Damit aber wird er zum Vorbild aller derer, die es wagen, dem Heiligtum Gottes ohne Blutvergießen zu nahen (Heb 9,22), die sich wohl als ein abhängiges Geschöpf, nicht aber als todeswürdigen Sünder bekennen.
Und von nun an gehen diese zwei „Wege” durch die Menschheit hindurch:
- auf der einen Seite der „Weg Kains" (Jud 11): die fleischliche Religiosität und der eigenwillige Gottesdienst, die ichzufriedene Werkgerechtigkeit und die ungebeugte Selbsterlösung, das Vertrauen auf sich selbst und die Verwerfung der Stellvertretung, - dieser „Idealismus" der eigenen Kraft, diese Theologie des ersten Mörders, dieser ,,Glaube” des Schlangensamens (vgl. Jak 2,19);
- auf der andern Seite aber der „Weg Abels" : die demütige Anerkennung der Todeswürdigkeit der Sünde, das Vertrauen des Schuldigen auf das von Gott selbst gestellte Opfer, das Erdulden von Verfolgung um des ewigen Zieles willen, die Erwartung des Triumphes der Gotteserlösung des Weibessamens.
Das Ende aber wird umgekehrt dem Anfang entsprechen: die Linie des getöteten Abel wird zum ewigen Leben gelangen (Heb 11,40; 4); aber Kains Weg wird untergehen. Die höchste Vollendung von „Abel" ist Christus und in ihm die Menschwerdung des heiligen Gottes; die höchste Verstiegenheit „Kains" aber ist der Antichrist und in ihm die Selbstvergottung des fluchbeladenen Sünders (2Thes 2,4). Darum endet der Weg des einen im himmlischen Jerusalem (Heb 12,22-24), der des andern aber im Feuersee (Off 19,20).
Und wie der erste „Krieg” in der Menschheit gleichsam ein Religionskrieg gewesen war (1. Mose 4), so wird es - vor wie nach dem irdischen Gottesreich der Endzeit - auch der letzte sein (Off 16,16; 19,19 - Off 20,8; 9). Dann aber wird sich das göttliche Dulden erheben zu frohlockender Siegesgewalt, und Abels Glaube wird triumphieren über Kains Religion.
II. Kains politisch-kulturelle Bedeutung
Mit seinem Grundsatz der Selbsterlösung wurde Kain der Anfänger aller gottfernen Menschheitsentwicklung. Er, der nach dem göttlichen Strafurteil „unstet und flüchtig” sein sollte (1. Mose 4,12), stemmt sich nun eigenwillig gegen den Fluch und wird, in trotzigstem Widerspruch gegen das göttliche Wort, sogar der aller erste Mensch, der eine feste Niederlassung, eine „Stadt”, baut (1. Mose 4,17).
Damit ist die Grundrichtung aller ferneren Menschheitsentwicklung, sofern sie von Gott wegführt, gegeben: Überwindung des Fluches auf dem Wege gottgelöster Kultur, Zurückgewinnung des Paradieses ohne das Erlebnis der Erlösung, Zusammenballung der Fleischeskraft ohne Anerkennung der Gottesherrschaft und also Selbsterlösung der Menschheit unter Ausschaltung der Gottheit.
Bezeichnend hierfür ist schon der Name dieser ersten menschlichen Stadt: „Henoch", „Einweihung", Neuanfang, Umstellung alles Bisherigen, Neubeginn eines eigenherrlichen, gegen Gott revoltierenden, gemeinschaftlichen Kulturlebens (1. Mose 4,17).
Damit aber tritt diese erste Stadt in Gegensatz zum Urevangelium. Beide sind Neuanfang nach dem Zusammenbruch. Aber dort war es der Neubeginn Gottes auf dem Wege der Erlösung; hier ist es der Neuanfang der Menschheit auf dem Wege Gott ausschaltenden „Fortschritts".
An sich sind Kulturerrungenschaften nichts Widergöttliches, sondern gehören mit zum Paradiesesadel der Menschheit. Erfindungen und Entdeckungen, Wissenschaften und Künste, Verfeinerung und Veredelung, kurz, das Vorwärtsschreiten des Menschengeistes sind durchaus Gottes Wille. Sie sind Besitzergreifung der Erde durch das Königsgeschlecht der Menschheit (1. Mose 1,28), Ausführung eine Schöpferauftrags durch Gottes geadelte Diener, gottgeordneter Herrscherdienst zum Segen der Erdwelt. Und nur völliges Mißverstehen einfachster Offenbarungsgesetze ist imstande, der Heiligen Schrift rückschrittliche Denkart und Kulturfeindschaft vorzuwerfen. Nein, was die Bibel ablehnt, und was das „Kainitische” ist, ist nicht die Kultur an sich sondern die Gottentfremdung von Millionen ihrer Vertreter, die Himmelsferne der Sünder, die Unwahrheit religiösen Scheinwesens, die Rücksichtslosigkeit gegen den Nächsten, der Geist des Hochmuts und der Rebellion, kurz, der Aufruhr gegen den Höchsten.,
Und wie Ungebrochenheit und Trotz das kainitische Wesen nach Oben, zu Gott hin, kennzeichnete, so Unterdrückung und Gewalttat nach unten und aussen, zur Mitmenschheit, hin. Damit aber wird Kain, der Brudermörder, zum ersten Vertreter des Religionskrieges und Krieges überhaupt, zum Urtypus aller Tyrannen der Welt, zum Vater alles Massenmordgeistes aller brutalen Barbarei. Darum ist seine Stadt auch der erste Grundstein aller sich von Gott lossagenden Weltreiche, sofern in ihnen der Geist des Tieres herrscht (vgl. Dan 7,2-8; 8,3-7; Off 13,1; 2), der in vielem verhängnisvoll richtunggebende Anfang der an Großartigem sonst so reichen Weltgeschichte, „durch welche sich die Offenbarungsgeschichte hindurchwindet wie das Wasser Siloah, das da stille geht (Jes 8,6). Von Bußtränen geht diese aus, über Bruderblut erhebt sich jene. Dort entfaltet Gotteskraft den verheißenen Segen; hier ringt Menschenkraft vergeblich gegen den göttlichen Fluch".
III. Die herrschenden Grundzüge der kainitischen Kulturwelt
„Gleichwie die Tage Noahs waren, also wird auch die Ankunft des Menschensohnes sein” (Mt 24,37). Wie im Heilsplan die göttlichen Grundsätze, einem Kreislauf gleich, am Ende zum Anfang zurückkehren, so entsprechen auch in der Geschichte der Kultur die letzten Perioden den ersten. Darum ist die Erforschung jener alten Vergangenheit zugleich eine Botschaft für die spätere Zeit, und insonderheit ist die kainitische Kulturwelt das keimhafte Urbild für die Weltlage der Endzeit.
Dies ist sie durch ihre folgenden sechs Grundzüge: 123
1. Schneller Fortschritt in allen mechanischen Künsten. Die entscheidende Geistesrichtung der vorsintflutlichen Menschheit war der Versuch, das verlorene Paradies gleichsam durch ein künstliches zu ersetzen. Schneller als bei den Sethiten vollzog sich der „Aufstieg” bei den Kainiten; denn „die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder des Lichts in ihrem Geschlecht" (Lk 16,8). Durch Kain kam das seßhafte Leben und der Städtebau auf, durch Jabal, den „Dahinwallenden", 124 die Nomadenkultur. Tubalkain, der „Hämmerer", wurde der Vater der Schmiedekunst und Jubal, der „Wallende", 125der Schöpfer der Musik. Alle drei letzteren waren Söhne Lamechs. So waren bald alle drei Hauptstände der menschlichen Gesellschaft entstanden, der Nährstand, Wehrstand und Lehrstand, der Gewerbetreibende, Krieger und Geistesarbeiter, und zwar wurden gefördert
der Nährstand durch Jabal — die materielle Seite des Lebens,
der Wehrstand durch Tubalkain — die rauhe Seite des Lebens,
der Lehrstand durch Jubal — die geistige Seite des Lebens.
Als Metallarbeiter wurde Tubalkain der Begründer der „Industrie" und überhaupt aller Arbeit in Erz und Eisen; und Jubal, der die Töne der Laute zur „Wallung"126 Bringende, wurde der Schöpfer aller Entspannungs- und Vergeistigungsversuche in Kunst und Musik. Lamech aber, sein Vater, wurde der erste Vertreter der Dichtkunst, 127
2. Große Zunahme der Bevölkerung. „Die Menschen begannen sich zu mehren” (1. Mose 6,1). Schon Kain kann — zweifellos in höherem Alter 128 — eine „Stadt" 129 bauen (1. Mose 4,17). 130 Dies ist um so weniger erstaunlich, als die Lebenskraft der jungen Menschheit im Anfang sehr stark gewesen sein muß. 131 Auch muß die Zahl der Kinder — bei dem langen Leben der Eltern — viel größer gewesen sein als später und, aus demselben Grunde, müssen auch viele Generationen gleichzeitig nebeneinander gelebt haben. 132
3. Nichtbeachtung des göttlichen Ehegesetzes. Von Kains Nachkommenschaft werden drei Frauen erwähnt, während dies im Geschlechtsregister Seths bei keiner einzigen der Fall ist. Die Namen dieser drei kainitischen Frauen sind Ada („Schmuck”, „Morgen" oder „Schönheit”), Zilla (die „Schattige”, vielleicht wegen ihres reichen, sie verschattenden Haares) und Naama („Lieblichkeit”). Ihre Erwähnung bei den Kainiten deutet darauf hin, daß dort die Frauen stärker hervortraten als bei den Sethiten, und daß äußere Schönheit und sinnliche Anziehungskraft die Haupteigenschaften waren, die man an ihnen schätzte. Lamech aber schließlich, der Siebente von Kain, übertrat ganz unverblümt das ursprüngliche Ehegesetz 133 und wurde der erste Vertreter der Vielweiberei.
4. Zurückweisung der Bußpredigt des Glaubens. Dennoch sandte Gott Zeugen in diese abtrünnige Welt mit dem Mahnruf zur Buße und Umkehr. Aber auf diese hörte man nicht. Man achtete
- weder in den Tagen des Enos auf den Zusammenschluß der Frommen zu gemeinsamer Anbetung Jahwes des HErrn als des Bundesgottes und Erlösers (1. Mose 4,26), 134
- noch in den Tagen des Henoch auf die Warnung dieses Propheten vor dem kommenden Weltgericht (Judas 14; 15; 1. Mose 5,21-24; Heb 11,5; 6),
- auch nicht auf Lamech, den Sethiten, der auf den verheißenen „Tröster” und „Ruhebringer” (Hebr.. „Noah”) wartete (1. Mose 5,29),
- und ebensowenig auf Noah, den „Prediger der Gerechtigkeit”, der 120 Jahre lang wider sie zeugte (1. Mose 6,3; 2Petrr 2,5). Im Gegenteil, auch die Sethiten wurden allmählich vom Zeitgeist überwältigt, und so kam es zuletzt zu einer allgemeinen
5. Verbindung des bekennenden Gottesvolkes mit der Welt. Die Kainiten werden darum, seit Lamech, nicht weiter als getrennter Stamm aufgeführt (1. Mose 4); und in der bald kommenden Sintflut gehen sie alle — die Sethiten genau so wie die Kainiten — zugrunde. Nur Noah, der Zehnte von Adam, und seine drei Söhne werden mit ihren Frauen gerettet (1Pet 3,20).
Und doch war diese ganze, dem Untergang geweihte Welt des Eigenruhms voll
6. Selbstverherrlichung der Menschheit. Während in Henoch, dem Siebenten (Jud 14), die sethitische Frömmigkeit ihre Höhe erreichte, war Lamech, der Siebente, der verkörperte Gipfel kainitischer Rebellion. In ihm ist die Reihe der Kainiten an das selbstherrliche Ziel ihrer Entwicklung gelangt, und darum ist er auch im biblischen Bericht der Abschluß der kainitischen Urgeschichte. An sich sind Kulturerrungenschaften nichts Widergöttliches; 135 aber hier diente alles zur Übertäubung des Gewissens.
Lamechs Lied ist „ein Triumphgesang auf die Erfindung des Schwertes” (1. Mose 4,23; 24).„ Mit einer Mordtat begann, mit einem Mordliede schließt die Geschichte der Kainiten. Im siebenten Gliede ist alles vergessen; mit Musik, Gesellschaft, Üppigkeit und Pracht wird alles übertäubt. Der Fluch der Einsamkeit ist in Stadtleben, der Fluch der Unstetigkeit in Wanderlust, das böse Gewissen in Heldenmut verwandelt, der die Erinnerung an den Fluch des Ahnherrn nur zur Unterlage seines eigenen, gotteslästerlichen Selbstgefühls macht (1. Mose 4,24). So ist alles Lust und Herrlichkeit, umschlungen und gekrönt von der Blume menschlichen Witzes und der schaffenden Seelenkräfte: der Dichtkunst" (Drechsler). 136
Zuletzt aber blieb der Höchste seine Antwort nicht schuldig, und seine Antwort war — das Gericht. Nach über anderthalb Jahrtausenden göttlicher Geduld, 137 in der zehnten Generation — zehn ist die Zahl der Vollständigkeit und des Abschlusses einer vollendeten Entwicklung 138 — vernichtete die Sintflut 139 die gottentfremdete, sündige Menschheit.
119 Man hat darum diesen Zeitabschnitt das „Zeitalter des menschlichen Gewissens" genannt. Da aber das Gewissen nicht etwas dieser Haushaltung ausschließlich Eigentümliches ist, sondern auch in allen späteren Heilsperioden weiterbesteht (vgl. Röm 2,15; 14,22; 1Pet 3,16), während das Fehlen aller besonderen Anordnungen und grundsätzlichen Kontroll- bzw. Strafeinrichtungen Gottes das eigentlich Charakteristische dieser Zeit ist, erscheint der Name „ Zeitabschnitt der Freiheit" schon wesentlich treffender. Da jedoch „Freiheit" ein viel zu idealer Begriff ist, ist „Zeitabschnitt der menschlichen Selbstbestimmung" wohl die noch passendere Bezeichnung. Und da Gott in jener Zeit nicht nur durch das Zeugnis des Gewissens, sondern durch die drei fache Offenbarung in Natur, Gewissen und Geschichte sich dem Menschen kundtat, wäre die Bezeichnung „Zeitabschnitt der allgemeinen Gottesoffenbarung" wohl die allerbeste↩︎
120 1. Mose 4,5 wörtlich: „Da brannte es in Kain." „Es wurde dem Kain glühend."↩︎
121 Wohl im Hinblick auf die göttliche Einsetzung des Opfers bei der Bekleidung der ersten Menschen mit Tierfellen (1. Mose 3,21)↩︎
122 Vgl. Franz Delitzsch, a. a. O. S. 200 f. Ebenso erklärt G. Menken↩︎
123 Vgl. G. H. Pember, Die ersten Zeitalter der Erde, Leipzig, 5. Autl., S. 194 It.↩︎
124 Von hebräisch jabal, ursprünglich strömen, wallen.↩︎
125 Jubal heißt „Wallung".↩︎
126 Siehe 125↩︎
127 Vgl. Lamechs Schwertlied: 1. Mose 4,23; 24. — Der bedeutsamste Zeuge der vorsintflutlichen Kultur ist die Arche Noahs. Mit ihren Riesenmaßen 120 m lang, 20 m breit, 12 m hoch, 28 800 cbm Rauminhalt) ist sie geradezu unseren modernen Ozeanschiffen vergleichbar, wie ja auch sonst gerade die riesigsten Bauten dem unvordenklichsten Altertum angehören (Pyramiden, Sphinx!). Im Jahre 1609 hat der niederländische Mennonit Peter Jansen zu Hoorn in Holland ein Schiff nach denselben Maßen bauen lassen (nur auf ein Drittel verkleinert: 1 Meter = 1 Fuß), und es stellte sich heraus, daß ein solches Schiff sichzwar schwerfälliger bewegt, aber dafür ein Drittel Last mehr tragen kann als ein gewöhnliches Schiff mit demselben Rauminhalt. Und zum Tragen — nicht eigentlich zum Fahren — war ja die Arche bestimmt. — Arca (lateinisch) Kasten.↩︎
128 Der Sohn „Henoch", den Kain während des Bauens bekam (1. Mose 4,17), war offenbar nicht sein Erstgeborener. Auch bei den Sethiten sind nicht die Erstgeborenen, sondern die Träger der Geschichte (in diesem Fall die Vorfahren Noahs) genannt. Dies beweisen die Zeugungsjahre. Denn „wie Adam nicht 130 Jahre lang ‚ehelos' war, so Seth nicht 105 und Methuschelah nicht 187 oder gar Noah 500" (Krämer). Vgl. 1. Mose 5,1↩︎
129 Wohl zunächst einfach eine feste „Niederlassung. "↩︎
130 Kains Weib war eine der 1. Mose 5,4 erwähnten Töchter bzw. Enkelinnen Adams (die Kain im Lande Nod „erkannte", nicht etwa erst dort „nahm"!). Solche Verbindungen waren zunächst notwendig. Von einer „Geschwister"-Ehe zu reden, ist schon deshalb nicht richtig, weil es in der allerersten Zeit der Menschheit „Familien" überhaupt noch gar nicht gab und darum auch noch nicht die Besonderheit „geschwisterlicher" Liebe; denn da alle Glieder eines Grades sich noch gleich „nahe"standen, standen sie sich auch noch gleich „fern". Daher ist auch der Vorwurf der Unmoral dieser uranfänglichen Verbindungen hinfällig.↩︎
131 Schon bei einer durchschnittlichen Kinderzahl von nur 6 Kindern hätte Kain im Alter von 400 Jahren weit über 100 000 Nachkommen gehabt!↩︎
132 Auch die Jetztzeit zeigt für die Gesamterde einen ungeheuren Bevölkerungszuwachs. So hat sich, nach Prof. Dr. Hennig („Geopolitik", Teubner, Leipzig 1928) die Menschenmenge der Erde seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts stark verdoppelt (von ungefähr 900 Millionen auf etwa 1900 Millionen)!↩︎
134 Vgl. Anhang 1: Die Namen Gottes.↩︎
135 Vgl. S. 74.↩︎
136 Wenn mit den „Söhnen Gottes" von 1. Mose 6,1; 2 gefallene Engel gemeint sind (vgl. Hiob 1,6; 2,1; 38,7; Dan 3,25; 2Pet 2,4; Jud 6; 7), so sind Okkultismus und Spiritismus ebenfalls ein entscheidender Grundzug der kainitischen Kulturwelt. Diese Erklärung wird von den meisten vertreten, z. B. von Philo, Josephus, der Mehrzahl der Rabbinen, der Septuaginta, Kurtz, Delitzsch, Gunkel, König, Procksch, Pember. Andererseits deuten Augustinus, Calvin, J. P. Lange die Stelle auf Mischehen zwischen Sethiten und Kainiten. Eine genauere Besprechung überschreitet unseren Rahmen.↩︎
138 So war auch später Abraham der Zehnte von Noah, vgl, 1. Mose 11,10-26↩︎
139 Mittelhochdeutsch „sintfluot" = große Flut. — An Flutüberlieferungen in der Völkerwelt nennt Prof. Riem im Jahre 1925 nicht weniger als 35 Nachweise und 268 eigentliche Berichte. „In diesen 268 Berichten tritt die Flut 77mal einfach als Flut auf, 80mal als Überschwemmung, 3mal als Schneefall, 58mal als Regen, darunter einmal als heißer Pechregen, 5mal als die Folge von Erdbeben; zweimal kommt Blut über die Erde, einmal wird die Erde durch eine Tränenflut überschwemmt, und 16mal kommt der Sintbrand vor. 21mal erscheint der Regenbogen, fast immer unter ausdrücklicher Betonung seiner versöhnenden Kraft" (Riem, Die Sintflut in Sage und Wissenschaft, Hamburg 1925).↩︎