Schriften von Werner Mücher
1Pe 1; 2 - Ein heiliges Priestertum1Pe 1; 2 - Ein heiliges Priestertum
Werner Mücher
Petrus hat seinen ersten Brief an ehemalige Juden geschrieben, die sich nicht im Land Israel befanden, sondern in der Zerstreuung. Sie sollten durch seinen Brief in der christlichen Wahrheit gegründet und befestigt werden, so dass sie ihre hohe Stellung als Christen, ihre Berufung und ihre entsprechende Verantwortung besser kennenlernten.
Auserwählt
Als Juden gehörten sie zu einem sehr bevorrechtigten Volk, das von Gott vor allen Völkern der Erde auserwählt war, doch durch den Glauben an Christus waren sie keine Juden mehr. Nun gehörten sie als Christen zu einem Volk, das in weit höherem Maß bevorrechtigt und auserwählt ist. Bei Israel ging es um eine nationale Auserwählung, bei Christen geht es um eine ganz persönliche Auserwählung.
Was sind nun die besonderen Kennzeichen dieser Auserwählung? Christen sind auserwählt nach „Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“ (1,2). Durch die Auserwählung haben sie eine Beziehung zu Gott als ihrem Vater. Das Ziel dieser Auserwählung wird durch das Wirken des Heiligen Geistes erreicht. Er führt Menschen zum wahren Glauben und heiligt sie als Gläubige tagtäglich. Außerdem sind sie zum Gehorsam Jesu Christi gebracht und auch zu all den segensvollen Auswirkungen seines Todes (Blutbesprengung).
In Kapitel 2 lesen wir noch mehr über den Zweck beziehungsweise das Ziel der Auserwählung, und das nicht nur für die Zukunft, sondern auch schon für die jetzige Zeit: Sie waren
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ein auserwähltes Geschlecht (o. Familie),
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eine königliche Priesterschaft,
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eine heilige Nation,
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ein Volk zum Besitztum, damit sie die Tugenden dessen verkündigten, der sie aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hatte.
All das sind sehr bedeutsame Vorrechte, allerdings verbunden mit entsprechenden Verantwortlichkeiten.
Ein königliches Priestertum
Eines dieser Vorrechte ist – und das gilt für alle Christen –, dass sie eine königliche Priesterschaft sind, ein Geschlecht von Königen und Priestern. Sie sind Könige, aber noch ohne „Land“, sozusagen lauter Prinzen. Wenn der Herr Jesus wiederkommt und seine Königsherrschaft antritt, werden sie mit Ihm regieren. Zugleich sind sie Priester, und das bereits heute. Priesterschaft bedeutet vor allem Nähe zu Gott und Dienst für Ihn.
Leider führen viele Christen nur ein mittelmäßiges Christenleben. Sie sind zwar bekehrt, sind sich aber kaum bewusst, was für hohe Vorrechte sie haben und ausüben könnten. Es wäre für uns alle gut, den ersten Brief des Petrus (noch) einmal gründlich zu studieren, um gut zu verstehen, was für eine besondere Stellung es ist, ein Priester zu sein, und was das für unser Leben bedeutet. Petrus schreibt weniger über die Lehre als vielmehr über das Betragen als Christen gegenüber Gott, als Gläubige untereinander und gegenüber der Welt.
Eine heilige Nation
Häufig stöhnen wir Christen über unser gottloses Umfeld und begründen damit, dass es nicht mehr lange dauern könne, dass der Herr kommt. Das ist einerseits richtig, doch andererseits haben Christen in all den Jahrhunderten in einem nicht weniger bösen Umfeld leben und sich bewähren müssen. Schlimm ist es, wenn Christen sich vom Zeitgeist, vom sündigen Treiben der Menschen beeinflussen lassen. Ist es nicht eine großartige Aufgabe für uns, eine heilige Nation zu sein, ein Volk, das über die ganze Erde zerstreut ist und doch eine unverbrüchliche Einheit bildet? Ein Volk, das für Gott und nach seinen Maßstäben leben möchte? Ein Volk, das sich von der Sünde fernhalten möchte und dafür von Gott reichlich gesegnet wird, selbst wenn es unterdrückt und verachtet wird?
Wir kommen zu den Anfangsversen des Briefes zurück. Was heißt es, dass wir zum Gehorsam Jesu Christi gebracht sind?
Zum Gehorsam Jesu Christi
Es ist sprachlich durchaus möglich, beim Gehorsam Jesu Christi daran zu denken, dass wir als Gläubige Christus gegenüber zum Gehorsam verpflichtet sind. Doch hier geht es wohl um den Gehorsam, den Christus auf Schritt und Tritt Gott gegenüber praktiziert hat. Sein Gehorsam gegenüber Gott und seine Liebe zu Ihm bildeten eine einzigartige Einheit. Und zu diesem Gehorsam Gott gegenüber sind auch wir als Christen auserwählt. Gottes großes Ziel mit uns besteht darin, dass wir darin wie Christus sind. Ist es nicht die höchste
Würde und Sinnerfüllung eines Geschöpfes und zugleich sein größtes Glück, Gott gehorsam zu sein?
Der Kern jeder Sünde ist Ungehorsam. Durch den Ungehorsam (1Mo 3) ist alles Elend in die Welt gekommen, mit all den entsetzlichen Folgen für die Menschheit insgesamt und für jeden einzelnen Menschen: Not, Leid, Krankheit, Zerrüttung von Beziehungen und schließlich der Tod. Doch Gott ist im Begriff, eine neue Welt zu schaffen (Off 21,1), und in dieser Welt wird es keine Sünde mehr geben.1 Die neue Welt wird die herrlichen Kennzeichen von Heiligkeit, Gehorsam, Gerechtigkeit und Frieden tragen. Sie wird unsagbar schön sein, ob es nun um den neuen Himmel oder um die neue Erde geht.
Jeder Segen, den wir empfangen, gründet sich auf den Gehorsam Jesu Christi, der in seinem Kreuzestod gipfelte. Wenn wir dazu gebracht sind, bedeutet das, dass auch wir lernen müssen, so gehorsam zu sein wie Christus – jedenfalls ist das das Ziel Gottes mit uns (vgl. 1Joh 2,6). Als wir uns bekehrten, waren wir zum ersten Mal von ganzem Herzen Gott gehorsam, und darum haben wir auch „durch den Gehorsam gegen die Wahrheit [des Wortes Gottes]“ unsere Seelen gereinigt (1,22). Die Gläubigen sollen sich als „Kinder des Gehorsams“ (1,14) bilden. Petrus schreibt immer wieder von Gehorsam – ist das nicht eine durch und durch praktische Sache?
Blutbesprengung Jesu Christi
Das Sprengen von Blut war eine wichtige Tätigkeit bei der Darbringung der Schlachtopfer (vgl. 3Mo 1 und 3). Wir finden es zum ersten Mal in 2. Mose 24, kurz nachdem Israel das Gesetz empfangen hatte und Gott ihnen die Stiftshütte (das Zelt der Zusammenkunft) gab, damit Er in ihrer Mitte wohnen könnte.
Die Bedeutung der Blutbesprengung hier ist, dass das Volk Israel dadurch unter die Verantwortung gestellt wurde, das Gesetz zu halten. Bei Nichtbeachtung würde das für sie den Tod für bedeuten. Das ist natürlich für uns Christen heutzutage anders. Es muss für Juden-Christen eine erstaunliche Entdeckung gewesen sein, dass das Sprengen des Blutes Christi auf sie nur Segen bedeutete. Es bedeutete für sie aber auch Heiligung. Ein Volk, das den Wert des Blutes Christi kennt und dadurch gereinigt ist, ist ja für Gott erkauft (vgl. Off 5,9) und steht unter der Verpflichtung, ein geheiligtes Leben zu führen.
Das Blut Jesu Christi ist überaus kostbar (1,19). Wenn Christen heutzutage Priesterdienst ausüben, erinnern sie Gott, um in der Sprache der Vorbilder zu reden, an den unermesslich großen Wert des Blutes Jesu, sie sprengen es gleichsam an den Altar (vgl. 3Mo 1 und 3). Sie werden sich dabei jedes Mal bewusst, dass sie durch dieses wertvolle Blut Christi erlöst sind und unter der Verpflichtung eines geheiligten Lebens stehen. Gott erwartet von ihnen, dass sie mit jeder Sünde brechen.
Seid heilig, denn ich bin heilig
Gott, der uns berufen hat, ist heilig. Es kann daher nicht anders sein, als dass solche, die in die Nähe Gottes treten, ebenfalls heilig sind. Wie könnte Gott den Maßstab seiner Heiligkeit herabsetzen und sich damit auf unser sündiges Niveau herabbegeben? Das ganze dritte Buch Mose (das Priesterbuch) macht uns klar, worauf die Priester beim Opferdienst und bei der Arbeit in Verbindung mit dem Heiligtum achten mussten. Petrus führt daher auch eine Stelle aus dem 3. Buch Mose an, wo Gott sein Volk durch Mose aufforderte, heilig zu sein, weil er heilig ist (Kap. 11,45).
Bei den Priestern im Volk Israel ging es vor allem um eine äußere, rituelle Heiligkeit. Bei uns heutzutage geht es um innere Reinheit und Heiligkeit des Herzens. Anders können wir keinen Priesterdienst ausüben. Wir haben unsere Seelen doch gereinigt, als wir uns bekehrten, sollten wir sie daher nicht immer wieder reinigen? Petrus weiß darum, wie schnell wir sündigen. Deshalb schreibt er im weiteren Verlauf über Sünden, die den Priesterdienst verhindern.
Ungeheuchelte Bruderliebe
Ein besonderes Merkmal einer gereinigten Seele ist „ungeheuchelte Bruderliebe“, und zwar mit Inbrunst aus reinem Herzen (1,22). Hier können wir uns prüfen, ob wir ein reines und Gott gehorsames Leben führen. Petrus wusste, dass das ein Schwachpunkt bei Gläubigen ist, denn nicht von ungefähr beginnt er Kapitel 2 mit den Worten: „Legt nun ab alle Bosheit und allen Trug und Heuchelei und Neid und alles üble Nachreden“ (V. 1). Fragen wir uns doch, ob wir diese hässlichen, die Gemeinschaft zerstörenden Sünden wirklich abgelegt haben. Wer in dieser Weise sündigt und seine Sünden nicht bekennt, hat kein reines Herz und kann daher keinen Priesterdienst ausüben.
Wachst zur Errettung
Nach den negativen Dingen von Vers 1, die wir ablegen sollen, spricht der Apostel jetzt über die positive Seite unseres Christseins, über das, wodurch wir wachsen. Wenn Gläubige das Wort Gottes wie neugeborene Kinder begierig aufnehmen, wachsen sie. Das Wort Gottes verändert sie. Viele Christen scheinen nicht einsehen zu wollen, dass sie so nach dem Wort Gottes verlangen sollten, wie Babys nach der Muttermilch oder der Milchflasche verlangen. Christen, die geistlich nicht wachsen, sind zu bedauern. Sie haben keine
Freude an den geistlichen Dingen, die Gott ihnen geschenkt hat, sie haben aber auch keine echte Freude an weltlichen Dingen.
Im Wort Gottes lernen wir kennen, wie gütig Gott, unser Vater, und unser Herr Jesus Christus sind. Wir lernen Gott als Vater besser kennen, wir lernen den Herrn besser kennen, wir lernen unsere Segnungen besser kennen, die Größe unserer Errettung, unsere Berufung und wie wir als Christen leben sollen. Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Christen, die ihre Bibel nicht lesen, wachsen nicht. Und vor allem: Sie können keinen Priesterdienst ausüben. Sie bleiben geistliche Krüppel und Zwerge, die vom Priesterdienst ausgeschlossen sind (vgl. 3Mo 21,16-23).
Zu einem lebendigen Stein
Als Petrus dem Herrn Jesus zum ersten Mal begegnete, sagte der Herr zu ihm: „Du bist Simon, der Sohn Jonas; du wirst Kephas heißen (was übersetzt wird: Stein)“ (Joh 1,42). Da kam Petrus zu Ihm als dem lebendigen Stein, und der Herr machte ihn ebenfalls zu einem lebendigen Stein. So war es auch bei den Briefempfängern, und so war es auch bei uns: Als wir uns bekehrten, lernten wir Christus als den lebendigen Stein kennen. Wir kamen zu Ihm als tote Steine. Jeder, der an Ihn glaubt, bekommt neues Leben und wird ein lebendiger Stein.
Aus diesen Steinen baut der Herr das Haus Gottes, wovon Er der Eckstein ist (2,7). Als Eckstein gibt Er dem Haus die Ausrichtung und das Fundament. Das Haus ist ein geistliches Haus, unsichtbar für die Menschen um uns her. Außerdem ist es ein Tempel, wie der Zusammenhang dieses Verses deutlich macht. Was ein Tempel ist, kannten die ehemaligen Juden sehr gut: Es war der Wohnort Gottes und der Ort, wo die Priester Gott dienten.
Eine heilige Priesterschaft
Die Gläubigen bilden heutzutage nicht nur das Haus, sondern sind auch Priester, die vor dem Tempel und im Tempel Gott dienen. Früher hatte nur eine Familie dieses Vorrecht, die Familie Aarons. Heutzutage ist es das Vorrecht aller Gläubigen. Sie sind grundsätzlich Priester, doch ob sie auch die damit verbundenen Tätigkeiten ausüben können, hängt davon ab, ob sie ein Gott geweihtes und heiliges Leben führen.
Damit sind wir wieder beim Thema der Heiligkeit. Das 3. Buch Mose beschreibt uns, wie erwähnt, die Voraussetzungen für den Dienst der Priester und ihre Aufgaben. Im 3. Buch Mose kommen Wörter mit dem Wortstamm „heilig“ 145-mal vor.2 Wir können anhand der Vorbilder dieses Buches sehr viel für unseren Priesterdienst lernen. Petrus greift hier eine besondere Tätigkeit der Priester heraus: die Darbringung von Schlachtopfern.
Geistliche Schlachtopfer
Die Priester im Alten Bund brachten verschiedene Opfer dar: Brandund Speisopfer, Friedensopfer, Sündund Schuldopfer. Wir bringen heutzutage keine tierischen Opfer oder Opfergaben von Mehl, Öl und Weihrauch dar, also keine materiellen Opfer, sondern geistliche Schlachtopfer. Die materiellen Schlachtopfer sind Vorbilder von unserem Herrn und seinem Werk, das Er vollbracht hat. Wenn wir Gott nahen und in Anbetung zu Ihm über das Werk seines Sohnes sprechen, sind das geistliche Schlachtopfer. In Hebräer 13,15 lesen wir dazu: „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.“
Gott wohlangenehm durch Jesus Christus
So unvollkommen und schwach – nicht sündig! – unser Opferdienst auch sein mag, er wird durch unseren großen Hohenpriester geweiht. Christus ist nach vollbrachtem Werk in das himmlische Heiligtum hineingegangen, wo Er jetzt unsere Opfer des Lobes und des Dankes nimmt und sie Gott darbringt.
Es gab im Alten Testament eine Vorschrift (2Mo 29,38-46), dass die Israeliten an jedem Morgen und an jedem Abend ein Brandopfer darbringen mussten. Das ist ein Hinweis darauf, dass es für Gott eine Freude ist, wenn wir Ihn täglich an die Hingabe seines Sohnes bis in den Tod erinnern. Gott nannte diese Opfer früher seine Speise: „Ihr sollt darauf achten, dass ihr mir meine Opfergabe, meine Speise zu meinen Feueropfern, mir um lieblichen Geruch, zu ihrer bestimmten Zeit darbringt“ (4Mo 28,2).
Damit ihr die Tugenden dessen verkündigt
Schätzen wir das Vorrecht, persönlich und gemeinschaftlich als Priester vor Gott treten zu können, um Ihm zu danken und Ihn anzubeten? Wenn wir das tun und Ihm damit seine Speise geben, werden wir uns bewusst, wie reich Gott uns durch das Werk des Herrn beschenkt hat. Wir werden uns bewusst, wie einzigartig sein Werk und wie groß der Preis war, den der Herr für unsere Erlösung bezahlt hat, nämlich sein „kostbares Blut“.
Wenn wir Gott als unserem Vater so begegnet sind und dann in die Welt hinausgehen, verkündigen wir durch unser Leben und unsere
Worte in den alltäglichen Umständen, in denen wir uns befinden, wie großartig Gott ist und wie Er bereit ist, Menschen zu retten, die an die Gabe seines Sohnes glauben.
Als Priester gehen wir hinein ins Heiligtum, und dann kommen wir gleichsam als Königsanwärter heraus mit der herrlichen Botschaft über Gott und seinen Sohn, der alles zur Errettung getan hat und seinen Sohn bald senden wird, der dann hier auf der Erde sein Reich errichten wird, ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. Dann wird die ganze Erde seine Herrlichkeit und Heiligkeit erkennen und Ihn anbeten, das, was wir jetzt schon tun dürfen. „Seid heilig, denn ich bin heilig.“
Werner Mücher
1 Wir lassen hier das Friedensreich, so schön es auch sein wird, außer Betracht.↩︎
2 Ich empfehle in diesem Zusammenhang das Studium des 3. Buches Mose. Eine gute Verständnishilfe bietet C. H. Mackintosh, Die fünf Bücher Mose, Hückeswagen (CSV).↩︎