Botschafter des Heils - Jahrgang 1853 - 1913
Botschafter des Heils –Jahrgang 1855
Die herrliche Hoffnung der Kirche oder der Versammlung GottesDie herrliche Hoffnung der Kirche oder der Versammlung Gottes
Der vorliegende Artikel besteht aus folgenden Teilen:
Einleitung
Der von den Zeitaltern her verborgene Ratschluss Gottes
Die Ankunft des Christus
Die erste Auferstehung
Die allgemeine Ordnung der Ereignisse der Zukunft des Herrn
Einleitung
„Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut; euch aber habe ich Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater gehört habe, euch kundgetan habe“ (Joh 15,15). Mit diesen Worten drückt der Herr Jesus sein inniges und vertrautes Verhältnis zu den Seinigen aus. Er, der ewig geliebte Sohn im Schoß des Vaters, nennt uns Freunde und teilt uns alles mit, was Er selbst vom Vater gehört hat. So köstlich jede andere Beziehung unserer Berufung sein mag, diese ist es nicht weniger. Gott nannte Abraham seinen Freund und sagte: „Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?“ (1Mo 18,17). Er hatte das süße Vorrecht fern von dem so nahe bevorstehenden Gericht über Sodom und Gomorra auf der Höhe mit Gott zu verkehren. So lässt ja Gott auch uns als Freunde an allen den Gedanken teilnehmen, die sein eigenes Herz beschäftigen. Wir sind durch Ihn von dem nahen und schon längst ausgesprochenen Gericht unterrichtet und gewarnt. Anstatt in Furcht zu sein, verkehren wir mit Ihm in Liebe und Freude, indem wir wissen, dass wir von dem zukünftigen Zorn errettet sind. Wahrlich, einen zarteren Beweis seiner unvergleichlichen Liebe und ein wirksameres Mittel für die Heiligung unserer Seelen konnte Er uns nicht geben. Wir sind die Verwahrer der Aussprüche Gottes und gewiss, unsere Vorrechte sind in jeder Beziehung groß (Röm 3,2). Er hat uns nicht nur unsere, allein durch das einmal geschehene Opfer des Jesus Christus bewirkte, ewige Versöhnung und Erlösung wissen lassen, sondern uns auch die vor Grundlegung der Welt in der Tiefe seiner Ratschlüsse verborgenen Geheimnisse, die das liebliche Los unserer herrlichen Berufung sind, kund gemacht. Es sind die unerforschlichen Reichtümer des Christus, deren gänzliche Offenbarung für die Verwaltung der Fülle der Zeiten aufbewahrt ist. Gott hat denen, die Ihn lieben, eine Herrlichkeit bereitet, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist, eine Herrlichkeit, in die selbst die Engel hineinzuschauen begehren. Diese hat Er uns durch seinen Geist offenbart (1Kor 2,10). Der Reichtum seiner Gnade ist überströmend gegen uns geworden in aller Weisheit und Einsicht (Eph 1,8). Er hat uns erleuchtet, die Hoffnung seiner Berufung und den Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes zu erkennen. Es ist seine Freude, uns immer tiefer in diese Erkenntnis hineinzuführen. Sie ist es auch, vor allem die Erkenntnis seiner selbst, die uns dringt, Ihn zu lieben und anzubeten und die unsere Seelen auf eine unaussprechliche Weise beruhigt und erquickt. Sie ist es, die uns stets mit innigem Verlangen den Augenblick herbeiwünschen lässt, in dem wir Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen und immer bei Ihm sein werden.
Sollten nun die Genossen dieses köstlichen Geheimnisses, die Berufenen einer solchen Herrlichkeit, gegen diese Beweise der Liebe und des Vertrauens gleichgültig sein können? Sollte es möglich sein zu denken: Ich bin zufrieden, dass ich meiner Erlösung und Seligkeit gewiss bin, das Übrige will ich abwarten? Diese Gesinnung würde nur großen Undank und unverzeihliche Geringschätzung gegen die herzliche Liebe unseres Gottes verraten. Auch würde sie nicht weniger eine große Trägheit des Geistes und einen tiefen Mangel an Liebe zu unseren allerbesten Freund, der stets bemüht ist, die Seinigen zu segnen, an den Tag legen. Wie könnten wir gegen die Liebe des Christus gleichgültig sein, da seine Herrlichkeit auch die unsrige ist! Es sollte uns vielmehr stets eine köstliche Freude sein, wenn Gott mit uns verkehrt, da jeder neue Blick in den Reichtum seiner Gnade unsere Herzen erquicken wird, wenn wir in seiner Gemeinschaft leben. Die Offenbarungen der Ratschlüsse und Gedanken Gottes in Demut zu erforschen sind nicht, wie etliche denken, unnütze Spekulationen des Fleisches, sondern seine mannigfaltige Weisheit erweckt in unseren Herzen vielmehr Liebe und Anbetung. Der Apostel Paulus verzichtete um Christus willen auf jeglichen Vorteil des Fleisches und für die Vortrefflichkeit der Erkenntnis des Christus achtete er selbst alles für Schande und Kot. Er war es auch, der die Heiligen ermahnte, doch nicht Kinder am Verständnis zu bleiben. Ja, erst dann, wenn wir die Verbindung unserer Herzen mit Gott wirklich pflegen, haben wir für alle seine Gedanken und Ratschlüsse sowie für die Erkenntnis seiner selbst ein wirkliches Interesse. Erst dann sind alle seine Wege köstlich für uns und wir genießen in der verborgenen Gemeinschaft mit Ihm ein unaussprechliches Glück. Wir werden nicht allein überzeugt sein, dass wir Frieden mit Ihm haben, sondern wir genießen selbst seinen Frieden, der über alles geht. Es gibt dann nichts Höheres für uns als die Verherrlichung Seines Namens.
Der Tag naht, an dem wir den sehen werden, den wir schon jetzt durch den Glauben kennen und lieben. Er selbst wird uns in den Vollgenus seiner Herrlichkeit einführen und wir werden dann allezeit bei Ihm sein. Diese Wiederkunft war stets der große Gegenstand, der die Herzen der Jünger sowie die der ersten Christen mit Freude und Sehnsucht erfüllte. Jesus hatte nicht allein auf dieser Erde das Werk der Erlösung vollbracht, sondern auch den Charakter des Vaters, dessen Ebenbild Er ist, auf das völligste offenbart. Die Jünger genossen drei Jahre lang seinen persönlichen Umgang. Kannten sie auch nicht die Tragweite von dem, was Er war, so sahen sie doch täglich seinen Verkehr mit Zöllnern und Sündern in Gnade und Liebe sowie seine Sanftmut, Freundlichkeit und Geduld gegen alle. Sie genossen stets seine unaussprechliche Liebe, womit Er sie bis ans Ende liebte und trug, eine Liebe, die selbst höher war, als alle Schrecken seines qualvollen Todes. Bis zum letzten Augenblick waren sie der Gegenstand seiner zärtlichsten Fürsorge. Selbst am Abend vor seinem Abschied gedachte Er ihrer, indem Er ihnen die Füße wusch zum Beweis, was Er in seiner dienenden und hingebenden Liebe ihnen, den einmal Gereinigten, bei ihrem Wandel durch diese Wüste, auch für die Zukunft sein und bleiben würde. Darf es uns darum befremden, dass sie sehr trauerten, als der beste und treuste Freund und Bruder von ihnen weggenommen wurde? Darf es uns befremden, dass ihr Herz sich mit hoher Freude und großem Verlangen erfüllte, als sie gewiss wussten, dass Er wiederkommen und sie zu sich nehmen würde? Und das umso mehr, da sie seit dem Pfingsttag durch die Gegenwart des Heiligen Geistes, dieser sicheren Bürgschaft seiner wirklichen Ankunft in der Herrlichkeit, die Tragweite seiner Liebe und Treue für sie besser verstanden? Und diese trostvolle Hoffnung belebte die Herzen aller treuen Heiligen der ersten Zeit, die Jesus in Wahrheit erkannten und liebten. Sollte sie uns, die Mitgenossen der gleichen Herrlichkeit, weniger erfreuen, da wir doch derselbe Gegenstand Seiner zärtlichen Liebe und unermüdlichen Treue sind? Haben wir doch auch denselben Geist empfangen, der Ihn in uns verklärt und durch den uns die Liebe Gottes mitgeteilt ist, den Geist des Vaters und des Sohnes, der uns über die köstlichen Gedanken Gottes und über seine Gesinnung gegen uns so treulich unterrichtet. Sobald wir das Werk des Christus, bei seiner ersten Ankunft in Niedrigkeit vollbracht, verstanden haben, sobald unsere Gewissen durch dasselbe gereinigt und unsere Herzen von seiner und des Vaters Liebe überzeugt sind, werden wir in der Gegenwart Gottes völlig ruhig und glücklich sein. Ja, bei seiner ersten Ankunft hat Er alles getan, um sowohl unsere Gewissen als auch unsere Herzen vor Gott zu beruhigen. Jetzt lernen wir in seiner Gemeinschaft und durch die Unterweisung des Heiligen Geistes immer besser verstehen, was Er für uns ist. Wie köstlich ist es zu wissen, dass Er das, was Er lebt, für uns lebt, dass Er uns immerdar auf das Beste vertritt und stets fürbittend unserer gedenkt.
In den verschiedenen Verhältnissen des Lebens er- fahren wir immer aufs neue Proben seiner Treue und Liebe, seiner Fürsorge und Bewahrung. Wie kann es da anders sein, als dass wir Ihn lieben und uns so gerne mit seiner Wiederkunft beschäftigen und uns von Herzen danach sehnen? Seine Ankunft hat ja nichts Schreckliches für uns, wie für die Kinder dieser Welt. Vielmehr ist dieselbe für uns die Erfüllung aller Freuden und aller Segnungen, indem wir überzeugt sind, Ihn bei Seiner Ankunft nicht anders zu finden, als wie wir Ihn jetzt kennen gelernt haben. Er kann sich selbst nicht leugnen. Vielmehr wartet Er selbst mit Sehnsucht auf den Augenblick unserer Vereinigung mit Ihm. Nicht Engel wird Er senden, seine Braut von der Erde abzuholen, nein, Er selbst wird kommen und sie rufen und in die Wohnung des Vaters mit sich einführen.
So wissen wir denn, dass wir eine sichere und feste Hoffnung haben, die uns nicht beschämen wird, eine Hoffnung, wovon der Apostel Petrus an die Gläubigen schreibt: „Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus nicht kundgetan, indem wir ausgeklügelten Fabeln folgten, sondern als solche, die Augenzeugen seiner herrlichen Größe geworden sind. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.‘ . . . Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, auf das zu achten ihr wohltut, als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen“ (2Pet 1,16.17.19). Die Weissagung ist ein Licht am dunklen Ort. Sie spricht von dem Urteil der Welt und dem Tag des Herrn, wo die Herrlichkeit des Christus, als Sonne der Gerechtigkeit, mit ihrem ganzen Glanz auf diese Welt leuchten wird. Dieses ist sehr wichtig und zugleich kräftig, die Seelen von der unter dem Gericht stehenden Welt abzuziehen, bis eine bessere Hoffnung das Herz erfüllt, bis der Tag anbreche und der Morgenstern darin aufgehe, d. h. bis das Herz die Ankunft des Herrn begreift, nämlich seine Vereinigung mit der Kirche, ehe dieser Tag selbst kommt. Denn der Anbruch des Tages ist nicht der Tag selbst und der Morgenstern ist nicht die Sonne noch die Lampe in der Finsternis, sondern es ist Christus, der die Kirche zu sich aufnimmt, ehe Er der Welt als Sonne der Gerechtigkeit offenbar wird. Wenn das Herz mit dieser Wahrheit erfüllt ist, ist der Morgenstern darin aufgegangen. Die schlafende Welt sieht diesen Stern nicht, aber er ist der Vorläufer des Tages und die Wachenden werden Ihn als solchen durch ihre Vereinigung mit Ihm wirklich kennen. Sie genießen jetzt schon im Herzen das gegenwärtige Zeugnis und den Vorgeschmack dieses Vorrechts und werden an dem Tag selbst mit Ihm wie Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit leuchten (vgl. Off 2,28; 22,16.17).
Der Herr ist nahe! Dies köstliche Bewusstsein vermag unsere Herzen zu stärken, unseren Wandel zu heiligen und unsere Erwartung auf Ihn stets lebendig zu erhalten. Es gibt uns Kraft immerdar zu bekennen, dass wir Gäste und Fremdlinge auf Erden sind und dass wir ein besseres Vaterland, nämlich ein himmlisches suchen (Heb 11,13-15). Es gibt uns Kraft von aller Ungerechtigkeit abzutreten und aus einer Welt auszugehen, über die die Gerichte bald hereinbrechen werden. Wir preisen dann aber auch die Gnade Gottes, die uns durch den Heiligen Geist unterrichten lässt, um diesem allem zu entfliehen.
Der Herr möge unsere Herzen recht einfältig und gehorsam machen, damit wir uns stets mit seinen herrlichen Gedanken und seiner so nahen Zukunft beschäftigen, um inmitten der Verwirrung als Kinder Gottes lauter und untadelig dazustehen, zum Lob und Preis unseres Gottes.