verschiedene Autoren
Botschafter des Heils - Jahrgang 1853 - 1913
Botschafter des Heils - Jahrgang 1887
Eph 5,14 - Wache auf, der du schläfst!Eph 5,14 - Wache auf, der du schläfst!
„Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!“ (Eph 5,14) Diese ernste Ermahnung erhält ein umso größeres Gewicht durch die Tatsache, dass sie sich an Gläubige richtet, denen ihre Stellung in Christus gemäß den Ratschlüssen Gottes offenbart war. Sie kannten diese Stellung und die erhabenen Vorrechte, welche sich an dieselbe knüpften. Sie kannten Gott als ihren Gott und Vater in Christus Jesus und wussten, dass sie gemäß ihrer Stellung in Christus heilig und tadellos vor Gott standen, und dass sie seine Kinder waren. Mit Recht kann von solchen ein Wandel erwartet werden, wie ihn unser Kapitel bezeichnet; ein Wandel, der als eine natürliche Folge aus dem Bewusstsein dieser erhabenen Stellung hervorgeht. Aber die oben angeführte Ermahnung zeigt uns, dass der Gläubige das Bewusstsein seiner Stellung und der damit verbundenen Vorrechte verlieren und moralischerweise in einen Zustand des Schlafes verfallen kann. Der Schlaf ist ein Bild des Todes. Ein schlafender Mensch vernimmt ebenso wenig von dem, was um ihn her vorgeht, wie ein Toter. Wie dieser sieht er nichts von den Schönheiten und Reizen der Schöpfung Gottes, wenngleich die Sonne hoch am Himmel stehen und mit ihrem Lichtglanz Flur und Wald bestrahlen mag. So kann auch ein Gläubiger in einen Zustand kommen, der ihn verhindert, von den Schönheiten und Reizen der neuen Schöpfung mehr zu genießen, als ein natürlicher Mensch, der doch nach dem Urteil Gottes „tot“ ist und von geistlichen Dingen nichts zu erkennen vermag; so dass der Gläubige in dieser Beziehung mit jenem auf gleicher Stufe steht. Vielleicht führt er nicht gerade einen unmoralischen Wandel, aber es ist auch kein himmlischer Wandel; denn sein Herz ist in den Dingen dieser Welt. Diese bilden seinen „Schatz“, und wo unser Schatz ist, da ist auch unser Herz. Sein Wandel ist irdisch und seine Gesinnung weltlich. Er steht nicht im Einklang mit seiner himmlischen Berufung und ist nicht ein „Nachahmer Gottes“, der „in Liebe“ und als ein „Kind des Lichtes“ wandelt; denn Gott ist Licht und Liebe.
In dem Herzen eines solchen Gläubigen hat Christus keinen Platz mehr. Nicht dass er den Herrn geradezu verachtete oder nie mehr an Ihn dächte; aber er kennt ihn gleichsam nur als einen Nothelfer, und besitzt Ihn nicht als den Gegenstand seiner Freude und Wonne. Als solchen kann er Ihn tagelang entbehren, ohne Ihn auch nur einmal zu vermissen. Andere Dinge nehmen von früh bis spät sein Herz ein und haben mehr Wichtigkeit für ihn als Christus. Jene und nicht dieser sind die Beweggründe und der Zweck seines Lebens; ihnen widmet er sein Dasein und opfert er seine Kräfte. Die Sprache: „denn das Leben ist für mich Christus“, liegt ihm ganz und gar fern und scheint ihm unerreichbar zu sein.
Ebenso unerreichbar erscheint ihm die Verwirklichung seiner Stellung in den himmlischen Örtern, obwohl er sie der Lehre nach vielleicht kennen mag. Er weiß, dass er ein Kind Gottes, und dass Gott sein Vater ist; aber dieses Bewusstsein vermag ihn nicht glücklich zu machen, noch ihn von seinen beständigen Sorgen, Befürchtungen und leider auch von seinem Misstrauen gegen diesen ihn so innig liebenden Vater zu befreien. Gleich dem verlorenen Sohn bringt er, fern von dem Herzen und dem Haus des Vaters, sein Leben in Kummer und Sorgen zu, indem er nichts sieht als den Mangel und die Entbehrungen der Wüste. Oder er verlebt, was ebenso traurig ist, seine Tage in Gleichgültigkeit, Leichtfertigkeit und Weltsinn und sucht mit dem, was die Welt ihm darbietet, die Leere seines Herzens auszufüllen. Wie traurig ist ein solcher Zustand!
Ein solcher Christ führt in der Tat nicht nur kein glückliches, sondern vielmehr ein verlorenes Leben, ein Leben, das seinen eigentlichen Zweck verfehlt. Ebenso ist der hohe Preis, den Christus zu diesem Zweck für ihn erlegt hat, gleichfalls verloren. Wie ernst ist das! Wie ernst der Gedanke, dass der Tod Christi in dieser Beziehung für einen solchen vergeblich war! Der Leser wolle mich wohl verstehen; ich sage nicht, vergeblich betreffs seiner Errettung, denn das ist unmöglich; wohl aber vergeblich betreffs des oben genannten Zweckes, betreffs des Lebens und Zeugnisses für Ihn, der uns so teuer erkauft hat. Denn es steht geschrieben, dass Christus „sich selbst für uns gegeben hat, auf dass Er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und reinigte sich selbst ein Eigentumsvolk, eifrig in guten Werken“ (Tit 2,14). Und wiederum: „Denn ihr seid um einen Preis erkauft; verherrlicht nun Gott an eurem Leib“ (1Kor 6,20). Und ferner: „Welcher selbst unsere Sünden an seinem Leib auf das Holz getragen hat, auf dass wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch dessen Striemen ihr heil geworden seid“ (1Pet 2,24). Man könnte die Zahl solcher Stellen leicht vermehren; aber diese genügen, um zu zeigen, dass Christus nicht allein für uns starb, um uns zu erretten, sondern auch um uns zu seinen Dienern und zu Zeugen seiner Herrlichkeit zu haben. Man bedenke wohl, was es sagen will, dass Er, um diesen Zweck bei uns zu erreichen, sterben musste. Wie tief schmerzlich muss es nun für sein liebendes Herz sein, wenn alle seine Mühe und Arbeit, sein Tod, sein unergründliches Leiden, die Angst seiner heiligen Seele, wenn alles das für einen der Seinen in dieser Beziehung vergeblich war! Und ach! trotzdem ist es so betreffs aller Gläubigen, die sich in dem oben beschriebenen Zustand befinden.
Geliebter Leser! sollte es dein Zustand sein, so gilt dir der Mahnruf: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!“ Das erste Zeichen deines Aufwachens wird sein, dass du diesen Mahnruf hörst und deinen traurigen Zustand erkennst. Als Folge davon wird zweitens ein ernstes, tiefes Selbstgericht in dir wachgerufen werden, und du wirst „aufstehen aus den Toten“, d. h. du wirst entschieden brechen mit diesem irdisch gesinnten, verweltlichten Zustand. Und alsdann wird drittens „Christus dir leuchten“ – du wirst Ihn erkennen in seiner Kostbarkeit und Schönheit, und Er wird das helle Licht deines Weges sein. Die eitlen, nichtigen Dinge dieser Welt werden von diesem Augenblick an ihren Wert für dich verlieren und Ihm, dem teuren Herrn, Platz machen in deinem Herzen. Du wirst in Wahrheit glücklich sein und mit dem Apostel sagen können: „Unser Wandel ist in den Himmeln“; denn dort ist dann der Gegenstand deines Herzens, deiner Freude, deiner Lust und Wonne; und „wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“
Bedenke indessen, geliebter Leser, dass dir nur dann Christus leuchten wird, wenn die beiden ersten Dinge bei dir eingetroffen sind. Solltest du wirklich aufwachen, und dennoch kein „Aufstehen aus den Toten“, kein entschiedener Bruch mit deiner irdischen Gesinnung stattfinden, so sei versichert, dass du bald wieder in deinen alten Zustand des „Schlafes“ zurückfallen wirst. Erst dann, wenn Christus dir leuchtet, wirst du gründlich geheilt sein; erst dann wird dein Zustand im Einklang stehen mit den Gedanken Gottes und mit deiner himmlischen Berufung, indem du in Ihm einen Ersatz gefunden hast, der dich alles für Ihn „einbüßen und für Dreck achten lässt“ (Phil 3). Alsdann wirst du deinen Platz als ein Auferstandener mit Christus nicht mehr in dem Bereich der Toten, sondern in dem der Lebendigen einnehmen. Möge dir daher der Herr Gnade zu einem ernsten und tiefen Selbstgericht geben!
Jesus, die Tür und der Hirte
Die ersten Verse von Johannes 10 enthalten ein Gleichnis, in welchem der Herr von einem Schafhof redet. Der Schafhof Gottes war Israel. Israel war das auserwählte Volk Gottes; es hatte die Erkenntnis des einen wahren Gottes und besaß sein Wort und seinen Gottesdienst. Die Heiden standen draußen. Der Herr Jesus kam auf diese Erde als der Hirte Israels. Vor Ihm waren viele gekommen, aber sie waren nicht durch die Tür eingegangen. Er ging durch die Tür ein, und „wer durch die Tür eingeht, ist Hirte der Schafe. Diesem tut der Türhüter auf.“ Das letztere geschah bei der Taufe des Herrn. Jesus gesellte sich den Israeliten bei, die unter dem Bekenntnis ihrer Sünden zu Johannes kamen, um von ihm getauft zu werden. Johannes weigert sich, Jesus zu taufen; aber der Herr sagt: „Es gebührt uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Er hatte nichts zu bekennen, aber Er machte sich eins mit den verlorenen Schafen aus dem Haus Israel. Als nun Johannes Ihn getauft hatte, und Jesus aus dem Wasser heraufstieg, kam eine Stimme aus dem Himmel: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Gott, der Türhüter des Schafhofes, öffnete so die Tür vor dem Hirten der Schafe, und Jesus trat als solcher in Israel auf.
Doch das Volk Israel wollte diesen Hirten nicht. Es verwarf Ihn, und darum verließ der Herr den Schafhof. Nur einige wenige nahmen Ihn an. Das waren die wahren Schafe; sie hörten seine Stimme. Er rief sie mit Namen und führte sie aus dem Schafhof, und sie sollten nie wieder dahin zurückkehren. Bis dahin bildete, wie bereits gesagt, das Volk Israel den Schafhof; es war durch die Gebote und Verordnungen des Gesetzes von den anderen Völkern abgesondert. Sobald aber das Volk den Herrn Jesus verwarf und so die letzte Probe, auf welche es gestellt wurde, nicht bestand, hörte es auf, der Schafhof zu sein. Die Scheidewand, welche zwischen Juden und Heiden bestand, wurde weggenommen; alle, die an Jesus glaubten, sollten in eins versammelt werden, wie der Herr im 16. Verse sagt: „Ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein.“ Jetzt handelt es sich nicht mehr um einen Schafhof, sondern um eine Herde und um einen Hirten. Wir sind nicht mehr durch gesetzliche Verordnungen umzäunt, sondern Juden und Heiden sind eins geworden, die Zwischenwand der Umzäunung ist abgebrochen.
Zu dieser Herde nun bildet Jesus die Tür. Der Herr sagt: „Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich eingeht, der wird errettet werden.“ Es gibt keine Scheidewand mehr; nicht nur der Jude, sondern auch der Heide kann durch die Tür eingehen und errettet werden. „Wenn jemand“, wer es auch sei, „durch die Tür eingeht, der wird errettet werden.“ Alle Vorrechte nach dem Fleisch hören auf. Früher gehörte nur das Volk Israel zu dem Schafhof; jetzt gehören alle, die in Wahrheit an Jesus glauben, zu der Herde und stehen unter der Hut des Hirten. Welch ein Trost! Welch eine Sicherheit! – Wann ist ein Mensch errettet? Wenn er durch die Tür eingegangen ist. Was habe ich also zu tun? Nur durch die Tür einzugehen. Wann bin ich meiner Seligkeit gewiss? Wenn ich durch die Tür eingegangen bin; denn dort hinter der Tür bin ich sicher; nichts kann mich da antasten, niemand kann mich aus der Hand des Herrn reißen. Wie einfach redet der Herr zu dem Herzen des Sünders! Er hat nur durch die Tür einzugehen. Nichts mehr, aber auch nichts weniger! Um errettet zu werden, ist es notwendig, durch die Tür einzugehen. Es hilft nichts, dass ich die Tür nahe vor mir sehe, oder dass ich selbst gerade davorstehe; nein, will ich errettet werden, so muss ich durch die Tür gehen. Aber bin ich einmal hindurchgegangen, so genieße ich auch alles, was dahinter gefunden wird; ich teile die Freude, die dort herrscht, habe ein Anrecht auf alles, was da ist; ich bin in Sicherheit, nichts kann mir mehr schaden. Wie einfach ist das! Dadurch, dass ich durch die Tür eingehe, dass ich an den Herrn Jesus glaube, bin ich errettet. Dann bin ich nicht nur von meinen Sünden erlöst, sondern vollkommen in Sicherheit. Nichts kann mich mehr treffen; ich bin in dem Haus und genieße all das Herrliche, was sich in demselben befindet; ja, ich habe Überfluss.
Ist das nicht genug für den Sünder? Könnte er noch mehr verlangen, als die Versicherung aus dem Mund des Herrn Jesus, dass er, wenn er an Ihn glaubt, errettet ist? Sollte einer meiner Leser noch Einwendungen machen und dem Werk des Herrn noch etwas hinzufügen wollen, so sagt er damit, dass er nicht genug hat an dem, was der Herr Jesus sagt, und macht Ihn zum Lügner. Ist denn sein Wort nicht genug? Kann Er lügen? Oder ist sein Werk nicht hinreichend? Wenn Gott das Werk seines Sohnes als vollkommen hinreichend betrachtet, sollten wir dann nicht auch völlig befriedigt sein? Stehen wir höher, als Gott, oder wissen wir es besser, als Er? Wenn jemand an der Vollgültigkeit des Werkes Christi zweifelt und demselben noch etwas hinzufügen will, so drückt er dadurch nichts mehr und nichts weniger aus, als dass er es besser weiß, als Gott.
Ach, wie oft und viel erfüllen menschliche Überlegungen das Herz! Man setzt solche Überlegungen an die Stelle des Wortes des Herrn Jesus, und deshalb bleibt man unruhig und findet keinen Frieden. Wenn unsere Errettung irgendwie abhinge von uns, von unserem Glück, von unseren Gedanken über das Werk des Herrn, von unserer Wertschätzung desselben oder von der Kraft unseres Glaubens, mit einem Wort, von irgendetwas aus oder in uns, dann allerdings würden wir gegründete Ursache haben, unruhig zu sein; dann würden wir uns fragen müssen: Sollte ich dies oder das auch wohl gut gemacht haben? Und wenn ich es nicht gut genug gemacht habe, dann kann ich auch betreffs meiner Errettung nicht ruhig sein.
Doch, Gott sei Dank! es hängt nicht von mir ab. Ich brauche nichts hinzuzufügen; ich habe nur das Wort des Herrn anzunehmen. Die Sicherheit meiner Errettung gründet sich nicht darauf, dass ich glücklich bin, dass mein Zustand ein guter ist, dass keine sündigen Gedanken mehr in mir aufsteigen. O nein! sie hängt einzig und allein von der Frage ab, ob das Werk des Herrn Jesus genügend, und ob sein Wort wahr ist; ob es wahr ist, was Er gesagt hat: „Wenn jemand durch mich eingeht, der wird errettet werden.“ Ja, mein Leser, es handelt sich durchaus nicht darum, wer oder was du bist; wenn du durch die Tür eingegangen bist, so ist alles in Ordnung; und wenn du einfältig dem Wort des Herrn vertraust, so ist auch deine Seele in vollkommener Ruhe.
Doch wir sind nicht nur errettet, wenn wir an den Herrn Jesus geglaubt haben. Der Herr verheißt mehr, als das; Er sagt: „Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich eingeht, der wird errettet werden und wird ein– und ausgehen.“ Das Volk Israel bildete die Herde Gottes, und war so zu sagen in den Hof eingeschlossen; es war umgeben von Geboten und Verordnungen des Gesetzes. Wenn heute ein Mensch errettet wird, so geht er nicht in den Schafhof ein, d. h. er kommt nicht unter das Gesetz. Wir stehen nicht mehr unter den schwachen und armseligen Elementen der Welt, wie Paulus das Gesetz nennt, sondern wir können ein– und ausgehen, d. h. wir sind frei: frei von der Macht der Sünde und des Todes, frei von der Macht Satans, frei von dem Gesetz und seinem Fluch. Früher befanden wir uns infolge der Sünde in der Macht des Teufels; jetzt sind wir Knechte Gottes. Früher waren wir völlig unfähig, Gott zu dienen; jetzt sind wir dazu fähig gemacht. In Johannes 8,32 lesen wir: „Und die Wahrheit wird euch freimachen“; und im 36. Verse: „Wenn nun der Sohn euch freimachen wird, so werdet ihr wirklich frei sein.“ Ja, der Sohn macht frei. Jeder, der an Ihn glaubt, ist durch Ihn freigemacht, freigemacht von allem, was ihn einst gefangen hielt. Zu diesem Zweck hat der Herr Jesus alles an unserer Statt getragen. Er wurde zur Sünde gemacht. Er erduldete die Strafe, welche wir verdient hatten. Er war unter dem Zorn Gottes. Er ging in den Tod. Er überwand den Teufel. Er trug den Fluch des Gesetzes und hat es zunichtegemacht. Infolge dessen ist der Gläubige frei, ja so frei, dass er ein Kind Gottes genannt werden kann, ein Erbe Gottes und ein Miterbe Christi.
Ach, weshalb macht man noch so viele Einwendungen? Warum glaubt man nicht an das, was der Herr sagt, und genießt die Köstlichkeit davon? „Die Wahrheit wird euch freimachen“; das will sagen: wenn wir die Wahrheit annehmen, wenn wir glauben und verstehen, was der Herr sagt, dann macht die Wahrheit uns frei; dann erfreuen wir uns in dem herrlichen Werke unseres Erlösers; dann ist alle Furcht ans dem Herzen verbannt; dann genießen wir die Liebe unseres Gottes; dann beten wir an, und zwar nicht mehr, wie in dem Alten Bunde in dem Tempel, oder auf dem Berg Garizim, sondern im Geist und in Wahrheit. Wie herrlich und gesegnet! „Der Vater sucht solche als seine Anbeter.“
Aber der Herr Jesus geht noch weiter. Nicht allein sind wir, wenn wir durch die Tür eingegangen sind, betreffs unserer Errettung in völliger Sicherheit; nicht allein sind wir dann freigemacht und können ein– und ausgehen, sondern der Herr sagt auch: „und sie werden Weide finden.“ Das erinnert uns an den 23. Psalm: „Jehova ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er lagert mich auf grünen Auen, Er führt mich zu stillen Wassern. Er stellt meine Seele wieder her; Er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen.“ David gibt in diesem Psalm den innersten Gefühlen seines Herzens Ausdruck. Er frohlockte in dem Bewusstsein, dass Jehova sein Hirte war, der für ihn sorgte, ihn leitete und erquickte. Doch wir erblicken hier zugleich den Herrn Jesus. Er selbst spricht in diesem Psalm; in Ihm sind die Worte des Psalmisten im vollsten Maße erfüllt worden. Er kam auf diese Erde und fand keine Ruhe hienieden; sein Teil war Armut und Mangel, ja, Er hatte nicht, wo Er sein Haupt hinlegen sollte, und konnte in dem vollen, wahren Sinne des Wortes sagen: „Jehova ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Gott war der Hirte, Er war das Schaf seiner Weide; Er war vollkommen abhängig von dem Vater, und Gott sorgte für Ihn. „Auch wenn ich wandle im Tal des Todesschattens, fürchte ich nichts Nebels, denn du bist bei mir.“ Wie schön ist es, den Herrn Jesus hienieden zu sehen, wie Er sich erquickt an der Güte und Sorge Jehovas!
Obschon nun dieser Psalm nicht in seiner ganzen Tragweite auf den Gläubigen angewandt werden kann, so kann dieser doch nach seinem Maß die Worte desselben aussprechen. Der Herr Jesus ist sein Hirte, der ihn lagert auf grünen Auen und ihn führt zu stillen Wassern. Welch ein Gedanke! Nie Mangel zu haben! „Er lagert mich auf grünen Auen“; es ist ein solcher Überfluss an Nahrung vorhanden, dass ich nicht nur meinen Hunger stillen kann, sondern auch stets Überfluss habe. „Er führt mich zu stillen Wassern“; ich brauche nie Durst zu leiden, sondern kann mich zu jeder Zeit laben und erfrischen. Wir brauchen nicht nach Speise und Trank zu suchen; nein, der gute Hirte sucht für uns; Er sorgt für uns. Bei Ihm ist nicht allein genug, sondern Überfluss! „Wer an mich glaubt, gleich wie die Schrift sagt, ans dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers stießen“, sagt der Herr. Welch eine Sorge und Liebe gibt sich in den Worten kund: „Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe!“ Er lagert den Gläubigen nicht nur auf grünen Auen und führt ihn zu stillen Wassern, sondern Er, der gute Hirte, „lässt auch sein Leben für die Schafe.“ Der Tod des Herrn Jesus wird uns in diesen Worten als der Tod vorgestellt, in welchen Er freiwillig aus Liebe zu uns ging. Der Herr Jesus kam auf diese Erde für seine Schafe; Er starb für sie am Kreuz, um sie zu erretten. Er brauchte nicht um seinetwillen zu sterben. Er hätte wieder zum Himmel zurückkehren können, ohne zu sterben. Aber wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fiel und starb, so blieb es allein. Christus hätte dann allein in die Herrlichkeit des Himmels zurückkehren müssen; aber Er wollte viele Söhne zur Herrlichkeit führen. Somit war es um der Schafe willen notwendig, dass Er starb, dass Er sein Leben ließ. Und weil Er freiwillig kam, um den Vater zu verherrlichen und der Liebe seines Herzens freien Ausfluss zu dem armen, verlorenen Sünder zu öffnen, darum liebte Ihn der Vater. Wie köstlich ist das! Der Vater hat nach dem Heil des Sünders gedürstet; und indem nun der Herr Jesus sein Leben freiwillig dahingab, indem Er gehorsam ward bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz, gab Er dem Vater einen ewigen Beweggrund, Ihn zu lieben; wie der Herr sagt: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst.“
Doch der Herr Jesus lässt nicht nur sein Leben für seine Schafe, sondern wenn diese in Gefahr sind, wenn ein Feind kommt, um sie anzutasten, so tritt Er für sie in den Ritz, und sorgt für ihre Bewahrung bis ans Ende. „Der Dieb kommt nicht, als nur dass er stehle und schlachte und verderbe. Ich bin gekommen, auf dass sie Leben haben und es in Überfluss haben.“ Wenn wir wirklich an den Herrn Jesus glauben, so haben wir das ewige Leben, wie wir in Johannes 3,36 lesen: „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben.“ Wir können dann nicht mehr verloren gehen, sondern werden ewiglich bei dem Herrn sein. Das ist unser Teil geworden durch das Werk des Herrn Jesus. Er ist gestorben, aber nicht um für immer in dem Grab zu bleiben; nein, Er ist auferstanden und hat uns das ewige Leben mitgeteilt; und Er wird uns auferwecken am letzten Tage.
Weiter lesen wir: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.“ Und in Vers 4 lesen wir: „Und die Schafe folgen Ihm, weil sie seine Stimme kennen.“ Welch ein inniges Verhältnis! Der Herr Jesus kennt die Schafe, so wie der Vater Ihn kannte, als Er hienieden war; und die Schafe kennen Ihn, so wie Er den Vater kennt; Er ruft sie, und sie folgen Ihm. „Ich kenne die Meinen und bin gekannt von den Meinen, gleich wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne“ (V 14–15). Wunderbare Gnade! „Und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren ewiglich, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben.“ Welch eine Kraft haben diese Worte für das Herz des Gläubigen, während er auf dieser Erde wandelt, umringt von so vielen Versuchungen, von so vielen Feinden auf der Erde und Feinden in der Luft, von dem Teufel und seinen Engeln! Welch ein gesegnetes, köstliches Bewusstsein, dass wir, eingegangen durch die Tür, errettet sind; dass wir das ewige Leben besitzen; dass der Herr Jesus uns kennt und uns bewahrt, und dass wir Ihn kennen als unseren guten Hirten; dass Er uns labt und erquickt, und dass wir bei Ihm Überfluss haben; und endlich, dass niemand uns aus seiner Hand, noch aus der Hand des Vaters rauben kann! Kann es uns noch an irgendetwas mangeln? Ich spreche nicht von leiblichen Bedürfnissen, sondern von den Bedürfnissen der Seele. Haben wir Ursache, besorgt zu sein, ob wir auch wohl das Ende erreichen werden? Wahrlich nicht! „Niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben.“ Was sollte ich angesichts solcher Worte noch fürchten? Wer steht über dem Herrn? Wer sollte mich aus seiner Hand rauben können? „Niemand“, sagt der Herr Jesus. „Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alles.“ Ich bin durch die Tür eingegangen, und wer sollte mich antasten können? Kann ich noch Zweifeln an dem, was der Herr Jesus mir hier mitteilt? Sollte ich meinem guten Hirten nicht vertrauen können? Sollte ich den Worten Gottes, den Worten des Herrn Jesus nicht glauben dürfen?
Wie herrlich ist es, zu wissen und zu erfahren, dass wir Schafe des Herrn sind! Welch eine Ruhe für das Herz inmitten alles dessen, was uns umgibt! Er kennt die Gefahren und Versuchungen; Er beugt ihnen vor, Er warnt uns und bringt uns wieder zurecht, wenn wir abgeirrt sind. Er richtet uns auf, wenn wir im Begriff stehen, zu ermatten. Haben wir Durst, Er labt uns; haben wir Hunger, Er erquickt uns. Lasst uns nicht denken, dass Er sich in uns getäuscht haben könnte. Er weiß, wer wir sind, wie gebrechlich und schwach. Er sieht das Böse, ehe wir es bemerken; und Er trägt uns auf seinem Herzen. Er kommt uns in unseren Schwachheiten zu Hilfe. Er kennt uns; wir kennen Ihn. Er ist der gute Hirte; wir sind seine Schafe. Er geht vor uns her; wir folgen Ihm. Wie herrlich ist diese Stellung! O, dass doch alle meine Leser die Liebe des guten Hirten kennen möchten! Es ist unaussprechlich köstlich, in Ihm zu ruhen, in seiner Gemeinschaft zu sein. Solltest du Ihn noch nicht angenommen haben, o, warte dann nicht länger, warte nicht bis morgen! Er will dich heute annehmen. Gehe durch Ihn ein, und du wirst errettet werden, errettet für ewig! Und wenn du Ihn kennst, o so betrübe Ihn nicht durch einen Mangel an Vertrauen! Verwunde sein liebendes Herz nicht durch Misstrauen und Unglauben! Vertraue Ihm völlig, ruhe in seiner Liebe und folge Ihm nach, der dich so teuer erkauft hat!