Schriften von William Kelly
Apg 2; 8;10; 19 1Kor 12 - Die Gabe des Geistes und die Gaben
Wie wurde der Heilige Geist ausgeteilt?Wie wurde der Heilige Geist ausgeteilt?
Es gibt aber noch einen anderen sehr wichtigen Punkt, der manchen Seelen Schwierigkeiten bereitet, nämlich die unterschiedliche Art, wie der Heilige Geist ausgeteilt wurde. Der Unglaube, besonders derjenige, der die Form annimmt, den Menschen abergläubig zu machen (was er immer tut, es sei denn, dass er noch tiefer sinkt, indem er alles Göttliche leugnet), greift diese Fragen gern auf. Ob der Unglaube sich aber in Menschenverherrlichung kundtut oder in völliger Gleichgültigkeit Gott gegenüber und den Dingen, die die menschliche Seele angehen – in beiden Fällen möchte er gern die unterschiedlichen Formen der Mitteilung des Heiligen Geistes dazu benutzen, entweder zu leugnen, dass man heute ebenso wie damals den Heiligen Geist besitzen kann oder aber irgendeinen religiösen Schwindel anzupreisen, durch den allein man unfehlbar in den Besitz der Gabe des Heiligen Geistes kommen könne.
Aus diesem Grund möchte ich nun die verschiedenen Gelegenheiten betrachten, bei denen uns die Austeilung des Heiligen Geistes mitgeteilt wird. Ich hoffe, dass dadurch jeder, der dem Wort Gottes unterwürfig ist, sieht, dass der Heilige Geist durchaus nicht in einer willkürlichen Art und Weise ausgeteilt wurde; dass dabei dem Menschen als solchem keinerlei Bedeutung zukam; dass in dieser Art und Weise nichts lag, wodurch das Vertrauen auch des schwächsten Kindes Gottes erschüttert werden könnte – im Gegenteil, dass unsere Seelen durch eine gute oder doch verhältnismäßig gute Kenntnis der uns offenbarten Absichten Gottes nur befestigt werden, indem unser Empfinden für seine Gnade und Weisheit vertieft wird. Wir werden überreiche Beweise dafür sehen, wie Er auf alle möglichen bestehenden Umstände Rücksicht nimmt. Wie zeigt das doch, dass Einfalt in den Dingen Gottes der Schlüssel dafür ist, dass wir diese Dinge klarsehen! Wenn ich einfältig bin, dann bin ich nicht mit mir selbst und meinen eigenen Dingen beschäftigt, bin nicht mit den Gedanken anderer erfüllt, sondern ich vertraue Gott und weiß, das Er immer nur das eine Ziel vor Augen hat: den Herrn Jesus, der den Vater verherrlicht hat, zu ehren.
1. Austeilung des Geistes am Pfingsttag
Bei der ersten Gelegenheit, am Pfingsttag, haben wir bei weitem die reichhaltigste Form der Gabe des Heiligen Geistes von oben. Wir tun deshalb gut, den inspirierten Bericht dieses Ereignisses besonders genau zu beachten. Petrus sagt in seiner Ansprache: „Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dieses ausgegossen, was ihr seht und hört“ (Apg 2,33). Das will sagen, dass sie greifbare Merkmale vor sich hatten, an denen sie klar die Erfüllung dieser Verheißung des Vaters erkennen konnten. Der verheißene Heilige Geist an sich war nicht für die Sinne wahrnehmbar, aber Er war begleitet von einer nach außen hin sichtbaren Kraft. Es ist wichtig, dies auseinanderzuhalten, weil man sonst Gefahr läuft, die unermessliche Gabe des Geistes selbst, die immer weit größer ist als alle ihre Auswirkungen, zu übersehen und zu leugnen, wenn äußere Zeichen fehlen. Diese Zeichen waren sicherlich an ihrem Platz wichtig, doch waren sie nicht mehr als nur ein Beweis für die Anwesenheit und Gabe des Heiligen Geistes als etwas ganz Neues auf der Erde.
Die Antwort des Petrus in Jerusalem wirft viel Licht auf diese Wahrheit. Als die Juden hören, wie der Apostel sie so deutlich beschuldigt, ihren eigenen Messias verworfen und gekreuzigt zu haben und sie noch dazu sehen, dass Gott Ihn zu seiner Rechten erhöht hat, geraten sie in große innere Not über ihren verlorenen Zustand. Der Apostel ruft ihnen nun zu: „Tut Buße, und jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38). Erwägen wir diese Worte aufmerksam! Er fordert sie nicht auf, einfach zu glauben. In dieser Aufforderung zur Buße statt zum Glauben liegt tiefe göttliche Weisheit. In der Schrift ist nichts umsonst. Bei einer anderen Gelegenheit, in Philippi, war es gerade umgekehrt. Dort forderten Paulus und Silas den erschütterten Kerkermeister in erster Linie auf, zu glauben, nicht so sehr, Buße zu tun.
Natürlich will ich niemanden irgendwie verwirren, im Gegenteil, ich möchte solchen, die diesen Unterschied sehen, aber nicht verstehen, gern helfen. Nicht ein Mensch ist es, der die Worte so niedergeschrieben hat, sondern Gott, und Ihm sollten wir immer vertrauen. Niemals sollten wir im Wort Gottes etwas als gleichgültigen Zufall ansehen. Eines ist klar: Ohne Glauben gibt es keine wahre gottgemäße Buße. Es mag wohl unechten Glauben geben wie auch unechte Buße. Überall aber, wo das eine durch die Kraft Gottes bewirkt worden ist, findet man es bei dem anderen ebenso. Und doch wissen wir alle aus Erfahrung (und im Wort Gottes, dem Schlüssel für alle unsere Erkenntnis und unsere Erfahrung finden wir dies bestätigt), dass es in der Art und Weise, wie jemand innerlich fühlt und das vor Gott zum Ausdruck bringt, Unterschiede gibt. Bei dem einen überwiegt das tiefe moralische Wirken im Gewissen; bei einem anderen treten Friede und Freude im Glauben mehr in den Vordergrund. Es geschieht ohne Glauben kein wirklich geistlich wertvolles Werk im Gewissen; ebenso gibt es keinen echten gottgewirkten Glauben ohne ein echtes Werk des Geistes am Gewissen. Wie Petrus die Juden in Jerusalem zur Buße aufruft, so sagt Paulus den Athenern, dass Gott allen Menschen überall gebietet, Buße zu tun (Apg 17,30). Bei anderen Gelegenheiten werden Juden sowohl wie Heiden eingeladen zu glauben. Tatsache ist, dass beide sowohl Buße taten wie auch glaubten. Doch wo das eine mehr als das andere hervorgehoben wird, hat das seine Bedeutung.
Was bei dieser Gelegenheit in Apostelgeschichte 2 ganz besonders notwendig war und worauf es nach Gottes Weisheit hier besonders ankam, das war die Demütigung dieser stolzen Juden. Deshalb wird Buße als das, was das Fleisch beiseitesetzt und den Menschen als unbrauchbar betrachtet, besonders hervorgehoben. „Tut Buße“, sagt der Apostel Petrus, „und ein jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi“, auf den Namen gerade dieses Menschen, den sie gekreuzigt und verworfen hatten. Da lag die einzige Quelle des Segens für einen jeden von ihnen. Er war die einzige Hoffnung für ihre Seelen. So wurden sie gedemütigt und willig gemacht. Der Tag seiner Gnade war gekommen, noch nicht der Tag seiner Macht nach Psalm 110. Gnade hatte ihre Herzen berührt und Gnade hatte bewirkt, dass sie Gottes Urteil über sich annahmen und sich Ihm unterwarfen. Sie hatten nicht länger eine hohe Meinung von sich selbst: Sie glaubten, dass sie verloren waren – das Letzte, was ein Mensch willens ist zu glauben. Sie waren wirklich so weit gekommen, dass sie willig waren zu glauben, dass sie in den Augen Gottes von Grund auf böse waren. Deshalb legt er großen Nachdruck hierauf. Er hat kein Mitleid mit ihnen, weil ihnen dies durchs Herz drang: Er fordert vielmehr von ihnen sogar noch etwas, was sie gewissermaßen noch tiefer vor Gott demütigen musste. Petrus konnte umso leichter darauf dringen, weil er wusste, wie überfließend die Gnade des Herrn Jesus ist. Deshalb sagt er: „Jeder von euch werde getauft auf den Namen Jesu Christi …“ Je mehr wir die Gnade verkündigen, umso mehr dürfen wir es wagen und umso eher können andere es ertragen, dass wir auf einer tiefgreifenden, durchdringenden Buße bestehen. Es ist tatsächlich nötig, die Buße zu betonen und nicht abzuschwächen und nur zu sagen: „Die Leute müssen eben Buße tun, wenn sie zum Glauben kommen wollen.“ Dabei lässt Gott es nicht bewenden. Er wirkt an ihnen, dass sie ihren wirklichen Zustand vor Ihm erkennen. Das ist immer und für jeden sehr heilsam. Nebenbei bemerkt – wenn dies der Seele nicht frühzeitig zum Bewusstsein gebracht wird, muss sie später sehr demütigende und schmerzliche Erfahrungen durchmachen. Statt gleich zu Anfang unseres Weges in Einfalt zu lernen, was wir sind, statt schon – soweit man es von einem Neubekehrten erwarten kann – ein tiefes Gefühl unserer Sündhaftigkeit zu haben, mag es nachher nötig sein, das durch einen tiefen Fall zu lernen, durch offene Sünde, durch eine offenkundige Abkehr von Gott, durch eine schmerzliche Rückkehr, nachdem wir uns gerade deshalb umso weiter von Ihm entfernt hatten, weil wir am Anfang unserer christlichen Laufbahn einen so mangelhaften Abscheu vor der Sünde hatten. Wie manche Seele hat dies durchmachen müssen! Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass diejenigen, mit denen wir am häufigsten zusammentreffen, in dieser Hinsicht am meisten gefährdet sind. Diese Gefahr ist besonders für Jugendliche umso größer, je mehr sie von der Gnade des Herrn verstehen, wenn damit nicht auch gleichzeitig ein zartes Gewissen vor Gott verbunden ist.
Wir wollen nun beachten, was auf die Aufforderung des Apostels, Buße zu tun und sich taufen zu lassen, folgt: „Und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38b). Sicherlich kamen sie durch die Einwirkung des Heiligen Geistes dazu, Buße zu tun. Wenn sie den Namen des Herrn Jesus Christus annahmen, wenn sie in Ihm Vergebung fanden und auf diesen Namen getauft wurden – und eine solche Taufe wäre doch wertlos, wenn diese Seelen nicht auch wirklich an seinen Namen geglaubt hätten –, dann kann nicht bezweifelt werden, dass es der Heilige Geist war, der sie zur Buße und zum Glauben an seinen Namen geführt hatte. Daraus ist klar ersichtlich, dass das Empfangen des Heiligen Geistes, wovon hier die Rede ist, durchaus nicht dasselbe ist wie die Wirkung des Heiligen Geistes, die zu Buße und Glauben führt. Es ist vielmehr eine zusätzliche und darauf folgende Wirkung; es ist ein zusätzlicher Segen; es ist ein Vorrecht, das sich auf den Glauben gründet, der im Herzen schon besteht und tätig ist. Zu sagen, dass jemand die Gabe des Heiligen Geistes in demselben Augenblick empfängt, in dem er glaubt, entspricht sicher nicht der Wahrheit. Es ist sehr zu bezweifeln, ob dies überhaupt jemals stattgefunden hat. Damit will ich nicht sagen, dass die Gabe des Heiligen Geistes in der Praxis nicht bei der gleichen Gelegenheit geschenkt wird – niemals aber im gleichen Augenblick. Es sollte mich jedenfalls wundern, wenn mir jemand aus dem Wort Gottes oder aus der Praxis ein einziges Beispiel nennen könnte. Von einem solchen Fall habe ich nie etwas gehört oder gesehen, und – was mehr bedeutet – ich glaube, dass die Schrift diese Möglichkeit ausschließt. Der Grund dafür ist ganz einfach. Die Gabe des Heiligen Geistes gründet sich auf die Tatsache, dass wir durch den Glauben an Christus Söhne sind; Glaubende, die in seinem vollbrachten Erlösungswerk Ruhe gefunden haben. Das setzt also ganz klar voraus, dass wir durch den Geist Gottes wiedergeboren sind. Wie wichtig das ist, werden wir bei einer späteren Gelegenheit finden, wenn wir einige Stellen aus den Briefen betrachten. Ich wollte es hier nur andeuten, weil es in unserem Vers hier so klar zu sehen ist. Der Heilige Geist wird uns also nicht gegeben, um Buße bei uns zu bewirken, auch nicht, damit wir Christus im Glauben aufnehmen. In Wahrheit ist es so, dass Seelen, nachdem sie Buße getan haben, nachdem sie auf seinen Namen und zur Vergebung ihrer Sünden getauft worden sind, die Gabe des Heiligen Geistes als ein zusätzliches Vorrecht empfingen.
Dann möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen, was auch wichtig ist. Die „Gabe des Heiligen Geistes“ bedeutet niemals dasselbe wie die „Gaben“. Es gibt viele, die „Gabe“ und „Gaben“ miteinander verwechseln. Im Wort Gottes werden sie nie miteinander vermengt; sie bedeuten absolut nicht ein und dasselbe. Wenn auch nicht in unserer Sprache, so doch in der, die der Heilige Geist benutzt, werden sie sogar durch zwei verschiedene Wörter ausgedrückt.
Ohne Ausnahme sind diese beiden Dinge voneinander verschieden. Natürlich mag es vorkommen, dass sie beide bei der gleichen Gelegenheit geschenkt werden. Jemand mag diese oder jene Gabe besitzen und auch die Gegenwart des Heiligen Geistes in seiner Seele genießen. Er mag auch durch die Kraft des Heiligen Geistes befähigt werden, das Evangelium in die Welt zu tragen oder in der Versammlung einen Dienst als Lehrer oder Hirte auszuüben. Und doch ist die Gabe des Heiligen Geistes ein davon durchaus verschiedenes Vorrecht. Diese Gabe besteht nicht darin, dass Er jemanden zu einem bestimmten Zweck mit seiner Kraft ausrüstet, sondern dass Er selber gegeben wird. Gewiss mag das Erstere auch gefunden werden; die Gabe des Heiligen Geistes aber war jener gemeinschaftliche Segen, der dort jeder Seele, die Buße getan hatte und getauft worden war, geschenkt wurde.
Darauf folgte sofort ein frohes Aufnehmen oder zumindest eine „Aufnahme“ des Wortes Gottes, denn das Wort „froh“ im Text ist fragwürdig. „Sie nahmen das Wort auf.“ Das ist jedenfalls sicher. Vielleicht geschah es mit Ernst sowohl als auch mit Freude, den Gefühlen, die dafür charakteristisch sind. Sie wurden auf den Namen ihres Messias, den sie vorher verachtet hatten, getauft. „Und es wurden an jenem Tag etwa dreitausend Seelen hinzugetan“ (Apg 2,41). Sie alle waren, wie es am Ende des Kapitels beschrieben wird, erfüllt von der Gnade und der Kraft Gottes.
Wenn wir uns nun zu der nächsten großen Krise wenden, so finden wir dort ganz andere Begleitumstände. Stephanus hatte sein Zeugnis abgelegt, und das Resultat war vollständige Ablehnung seitens der Juden – er voll Heiligen Geistes, sie aber im Widerspruch gegen Ihn. Wie ihre Väter getan hatten, so taten jetzt sie. Stephanus besiegelte sein Zeugnis mit seinem Blut, und die Verfolgung, deren erstes Opfer er wurde, zerstreute die ganze Versammlung, die in Jerusalem war, ausgenommen die Apostel. Gerade diejenigen, die der Herr Jesus berufen hatte, in die ganze Welt auszugehen, bildeten eine Ausnahme bei dieser Zerstreuung, und zwar die einzige Ausnahme. Das zeigt, wie außerordentlich schwer es sogar für Menschen in ihrem besten Zustand ist, die Ratschlüsse der Gnade Gottes zu verstehen und auszuführen. Gott aber war entschlossen, sie auszuführen, selbst wenn Er eine schmerzhafte Triebkraft dazu benutzen musste.
2. Die Austeilung des Geistes in Samaria
Wenn Liebe, die Kraft der Gnade, ein Gefühl für die Not der Seelen und die Ehre Christi nicht genügten, diejenigen, an die der Befehl ergangen war, aufzurütteln, dann sorgte Gott dafür, dass schwächere Werkzeuge, die aber doch von der mächtigen Botschaft seiner Gnade erfüllt waren, diesen süßen Wohlgeruch überallhin verbreiteten. Sie „gingen umher und verkündigten das Wort“ (Apg 8,4). Unter anderen war es Philippus, der von den Aposteln ernannt und vom Volk erwählt worden war, die tägliche Verteilung zu überwachen, der nun, nachdem dieser Dienst unmöglich geworden war, ein gutes Maß von Freimütigkeit gewinnt und ausgeht, um die frohe Botschaft zu verkündigen. Er besucht die Stadt Samaria, die alte Rivalin Jerusalems. Dort war es den Juden nicht gelungen, das Gesetz zur Geltung zu bringen, und so waren sie isoliert und hatten keinen Umgang mit den Samaritern. Sie hatten ihr Vertrauen nicht gewonnen noch waren sie selber eine Empfehlung für jene Wahrheiten des Gesetzes, die ihnen anvertraut worden waren. Aber gerade dort, wo sich das Gesetz als fruchtleer erwiesen hatte, sollte jetzt das Evangelium seine Kraft zeigen. Philippus predigt den Herrn Jesus mit solcher Einfalt und Kraft, und Gott legt so deutlich seinen Segen darauf, dass die ganze Stadt mit Freude erfüllt wurde. Sogar ein so gottloser Mann wie Simon der Zauberer, seit langem wohlvertraut mit Satans Wegen und Listen, wurde von diesem heiligen Einfluss beeindruckt, obwohl weder sein Gewissen noch sein Herz wirklich davon ergriffen war. Auf jeden Fall wurde der allgemeine Umschwung zu stark für ihn. Mit seinem Verstand wenigstens beugt sich Simon Magus unter das Evangelium und wird mit den Übrigen getauft. Beachten wir aber, dass bislang noch niemand dort die Gabe des Heiligen Geistes empfangen hatte.
Aus dieser Tatsache können wir klar den Unterschied zwischen der Gabe des Heiligen Geistes und seiner Wirksamkeit, durch die Seelen zur Buße und zum Glauben an das Evangelium geführt werden, erkennen. Es besteht keine Frage, dass die große Mehrzahl der bekehrten Samariter echte Gläubige waren, obwohl dies nicht von Simon gesagt werden kann. Und doch war der Heilige Geist „noch auf keinen von ihnen gefallen“ (Apg 8,16). Das heißt nicht nur, dass sie noch nicht in Zungen geredet hatten oder dass außer durch den Evangelisten selber (Apg 8,6.7.13) unter ihnen noch keine Wunder geschehen waren. Die Herniederkunft des Heiligen Geistes ist etwas ganz anderes, obwohl sie von diesen äußeren Zeichen seiner Kraft begleitet wurde. Niemals dürfen diese beiden Dinge miteinander vermengt werden, als seien sie dasselbe. Durch eine derartige Verwirrung würde die fundamental wichtige Wahrheit von der Anwesenheit des Heiligen Geistes auf der Erde stark beeinträchtigt werden. Wenn das so wäre, dann wäre der Heilige Geist heute nicht mehr anwesend, weil solche Kraftentfaltungen heute nicht mehr gefunden werden. Daraus ist ersichtlich, welch ein Schritt zum Unglauben hin ist es, solche Zeichen und Merkmale des Heiligen Geistes mit dem Heiligen Geiste selber zu verwechseln. Ich wiederhole also: Hier in Samaria fehlten nicht nur die Wunderkräfte, nein, der Heilige Geist selbst war noch nicht auf sie gekommen. Die Schrift betont das, denn wir lesen: „Als aber die Apostel in Jerusalem gehört hatten, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes zu ihnen; die, als sie hinabgekommen waren, für sie beteten, damit sie den Heiligen Geist empfangen; denn er war noch auf keinen von ihnen gefallen, sondern sie waren nur getauft auf den Namen des Herrn Jesus“ (Apg 8,14-16).
Wir merken hier sofort einen deutlichen Unterschied, ja einen Gegensatz zu dem Geschehen am Pfingsttag in Jerusalem. Dort kam der Heilige Geist auf sie, nachdem sie Buße getan hatten und auf den Namen des Herrn Jesus getauft worden waren. Hier in Samaria war Er noch nicht auf einen von ihnen gefallen, obwohl sie geglaubt hatten und getauft worden waren. Wie kommt das? Ich bin überzeugt, aus einem triftigen und gottgemäßen Grund. Es liegt in der Natur des Menschen begründet, dass, wenn der Heilige Geist sogleich bei der Predigt des Philippus auf die Samariter herabgekommen wäre, die alte Rivalität Samarias mit Jerusalem weiter existiert hätte. Samaria würde wieder sein Haupt erhoben haben, die Gnade des Evangeliums hätte sie sogar in ihren religiösen Ansprüchen noch bestärkt. Gewiss war es wahr, dass Jerusalem als Erste in den Genuss dieses ganz neuen und einzigartigen Segens kam; aber bekam Samaria ihn nicht ebenso zu spüren? Die Wirkung hiervon wäre gewesen, dass Jerusalem und „jener Berg“ weiter gegeneinander in Opposition geblieben wären, und jene Wirkung, die Gott durch die Anwesenheit des Heiligen Geistes hervorrufen wollte, wäre vereitelt worden. Statt Einheit durch Liebe zu bewirken, statt ein einziges Haupt, eine einzige Kraft zu offenbaren – ein Haupt im Himmel, eine Kraft hienieden, die in dem einen Leib zur Ehre Christi wirkt –, wäre außer der neuen christlichen Gemeinde in Jerusalem auch noch in Samaria eine neue Institution entstanden. Dies verhinderte Gott wenigstens für jeden, der auf seine Wege achtgab. Gott wollte nicht einmal den Anschein eines unabhängigen Handelns dulden. Nichts ist so schädlich für die Wahrheit der Kirche Christi auf Erden wie Unabhängigkeit.
Als die Versammlung in Jerusalem oder jedenfalls die Apostel davon hörten (denn die Versammlung war jetzt zerstreut), sandten sie zwei ihrer Führer, zwei, die „Säulen“ waren: Petrus und Johannes. Sie beteten; doch gibt Gott uns auch noch eine weitere Andeutung über seine Absichten mit dem Aufschub der Gabe des Heiligen Geistes in Samaria – nämlich in der Handlung des Händeauflegens. Dieses Auflegen der Hände hatte eine doppelte Bedeutung: zunächst die des Austeilens des Segens durch die Apostel, zweitens die des Einsmachens mit der Wirksamkeit des Heiligen Geistes in Jerusalem. Es war ein Zeugnis vor der ganzen Welt, dass Gott in seiner Kirche keine Rivalität dulden würde – dass diejenigen, die an einem Ort Führer und Häupter waren, an einem anderen Ort ebenso unentbehrlich waren. Wir erkennen gerade in dieser Tatsache Gottes Tun: Obgleich Er seinen Segen auf verschiedene Art und Weise austeilt, ist dieser Unterschied doch nur ein Ausdruck seiner Weisheit und Fürsorge, genau wie es der Segen selber ist. Selbstverständlich ist die Gabe des Heiligen Geistes der hervorragendste Teil dieses Segens; aber auch in den allerkleinsten Unterschieden, die sein Wort enthält, können wir immer die wunderbare Güte und Weisheit Gottes erkennen. Wenn wir hier auch eine sehr deutliche Verschiedenheit mit dem Pfingsttag in Jerusalem bemerken, so beweist dies nur umso mehr, wie Gott uns liebt, wie der Herr für seine Kirche besorgt ist. Selbst in der Art und Weise, wie Er die wunderbare Gabe des Heiligen Geistes schenkt, möchte Er den Seinen – wenn sie nur darauf achthaben und seine Wege verstehen wollen – zeigen, wie Er uns in den Gefahren, die aus unserer eigenen Natur kommen, beistehen will.
3. Die Austeilung des Geistes bei den Nationen
Bei dem nächsten Fall, den wir betrachten wollen, in Apostelgeschichte 10, bemerken wir wieder etwas anderes. Der Apostel Petrus wird ausdrücklich von Gott aufgefordert und gesandt. Es gefiel Gott wohl, ein zwiefältiges Zeugnis seiner Gnadenabsicht zu schenken. Kornelius, der heidnische Hauptmann in Cäsarea, erhielt, während er fastete und betete, den Besuch eines Engels, der ihn veranlasste, einen Boten zu Simon Petrus nach Joppe zu senden. Der Apostel selber geriet am nächsten Tag in Joppe in eine Verzückung. Er sah dreimal ein Gesicht betreffs dieser großen Sache, damit gleichsam jedes Wort durch drei deutliche Zeugen bestätigt wurde. Durch den Geist Gottes wird Petrus noch mehr zu diesem Schritt ermutigt (Apg 10,19-32). Er willigt ein in die Bitte der Boten von Kornelius und geht mit ihnen. Als er seinen Mund öffnet, muss er ihnen mitteilen, was ihm selbst so überwältigend groß geworden ist. Zunächst hatte er ja starke Vorbehalte, ja er hatte es sogar gleichsam gewagt, mit dem Herrn über das große Gesicht mit dem leinenen Tuch zu diskutieren. Als der Herr ihm befiehlt zu schlachten und zu essen, sagt er, er habe niemals etwas Gemeines oder Unreines gegessen. Wiederholt aber wird ihm die Zurechtweisung erteilt: „Was Gott gereinigt hat, halte du nicht für gemein!“ (Apg 10,15; 11,9). Endlich hatte er die Lektion verstanden: „In Wahrheit begreife ich, dass Gott die Person nicht ansieht, sondern dass in jeder Nation, wer ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt, ihm angenehm ist“ (Apg 10,34.35).
Zunächst einmal ist es klar, dass dieser Ruf nicht an einen heidnischen Götzendiener erging. In diesem Fall spricht Petrus zu einem Mann, der Gott schon fürchtete und Gerechtigkeit übte. So war es bei Kornelius. Er war kein Unbekehrter, sondern einer, der Gott wirklich fürchtete. Er betete viel und gab reichlich Almosen. Sicher hätten selbstgerechte Gebete und Almosen ihn vor Gott nicht wohlannehmlich machen können. Wenn solche Dinge getan werden, um irgendwie eine Sühnung vor Gott für die Seele zu erreichen, dann gehören sie zu den unheiligen Hilfsmitteln des Unglaubens. Kornelius aber war ein gottesfürchtiger Mann – und das in Wirklichkeit, nicht nur seinem Bekenntnis nach. Er war wiedergeboren. Durch die Botschaft des Engels hatte Gott dies angedeutet und seine Gerechtigkeit anerkannt. Es ist unmöglich, dies nur so zu verstehen, als sei er nichts weiter als ein äußerer Bekenner des wahren Gottes – selbst in den Augen der Menschen der denkbar niedrigste Zustand und ein Gräuel in den Augen Gottes. Beim Lesen dieser Verse habe ich neu den Eindruck gewonnen, dass Kornelius in einem Zustand war, den der Herr selber bei ihm gewirkt hatte und an dem Er bestimmt Wohlgefallen hatte. Es war sowohl weise als auch sehr gnädig seitens des Herrn, dass Er, als Er sich den Nationen zuwandte, dabei mit einem Menschen anfing, dessen Gottseligkeit sogar die Juden nicht abstreiten konnten. Zweifellos war es nichts als unumschränkte, unendliche Gnade, die dem offenbar verlorenen, ja dem Ersten der Sünder, entgegengebracht werden sollte. Hier bei Kornelius jedoch handelte es sich nicht darum, einen Sünder zum ersten Mal aus seinem Sündenschlaf zu wecken, vielmehr darum, jemanden, der schon erweckt war, auf die bewusste Grundlage eines vertrauten Verhältnisses zu Gott und in vollkommene Freiheit zu bringen, so dass niemand, der Gott und sein Wort kannte und fürchtete, seinem Anspruch hierauf widersprechen konnte. Es mag sein, dass diese beiden Dinge in den meisten Fällen zusammenlaufen. Bei Kornelius war dies jedenfalls nicht der Fall, aber zur rechten Zeit hörte er mit seinem Haus durch Petrus das Wort Gottes.
Es ist aber auch beachtenswert, dass es nicht das erste Mal ist, dass dieses Wort in Cäsarea gehört wurde. Petrus sagt: „Das Wort, das er den Söhnen Israels gesandt hat, … kennt ihr“ (Apg 10,36.37). Es ist also klar, dass dieser Hauptmann nicht nur Gott fürchtete und schon vorher oft zu Ihm gebetet hatte, sondern dass er sich auch dessen bewusst war, was in ganz Judäa gepredigt worden war. Wie kam es, dass er dies noch nicht in all seiner Fülle für sich persönlich erfasst hatte? Gerade deshalb, weil er einer war, der Gott fürchtete und vor seinem Wort zitterte. Seine Haltung war zu seiner Zeit durchaus am Platz. Diese Ehrfurcht vor Gott war die Ursache dafür, dass er nicht wagte, den Gnadenwegen Gottes vorzugreifen. Er konnte sich sagen: „Wenn Gott Israel sein Wort gesandt hat, dann weiß ich wohl, dass es ihnen gilt und sicher ist. Gesegnet ist das Volk, das einen solchen Gott hat! Aber wer und was bin ich?“ Aus ebendiesem Grund wartete er, bis ihm selber dieses Wort gesandt wurde. Gerade so ist es heute mit dem Evangelium. Es ist die Verkündigung der Gnade Gottes an jedes Geschöpf; damals aber war es etwas ganz Neues. Natürlich war Kornelius mit den alten Schriften vertraut und zweifelte nicht an den Verheißungen. Das waren für ihn keine abstrakten Wahrheiten; er zweifelte nicht daran, dass sie für Israel durch und in Christus in Erfüllung gingen.
Jetzt aber wird ihm, dem Heiden Kornelius, auf Befehl Gottes durch Petrus das Wort gebracht. Wir haben gelesen: „Während Petrus noch diese Worte redete“ (im Besonderen, wie ich annehme, die Worte: „Diesem geben alle Propheten Zeugnis, dass jeder, der an ihn glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen“), drang diese Wahrheit in seine Seele. Dieses direkte Zeugnis öffnet nach dem Wort aller Propheten für jedermann die Tür: „Jeder, der an ihn glaubt, empfängt Vergebung der Sünden durch seinen Namen. Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten“ (Apg 10,43.44). Was? Ohne Taufe? Ohne Händeauflegung? Ohne dass für sie gebetet wurde? Jawohl, ohne irgendeines von diesen Dingen, ohne weitere Umstände. Während der Apostel noch diese Worte redete, wird ihnen allen der Heilige Geist gegeben.
Hier haben wir also eine neue Stufe, etwas, was sich nicht nur von dem, was in Samaria geschehen war, sondern auch von dem, was in Jerusalem am Pfingsttag gesehen wurde, unterscheidet. In Jerusalem mussten die Juden getauft werden und erst danach empfingen nur sie den Heiligen Geist. Es genügte nicht, dass sie nur dem Evangelium glaubten, sie mussten auch im Namen Jesu Christi getauft werden (natürlich mit Wasser) zur Vergebung ihrer Sünden, „und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38). Die Samariter waren nicht nur mit Wasser getauft worden, da musste auch gebetet werden und die Apostel mussten ihnen die Hände auflegen, sonst wäre der Heilige Geist auf keinen Einzigen von ihnen gekommen. Hier dagegen fällt der Heilige Geist vor der Taufe und ohne apostolische Händeauflegung auf sie alle. Wie ist das zu erklären? Nun, der allein weise und allein gütige Gott erbarmte sich dieser Heiden in tiefer Gnade. Der Augenblick für die völligere Ausführung seiner Heilspläne war gekommen, und in diesem einzigartigen Vorgang im Haus des Kornelius sehen wir die erstmalige Entfaltung seiner Gnade. Gewiss war es keine so öffentliche Angelegenheit wie dort in Jerusalem, als dreitausend Seelen hinzugefügt wurden. Dort wurde der Stolz und die Herzenshärtigkeit der Juden gegen Jesus von Nazareth gebrochen. Vor diesem Namen mussten sie sich beugen, ja sie mussten sogar in diesem Namen getauft werden, sonst konnten sie den Heiligen Geist nicht empfangen. Bei den Samaritern war es anders. Auch ihnen wurde eine ganz besondere Lektion erteilt, durch die ihrer ausgeprägten Neigung zur Rivalität mit Jerusalem entgegengewirkt wurde und wodurch der große Grundsatz der Einheit der Versammlung (nicht nur der Versammlungen), die Gott auf der Erde bildete, gewahrt und befestigt wurde. Hier in Cäsarea bei Kornelius aber handelte es sich darum, die Nationen zu ermuntern und zu gewinnen, die Petrus selber einst verachtet hatte. Denn als der Herr ihm gesagt hatte, zu gehen und unter allen Nationen Jünger zu machen, war er nicht gegangen. Selbst als die Versammlung dazu getrieben wurde, das Evangelium zu predigen, blieb er zu Hause. Die Apostel waren langsam (wenn ich so sagen darf), sie blieben hinter dem Wirken des Herrn zurück. Sie hatten nur wenig Verständnis für seine mächtige Gnade, die alle Gedanken seiner Kinder so weit übertraf. Zaghaft genug wurde sie vonseiten der Menschen offenbart, obwohl Gott sie dabei gleichsam bei der Hand nahm (denn bevor Petrus endlich am rechten Platz war, war es nicht viel mehr als das). Als er dann aber in Cäsarea predigte, wie erteilt Gott da der Langsamkeit seines Dieners einen Verweis – wenn auch mit unendlichem Erbarmen! Als die Worte über seine Lippen kamen, ereignete sich etwas, eine Gnadenerweisung wie sie selbst in Jerusalem nicht gesehen worden war. Auch in Samaria hatte man so etwas nicht erlebt; denn dort war nach der Weisheit Gottes eine Pause eingetreten; dort war apostolische Händeauflegung erforderlich, ehe die Segnung in ihrem vollen Umfang mitgeteilt werden konnte.
Hier in Cäsarea finden wir nichts dergleichen. Hier war alles reine Gnade. Selbstverständlich war in ihren Seelen ein Werk des Geistes vorausgegangen, nämlich Buße vor Gott und Glauben an den Herrn Jesus. Das ist immer notwendig. Eine sichtbare Handlung von anderen, der sie selber sich unterziehen mussten, gab es hier aber nicht. Die Taufe kam hinterher und hatte den Charakter eines Vorrechtes (was sie ja auch tatsächlich ist), das ihnen nicht verwehrt werden konnte. Sowohl für den Juden als auch für den Samariter war eine gewisse Demütigung notwendig. Für den Heiden dagegen war alles eine einzige Ermunterung. Gott wollte sie zu sich ziehen und allen Widerspruch zum Schweigen bringen. In der Art und Weise wie Er den Heiligen Geist schenkt, liefert Er den glänzendsten Beweis dafür, wie Er, wenn Er sich dem am weitesten Entfernten zuwendet, gerade deshalb umso mehr Gnade erweist. Keine Barmherzigkeit ist so reich wie die, welche die armen Heiden suchte und fand.