Schriften von William Joseph Lowe
Das „ewige Leben“ - Der Begriff „Leben“
Ewiges Leben - Der Begriff „Leben“ in den Schriften der Apostel Johannes und Paulus im Vergleich (2)
Der Brief an die RömerDer Brief an die Römer
Es darf jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass „in Christus“ immer dasselbe bedeutet, wenngleich es auch immer seinen besonderen Wert besitzt, soweit es die Person Christi und unsere Stellung vor Gott in Ihm betrifft. Aber das [ganze] Ausmaß dieses Ausdrucks hängt davon ab, in welcher Weise Christus an der jeweiligen Stelle vorgestellt wird. Und so finden wir im Römerbrief seinen Tod und seine Auferstehung; sein Platz in der Herrlichkeit wird nur in Form einer Einschaltung in Römer 8 erwähnt, und das in Bezug auf uns als Hoffnung. Dagegen ist im Epheserbrief sein Platz in den „Himmlischen“ die Grundlage der Wahrheit, die uns in Verbindung mit den Ratschlüssen Gottes vorgestellt wird.
Im Römerbrief wird der Mensch in seiner ganzen Sünde gesehen, ein verdorbenes, schuldbeladenes Geschöpf, Gegenstand des Zornes Gottes. Das Blut Christi begegnet seinem Zustand in richterlicher Weise, so dass Gott, der das ganze Ausmaß des Bösen und Verdorbenen festgestellt hat, seine Sünden vergeben kann, indem Er dem, der an Jesus glaubt, dessen Gerechtigkeit zurechnet (Röm 1-5,12). Der Tod Christi begegnet seiner völligen Unfähigkeit zu Gutem, so dass der Gläubige akzeptieren muss, dass er mit sich selbst am Ende ist, um sodann die Rechtfertigung von Sünde (nicht bloß von Sünden) zu finden; ein neues Leben öffnet sich ihm in der Auferstehung Christi, eines Lebens aus der Kraft des Heiligen Geistes (Röm 5,12 - 8,39). Sünde und Tod waren in die Welt gekommen; und das Gesetz kam, damit die Übertretung überströmend würde (Röm 5,12.20). Aber der Tod hat keine Gewalt mehr über den auferstandenen Christus, und als in Ihm lebendig Gemachte hat die Sünde ihre Macht [auch] über uns verloren, und auch das Gesetz hat seine Macht verloren, denn wir „sind dem Gesetz gestorben“ (Röm 6,9-14; 7,1-6). „In Christus Jesus“ beschreibt seine neue Stellung, wo es keine Verdammnis mehr für uns gibt und keine Trennung von der Liebe Gottes [Röm 8,39]. Und durch den Geist, der in dieser neuen Sphäre wirksam ist, wird die Kraft des Lebens „in Christus Jesus“ in vollkommener Weise in Ihm manifestiert – wir sind „frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“ [Röm 8,2].
Der Epheserbrief betrachtet die Dinge aus einem ganz anderen Blickwinkel: Der Mensch wird als tot in Sünden gesehen, und Gott schafft in Übereinstimmung mit seinem eigenen Ratschluss vor Grundlegung der Welt in Christus eine neue Schöpfung. Der „neue Mensch“ wird nach Gottes [Plan] in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit geschaffen (Eph 4,24). In diesem Brief beinhaltet [der Ausdruck] „in Christus“ einen gegenwärtigen himmlischen Platz, ein himmlisches Teil in der Gegenwart des Gottes und Vaters unseres Herrn Jesus Christus für den Gläubigen. Folglich geht es hier wie auch im Kolosserbrief überhaupt nicht um Rechtfertigung; wobei der Kolosserbrief eine Art Zwischenstellung zwischen dem Römer- und dem Epheserbrief einnimmt, indem er allerdings mehr den Charakter des Epheserbriefes hat, weil er uns Christus sowohl als unser Leben als auch als unser Haupt vorstellt und uns darüber hinaus die Hoffnung der Herrlichkeit vorstellt.
All dies ist ausgiebig von anderen entwickelt worden, und ich will nicht erneut darüber sprechen, außer dass ich zwei Punkte anmerken möchte, die wir bereits kurz gestreift haben: erstens die unterschiedliche Weise, in der wir als mit dem Christus verbunden in den drei Briefen beschrieben werden, und zweitens die Art und Weise, in der Gottes Leben schenkendes Wirken im Epheser- wie im Kolosserbrief vorgestellt wird.
Der Brief an die Römer beginnt mit der Darlegung des Gegenstands des „Evangeliums Gottes“ [Röm 1,1], vor Zeiten in den heiligen Schriften [des Alten Testaments] verheißen durch die Propheten, und zwar „über seinen Sohn (der aus dem Geschlecht Davids gekommen ist dem Fleisch nach und erwiesen ist als Sohn Gottes in Kraft dem Geist der Heiligkeit nach durch Toten-Auferstehung), Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 1,3.4). Dies prägt die Wahrheit, wie sie in dem ganzen Brief weiter erläutert wird. In der Auferstehung wird Er beschrieben als Sohn Gottes in Macht: „Christus ist aus den Toten auferweckt worden durch die Herrlichkeit des Vaters“ (Röm 6,4). Und folglich werden wir in eine Beziehung zu Gott, der Ihn auferweckt hat, gebracht – das Ergebnis seines Todes für uns. Und nun sollen wir in Neuheit des Lebens wandeln und in Neuheit des Geistes dienen.
Der Brief entwickelt jedoch nicht [dieses Thema] der Beziehung in Verbindung mit dem Namen des Vaters, sondern entfaltet vor uns die Wahrheit der Gerechtigkeit Gottes, die jetzt zum ersten Mal im Evangelium offenbart wird als „Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen. Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: ,Der Gerechte aber wird aus Glauben leben‘“ (Röm 1,16.17). Der Glaube ist in Ihm, „der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat“, und in dessen Blut, denn Er ist „unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“ (Röm 4,24.25).
Betrachten wir, wie weit diese Rechtfertigung geht. Ihre Anwendbarkeit „gegen alle [Menschen]“ finden wir in Römer 5,18, ihre Wirksamkeit für „die vielen“ in Römer 5,19: „Also nun, wie es durch eine Übertretung gegen alle Menschen zur Verdammnis gereichte, so auch durch eine Gerechtigkeit gegen alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens. Denn so wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden“ (Röm 5,18.19). Es ist nicht bloß die Befreiung von der auf uns liegenden Last der Sünde, sondern setzt sich fort in dem Leben, das in der Auferstehung des Herrn offenbar wird, das sich der Glaube nun aneignet, so dass wir uns „als Lebende aus den Toten“ (Röm 6,13) Gott übergeben. Es ist ein Leben, das wir in seinem ganzen Ausmaß bei Ihm in Herrlichkeit erkennen werden, wenn Er als der Erstgeborene vieler Brüder offenbart sein wird. Nichts weniger als das kann die Tatsache herausstellen, dass der Herr Sohn Gottes in der Kraft seiner Auferstehung nach dem Geist der Heiligkeit ist. Deshalb warten wir auf unsere „Aufnahme“, die Erlösung unseres Leibes, denn – wie beiläufig in Römer 8 erwähnt wird – wir sind in Verbindung mit dem Wirken des Geistes zuvorerkannt von Gott und „zuvorbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein“ [Röm 8,29], so dass die Berufung, die Rechtfertigung und die Verherrlichung untrennbar miteinander verbunden sind.
In Römer 5 wird auf ganz wunderbare Weise die Wirkung der überwältigenden Gnade Gottes im Gegensatz zur durch einen Menschen in die Welt gekommenen Sünde und dem dadurch herrschenden Tod dargestellt: [„So ist viel mehr die Gnade Gottes und] die Gabe in Gnade, [die durch den einen Menschen, Jesus Christus, ist,] zu den vielen überströmend geworden“ (Röm 5,15). „Die Gnadengabe aber von vielen Übertretungen zur Gerechtigkeit“ bedeutet hier einen Zustand bleibender Gerechtigkeit (Röm 5,16); und das bedeutet, dass solche, die die überströmende Gnade und das kostenlose Geschenk der Gerechtigkeit empfangen haben, „im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus“ (Röm 5,17). In Vers 21 werden diese drei Dinge erneut erwähnt: Gnade, Gerechtigkeit, ewiges Leben: „Das Gesetz aber kam daneben ein, damit die Übertretung überströmend würde. Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden, damit, wie die Sünde geherrscht hat im Tod, so auch die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 5,20.21).
Im Römerbrief finden wir als Gegenstand die Gerechtigkeit Gottes, die offenbart wurde, nachdem alle gesündigt haben „und nicht die Herrlichkeit Gottes erreichen“ (Röm 3,23) – Gottes Gerechtigkeit für alle durch den Glauben an Jesus Christus, seien es Juden oder Heiden. Der einzige Weg, mit dem Menschen zu handeln, ist der des Todes, sowohl was dessen persönliche Schuld als auch was seinen Zustand der Verderbnis und Kraftlosigkeit angeht. Aber Gott ist ihm in Gnade im Tod seines eigenen Sohnes begegnet, Er hat uns seine Liebe erwiesen, indem Er Ihn nicht geschont hat, und durch sein vergossenes Blut wurde Christus zu einem „Gnadenstuhl“ [Röm 3,25]. Er wurde von Gott zum Mittler zwischen Ihm und dem sündigen Menschen bestimmt [vgl. 1Tim 2,5; Heb 8,6]. Durch den Tod seines Sohnes sind wir mit Gott versöhnt (Röm 3-5,12). Dasselbe Prinzip des Todes – auf andere Weise auf die Seele angewandt – schafft Befreiung von allem, was hindern kann, wahre Frucht für Gott zu bringen. Denn in [unserem] Fleisch wohnt nichts Gutes. Wenn auch das Fleisch erzogen und „poliert“ werden mag, so bleibt es doch Fleisch, und in all seinen Regungen zeigt sich Feindschaft gegen Gott. Allein der Tod befreit von seiner Wirksamkeit und von den Taten, die allesamt böse sind. Das Kreuz ist das Ende des alten Menschen, „juristisch“ und praktisch (Röm 6,6). Christus starb für die Sünde ebenso wie für unsere Sünden; und wenn unser Glaube dies annimmt und praktisch anwendet, finden wir Befreiung von uns selbst; dann treten wir in der Folge praktisch ein in die „Neuheit des Lebens“ – „wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters“ (Röm 6,4). Und so gilt für uns die Ermahnung, uns selbst Gott zu übergeben als Lebende aus den Toten und unsere Glieder für Ihn als Werkzeuge der Gerechtigkeit bereit zu machen als „Sklaven der Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Röm 6,18.22).
Der Tod Christi ist das, was uns hier zugerechnet wird, dargestellt in der Taufe; und unser Tod ist ein Der-Sünde-Gestorbensein. Als Folge wird uns das Leben mit dem Christus vorgestellt, die Hoffnung auf Erlösung des Leibes, auf die wir geduldig warten (Röm 8,23-25): „Denn wenn wir mit ihm einsgemacht worden sind in der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch in seiner Auferstehung sein“ (Röm 6,5). „Wenn wir aber mit dem Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden“ (Röm 6,8). Und noch einmal in Römer 8,11: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes.“