DIE GLÜCKLICHEN ERGEBNISSE, DIE SICH AUS DER ANWENDUNG DER LEHRE DER BEFREIUNG ERGEBEN (Röm 8,1-17)
Der Heilige Geist – die Kraft zur Befreiung und praktischen Heiligung
Die Erfahrung des Menschen im vorigen Kapitel endet damit, dass er sich über seine Befreiung von der Sünde freut und Gott dafür dankt. Paulus sagt uns, wie er diesen glücklichen Zustand erreicht hat: indem er von sich selbst weg auf „Jesus Christus, unseren Herrn“ geblickt hat. Aber er erklärt nicht, auf welche Weise dies geschieht. Dies wird nun in Römer 8 aufgegriffen. In diesem Kapitel erklärt Paulus: Die Kraft zur Befreiung kommt aus der Innewohnung des Heiligen Geistes in den Gläubigen. So beginnt er nun eine Abhandlung über die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes im Christen.
Gleich zu Beginn des Kapitels wird der Leser feststellen, dass die Personalpronomen – „ich“, „mein“, „mich“ –, die in dem in Römer 7 beschriebenen Kampf häufig verwendet werden, fast völlig verschwinden. Das ist sehr aufschlussreich: Die Wahrheit in Römer 8 wird aus der Perspektive der in Römer 7 gelernten Lektion dargestellt – man kann sich nicht mehr auf sich selbst verlassen, um ein heiliges Leben zu führen. Daher wird der Kampf mit dem Fleisch in diesem Kapitel als beendet angesehen. Es gibt noch eine weitere Sache, die wir nicht übersehen dürfen: Der Geist Gottes, der in Römer 7 überhaupt nicht erwähnt wird, wird hier in Römer 8 viele Male erwähnt. Paulus verwendet verschiedene Ausdrücke, die mit dem Geist zu tun haben, um verschiedene Aspekte des Wirkens des Geistes im Gläubigen zu bezeichnen.
Die bedeutendste Veränderung, die uns beim Übergang vom siebten zum achten Kapitel auffällt, ist folgende: Selbst der Mensch, der in Römer 7 kämpft (obwohl er neues Leben hat), hat weder die Kraft, dieses Leben zu leben, noch einen Gegenstand für sein Herz. Aber in Römer 8 haben wir beides: Christus ist das Ziel, der Gegenstand, des Gläubigen, und der Heilige Geist ist die Kraft des Gläubigen. Diese beiden Dinge kennzeichnen das Christentum: ein verherrlichter Mensch (Christus) im Himmel und der Geist Gottes, der in den Gläubigen auf der Erde wohnt (Joh 7,39).
Was die normale Stellung und den normalen Zustand des Christen kennzeichnet (Röm 8,1-11)
In Römer 8 werden daher die charakteristischen Merkmale der Stellung und des Zustands des Christen umrissen, die sich daraus ergeben, dass er vom Heiligen Geist bewohnt und von seiner Kraft angetrieben wird. Der Gläubige steht vor Gott in Christus jenseits der Verdammnis, besitzt eine gegenwärtige Befreiung von der Macht der Sünde und wartet in Hoffnung auf eine zukünftige und endgültige Befreiung von der Gegenwart der Sünde – wenn der Herr kommen und seinen Leib verherrlichen und ihn in den Himmel aufnehmen wird. In diesem Kapitel haben wir also eine dreifache Befreiung (oder drei Befreiungen) des Christen:
eine vergangene Befreiung, die mit der Befreiung von der Verdammnis in einer verlorenen Ewigkeit zu tun hat (Röm 8,1)
eine gegenwärtige Befreiung, die mit der Befreiung vom Gesetz der Sünde und des Todes zu tun hat, dem bösen Prinzip im Fleisch, das den Gläubigen daran hindert, ein heiliges Leben zu führen (Röm 8,2-17)
eine zukünftige Befreiung, die damit zu tun hat, dass die sündige Natur aus dem Gläubigen getilgt wird und sein Körper bei der Entrückung verherrlicht wird (Röm 8,18-30)
Das Kapitel beginnt mit: „keine Verdammnis“, und endet damit, dass den Gläubigen „nichts von Gott und seiner Liebe scheiden wird“ (Röm 8,1.39). Der Gläubige befindet sich noch auf der Erde und durchläuft daher zwei Arten von Prüfungen: solche, da er Teil der seufzenden Schöpfung ist (Röm 8,20-30), und solche, die sich daraus ergeben, dass er ein treuer Zeuge für Christus ist (Röm 8,31-39). Während der Gläubige auf seine künftige Befreiung wartet, steht er unter dem Beistand von zwei göttlichen Fürsprechern: Christus im Himmel (Röm 8,34) und der Heilige Geist auf der Erde (Röm 8,26).
In Römer 8,1-11 beschreibt Paulus eine Reihe neuer Dinge, die den vollen christlichen Stand und Zustand kennzeichnen und die sich aus der Innewohnung des Heiligen Geistes ergeben. Wir sehen sofort, dass sich – was den Zustand des Menschen betrifft – alles geändert hat im Vergleich zu dem, was er in Römer 7 beschreibt.
Eine neue Stellung vor Gott in Christus
Das Erste, was das normale Christentum auszeichnet: Diejenigen, die an den Herrn Jesus Christus glauben, wissen, dass sie in Ihm vor Gott angenommen sind. Paulus weist darauf in seiner einleitenden Aussage hin:
Röm 8,1: Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
Paulus hebt hier einen wichtigen Punkt hervor: Der Gläubige wird durch seine Rechtfertigung in eine neue Position vor Gott gestellt, in der es für ihn nicht möglich ist, jemals in die Verdammnis zu kommen. Er ist in die Position der Annahme versetzt worden, in der auch Christus selbst steht! Das ist die Bedeutung davon, „in Christus“ zu sein:an Christi Stelle vor Gott zu stehen. Diese Gewissheit hat der Gläubige, weil er im Glauben auf dem vollbrachten Werk Christi ruht und glaubt, was Gottes Wort darüber sagt. Vers 1 ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung der Wahrheit, die Paulus in Römer 1 bis 5,11 lehrt.
Zu beachten ist: Paulus sagt nicht (wie einige annehmen): „Jetzt gibt eskeine Verdammnis mehr für die, die in Christus Jesus sind.“ Das würde bedeuten, dass die Gläubigen in ihrer Zeit vor der Bekehrung unter der Verdammnis gestanden hätten (was eigentlich nicht stimmt), sie ihr jedoch entkommen wären, indem sie im Glauben zu Christus gekommen sind, um errettet zu werden. Wie in unserem Kommentar zu Römer 5,16 erwähnt, stehen Ungläubige gegenwärtig unter dem Gericht, aber sie sind nicht unter der Verdammnis – zumindest noch nicht. Die Verurteilung ist eine endgültige, unwiderrufliche Sache, auf die die Sünder in dieser Welt zusteuern und in die sie (in einer verlorenen Ewigkeit) übergehen werden, wenn sie nicht errettet werden.
Paulus sagt, dass wir die Gewissheit haben, „jetzt“, während wir hier auf der Erde sind, niemals in die Verdammnis zu kommen. Dies ist einer der wichtigsten Gründe, warum der Geist in die Welt gesandt ist: Er soll dem Gläubigen die Gewissheit geben, dass er vor Gott angenommen ist (Joh 14,20; Eph 1,13; 4,30). Das ist das normale Christentum.
In einigen Übersetzungen werden zu Vers 1 noch einige Wörter hinzugefügt (z.B. in der KJV1). Diese sind jedoch in den meisten griechischen Handschriften nicht enthalten und sollten auch nicht im Text stehen. Wenn diese Worte im Text stünden, dann würde dies bedeuten, dass die Rechtfertigung und Annahme des Gläubigen in Christus etwas ist, was aus seinem Wandel nach dem Geist resultiert. Das kann nicht richtig sein, denn dann wäre unsere Errettung eine Folge unserer Werke! Das steht im Widerspruch zu allem, was Paulus in Römer 3 bis 5 lehrt, wo er zeigt, dass unsere Errettung nicht aus Werken, sondern allein aus Gnade geschieht. Dieser Satz (die zehn letzten Worte von Vers 1) gehört eigentlich in Römer 8,4, wo er wiederholt wird.
J.N. Darby stellt fest, dass der Apostel im Römerbrief nicht so weit geht, das Positive darzustellen, was uns „in Christus“ zusteht. Er gibt nur die negativen Aspekte wieder. Er sagt, dass es für die, die in Christus Jesus sind, „keine Verdammnis“ gibt. Im Epheserbrief hingegen stellt Paulus eine höhere Wahrheit dar, indem er erklärt, was wir in Christus Positives haben: nämlich dass wir in Ihm „mit jeder geistlichen Segnung“ gesegnet sind (Eph 1,3).