Behandelter Abschnitt Röm 8
Kapitel 8 entfaltet diese tröstliche Wahrheit in ihrer Fülle. Vom ersten Vers an wird der gestorbene und auferstandene Christus auf die Seele angewandt, bis wir in Vers 11 zusätzlich die Macht des Heiligen Geistes sehen, der die Seele in diese Freiheit stellt. Bald wird auch der Leib Letztere erfahren. Dann wird die Befreiung vollständig sein. „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind. Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte“ (V. 1-3).
Ein wunderbarer Weg; und wie gesegnet! Dort geschah (denn darum geht es hier) die vollständige Verurteilung jenes bösen Etwas, der menschlichen Natur in ihrem gegenwärtigen Zustand. Nichtsdestotrotz wird dadurch der Glaubende angesichts des Gerichts Gottes von dieser Natur und ihren Folgen frei gemacht. Das hat Gott in Christus bewirkt. Im eigentlichen Sinn ist dies keineswegs durch sein Blut geschehen. Das Vergießen seines Blutes war unbedingt notwendig. Ohne diese kostbare Sühne wäre alles andere vergeblich und unmöglich gewesen. In Christus gibt es jedoch viel mehr Segnungen als nur die, auf die sich zu viele Seelen beschränken, und zwar zu ihrem eigenen Verlust und zur Verunehrung Christi.
Gott hat das Fleisch verurteilt; und wir möchten hier wiederholen, dass es jetzt nicht um die Begnadigung eines Sünders geht, sondern um die Verdammung der gefallenen Natur. Das geschieht in einer Form, dass die Seele sowohl Kraft als auch eine rechtmäßige Unempfindlichkeit gegen jegliche innere Furcht diesbezüglich gewinnt. Denn Gott hat in Christus wirklich die Sünde verurteilt ein für allemal. Folglich braucht Er sich nicht mehr mit jener Wurzel des Bösen zu beschäftigen. Was für ein Vorrecht gibt mir Gott demnach, indem ich Christus anschauen darf, der nicht mehr tot, sondern auferstanden ist!
Meine Seele hat das fest gegründete Bewusstsein, dass ich in Ihm bin so wie Er ist, wo in Friede und Freude alle Probleme gelöst sind. Was bleibt übrig, das Christus nicht erfüllt hätte? Früher war dies ganz anders. Vor dem Kreuz gab es diese schwierigste Frage (die Frage der Sünde; Übs.), die jemals gestellt wurde, und forderte eine Antwort in unserer Welt. Doch in Christus ist die Sünde für den Gläubigen auf immer abgeschafft, und zwar nicht allein durch das, was Christus getan hat, sondern auch durch das, was Er ist. Bis zum Kreuz befand sich die bekehrte Seele durchaus in einem Zustand des Seufzens über ihr Elend, jedesmal wenn sie das Böse in sich selbst entdeckte. Für den Glauben ist in der Sicht Gottes indessen heute all dies vorbei - nicht durch Leichtfertigkeit, sondern wahrhaftig. Deshalb darf der Gläubige in einem Heiland, der aus den Toten auferstanden ist, als seinem neuen Leben leben.
Daher beschreibt Römer 8 in sehr praktischer Weise die Freiheit, zu der Christus uns frei gemacht hat. Zunächst wird in den ersten vier Versen die Grundlage gelegt, wobei der letzte von ihnen in das tägliche Leben hineinführt; und es ist gut für diejenigen, welche diese Wahrheit noch nicht kennen, hier in Vers 4 festzustellen, dass der Apostel zuerst vom „nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln“ spricht. Die Einführung dieses Ausdrucks in dem ersten Vers der englischen „Authorized Version“-Bibel entstellt den Text.2 Im vierten Vers darf er nicht fehlen, aber unbedingt im ersten. Auf diese Weise dient die Befreiung nicht allein zur Freude für die Seele, sondern auch zur Kraft in unserem praktischen Wandel nach dem Geist. Er findet in uns eine Natur vor, die Er uns selbst gegeben hat und an der Er sich erfreut. Gleichzeitig teilt Er uns seine Freude an Christus mit und macht den Gehorsam zu einem freudigen Dienst für den Gläubigen. Darum verunehrt ein Gläubiger, wenn auch unwissentlich (aber nichtsdestoweniger) den Heiland, wenn er damit zufrieden ist, nicht diesen Maßstab und diese Kraft zu erreichen. Er ist dazu berechtigt und berufen, seiner Stellung entsprechend und im Vertrauen auf seine Befreiung in Christus Jesus vor Gott zu wandeln.
Danach werden die Herrschaftsbereiche des Fleisches und des Geistes vor uns gestellt. Der eine ist praktisch gekennzeichnet durch Sünde und Tod, der andere durch Leben, Gerechtigkeit und Frieden. Die Herrschaft des Geistes findet, wie wir gesehen haben, zuletzt ihre Krönung durch die Auferstehung unserer Leiber. Der Heilige Geist, welcher der Seele jetzt das Bewusstsein gibt, durch ihre Stellung in Christus die Befreiung erlangt zu haben, ist ebenfalls der Zeuge davon, dass auch unser Leib, jener sterbliche Leib, zu seiner Zeit befreit werden wird. „Wenn aber der Geist dessen, der Jesum aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christum aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes“ (V. 11).
Als nächstes geht Paulus auf einen weiteren Zweig der Wahrheit ein: Auf den Geist, und zwar nicht als einen Zustand im Gegensatz zum Fleisch (Geist und Fleisch werden, wie wir wissen, in der Bibel immer als Gegensatzpaar gesehen), sondern als Macht, als eine göttliche Person, die in einem Gläubigen wohnt und die ihr Zeugnis im Gläubigen ablegt. Er bezeugt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Aber als Kinder sind wir auch seine Erben. Das führt uns folglich in Verbindung mit der Erlösung unseres Leibes zum Erbteil, das wir besitzen sollen. Seine Ausdehnung entspricht sozusagen dem, was Gott besitzt - dem Universum Gottes, allem, was Christus unterstellt sein wird. Und was wird Er nicht besitzen!? So wie Er alles erschaffen hat, so ist Er auch der Erbe von allem. Wir sind Erben Gottes und Miterben Christi.
So tritt die Wirksamkeit des Geistes Gottes unter einem zweifachen Gesichtspunkt vor uns. Er ist sowohl die Quelle unserer Freude als auch eine Kraft des Mitgefühls in unseren Seelen; und der Gläubige kennt beides. Der Glaube an Christus brachte göttliche Freude in seine Seele. Doch in der Wirklichkeit durchwandert er eine Welt der Unvollkommenheit, des Leides und des Kummers. Wie wunderbar, wenn wir daran denken, dass der Geist Gottes sich in allem mit uns vereinigt und sich herablässt, uns göttliche Empfindungen sogar in unsere armen und kleinen Herzen zu geben!
Von diesen Gedanken ist der Mittelteil unseres Kapitels erfüllt, welches mit der unfehlbaren und treuen Macht Gottes für uns in allen unseren Erfahrungen hienieden abschließt. So wie Er uns durch das Blut Jesu eine vollkommene Vergebung geschenkt hat - so wie wir durch sein Leben völlig errettet werden - so wie Er uns schon jetzt nichts Geringeres wissen lässt, als dass wir von jeder Spur des Übels befreit sind, welches zu unserer normalen menschlichen Natur gehört so wie wir den Heiligen Geist als Unterpfand der Herrlichkeit, zu welcher wir berufen sind, besitzen und wir die Gefäße eines gnädigen Mitleidens inmitten aller Umstände sind, von denen wir noch nicht frei gemacht sind, aber bald frei sein werden - so leben wir jetzt schon in der Gewissheit, dass, was immer geschehen mag, Gott für uns ist und dass nichts uns von seiner Liebe, die in Christus Jesus, unserem Herrn, ist, scheiden wird.
2 Vergl. „Luther-Bibel“ bis wenigstens 1960! (Übs.)↩︎