Am Ende dieses Eintrages finden sich noch die "Betrachtungen über den Brief an die Römer" von JND
Behandelter Abschnitt Röm 8,1-39
„Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind.“ Hier redet er nicht über die Wirksamkeit des Blutes in der Beseitigung von Sünden (wie wesentlich dieses Blut und auch die Grundlage alles anderen ist), sondern über die neue Stellung gänzlich außer Reichweite von allem, worauf sich das Gericht Gottes bezog. Christus hatte Sich wohl der Wirkung der Verdammnis an unserer Statt unterstellt, wo Er aber auferstanden ist, erscheint Er vor Gott. Könnte da von Sünde, oder von Zorn, oder von Verdammnis oder von Zurechnung die Rede sein? Unmöglich! Es wurde alles erledigt, bevor Er dorthin hinauffuhr. Er ist dort, weil es erledigt war. Das ist die Stellung des Christen in Christo. Insofern es durch Auferstehung ist, ist es doch eine wirkliche Befreiung. Es ist die Kraft eines neuen Lebens, in der Christus aus den Toten auferweckt wurde und aus der wir in Ihm leben. Was dieses Leben des Heiligen betrifft, ist es die wirksame und beständige Kraft (die deshalb ein Gesetz genannt wird), durch die Christus aus den Toten auferweckt wurde - das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu; sie hat mich von dem Gesetz der Sünde und des Todes befreit, das vorher in meinen Gliedern herrschte und Frucht zum Tode erzeugte. Es geht um unsere Verbindung mit Christo in der Auferstehung, um das Zeugnis der Kraft des Lebens, die in Ihm ist, und zwar durch den Heiligen Geist, was das „keine Verdammnis“ unserer Stellung mit der Energie eines neuen Lebens verbindet, in dem wir dem Gesetz der Sünde nicht mehr unterstehen, da wir ihm in Seinem Tode gestorben sind, noch dem Gesetz, dessen Ansprüche notwendigerweise für den Gestorbenen aufgehoben sind, denn es herrscht über den Menschen, so lange er lebt. Indem Christus seinen Fluch getragen hat, hat Er es überaus groß gemacht. Am Ende von Epheser 1 sehen wir, dass es die Kraft Gottes Selbst ist, die befreit, und so muss sie sicherlich sein, jene Kraft, die diese herrliche Veränderung - für uns diese neue Schöpfung - bewirkte.
Diese Befreiung von dem Gesetz der Sünde und des Todes ist nicht eine bloße Erfahrung (sie wird köstliche Erfahrungen hervorbringen); sie ist eine göttliche Handlung, die durch den Glauben in Dessen Wirken erkannt wird, der Christum aus den Toten auferweckte; sie wird in ihrer ganzen Kraft durch ihre Vollendung in Jesus erkannt, an deren Wirkung wir durch Glauben teilhaben. Es ist so schwer, dies anzunehmen, weil wir finden, dass unsere Erfahrungen dem widerstreiten. Dass Christus meine Sünden hinweg getan hat und dass Gott mich geliebt hat, ist eine Sache des einfältigen Glaubens durch Gnade. Dass ich gestorben bin, wird oft in meinem Herzen widerlegt. Der Vorgang von Römer 7 muss durchgemacht und die Verdammnis der Sünde im Fleische im Opfer Christi für die Sünde gesehen werden, und auch, dass ich durch Ihn lebe, indem ich die Sünde als eine Sache für sich (als einen Feind, mit dem ich fertig werden muss, nicht mich selbst) verurteile - um einen festen Frieden zu haben. Dass Christus meine Sünden hinweg getan hat, ist nicht alles. Ich lebe durch den Auferstandenen, ich bin mit diesem Ehemann verbunden, und da Er mein Leben ist - das wahre „Ich“ in mir - kann ich sagen, dass ich gestorben bin, weil Er gestorben ist. „Ich bin mit Christo gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir.“ Wenn das so ist, bin ich gestorben, weil Er gestorben ist; es ist wie wenn einer als Teilhaber angenommen wird und an den früher vor seiner Aufnahme erworbenen Vorteilen teilhat. Dass dies so ist, ist aus Vers 3 ersichtlich. Der Apostel sagt, Gott hat das in Christo getan; er sagt nicht „in uns“. Das Ergebnis in uns wird in Vers 4 gefunden. Die wirksame Handlung, durch die wir uns für tot halten, war bei Christo ein Opfer für die Sünde. Dort wurde die Sünde im Fleische verurteilt. Gott hat das getan, denn es ist immer Gott; Gott hat gewirkt, und Gott stellt es vor Augen, um das Evangelium Gottes zu entfalten. Das, was verdammt werden muss, ist tatsächlich in uns; das Werk, das es zunichte machte, und zwar zugunsten unseres wahren bewussten Zustandes vor Gott, ist in Christo vollbracht worden, dem es in Gnade wohlgefiel (wie wir sehen werden), Sich in die zu dessen Erfüllung nötige Stellung zu begeben. Durch Teilnahme an dem Leben, das in Ihm ist, wird es uns nichtsdestoweniger zu einer praktischen Wirklichkeit, nur muss diese Verwirklichung mit dem Widerstand des Fleisches kämpfen, aber nicht so, dass wir in ihm wandeln sollten.
Es bleibt noch ein Punkt, der hier bemerkt werden soll. In Vers 2 haben wir das neue Leben in seiner Kraft in Christo, das uns von dem Gesetz der Sünde und des Todes frei macht. In Vers 3 wird mit der alten Natur, mit der Sünde im Fleische, verfahren; sie wird verdammt, aber in dem Opfer für die Sünde, in dem Christus litt und starb, so dass sie für den Glauben erledigt ist. Das vervollständigt die Befreiung und ihre Erkenntnis.
Der Schlüssel zu all dieser Lehre des Apostels und das, was die heilige Praxis, das christliche Leben, mit der absoluten Gnade und der ewigen Befreiung von der Verdammnis verbindet, ist die neue Stellung, gänzlich von der Sünde abgesondert, die uns der Tod gibt, indem wir jetzt in Christo vor Gott lebendig sind. Die Kraft Gottes, die Herrlichkeit des Vaters, die Wirksamkeit des Geistes werden als in der Auferstehung Christi wirkend gefunden, wobei Er, der unsere Sünden getragen hat und für uns zur Sünde gemacht worden ist, in eine neue Stellung jenseits der Sünde und des Todes vor Gott hingestellt wird. Durch den Glauben habe ich an Seinem Tode teil, ich nehme teil an Seinem Leben.
Es geht nicht nur darum, dass Christus für die begangenen Sünden voll bezahlt und Gott in Seinem Werk verherrlicht hat - was tatsächlich die Grundlage von allem ist -, sondern um die Befreiung der Person, die in Sünde gefangen war, gleichwie Israel aus Ägypten herausgeführt wurde. Das Blut hatte die Hand Gottes im Gericht aufgehalten; die Hand Gottes befreite sie in Kraft auf immerdar beim Roten Meer. Was sie auch gewesen sein mochten, so waren sie zu der Zeit mit Gott, der sie zu Seiner heiligen Wohnung geleitete.
Die ersten Verse dieses Kapitels fassen übrigens das Ergebnis des Werkes Gottes in Bezug auf diesen Gegenstand in den Kapiteln Röm 5,12-21; Röm 6 und Röm 7 zusammen, keine Verdammnis für die, welche in Christo sind: das Gesetz des Geistes des Lebens in Ihm, befreit von diesem Gesetz der Sünde und des Todes, und das, was das Gesetz nicht tun konnte, hat Gott getan.
Es wird bemerkt werden, dass man von dem Gesetz der Sünde und des Todes frei gemacht wird. In dieser Hinsicht ist die Befreiung absolut und vollständig. Die Sünde ist überhaupt kein Gesetz mehr. Für den, der Heiligkeit liebt, der Gott liebt, ist diese Befreiung ein tiefer und großer Gegenstand der Freude. Dieser Abschnitt sagt nicht, dass das Fleisch sich geändert hat - ganz im Gegenteil: man würde doch nicht vom Gesetz einer Sache reden, die überhaupt nicht mehr besteht. Wir müssen es bekämpfen, es ist aber kein Gesetz mehr, noch kann es uns in unserem Gewissen dem Tode unterstellen.
Das Gesetz konnte diese Befreiung nicht bewirken. Es konnte den Sünder verdammen, nicht aber die Sünde, während es den Sünder frei machte. Das aber, was das Gesetz nicht tun konnte, weil es Kraft im Menschen erforderte, während er im Gegenteil nur Kraft zum Sündigen hatte - hat Gott getan. Hier nun wird uns die Tatsache, dass Christus in unsere Mitte hernieder stieg, und zwar bis in den Tod, in ihrer ganzen Bedeutung vor Augen gestellt - dass Er ohne Sünde zu uns hernieder kam und in den Tod ging. Dies ist das Geheimnis unserer Befreiung. Gott, der Gott aller Gnade und Herrlichkeit, hat Den gesandt, der der ewige Gegenstand Seines Wohlgefallens ist, Seinen eigenen Sohn, in dem die ganze Lebenskraft und göttliche Macht des Sohnes Gottes Selbst war, um inmitten der Menschen an Fleisch und Blut teilzuhaben in der Stellung, in der wir uns alle befinden; Selbst immer ohne Sünde, sollte Er doch in die Tiefe der Stellung, in der wir waren, ja bis zum Tode hinabsteigen und Sich Selbst Seiner Herrlichkeit entäußern, um ein Mensch zu sein „in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde“, und da Er Mensch ward, erniedrigte Er Sich bis zum Tode, auf dass die ganze Frage der Sünde vor Gott in der Person Christi erledigt würde, indem Er in unserer Stellung betrachtet wird40; als Er in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde für uns zur Sünde gemacht wurde - „für die Sünde“ wie es ausgedrückt wird (d. h. als ein Opfer für die Sünde). Er übernahm es, Gott dadurch zu verherrlichen, dass Er für das, was der Mensch war, litt. Er erfüllte das, indem Er Sich zum Opfer für die Sünde machte; auf diese Weise wurden nicht nur unsere Sünden beseitigt, sondern die Sünde im Fleische (es war der Zustand des Menschen, der Zustand seines Wesens, und Christus wurde am Kreuze so behandelt, als ob Er darin sei) ist darin verdammt worden, was ein Sühnungsopfer für den Sünder war.
Der Sohn Gottes - von Gott in Liebe gesandt - ist gekommen, und Er hat nicht nur unsere Sünden getragen, sondern (indem Er Sich freiwillig dahingab, ein fleckenloses Opfer, um den Willen Dessen zu tun, dessen Willen zu tun Er gekommen war) Gott machte Ihn, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde. Immer ohne Sünde (bei Ihm waren es Gnade und Gehorsam) nahm Er den Platz ein, auf den unser Versagen in unserer Verantwortung hienieden den Menschen gestellt hatte, und in Gleichheit der Menschen geworden, starb Er, um Gott in Bezug auf die Sünde zu verherrlichen, so dass wir durch das Kreuz von dem auf dem Gewissen lastenden Bewusstsein der in uns wohnenden Sünde befreit sind. Er nimmt vor Gott die ganze Belastung der Sünde auf Sich (doch nach der Kraft des ewigen Lebens und des in Ihm wohnenden Heiligen Geistes) - Er gibt Sich dafür als Opfer dahin. So hineingestellt, wird Er zur Sünde gemacht; und in Seinem Tode, den Er in Gnade erduldet, wird die Sünde im Fleische total durch das gerechte Gericht Gottes verdammt, und die Verdammnis selbst ist das Zunichtemachen jener Sünde durch Seine Opfertat - eine Tat, die für jeden gültig ist, der an Jesum glaubt, der sie vollbracht hat. Wir sind mit Ihm gestorben, und wir leben durch Ihn. Wir haben den Leib des Fleisches, den alten Menschen, ausgezogen; durch den Leib Christi sind wir dem Gesetz gestorben, unser alter Mensch ist mit Ihm gekreuzigt, damit der Leib der Sünde zunichte gemacht werde. Ich zweifle nicht daran, dass das volle Ergebnis hiervon das Hinwegtun der Sünde aus dem ganzen Bereich des Himmels und der Erde sein wird, und zwar in jenen neuen Himmeln und auf der neuen Erde, wo Gerechtigkeit wohnt. Hier rede ich aber über den Zustand des Gewissens in Bezug auf die Herrlichkeit Gottes.
Welch eine wunderbare Errettung! Welch ein Werk zur Herrlichkeit Gottes! Die moralische Bedeutung des Kreuzes für die Herrlichkeit Gottes ist ein Gegenstand, der, wenn wir ihn erforschen, immer prachtvoller wird - es ist ein nie endendes Studium. Durch seine moralische Vollkommenheit ist es ein Beweggrund für die Liebe des Vaters Selbst in Bezug auf Jesum. „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme.“
Welch ein vollkommenes Werk für die Beseitigung der Sünde aus den Augen Gottes (indem dieses vollkommene Werk selbst, das die Sünde hinweg tat, an ihrer statt vor Ihn gesetzt wurde) und für die Befreiung des Sünders, das ihn der vollkommenen Abschaffung der Sünde gemäß und in dem Wert dieses Werkes in den Augen Gottes vor Gott hinstellt! Es ist möglich, dass wir die Vergebung der Sünden gekannt haben, bevor wir durch Römer 7 hindurchgehen, und etliche haben gesagt, dass Römer 3 vor Römer 7 kommt. Die Gegenstände sind aber ganz verschieden. Im ersten Teil verfährt Gott in Gnade mit dem Sünder, der schuldig ist, und zwar zu seiner Rechtfertigung; dieser Teil ist in sich selbst vollständig: „Wir rühmen uns . . . Gottes.“ Der zweite Teil behandelt das, was wir sind, und die damit verbundenen Erfahrungen; das Werk von Kapitel 7 ist immer wesentlich gesetzlich, das Gericht dessen, was wir sind, also nur im Hinblick auf das, was in uns ist, nicht auf das, was wir getan haben - es ist Kampf, nicht Schuld. Die Form der Erfahrung ist eine veränderte. Die Seele wird sagen, ich hoffe, dass ich mich selbst nicht betrogen habe, und dergleichen. Es geht aber immer um das Gesetz, und somit gibt ihm der Apostel den ihm an sich gebührenden Charakter.
Das praktische Ergebnis wird in Vers 4 angegeben: „Auf dass das Recht (die gerechte Forderung) des Gesetzes erfüllt würde in uns, die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln.“ Wir sind in Christo vollkommen vor Gott, ohne irgendwelche Gerechtigkeit durch das Gesetz; indem wir aber nach dem Geiste wandeln, wird das Gesetz in uns erfüllt, obwohl wir ihm nicht unterworfen sind. Der, welcher liebt, hat das Gesetz erfüllt. Hier geht der Apostel nicht weiter in Bezug auf die Früchte der Gerechtigkeit ein, weil es hier um die Frage der Unterwerfung unter das Gesetz, wie auch um seine Erfüllung durch den Menschen geht. Die Gnade erzeugt mehr als das, wie im Epheserbrief, im Kolosserbrief u. a., sie bildet den Charakter Gottes nach - nicht nur das, was der Mensch vor Gott sein sollte, sondern das, was Christus war. Hier begegnet er aber der Frage des Gesetzes und zeigt, dass wir es erfüllen, wenn wir nach dem Geiste wandeln.
In dieser neuen Natur, im Leben der Auferstehung und des Glaubens, erfüllt sich in uns die Forderung des Gesetzes, weil wir nicht unter ihm stehen, denn wir wandeln nach dem Geiste, nicht nach dem Fleische. Die Dinge, die einander widerstreben, sind das Fleisch und der Geist. Tatsächlich erfüllt sich in uns die Herrschaft, von dessen Joch als System wir befreit worden sind. Unter Gesetz besaß die Sünde die Herrschaft; indem wir vom Gesetz befreit sind, erfüllt sich jenes Gesetz in uns41.
Charakteristisch für unsere Stellung ist aber der Geist, der in uns wirkt und uns leitet. Dieser Charakter (denn so stellt das der Apostel dar) ist das Ergebnis der Anwesenheit, des Wohnens des Heiligen Geistes in uns. Der Apostel setzt hier diese große Wahrheit voraus, das heißt, dass beim Schreiben an Christen die Tatsache (denn es geht hier um eine Tatsache) der Anwesenheit des Heiligen Geistes, des Sachwalters (oder Trösters) als eine wohlbekannte Tatsache vorausgesetzt wird. Sie zeichnete den Christen öffentlich als das Siegel und das Zeichen seines Bekenntnisses aus. Der einzelne kannte das für sich selbst; er kannte es in Bezug auf die Versammlung. In letzter Hinsicht aber berühren wir dies hier nicht, weil Christen als einzelne der Gegenstand sind. Sie hatten den Geist, überall wendet sich der Apostel an ihr Bewusstsein von dieser Tatsache. „In welchem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid.“ „Habt ihr den Geist aus Gesetzeswerken empfangen, oder aus der Kunde des Glaubens?“ usw. Es ist die persönliche moralische Wirkung, die hier immerhin auf die Auferstehung des Leibes ausgedehnt wird, wovon hier die Rede ist. Diese beiden sind miteinander verbunden: die Anerkennung der Tatsache der Gegenwart des Heiligen Geistes, und die Entwicklung Seiner Kraft in dem Leben und nachher in der Auferstehung des Gläubigen. Dieses war in Christo gesehen worden; die Auferstehung selbst entsprach dem Geiste der Heiligkeit.
Nun kommen wir also zur praktischen Auswirkung der Lehre in dem Gläubigen, mit Christo gestorben zu sein und durch Christum auf Erden zu leben, die durch den in uns wohnenden Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist, erkannt wird. Er unterscheidet Sich, denn Er ist der Geist, der Geist Gottes; nichtsdestoweniger wirkt Er in diesem Leben, so dass es sich praktisch in uns selbst abspielt, in dem, was zum Leben Christi in uns gehört.
Wir wollen kurz die Lehre des Apostels über diesen Gegenstand betrachten.
Er führt ihn, als für den Christen charakteristisch, plötzlich ein: „. . . in uns, die nicht nach dem Fleische, sondern nach dem Geiste wandeln.“ Diejenigen, die nach dem Fleisch sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, welche nach dem Geist sind, auf das, was des Geistes ist. Hier geht es nicht um eine Pflicht, sondern um die sichere Auswirkung der Natur, nach welcher ein Mensch besteht; und diese Neigung, diese Gesinnung der Natur, erzeugt ihr unfehlbares Ergebnis - was des Fleisches ist, ist Tod, was des Geistes ist, ist Leben und Frieden, weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist. Sie hat ihren eigenen Willen, ihre eigenen Lüste; und die Tatsache, dass sie sie hat, bewirkt, dass sie dem Gesetz Gottes nicht untertan ist - das andererseits seine eigene Autorität hat - das Fleisch kann aber tatsächlich nicht untertan sein; wenn es das sein könnte, würde sein Dasein aufhören, denn es hat einen eigenen Willen, der Unabhängigkeit anstrebt und nicht die Autorität Gottes über sich - einen Willen, der auch kein Wohlgefallen an der Forderung des Gesetzes hat. Deshalb können die, welche im Fleisch sind und die keine Beziehung zu Gott haben und von dieser Natur leben, in diesem natürlichen Leben Gott nicht gefallen. Solcherart ist der Urteilsspruch über den Menschen, der sein natürliches Leben eben nach der Natur dieses Lebens lebt. Das Gesetz führte ihn da nicht heraus: wie früher war er immer noch im Fleisch. Es hatte eine Lebensregel für den Menschen, wie er als Mensch vor Gott steht, die das Maß seiner Verantwortung in jener Stellung angab, die ihn aber offensichtlich nicht aus der Stellung, auf die sie sich bezog, herausführte. Da also der Mensch im Fleisch war, bewirkten die Auswirkungen der Sünde den Tod, und zwar durch das Gesetz selbst.
Der Grundsatz der Beziehung des Gläubigen mit Gott ist aber nicht das Fleisch, sondern der Geist, wenn anders Gottes Geist in uns wohnt. Das ist es, was für unsere Stellung vor Gott kennzeichnend ist. In Seinen Augen und vor Ihm sind wir nicht im Fleisch. Das setzt wohl das Vorhandensein des Fleisches voraus, da wir aber den Heiligen Geist empfangen haben und Leben im Heiligen Geist besitzen, bildet Er unsere Verbindung mit Gott. Unser moralisches Dasein vor Gott ist im Geist, nicht im Fleisch oder im natürlichen Menschen.
Man beachte hier, dass der Apostel nicht über Gaben oder Offenbarungen von Kraft spricht, die außerhalb von uns auf andere einwirken, sondern über die lebendige Kraft des Geistes, wie sie sich in der Auferstehung Jesu und selbst auch in Seinem Leben in Heiligkeit erwies. Unser alter Mensch wird für tot gehalten: wir leben Gott durch den Geist. Deshalb wird über diese Anwesenheit des Geistes - so echt wie sie ist - auf eine Weise gesprochen, deren Betonung mehr auf dem Charakter, als in unterschiedlicher persönlicher Anwesenheit liegt, obwohl jener Charakter nicht existieren könnte, wenn Er nicht persönlich hier wäre. „Ihr seid . . . im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt42.“
Die Betonung liegt auf dem Wort Gott, und im Griechischen steht kein Artikel vor dem Wort Geist. Nichtsdestoweniger bezieht es sich klar auf den Geist persönlich, denn es heißt, „wenn Gottes Geist in euch wohnt“, so dass Er von der Person, in der Er wohnt, unterschieden wird.
Der Sinn der Sache ist aber dieser: im Menschen gibt es nichts, was dem Fleisch widerstehen oder den Menschen aus ihm herausführen kann - er ist er selbst. Das Gesetz kann diese Schranke nicht überschreiten (nämlich die des Menschen an den es sich wendet) noch sollte es dies, denn es hat es mit seiner Verantwortung zu tun. Es muss etwas sein, was nicht der Mensch ist und was doch im Menschen wirkt, auf dass er frei wird. Kein Geschöpf könnte etwas hierzu tun: es ist verantwortlich an seinem eigenen Platz.
Gott muss es sein. Wenn der Geist Gottes in den Menschen kommt, hört Er nicht auf, Gott zu sein, noch bewirkt er, dass der Mensch aufhört, Mensch zu sein; Er erzeugt aber in göttlicher Weise im Menschen ein Leben, einen Charakter, einen moralischen Zustand des Seins, einen neuen Menschen; in diesem Sinne ist es ein neues Wesen, und zwar vermöge der Reinigung durch das Blut Christi. Da Christus das Erlösungswerk vollbracht hat, wovon dies die Kraft in uns ist, wohnt Er in dem Menschen, und der Mensch ist in Christo, und Christus ist im Menschen. Indem der Mensch nun so wirklich ein neues Leben hat, das seinen eigenen moralischen Charakter trägt, steht er als solcher vor Gott, und in Seinen Augen steht das, was es der neuen Natur nach ist, in unzertrennlicher Verbindung mit seinem Ursprung, wie der Strom mit der Quelle; der Gläubige ist im Geiste, da der Heilige Geist infolge des Werkes Christi in dem von Ihm verliehenen Leben wirkt und seine Kraft ist. Dies ist die Stellung des Christen vor Gott. Wir sind nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist, wenn anders der Geist Gottes in uns wohnt. Es gibt kein anderes Mittel. Es ist fürwahr der Geist Christi. - Er, in dessen Kraft Christus handelte, lebte, Sich Selbst darbrachte, durch den Er auch aus den Toten auferweckt wurde. Sein ganzes Leben war der Ausdruck der Wirkung des Geistes - des Geistes im Menschen. „Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“ Dies ist das wahre und einzige Band, die ewige Wirklichkeit des neuen Lebens, in dem wir in Gott leben.
Wir haben es mit Reellem zu tun. Das Christentum verwirklicht sich in uns in einer Gleichförmigkeit des Wesens zu Gott hin, worauf Gott nicht verzichten kann, und ohne die wir Ihn nicht genießen noch mit Ihm in Gemeinschaft sein können. Er Selbst gibt sie. Und wie können wir aus Gott geboren sein, wenn Gott nicht wirkt, um uns Leben mitzuteilen? Wir sind Sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken. Es ist aber der Geist, der sein Ursprung und seine Kraft ist. Wenn jemand aber den Geist Christi nicht hat, wenn die Energie dieses in Ihm geoffenbarten geistlichen Lebens, die durch die Kraft des Geistes besteht, nicht in uns ist, sind wir nicht Sein, dann haben wir kein Teil an Christo, denn nur so kann man an Ihm teilhaben. Wenn aber Christus in uns ist, so ist die Energie dieses geistlichen Lebens in Ihm, der unser Leben ist, und der Leib wird für tot gehalten, denn wenn wir als Lebendige einen Eigenwillen haben, so ist das nichts als Sünde. Der Geist ist Leben, der Geist, durch den Christus aktiv lebte. Christus im Geist in uns ist Leben - die Quelle des Denkens, der Tat, des Urteils, alles dessen, was den Menschen im moralischen Sinne ausmacht, auf dass Gerechtigkeit da sei; denn das ist die einzig mögliche praktische Gerechtigkeit, das Fleisch kann sie nicht hervorbringen. Wir leben nur, indem wir Christum als unser Leben haben, denn Gerechtigkeit vor Gott ist in Ihm, und nur in Ihm. Anderswo gibt es nichts als nur Sünde. Deswegen ist das Leben Christus. Es gibt kein anderes Leben; alles andere ist Tod.
Der Geist hat aber noch einen Charakter. Er ist der Geist Dessen, der Jesum aus den Toten auferweckte. Das tat Gott in Bezug auf den Christus. Wenn der Geist in uns wohnt, wird Gott in uns das vollbringen, was Er in Christo vollbrachte, und zwar wegen desselben Geistes43. Er wird unsere sterblichen Leiber auferwecken. Dies ist die endgültige Befreiung, die volle Antwort auf die Frage: „Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“
Man beachte hier, dass der Geist auf dreifache Weise bezeichnet wird: der Geist Gottes, im Gegensatz zum sündigen Fleisch beim natürlichen Menschen; der Geist Christi, der formelle Charakter des Lebens, der der Ausdruck Seiner Macht ist (das ist der Geist, der nach der Vollkommenheit der göttlichen Gedanken im Menschen wirkt); der Geist Dessen, der den Menschen Christus aus den Toten auferweckte. Hier ist es die vollkommene und endgültige Errettung des Leibes selbst durch die Kraft Gottes, die durch Seinen Geist wirkt. Damit haben wir die volle Antwort auf die Frage: „Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“ Wir sehen, dass christliches Leben in seinem wahren Charakter, in dem Charakter des Geistes, von der Erlösung abhängt. Dank der Erlösung ist der Geist bei uns gegenwärtig.
In den Versen 10 und 11 haben wir den gegenwärtigen Tod für das Fleisch und die Sünde, und auch die tatsächliche Auferstehung, nur ist es so, dass es nichts als Sünde gibt, wenn wir unser eigenes, natürliches Leben leben - da Christus in uns unser Leben ist, halten wir schon jetzt, während wir noch leben, unseren Leib für tot. Indem das so ist, haben wir das, was in Christo gesehen wurde (Röm 1,4) - den Geist der Heiligkeit und der Totenauferstehung. Wir sollten hier bemerken (bis dahin nach dem Sinn des Ausdrucks: „der Geist ist Leben“), wie die Person des Geistes mit dem Seelenzustande, mit dem wirklichen Leben des Christen hienieden verbunden ist. Etwas weiter finden wir Ihn davon unterschieden. Wir verstehen das, denn der Geist ist wahrhaftig die göttliche Person, Er wirkt aber in uns in dem Leben, welches Er verliehen hat. „Was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist.“ Somit ist es tatsächlich der Geist, der praktische Gerechtigkeit, gute Gedanken erzeugt; Er bringt sie aber in mir hervor, so dass sie mein sind. Nichtsdestoweniger bin ich in Bezug auf diese Dinge vollständig abhängig von Gott, und ich verdanke sie Ihm. Nach Johannes 3 ist dieses Leben von derselben Art wie sein Ursprung, es ist aber abhängig: die ganze Kraft liegt in dem Geiste. Durch Ihn sind wir von Gott abhängig. Christus Selbst lebte so. Nur war das Leben in Ihm, aber keine Sünde im Fleische, um dem zu widerstehen: dahingegen aber, wenn Gott uns Leben gegeben hat, bleibt es immer wahr, dass dieses Leben in Seinem Sohne ist. „Wer den Sohn hat, hat das Leben.“ Wir wissen aber, dass das Fleisch wider den Geist gelüstet, selbst wenn wir Ihn haben.
Lasst uns aber mit unserem Kapitel fortfahren. Der Apostel schließt diese Auslegung über das geistliche Leben, das der Seele Freiheit verleiht, indem er den Christen als einen solchen darstellt, der ein Schuldner ist, nicht dem Fleische, das ja kein Recht mehr auf uns hat. Doch will er nicht geradeheraus sagen, dass wir dem Geiste Schuldner sind. Wohl ist es unsere Pflicht, nach dem Geiste zu leben; wenn wir aber sagten, wir seien Schuldner, so wäre das ein Unterstellen des Menschen unter ein höheres Gesetz, dessen Erfüllung ihm dadurch noch unmöglicher sein würde. Der Geist war die Kraft zum Leben, und das durch die von Ihm verliehene Liebe - nicht eine Verpflichtung, sie zu haben. Wenn wir nach dem Fleische leben, werden wir sterben, wenn wir aber durch den Geist die Handlungen des Leibes töten, so werden wir leben. Das Böse ist da, es ist aber Kraft vorhanden, es zu überwinden. Dies ist die Wirkung nach der Natur Gottes und des Fleisches. Dieser Gegenstand hat aber auch noch eine andere Seite - die Beziehung, die uns diese Anwesenheit und Tätigkeit des Geistes Gott gegenüber gibt. Anstatt also zu sagen, „gesetzmäßige Schuldner des Geistes“, ist der Geist Selbst unsere Kraft, durch welche wir das Fleisch töten, und durch die wir sicher sind, dass wir mit Gott leben; und da wir vom Geiste geleitet werden, sind wir Söhne Gottes. Denn wir haben nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wiederum zur Furcht (das war der Zustand der Treuen unter dem Gesetz), sondern einen Geist, der unserer Annahme, Söhne Gottes zu sein, entspricht, und dies ist ihre Kraft - ein Geist, in welchem wir rufen: „Abba, Vater!“
Der Apostel verbindet den Geist Gottes wieder aufs engste mit dem Charakter, der Gesinnung, die Er in uns der Beziehung gemäß erzeugt, in die wir durch Seine Gnade in Christo gestellt werden und der wir uns bewusst sind und die wir tatsächlich durch die Anwesenheit des Geistes in uns verspüren: Er ist in uns der Geist der Sohnschaft; denn Er stellt uns in die Wahrheit den Gedanken Gottes gemäß. Was aber die Kraft dazu, was deren moralische Wirklichkeit in uns betrifft, so ist es allein durch die Gegenwart des Heiligen Geistes, dass dies stattfindet. Wir werden nur dadurch vom Gesetz und vom Geiste der Knechtschaft errettet, dass der Geist in uns wohnt, obwohl das Werk und die Stellung Christi die Ursache dafür sind. Diese Stellung wird weder erkannt noch ist man sich ihrer bewusst, als nur durch den Geist, den Jesus hernieder sandte, als Er Selbst diese Stellung als Mensch in der Herrlichkeit droben eingenommen hatte44.
Dieser Geist nun wohnt in uns, handelt in uns und bringt uns wirklich in diese Beziehung, die durch Christum für uns erworben wurde, durch das Werk, das Er für uns vollbrachte, indem Er Selbst in sie eintritt (d. h. als auferstandener Mensch).
Wie wir gesehen haben, redet der Apostel vom Geist in uns als von einem bestimmten Charakter, einem Zustand, in dem wir uns befinden, weil Er Sich in unser ganzes moralisches Wesen einflößt - in unsere Gedanken, Zuneigungen, Ziele, Handlungen; eigentlich erzeugt Er sie, Er ist ihr Ursprung, Er handelt dadurch, dass Er sie erzeugt. Somit ist Er praktisch ein Geist der Sohnschaft, weil Er in unseren Seelen alles das erzeugt, was zu dieser Verwandtschaftsbeziehung gehört. Wenn Er wirkt, wirken auch unsere Gedanken, unsere Zuneigungen: wir genießen diese Verwandtschaftsbeziehung kraft dieser Wirkung. Wenn nun der Heilige Geist mit allem, was Er in uns erzeugt, einsgemacht wird (und es könnte nicht anders sein), denn nur so ist es, dass der Christ Ihn kennt (die Welt empfängt Ihn nicht, weil sie Ihn nicht sieht und nicht kennt; ihr aber kennet Ihn, weil Er bei euch ist, und in euch wohnt - kostbarer Zustand!) - da der Heilige Geist Selbst die Quelle unseres Daseins und unserer Gedanken ist, und zwar gemäß den Ratschlüssen Gottes in Christo und der Stellung, die Christus für uns erworben hat - nachdem der Apostel, ich wiederhole, darüber geredet hat, dass der Geist unser moralisches Dasein prägt, unterscheidet er Ihn sorgfältig als eine Person, als eine wirklich unterschiedliche Existenz. Der Geist Selbst zeugt mit unserem Geiste, dass wir Kinder Gottes sind. Diese beiden Dinge sind gleich kostbar45: Teilnahme am Heiligen Geist als der Kraft, durch die wir fähig sind, Gott und die Beziehung zu Ihm als Kinder zu genießen; und auch die Gegenwart und Autorität des Geistes, um uns dessen zu versichern.
Unsere Stellung ist die von Söhnen, unsere eigentliche Verwandtschaftsbeziehung ist die von Kindern. Das Wort Sohn steht im Gegensatz zu der Stellung unter Gesetz, welche die von Knechten war, es ist der Zustand der Vorrechte im weitesten Sinne. Wenn man von irgendjemandes Kind spricht, bedeutet das die Innigkeit und Wirklichkeit der Verwandtschaftsbeziehung. Nun ist es zweierlei, was der Apostel offen legt - die Stellung eines Kindes und deren Auswirkung, und der Zustand der Schöpfung, mit der das Kind verbunden ist. Dies bietet die Gelegenheit für zwei Wirkungen des Geistes: die Mitteilung der Sicherheit, Kinder zu sein, mit allen herrlichen Folgen; und auch Sein Werk des Mitgefühls und Seiner Gnade in Verbindung mit allem Kummer und allen Schwachheiten, in denen sich das Kind hienieden befindet.
Nachdem er so die Auslegung des Zustandes des Kindes beendet hat, beschließt er diesen Bericht seiner Stellung in Christo mit einer Feststellung der Gewissheit der Gnade in Gott - außerhalb seiner selbst - die es in dieser Stellung sichert und es durch die Kraft Gottes in der Gnade leitet und vor allem bewahrt, was es seiner Segnung, seines Glückes berauben könnte. Gott ist es, der ihm diese Dinge gibt und der ihr Urheber ist. Gott ist es, der den, den Er in diese Stellung hineingestellt hat, zu einem guten Ende führen wird. Dieser letzte Punkt wird in den Versen 31-33 erörtert. So haben wir in den Versen 1-11 den Geist im Leben; in den Versen 12-30 den Geist als eine in dem Heiligen wirkende Kraft; in den Versen 31-33 Gott, der für uns, nicht in uns wirkt, um unsere Segnung zu sichern. Deshalb spricht er im letzten Teil nicht von der Heiligung.
Somit ist der erste Punkt, den wir in diesem zweiten Teil berühren müssen, dass der Geist Selbst mit unserem Geiste zeugt, dass wir Kinder der Familie Gottes sind. Das heißt, da der Heilige Geist (der in uns im Leben wirkt, wie wir gesehen haben) die Liebe eines Kindes erzeugt hat, und durch diese Liebe das Bewusstsein, ein Kind Gottes zu sein, sondert Er Sich nicht davon ab, sondern bezeugt durch Seine machtvolle Gegenwart, dass wir Kinder sind. Wir haben dieses Zeugnis in unseren Herzen in unserer Beziehung zu Gott; der Heilige Geist aber, der Sich von uns unterscheidet, bringt uns dieses Zeugnis, uns, in denen Er wohnt, nahe. Der wahre befreite Christ weiß, dass sein Herz Gott als Vater erkennt, er weiß aber auch, dass der Heilige Geist Selbst Sein Zeugnis zu ihm bringt. Das, was auf das Wort gegründet ist, wird im Herzen bewahrheitet und verwirklicht.
Wenn wir aber Kinder sind, sind wir Erben - Erben Gottes und Miterben Christi. Herrliche Stellung, in die wir mit Christo hineingestellt sind! Das Zeugnis darüber ist der erste Teil des persönlichen Amtes des Geistes, doch dessen Folgen sind hienieden, dessen Charakter ist hienieden zu sehen. Wenn der Geist Christi in uns ist, wird Er die Quelle der Gefühle Christi in uns sein. In dieser Welt der Sünde und des Elends musste Christus notgedrungen leiden - Er litt auch wegen der Gerechtigkeit und wegen Seiner Liebe. Moralisch ist dieses Empfinden des Kummers die notwendige Folge davon, dass man eine moralische Natur besitzt, die allem, was in der Welt ist, total entgegengesetzt ist. Liebe, Heiligkeit, Ehrfurcht vor Gott, Liebe zum Menschen, alles ist hienieden seinem Wesen nach; ein aktives Zeugnis führt zu äußeren Leiden. Miterben, Mitleidende, Mitverherrlichte - dies ist die Reihenfolge des christlichen Lebens, der christlichen Hoffnung; und beachtet: insofern wir das ganze Erbteil Gottes besitzen, wird dieses Leiden durch die herrliche Stellung, in die wir eingeführt sind, bedingt, und durch unsere Teilnahme am Leben Christi Selbst. Diese Leiden sind aber nicht wert, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll.
Denn die Schöpfung harrt sehnsüchtig auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Dann wird ihre Befreiung kommen. Denn wenn wir leiden, so ist es in Liebe, weil alles rund um uns her leidet. Dann erklärt das der Apostel. Es ist unsere Verbindung mit der Schöpfung, die uns in diese Leiden führt, denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit, der Vergänglichkeit unterworfen. Wir, die wir den Geist haben, wissen, dass die ganze Schöpfung in ihrer Entfremdung Gott gegenüber zusammen seufzt - gleichsam in Geburtswehen, jedoch in Hoffnung. Wenn die Herrlichkeit die Kinder frei machen wird, wird die Schöpfung an ihrer Freiheit teilhaben: sie kann an der Gnade nicht teilhaben, das ist etwas, was die Seele betrifft. Da aber die Herrlichkeit die Frucht der Kraft Gottes in äußeren Dingen ist, wird sogar die Schöpfung von der Knechtschaft des Verderbnisses befreit werden und an der Freiheit der Herrlichkeit teilnehmen. Es war nämlich nicht der Wille der Schöpfung, der sie der Knechtschaft unterwarf (in dieser Hinsicht hat sie keinen), sondern es war um deswillen, der sie unterworfen hat - um des Menschen willen.
Der Geist nun, der uns kundtut, dass wir Kinder und Erben der Herrlichkeit sind, lehrt uns durch dieselben Mittel das ganze Elend der Schöpfung zu verstehen, und durch unsere Leiber stehen wir in Verbindung mit ihr, so dass Mitgefühl besteht. So erwarten auch wir die Sohnschaft, d. h. die Erlösung unseres Leibes. Denn was den Besitz des vollen Ergebnisses anbelangt, ist es in Hoffnung, dass wir errettet werden; mittlerweile seufzen wir also, wie wir nach dem Geiste und der neuen Natur auch verstehen, dass die ganze Schöpfung seufzt. Die Einsicht des Geistes und die Zuneigungen der göttlichen Natur sind auf der einen Seite vorhanden, und andererseits besteht die Verbindung mit der gefallenen Schöpfung durch den Leib46. Auch hier hat also die Wirkung des Heiligen Geistes ihren Platz, wie Er auch bezeugt, dass wir Kinder und Erben Gottes und Miterben Christi sind.
Es ist deshalb nicht nur die Schöpfung, die seufzt, da sie als Folge der Sünde des Menschen in der Knechtschaft des Verderbnisses liegt; sondern wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben - die Gott im Blick auf die Erfüllung Seiner Verheißungen in den letzten Tagen im voraus gegeben hat, die uns mit dem Himmel verbinden -, auch wir seufzen, während wir auf die Erlösung des Leibes warten, um von der für uns bereiteten Herrlichkeit Besitz zu ergreifen. Das geschieht aber, weil der Heilige Geist, der in uns ist, an unserem Kummer teilnimmt und uns in unseren Schwachheiten hilft; während Er in uns wohnt, fleht Er inmitten dieses Elends mit unaussprechlichen Seufzern. Das Bewusstsein von dem Bösen, das uns und alles ringsum bedrängt, ist da; und je mehr wir uns der Segnung und der Freiheit der Herrlichkeit bewusst sind, desto mehr erkennen wir die Bürde des durch die Sünde herbeigeführten Elends. Wir wissen nicht, was wir als Mittel dagegen erbitten sollen; aber das Herz bringt sein Leid zum Ausdruck, wie Jesus es am Grabe des Lazarus tat - wenigstens in unserem kleinen Maße. Nun ist das nicht die Selbstsucht des Fleisches, das nicht gern leidet, sondern die Liebe des Geistes.
Hier haben wir einen auffallenden Beweis dafür, wie der Geist und das Leben in uns praktisch einsgemacht sind: Gott erforscht die Herzen - die unsrigen; Er findet die Liebe des Geistes, denn Er, der Geist, verwendet Sich. Somit ist es mein Herz - es ist eine geistliche Liebe; aber der Geist Selbst ist es, der Sich verwendet. Mit der Schöpfung durch den Leib, mit dem Himmel durch den Geist verbunden, ist mein Empfinden der Bedrängnis nicht die Selbstsucht des Fleisches, sondern das Mitgefühl des Geistes, der alles Gott gemäß empfindet.
Welch ein holder und stärkender Gedanke ist es, dass, wenn Gott das Herz erforscht - selbst wenn wir bedrückt sind durch das Empfinden des Elends, in dessen Mitte das Herz wirkt -, Er nicht das Fleisch findet, sondern die Zuneigung des Geistes, und dass Sich der Geist Selbst in uns in Gnade mit all unseren Schwachheiten befasst. Wie aufmerksam lauscht wohl das Ohr Gottes solchen Seufzern! Somit ist der Geist in uns der Zeuge, dass wir Kinder und dadurch Erben sind; Er nimmt auch teil an der traurigen Erfahrung, dass wir durch unsere Leiber mit der Schöpfung verbunden sind, und Er wird zur Quelle der Zuneigungen in uns, die sich in Seufzern, die ihrem Wesen nach göttlich wie auch menschlich sind, äußern, und die den Wert Seiner eigenen Fürbitte haben. Diese Gnade tut sich in Verbindung mit unserer Unwissenheit und Schwachheit kund. Übrigens, wenn wir schließlich nicht wissen, was wir erbitten sollen, wissen wir aber wohl, dass alles unter der eigenen Hand Gottes zu unserem größten Wohl mitwirkt47 (Vers 28).
Dies bringt uns drittens zu einer anderen Seite der Wahrheit - zu dem, was Gott tut und was Gott außerhalb von uns selbst für uns ist, um uns aller Segnung zu versichern. Der Heilige Geist ist Leben in uns; Er bezeugt unsere herrliche Stellung; Er wirkt in göttlichem Mitgefühl in uns gemäß unserer tatsächlichen Lage der Schwachheit in diesem armseligen Leibe und in dieser leidenden Schöpfung; Er wird zu der Stimme dieses Leidens vor Gott, und macht auch uns zu dieser Stimme. Alles dieses findet in uns statt; Gott aber erhält alle unsere Vorrechte durch das, was Er in Sich Selbst ist. Dies ist der letzte Teil des Kapitels, von Vers 28 oder 31 an bis zum Ende. Gott ordnet alles zum Wohl derer, die nach Seinem Vorsatz berufen sind, denn das ist der Ursprung alles Guten und alles Glücks in uns und für uns.
Deshalb werden bei diesem schönen und kostbaren Höhepunkt die Heiligung und das Leben in uns ausgelassen. Der Geist hatte unsere Seelen über diesen Punkt am Anfang des Kapitels unterwiesen. Wenn Christus in uns ist, ist der Geist Leben, der Leib aber tot, und nun stellt Er die Ratschlüsse, die Vorsätze, die Handlungen, das Wirken Gottes Selbst dar, welche uns segnen und sichern, nicht aber das Leben in uns sind. Die innere Wirklichkeit wurde im vorherigen Teil ausgelegt, hier aber sind es die Gewissheit, die Sicherheit vermöge dessen, was Gott ist und was Seine Ratschlüsse sind. Er hat Seine Kinder zuvorerkannt, Er hat sie zu einer gewissen Herrlichkeit zuvorbestimmt, zu einer gewissen wunderbaren Segnung, nämlich dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig zu sein. Er hat sie berufen, Er hat sie gerechtfertigt, Er hat sie verherrlicht. Gott hat alles dieses getan. Es ist vollkommen und dauerhaft wie Der, der es gewollt und getan hat. Es fehlt kein Glied in der Kette alles dessen, was notwendig war, um ihre Seelen den Ratschlüssen Gottes gemäß an die Herrlichkeit zu binden.
Und welche Herrlichkeit! welch eine Stellung - so armselige Geschöpfe, wie die Erretteten es sind, sollen dem Bild des Sohnes Gottes Selbst gleichförmig werden! Dies ist tatsächlich der Gedanke der Gnade, nicht nur uns durch Jesum zu segnen, sondern uns mit Ihm zu segnen. Sündenlos kam Er in Liebe und Gerechtigkeit zu uns hernieder, um uns mit Sich in der Frucht Seines herrlichen Werks zu verbinden. Das war es, was Seine Liebe sich vorgesetzt hatte, nämlich dass wir mit Ihm dasselbe Teil haben sollten, und dies hatten auch die Ratschlüsse des Vaters (Sein Name sei dieserhalb gepriesen) beschlossen.
Das Ergebnis von allem für die Seele ist, dass Gott für uns ist. Holdselige und herrliche Folgerung, die dem Herzen einen unaussprechlichen Frieden verleiht, und eine Ruhe, die von der Kraft und Festigkeit Gottes abhängt - eine Ruhe, die alle Ängstlichkeit, die sie trüben könnte, ausschließt; denn wenn Gott für uns ist, wer kann wider uns sein? Und das Wesen dieser Dinge schließt jeden Gedanken irgendeiner Grenze der Großzügigkeit Gottes aus. Der, welcher Seinen Sohn hingegeben hatte, wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken? Übrigens in Bezug auf unsere Gerechtigkeit vor Gott oder auf Anklagen, die wider die Heiligen erhoben werden möchten, wie auch in Bezug auf alle Schwierigkeiten des Pfades, hat Gott Selbst gerechtfertigt: wer ist es, der verdamme? Christus ist gestorben, ist auferweckt, ist zur Rechten Gottes und verwendet Sich für uns: wer wird uns von Seiner Liebe scheiden? Die Feinde? Er hat sie schon besiegt. Höhe? Er ist dort für uns. Tiefe? Er ist dort gewesen, sie ist der Beweis Seiner Liebe. Schwierigkeiten? Wir sind mehr als Überwinder: sie sind die unmittelbare Gelegenheit zur Entfaltung dessen, was unsere Kraft ist. Drangsal versichert bloß dem Herz, dass uns nichts von der Liebe Gottes, welche in Jesu ist, scheiden kann. Alles andere ist die Schöpfung und vermag uns nicht von der Liebe Gottes zu scheiden - eine Liebe Gottes, die auch in das Elend der Schöpfung eingedrungen ist und den Sieg für uns über alles errungen hat. Somit sind die Erlösung und Freiheit und Sicherheit der Heiligen durch Gnade und Macht völlig ans Licht gebracht.
So wird also das Wesen Gottes auf dreifache Weise für uns entfaltet: im Geben, im Rechtfertigen und keiner möglichen Trennung. Zwei triumphierende Fragen erledigen die letzten zwei Punkte, über die das Herz leicht Fragen erheben könnte. Diese zwei Fragen werden aber so formuliert: Wer ist, der verdamme? Wer wird uns scheiden? Wer wird verdammen, wenn Gott Selbst rechtfertigt? Es heißt nicht, rechtfertigt vor Gott. Gott ist für uns. Die zweite Frage wird durch die kostbare Tatsache beantwortet, dass wir in allem, was uns scheinbar von Seiner Liebe scheiden könnte, im Gegenteil gesehen haben, wie Seine Liebe bewiesen wurde. Übrigens ist es das Geschöpf, das dazu neigt zu scheiden; die Liebe aber ist die Liebe Gottes. Der Anfang von Vers 34 sollte mit Vers 33 gelesen werden.
Hier sind wir zu einem völligeren erfahrungsgemäßen Zustand als in Römer 5 vorgerückt, indem wir dem folgten, was die Übungen einer Seele entfaltet, die zu erkennen lernt, was sie an sich ist, wie auch der Wirkung des Gesetzes und was es ist, mit Christo tot und durch Ihn lebendig und Ihm zugesellt zu sein, und, da wir in Ihm vor Gott sind, das Bewusstsein zu haben, dass Gott für sie ist. In Kapitel 5 ist mehr von der einfachen Gnade Gottes die Rede, von dem, was Er als über der Sünde stehend in Seiner eigenen gepriesenen Natur, in Seinen Gedanken zum Sünder hin ist. Hier haben wir mehr den Platz des Christen vor Gott, in Kapitel 5 dagegen mehr, was Gott einfach in der Gnade ist. In Kapitel 5 geht es mehr darum, was Gott so ist, wie dies durch das Werk Christi erkannt wird, in Kapitel 8 geht es mehr um unseren Platz in Christo vor Ihm. Glückselig, beides zu haben!
40 Der Leser wird verstehen, dass Jesus diese Stellung einnehmen und zur Sünde gemacht werden konnte, weil Er Selbst in jeder Hinsicht absolut von ihr ausgenommen war. Die Kraft der Auferstehung im toten Christus war die Kraft der Heiligkeit im lebendigen Christus. Es war auch die Macht jener Liebe, die Er während Seines Lebens entfaltete und die wir in Vollkommenheit in Seinem Tode erkennen. Er war der rechte Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens.↩︎
41 Abgesehen vom Fleisch ist das Leben, durch welches wir leben, tatsächlich Christus. Er ist unser Leben; was aber Leben betrifft, ist das, was wir vor Gott sind, das, wodurch wir hienieden leben. Unser Leben ist mit Christo in Gott verborgen, und Christus ist unser Leben hienieden. Deshalb kann Johannes, der Christus als dieses Leben entfaltet hat, sagen: „Der aus Gott geboren ist . . . kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist.“ Es ist derselbe Christus in uns wie auch im Himmel. Praktisch wird dieses Leben inmitten des Widerstandes des Fleisches entfaltet. Unsere Schwachheit - schuldige Schwachheit - kommt hervor, und das ist etwas ganz anderes.↩︎
42 Beachte hier, dass es am Anfang des Kapitels heißt, dass wir in Christo sind, hier aber dass wir im Geiste sind, also den Geist Christi haben, und dann „wenn anders Christus in euch ist“, denn es ist durch den Geist, dass wir in Christa sind. „Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit Ihm“ (vgl. Joh 14). Das aber verleiht unserem Leben und unserem Platz vor Gott den wahren Charakter. „In Christo und Christus in uns“ macht in vielen Stellen der Schrift die christliche Stellung aus, die auch durch das Wohnen des Heiligen Geistes in uns gekannt wird (vgl. Joh 14).↩︎
43 Beachte hier, dass Jesus der persönliche Name Christi ist. Obwohl es so wurde, ist Christus eigentlich ein Name einer Stellung, eines Amtes - der Gesalbte. Der, welcher Christum auferweckte, wird die Leiber derer, die mit Ihm verbunden sind, lebendig machen.↩︎
44 Doch wandelte Er hienieden natürlich immer als Sohn, und das nicht nur, als Er öffentlich Seinen Dienst antrat und als solcher kundgetan wurde, was wir daraus wissen, was im Tempel geschah, als Er ungefähr zwölf Jahre alt war. Wir sind ja Söhne, bevor wir den Geist der Sohnschaft empfangen. Weil wir Söhne sind, wird der Geist des Sohnes in unsere Herzen gesandt (Gal 4). Christus aber, indem Er in den vollen Bereich der Herrlichkeit als Mensch dem Vorsatz Gottes gemäß durch Sein Werk eindrang, empfing den Geist (Apg 2), um Ihn uns zu verleihen und um uns mit Sich dort zu verbinden↩︎
45 Wir werden späterhin sehen, dass der Kolosserbrief nur vom Leben redet, der Epheserbrief vom Heiligen Geist.↩︎
46 Wie viel vollkommener war darin das Mitgefühl Christi (in Ihm war alles absolut)! Denn obwohl Er als wahrhaftiger Mensch des Mitleids fähig war, war Er in Seinem eigenen Zustand nicht mit der gefallenen Schöpfung verbunden, wie wir es sind. Ein wahrhaftiger Mensch, empfand Er Mitleid mit ihr, aber als ein aus dem Geist geborener Mensch; als über dem Fleisch stehend, und durch den Glauben nicht mehr in ihm, sind wir tatsächlich mit ihm in dem irdenen Gefäß, in dem wir sind, immer noch verbunden.↩︎
47 Hier lesen wir im Text: „Wir wissen aber.“ „Wir wissen nicht, was wir bitten sollen wie sich‘s gebührt . . . wir wissen aber, dass . . . alle Dinge zum Guten (für uns) mitwirken.“↩︎
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Aus "Betrachtungen über den Brief an die Römer" von JND
Behandelter Abschnitt Röm 8
Diese Befreiung steht in der engsten Verbindung mit der Erlösung, nicht sowohl hinsichtlich der Vergebung, als vielmehr hinsichtlich unsres Gestorbenseins mit Christo. Wir haben schon gesehen, daß es zwei Hauptpunkte in dieser Erlösung gibt, nämlich die Vergebung der Sünden oder die Rechtfertigung, und die Befreiung:
Freiheit vor Gott, und Freiheit vom Joche der Sünde im Fleische. Wenn wir aber mit Christo gestorben sind, so sind wir der Sünde gestorben und sind nicht mehr im Fleische vor Gott. Das fleischliche Leben ist nicht mehr unsre Stellung, weil Christus, nachdem Er gestorben, unser Leben geworden ist. Die Sünde im Fleische ist verurteilt, verdammt – nicht vergeben – und zwar im Tode Christi auf dem Kreuze. Die Kraft des Lebens Christi ist in mir, ist mein Leben. Doch nicht allein das. Die Sünde im Fleische, die meine Qual war, ist schon verurteilt, aber in einem Andern, so daß es für mich wegen des Fleisches keine Verdammnis mehr gibt. Da wo diese Verdammnis, das Gericht des Fleisches, ausgeübt worden ist, ist der Tod eingetreten, und diejenigen, die in Christo Jesu sind, sind mit Ihm gestorben, so daß es für sie keine Verdammnis mehr gibt. Was an Ihm geschehen ist, ist an uns geschehen: Er ist der Sünde gestorben, und die Verdammnis ist vorbei. Das ist unser Zustand, betreffs der Sünde im Fleische. So klar wie im ersten Teile des Briefes von dem Wegtun der Sünden gesprochen wird, eben so klar wird hier das Wegtun der Sünde im Fleische und der Verdammnis vorgestellt; ja, für den Glauben ist das Fleisch selbst beseitigt, da wir gestorben sind.
Dieser Zustand wird in den drei ersten Versen des achten Kapitels beschrieben. Der Christ befindet sich in einer ganz neuen Stellung: er ist in Christo. Nicht allein hat sich die Gnade Gottes darin geoffenbart, daß die Sünden des alten Menschen vergeben sind, sondern auch seine Stellung ist eine ganz neue geworden: wir sind erlöst. Es heißt nicht: „Also ist jetzt keine Verdammnis mehr für die, welchen die Sünden vergeben sind,“ sondern: „für die, welche in Christo Jesu sind.“ Diese Stellung ist das Resultat des Werkes Christi, der Erlösung. Der Christ ist mit Christo aus der Stellung des Fleisches befreit, weil er mitgestorben ist und teil hat an dem Leben des auferstandenen und verherrlichten Christus. So steht er vor Gott nicht mehr als ein Kind Adams, verantwortlich im Fleische, sondern als einer, der diese Stellung wirklich verlassen hat durch den Tod, und der lebendig ist in Christo. Das Fleisch wird betrachtet als tot, als verdammt, als nicht mehr vorhanden, sondern als verschwunden im Tode Christi. Der Christ ist lebendig in Christo, er ist nicht mehr im Fleische (vgl. Gal 2,19+20).
Der Ausdruck: „das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu“ im zweiten Verse unseres Kapitels mag manchem Leser auffallend erscheinen. Es soll dadurch, wie ich glaube, angedeutet werden, daß der Geist des Lebens in Christo Jesu beständig und ununterbrochen nach ein und demselben Grundsatz wirkt, damit das Fleisch tot sei in dem Gläubigen, indem es in einem Anderen verurteilt wurde. Durch das Leben Christi und den Heiligen Geist ist der Gläubige in Christo. Wie könnte es da noch Verdammnis geben? Gott hat sich schon mit der Sünde im Fleische am Kreuze beschäftigt und ist jetzt, wenn man so sagen darf, fertig damit. Das neue Leben und der Heilige Geist geben dem lebendig gemachten Gläubigen seinen Platz in Christo; er ist erlöst und vor Gott lebendig in Christo. Es handelt sich hier nicht, wie schon gesagt, um die Vergebung der Sünden des alten Menschen, sondern um eine neue, lebendige Stellung in Christo. Das ist es, was in den drei ersten Versen des achten Kapitels dargestellt wird.
Nachdem im siebenten Kapitel die Erfahrung der ersten Stellung, sowie die Befreiung durch die Erlösung in Christo und die Fortdauer der zwei Naturen, als wirkliche Tatsache, beschrieben worden, wird in den drei ersten Versen des achten Kapitels die neue Stellung in Christo, im Gegensatz zu der Stellung im Fleische oder der Stellung im ersten Adam, dargestellt. Im ersten Verse – keine Verdammnis; im zweiten – die Kraft des Lebens; im dritten – die Verurteilung der Sünde im Fleische in Christo auf dem Kreuz. Was den zweiten Vers charakterisiert, ist das Leben in Christo nach der Kraft des Heiligen Geistes, und zwar als ein unaufhörlich wirkender Grundsatz. Den dritten kennzeichnet die Verurteilung der Sünde im Fleische im Sündopfer Christi. Die Sünde ist zwar noch da, und wenn wir nicht treu sind, wenn wir nicht praktisch das Sterben des Herrn Jesu umher tragen, so ist sie wirksam in uns; wir verlieren die Gemeinschaft mit Gott und entehren den Herrn durch unseren Wandel, indem wir nicht nach dem Geiste des Lebens wandeln, würdig des Herrn. Aber wir stehen nicht mehr unter dem Gesetz der Sünde, sondern, mit Christo gestorben und eines neuen Lebens in Ihm und des Heiligen Geistes teilhaftig geworden, sind wir von diesem Gesetz befreit; wir befinden uns in einer neuen Stellung, sind in dem zweiten Adam vor Gott, und unser naturgemäßer Wandel ist nach dem Geiste – nicht nach dem Fleische. So wird das Gesetz Gottes und sein Recht in uns erfüllt. Darüber hinaus geht die Lehre hier nicht, weil man das Gesetz wollte. Das Gesetz aber ist nicht der Maßstab des christlichen Wandels; es wird nur gesagt, daß der, welcher nach dem Geiste wandelt, es erfüllt. Als ich im Fleische war, konnte ich es nicht erfüllen, weil das Fleisch sich dem Gesetz nicht unterwirft, es auch nicht vermag, sondern nur seinem eigenen Willen folgt. Der Geist aber wird uns sicher nicht in das leiten, was gegen das Gesetz Gottes ist. Das Gesetz wird praktisch erfüllt, indem wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Leitung des Geistes stehen. Wir stehen unter dem Einfluss des Geistes, und es handelt sich nicht um ein Gesetz außer uns, sondern um eine Natur in uns, die den für sie passenden Gegenstand besitzt. Die, welche nach dem Geiste leben, dem neuen Menschen gemäß, begehren die Dinge, die des Geistes sind; die aber, welche nach dem Fleische sind, sinnen auf die Gegenstände der fleischlichen Gelüste. Es handelt sich nicht um ein auferlegtes Gesetz, sondern um eine neue Gesinnung, die Gesinnung einer Natur, welche vom Geiste geboren ist und das sucht, was geistlich ist – eine heilige Freiheit, indem der Mensch, als gestorben mit Christo, vom Joche der Sünde befreit ist, eine aus Gott geborene heilige Natur besitzt, heilige Gegenstände vor Augen hat und eine Wohnung des Heiligen Geistes ist, der im Herzen heilige Gedanken hervorbringt und die Dinge offenbart, welche droben sind. Die Gesinnung des Fleisches ist der Tod der Seele, hat keine Frucht und trennt die Seele von Gott, sowohl jetzt, als in der Ewigkeit. Die Gesinnung des Geistes aber ist Leben, eine Quelle in uns, die in das ewige Leben quillt und die Seele mit Frieden erfüllt. Die Gesinnung des Fleisches lehnt sich gegen die Autorität Gottes auf. Weil sie die Tätigkeit des natürlichen Menschen ausmacht, so hat sie es mit dem Gesetz zu tun, welches der Ausdruck dieser Autorität Gottes über den Menschen und die Richtschnur seiner Verantwortlichkeit als Geschöpf Gottes ist. Aber sie unterwirft sich dem Gesetz nicht und vermag es auch nicht, weil der eigene Wille seinen eigenen Weg gehen will; auch liebt sie durchaus nicht das, was Gott wohlgefällt. So können also die, welche im Fleische sind, welche sich vor Gott in der Stellung des ersten Adam befinden und nach dem Leben des ersten Adam wandeln, Gott nicht gefallen.
In Vers 9 begegnen wir einem sehr wichtigen Grundsatz. Wann kann jemand sagen: ich bin nicht im Fleische? Antwort: wenn der Heilige Geist in ihm wohnt. Es kann jemand bekehrt sein, sich aber noch in dem im siebenten Kapitel beschriebenen Zustand befinden, wie z. B. der verlorene Sohn, bevor er seinem Vater begegnet war. Er war bekehrt und auf dem rechten Weg; doch wollte er nur ein Tagelöhner seines Vaters werden. Sobald er aber mit dem Vater zusammengetroffen war, hören wir nichts mehr davon, sondern nur von dem, was sein Vater war und was derselbe für ihn tat. Die Befreiung findet statt durch das persönliche Bewusstsein dessen, was der Vater ist, gekannt in Christo Jesu, durch das Bewusstsein der Erlösung. Und dieses Bewusstsein findet sich nur in einer Seele, in welcher der Heilige Geist wohnt. Ein bekehrter Mensch ist als solcher erst dann in der christlichen Stellung, wenn er gesalbt worden ist. Gewissen und Herz waren bei dem verlorenen Sohn, als er sich auf dem Wege zum Vaterhaus befand, durch die Gnade erreicht und richtig geleitet; aber er war noch nicht mit dem vornehmsten Kleid bekleidet und kannte auch das Vaterherz noch nicht. Er trat erst dann in die christliche Stellung ein, als er den Vater erreicht hatte, und von diesem Augenblick an hören wir nichts mehr von ihm, sondern nur von dem Vater. Vorher war sein Zustand nicht passend für das Haus.
In Vers 10 sehen wir die andere Seite des christlichen Verhältnisses. Im Anfang des Kapitels heißt es: „welche in Christo Jesu sind,“ und hier: „wenn Christus in euch ist.“ Der Christ ist also einerseits „in Christo,“ und andererseits ist „Christus in ihm.“ In Christo sind wir nach Seiner Vollkommenheit vor Gott; Christus in uns ist der Grund und Maßstab unserer Verantwortlichkeit, wobei Er aber die Quelle unserer Kraft ist, und zwar nach dem, was im Anfang des Kapitels gesagt worden ist. Ein Christ ist ein Mensch, der nicht allein neu geboren ist – was durchaus notwendig ist – sondern in welchem auch der Heilige Geist wohnt. Dieser lenkt den Blick des Gläubigen auf das Werk Christi und lehrt ihn den Wert desselben würdigen; Er gibt ihm das Bewusstsein, daß er in Christo ist und Christus in ihm (Joh 14), und erfüllt sein Herz mit der Hoffnung der Herrlichkeit, mit der Gewissheit, daß er gleich Christo und bei Christo sein wird für immer und ewig. Wenn der Bekehrte weiß, daß seine Sünden vergeben sind, wenn er „Abba, Vater!“ rufen kann, wenn er das Bewusstsein hat, daß es für ihn keine Verdammnis mehr gibt, so ist er befreit; er steht in der Freiheit vor Gott und ist befreit von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Aber er ist erst dann ein vollendeter Christ, vollkommen, wenn er durch den Heiligen Geist versteht, daß er die Stellung Christi einnimmt, daß Gott in derselben Weise sein Vater und sein Gott ist, wie Er der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi ist – wenn er versteht, daß er aus der Stellung Adams in die Stellung Christi hinüber gegangen, daß er mit Christo gestorben ist und also selbst nicht mehr lebt, sondern Christus in ihm (Galater 2,20).
Diese Freiheit wird im Römerbrief ganz klar vorgestellt und entwickelt, doch nur insofern, als der Gläubige darin betrachtet wird, als mit Christo gestorben und Christum als sein Leben besitzend, wodurch er befreit worden ist von dem Gesetz der Sünde sowohl, als auch von dem mosaischen Gesetz, weil dieses über einen Menschen herrscht, so lange er lebt, und nicht weiter gehen kann. Der Brief behandelt jedoch nicht die Ratschlüsse Gottes und die Herrlichkeit unserer neuen Stellung. Wohl geben die Verse 29 und 30 des achten Kapitels einen Anknüpfungspunkt für diese Lehre; im allgemeinen aber behandelt der Brief die Verantwortlichkeit des Menschen, sowie das, was Gott getan hat, um uns von unserer Schuld zu reinigen und zu rechtfertigen, und er lehrt zugleich, wie wir durch unser Gestorbensein mit Christo vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit sind. Jene beiden Verse eröffnen einen etwas weiteren Blick, doch wird die neue Stellung nicht näher entwickelt. Der Brief geht nicht über die Wahrheit hinaus, daß wir durch Christum lebendig gemacht sind; er redet nicht von unserer Auferweckung mit Ihm. Diese – den Ausgangspunkt unserer neuen Stellung – müssen wir im Kolosserbrief suchen. Der Epheserbrief entwickelt diese Lehre dann noch weiter, jedoch von einem anderen Gesichtspunkt aus. Dort hören wir nicht, daß ein Kind Adams sterben und auferstehen muß, und daß der Gläubige gestorben ist, obwohl er als auferstanden mit Christo dargestellt wird. Der unbekehrte Mensch wird vielmehr in dem Epheserbrief betrachtet als tot in den Sünden, und alles ist eine neue Schöpfung. Wir finden darin alle die Ratschlüsse Gottes, sowohl in Bezug auf die mit Christo auferstandenen Gläubigen, als auch in Bezug auf Christum selbst, auf die Kinder Gottes und unsere Einheit mit Christo, als Sein Leib.
Es wird gut sein, zu bemerken, daß, wie in den ersten drei Versen des achten Kapitels die Grundsätze der Befreiung dargestellt sind, so in den acht folgenden Versen der praktische Charakter und das Resultat der Befreiung beschrieben wird. Der Heilige Geist ist wirksam in dem neuen Leben, anstatt eines außerhalb stehenden Gesetzes, dem selbst das Fleisch einen unüberwindlichen Widerstand entgegen setzte. Der Geist versieht das neue Leben mit himmlischen Gegenständen, in welchen dasselbe seine Freude und Ernährung findet. „Die Gesinnung des Geistes ist Leben und Frieden.“ Dies alles ist abhängig von dem Wohnen des Heiligen Geistes in uns. „Wenn jemand den Geist Christi nicht hat, der ist nicht Sein.“ Wir haben schon gesagt, daß der Zustand eines solchen demjenigen des verlorenen Sohnes gleich sei, bevor derselbe seinen Vater gefunden hatte. Wenn dagegen der Geist des Christus in dem Bekehrten wohnt, so ist der Leib für ihn tot, der Sünde wegen, der Geist aber Leben, der Gerechtigkeit wegen. Wenn der Leib lebt kraft seines eigenen Lebens, so bringt er nichts als Sünde hervor; der geistliche Mensch hält ihn nach Kapitel 6 für tot.
Der Geist ist von dem neuen Leben nicht zu trennen. Er ist die Quelle des Lebens und charakterisiert dasselbe. Weil nun der Geist Dessen, der Jesum auferweckt hat, in uns wohnt, so wird Der, welcher Christum aus den Toten auferweckt hat, auch unsere sterblichen Leiber auferwecken wegen Seines in uns wohnenden Geistes. Das ist das gesegnete Ende des Lebens des Geistes in Christo Jesu, oder vielmehr der Anfang desselben in seiner wahren Vollkommenheit. Der Geist ist Gottes Geist. Gott hat Jesum, die menschliche Person, auferweckt; Jesus ist Sein persönlicher Name. Er lag aber nicht für sich unter den Toten; Christus ist Sein Name, als für andere gekommen. Wenn deshalb der Geist Gottes in uns wohnt, so wird Der, welcher Ihn, den Erstgeborenen, auferweckt hat, auch die erlösten Schafe auferwecken.
Dem Heiligen Geist werden hier drei charakteristische Namen beigelegt: Geist Gottes (V.9) im Gegensatz zum Fleische; Geist Christi, als die Bildungskraft des neuen Menschen, und Geist Dessen, der Christum aus den Toten auferweckt hat, weil Er das Unterpfand der Auferstehung in uns ist.
Der herrliche Zweck der befreienden Gnade ist erreicht. Die Umstände, welche uns umgeben, bleiben freilich dieselben, und unsere Stellung vor Gott in Verbindung mit diesen Umständen wird in den folgenden Versen des achten Kapitels dargestellt. „So sind wir denn nicht Schuldner dem Fleische, um nach dem Fleische zu leben.“ (Vers 12) Dasselbe hat uns in einen üblen Zustand und in eine üble Stellung gebracht; auch sind wir nicht mehr im Fleische, sondern von demselben befreit durch die Erlösung; wir sind durch des Erlösers Tod in eine neue Stellung gebracht, wovon wir durch die Kraft des in uns wohnenden Heiligen Geistes auch das Bewusstsein haben. Die zwei Leben, die zwei Grundsätze stehen zu einander in schroffem Gegensatz, und es ist wichtig zu beachten (was schon im zweiten Kapitel als Grundsatz aufgestellt wurde), daß diese Naturen da, wo sie wirksam sind, ihre naturgemäßen Folgen hervorbringen. Ich kann das Fleisch durch den Geist überwinden. Ich habe das Recht und die Pflicht, es für tot zu halten. Aber wenn das Fleisch lebt, so bringt es den Tod hervor, und wenn ich nach dem Fleische lebe, so ist der Tod mein Los. Die Natur und die Wirkung dieser Natur – ihre Folge – ist immer dieselbe: Gott kann mir eine neue Natur geben, und – Sein Name sei dafür gepriesen! – Er gibt sie mir in Christo, und zwar in einer Weise, daß ich dadurch teil habe an der Errettung, und daß ich durch die Kraft des Geistes die alte Natur überwinden und nach dem Geiste wandeln kann. Aber die Natur des Fleisches ist nicht verändert, noch auch an und für sich die Folge derselben: wenn ich nach dem Fleische lebe, so muß ich sterben. Die Gnade erlöst, gibt mir ein neues Leben, worin ich nach dem Geiste wandle und das Fleisch für tot halte, und gibt mir endlich die Herrlichkeit. Dieses neue Leben aber lebt nicht nach dem Fleische, ja es kann nicht danach leben. Wenn ich nach dem Fleische lebe, so sterbe ich, entfernt von Gott; denn die Frucht und der Lohn des Lebens des Fleisches ist der Tod. Wenn ich aber durch den Geist die Handlungen des Leibes töte, so lebe ich und werde für immer leben mit Gott, von dem dieses Leben meiner Seele zufließt, und dessen Geist die Kraft und der Leiter dieses Lebens ist.
Dies gibt dem Apostel Anlass, von der Stellung derer zu reden, die durch den Geist Gottes geleitet werden, und zwar zunächst von ihrem Verhältnis zu Gott. Der Geist, den sie empfangen haben, ist der Geist der Kindschaft; sie besitzen Ihn, weil sie Kinder sind. Aus diesem Verhältnis aber entspringen ausgedehnte Segnungen: „wenn sie Kinder sind, so sind sie auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi.“ Indessen ist der Zustand der Kreatur, die uns hienieden umgibt, und in Sonderheit der Zustand unseres eigenen Leibes, noch nicht wiederhergestellt. Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott; gleicherweise ist auch die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Ihn. Die Grundsätze des Fleisches wie der Welt leisten uns Widerstand; beide sind der Knechtschaft des Verderbnisses unterworfen. Weil die Welt, welche wir zu durchpilgern haben, von Gott entfernt und unter der Herrschaft Satans ist, so gibt sie uns zahllose Quellen der Trauer und des Schmerzes. Der Herr war in dieser Welt „ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut.“ Eine Welt der Sünde, gegenüber Seiner Heiligkeit – eine Welt der Trauer und der Leiden, gegenüber Seiner Liebe – konnte für Sein Herz nur eine Quelle der Trauer und der Leiden sein. Er stand vereinzelt und allein in einer solchen Welt und wurde nicht einmal von Seinen Jüngern verstanden. Während Er voll von Mitgefühl war für alle, fand Er für sich nirgendwo Mitgefühl. Wenn ein solches je einmal die Finsternis des menschlichen Herzens durchbrach, so war dies etwas so Wunderbares, daß der Herr sagt: „Wo immer das Evangelium gepredigt werden wird in der ganzen Welt, da wird auch gesagt werden, was diese getan hat, zu ihrem Gedächtnis“ (Mk 14,9). Können wir, wenn wir den Geist Christi haben, durch dieselbe Welt gehen, ohne ihren Zustand zu fühlen? Sollten unsere Herzen nicht traurig sein, wenn wir auf Schritt und Tritt die Herrschaft der Sünde erblicken und täglich die Leiden des sündhaften Menschen vor Augen haben? Wenn wir sehen, daß alles der Knechtschaft des Verderbnisses unterworfen ist? Die Zeit wird kommen, wo unsere Augen die allgemeine Segnung der Welt sehen und wo wir uns mit Gott selbst darin erfreuen werden. Jetzt aber können wir, als solche, die im Herzen erneuert und befreit sind, nur leiden inmitten einer unbefreiten Schöpfung.
Beachten wir jedoch, daß dies ein Leiden ist mit Christo, nicht für Ihn. Die Leiden für Christum sind ein Vorrecht, eine besondere Gabe Gottes (Phil 1,29). Man kann kein Christ sein, ohne mit Christo zu leiden; denn wie könnte der Geist Christi eine Gesinnung in uns hervorrufen, verschieden von derjenigen, welche in Christo war, als Er diese arme Welt durchpilgerte? Die Herrlichkeit der Kinder Gottes ist ein Gegenstand der Hoffnung; jetzt werden die Leiden Christi in Schwachheit wieder hervorgebracht in einem Herzen, in welchem Christus wohnt. Wir leiden da, wo Christus gelitten hat, als Miterben des Reiches der Liebe, worin alles Freude und Wonne sein wird. Obwohl wir jetzt schon Kinder, oder vielmehr Söhne, und deshalb auch Erben sind, so besitzen wir doch die Erbschaft noch nicht, ja, wir können sie noch nicht besitzen, da dieselbe jetzt noch verdorben und verunreinigt und in diesem Zustand nicht passend ist für uns. Christus sitzt zur Rechten Gottes, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind. Dann werden wir mit Ihm herrschen und Ihm gleich sein.
Deshalb konnte der Apostel, der wohl wusste, was Leiden sind, sagen: „Ich halte dafür, daß die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden wird.“ Wir besitzen das Verhältnis der Sohnschaft und haben auch das Bewusstsein dieses Verhältnisses und deshalb keine Furcht mehr. Wo Furcht ist, da ist die Kenntnis dieser Stellung nicht im Herzen. Der Geist in uns ruft: „Abba, Vater!“ und kann nichts anderes rufen, denn Er ist erst gekommen, nachdem alles das vollbracht war, was uns in dieses Verhältnis versetzt hat. Christus hat uns Seine eigene Stellung vor Gott gegeben. Nachdem Er alles vollbracht hatte, was erforderlich war, sowohl für die Herrlichkeit Gottes, als auch für unsere Erlösung, und zwar da, wo es für beides geschehen musste, nämlich in der Stellung der Sünde – „zur Sünde gemacht“ – ist Er als Mensch in den Himmel hinaufgestiegen. Ein Mensch ist in Ihm eingegangen in die Herrlichkeit Gottes, jenseits der Sünde, jenseits des Todes, jenseits der Macht Satans, jenseits des Gerichts Gottes über die Sünde, so daß Er den Jüngern durch Maria Magdalena die Botschaft senden konnte: „Sage meinen Brüdern: ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Darauf sandte Er den Heiligen Geist hernieder, als die gesegnete Folge dieses Hinaufsteigens des Menschen in den Himmel, nachdem Er alles zu unserer Erlösung vollbracht hatte. Dieser Geist wohnt in den Gläubigen, die dem Werte Seines Blutes vertrauen, so daß ihr Leib ein Tempel Gottes ist (1Kor 6). Sie sind durch den Geist versiegelt und haben das Unterpfand des Erbteils, das Bewusstsein, Kinder Gottes zu sein. Er vergegenwärtigt Christum, der im Himmel ist, und läßt uns die unsichtbaren Dinge genießen. Er kann deshalb unmöglich ein Geist der Furcht oder der Knechtschaft sein.
Der Geist aber wirkt zweierlei in uns: Er lehrt uns die Herrlichkeit, die vor uns steht, würdigen, und gibt uns das Gefühl, daß die Leiden, in welche wir durch das Streben, diese Herrlichkeit zu erlangen, und durch die Treue für Christum gebracht werden – nicht wert sind, verglichen zu werden mit der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll, so daß wir mit Ausdauer und getrostem Mut den Weg Gottes gehen können. Desgleichen nimmt Er sich auch unserer Schwachheit an, auf daß wir Gott gemäß teil nehmen an diesen Leiden und unser Herz durch den Geist das Gefäß des Mitgefühls ist, dem Herzen Christi entsprechend, indem wir durch unser Seufzen dem Seufzen der leidenden Kreatur zu Gott einen Ausdruck geben. Welch ein köstliche Stellung, auf diese Weise die Herrlichkeit und die Liebe Dessen, der in die Mitte der leidenden Schöpfung hernieder kam, verwirklichen zu können, so daß unsere Herzen, indem wir dem Leibe nach teil haben an der gefallenen Schöpfung, durch den Geist der Mund der ganzen Schöpfung sein und ihrem Seufzen zu Gott einen gottgemäßen Ausdruck geben können! Mit diesem Gefühl war das Herz Christi in völliger Liebe und in Vollkommenheit erfüllt. Weil Er, obgleich wahrhaftiger Mensch, persönlich durchaus frei war von der Sünde, die diese Leiden über die Schöpfung gebracht hatte, so war Sein Mitgefühl mit den Folgen der Sünde für uns umso vollkommener. „Er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat Er auf sich geladen“ (vgl. Mt 8,17). Als Er an der Gruft des Lazarus die Maria und alle die Juden weinen sah, seufzte Er tief im Geiste und erschütterte sich. [Die beiden an dieser Stelle in dem griechischen Urtext gebrauchten Wörter sind sehr starke Ausdrücke für eine innere Bewegung.] So ist es auch uns, obgleich wir als gefallene Menschen in Schwachheit und Unvollkommenheit sind, durch den in uns wohnenden Geist gegeben, teil zu nehmen an den Leiden der Kreatur, und zwar nicht in der Ungeduld der Selbstsucht, weil wir selbst leiden, sondern Gott gemäß. Die Darstellung, die uns der Apostel von dem Zustande der uns umgebenden Schöpfung gibt, wird diese Erfahrung klarer machen. Obgleich wir in dem Vorhergehenden schon verschiedene Punkte betrachtet haben, so können wir doch noch einmal mit dem 19.Verse beginnen.
Es ist schon gesagt worden, daß wir in der Welt zu leiden haben, weil alles in der Sünde liegt und in Unordnung ist, während wir zu Gott zurückgebracht sind; und ferner, daß wir auch im Herzen zu leiden haben, weil wir inmitten einer unbefreiten Schöpfung wohnen. Die Augen des Glaubens aber sind auf die vor uns liegende Herrlichkeit gerichtet, und sowohl diese erfreuliche Aussicht, als auch unsere Gemeinschaft mit Gott, die wir schon hienieden genießen, läßt uns fühlen, daß alles um uns her unversöhnt ist.
Diese Schöpfung erwartet ihre Erlösung; aber sie kann nicht eher befreit und wiederhergestellt werden, bis die Kinder Gottes in der Herrlichkeit des Reiches bereit sein werden, sie als Miterben Christi in Besitz zu nehmen. Christus sitzt zur Rechten Gottes, bis diese Miterben gesammelt sind. Es ist ein köstlicher Gedanke, daß, wie wir die irdische Schöpfung unter die Knechtschaft des Verderbnisses gebracht haben, sie auch jetzt auf unsere Verherrlichung warten muß, um wiederhergestellt und von dieser Knechtschaft befreit zu werden (V. 19).
Nicht der Wille der Kreatur hat sie dieser Knechtschaft unterworfen; wir haben es getan – aber auf Hoffnung; denn dieser Zustand wird nicht immer bleiben; die Schöpfung wird wiederhergestellt werden. Gott beginnt jedoch in den Ratschlüssen Seiner Gnade mit den Schuldigen, mit den am weitesten Entfernten – mit denen, an welchen Er in den kommenden Zeitaltern den überschwänglichen Reichtum Seiner Gnade in Güte gegen uns in Christo Jesu erweisen will (Eph 2,7; vergl. Kol 1,20+21). Die Kreatur könnte, weil sie nur physisch ist, nicht in die Freiheit der Gnade eintreten; sie muß die Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes erwarten. Wenn diese befreit sind und ihre Leiber, die zu der Kreatur gehören, umgewandelt und verherrlicht sein werden und wenn Satan gebunden ist, dann wird auch die Kreatur freigemacht werden von der Knechtschaft des Verderbnisses, in welcher sie gefangen liegt.
Denn wir wissen – wir, die wir in der christlichen Lehre unterrichtet sind – daß die ganze Kreatur zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt. Wir wissen dies aber noch viel mehr, weil wir die Erstlinge des Geistes haben, und – „wir seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung unseres Leibes.“ So harren wir darauf, das zu besitzen, was errettet ist in Hoffnung; nicht allein das ewige Leben, als Leben, zu besitzen – dieses haben wir schon – sondern verherrlicht zu werden, indem unser Leib, der zu der Kreatur gehört, umgewandelt wird und wir Christo, dem Herrn, gleich gestaltet werden, nach der Kraft, womit Er alle Dinge sich zu unterwerfen vermag (Phil 3,21).
Der Friede ist also gemacht, unsere Sünden sind hinweggetan, wir haben ein neues Leben, besitzen das Unterpfand des Geistes, die Herrlichkeit liegt vor uns in Hoffnung, und wir werden dem Herrn gleich sein. So lange wir jedoch diese Herrlichkeit noch nicht erreicht haben, seufzen wir mit der Kreatur. Denn indem wir unsere herrliche Hoffnung verwirklichen, fühlen wir, da wir durch unseren Leib mit der gefallenen Schöpfung verbunden sind, den traurigen Zustand der ganzen Schöpfung. Frei vor Gott, frei vom Gesetz der Sünde und des Todes, erfüllt mit der Hoffnung der Herrlichkeit, werden wir durch die Kenntnis dieser Herrlichkeit und der vollkommenen Befreiung der Kreatur zu einem Seufzen gebracht, welches die Stimme ihres Seufzens zu Gott ist. Unser Seufzen aber ist nicht eine Klage, eine Frucht der Unzufriedenheit, sondern die Wirkung des Heiligen Geistes im Herzen. Dieser Geist richtet unsere Blicke auf die Herrlichkeit, wo wir keinen Anlaß mehr zum Seufzen haben werden, und läßt uns nach der Liebe Gottes das Leid einer geknechteten Schöpfung fühlen; wir fühlen es mit, da wir mit unserem Leibe noch zu ihr gehören. Der Geist Gottes, der in uns wohnt, bildet diese Gefühle Gott gemäß. Gott erforscht das menschliche Herz, und in dem Herzen des befreiten Christen findet Er diese Wirkung des Geistes. Der Geist selbst ist da die Quelle des göttlichen Mitgefühls mit einer seufzenden Schöpfung (V.27).
Die Blicke des Christen werden durch den Heiligen Geist, der in ihnen wohnt, nach oben gerichtet, auf die Herrlichkeit und die Ruhe Gottes, wo alles Segnung ist. Er verwirklicht das, was vor ihm liegt, mit Freude. Da er aber noch im Leibe ist, so fühlt er um so mehr den Zustand der gefallenen Schöpfung, nimmt teil an ihrem Seufzen und macht sich dadurch zur Stimme der seufzenden Schöpfung vor Gott. Doch geschieht sein Seufzen im Geiste der Liebe, Gott gemäß, weil er in seinem Verhältnis zu Gott vollkommen frei ist. Hinsichtlich seines Zustandes ist er errettet in Hoffnung; vor Gott aber ist sein Herz frei, im Bewusstsein Seiner Liebe. Er kann sich freuen in Hoffnung, in der Hoffnung der Herrlichkeit; sein Gewissen ist vollkommen; die Liebe Gottes ist ausgegossen in sein Herz durch den Heiligen Geist. Und so kann er nach dieser Liebe an dem allgemeinen Elend, das ihn umgibt, teilnehmen. Er weiß zwar nicht, um was für ein Heilmittel er bitten soll; vielleicht gibt es keins. Aber die Liebe kann die Bedürfnisse ausdrücken und tut es nach der Wirkung des Geistes; und obgleich der Christ nicht weiß, um was er bitten soll, so findet doch Der, welcher die Herzen erforscht, in seinem Seufzen die Gesinnung des Geistes; denn der Geist ist es, der im Grunde des Herzens den Gefühlen des Bedürfnisses Ausdruck gibt. Dies ist umso mehr Mitgefühl, da wir selbst noch im Leibe sind und also in unserem eigenen Zustand einen Teil der seufzenden Schöpfung ausmachen und auf die Erlösung unseres Leibes warten.
Doch obgleich wir oft nicht wissen, um was wir bitten sollen, so gibt es doch etwas, was wir vollkommen gewiss wissen, nämlich, daß Gott alles zusammen wirken läßt zum Besten derer, die Ihn lieben, die Er nach Seinem Vorsatz berufen hat.
Welch ein Vorrecht ist uns durch die Gnade zu teil geworden, ein Vorrecht, das wir durch den Heiligen Geist genießen! Wir sind Kinder Gottes, kennen unser Verhältnis zu Gott und können es durch den Heiligen Geist verwirklichen; wir rufen „Abba, Vater!“, sind Kinder und deshalb Erben, „Erben Gottes und Miterben Christi.“ Der Geist offenbart uns unser Erbteil und läßt uns verstehen, was es ist: wir werden Christo gleich sein in der Ruhe Gottes und in Seiner eigenen Ruhe, vollkommen zur Ehre Christi, und werden mit Ihm herrschen über alles. Als Menschen auf der Erde richten wir unsere Blicke auf die Herrlichkeit Gottes, die unsere Hoffnung ist, und die wir mit Christo teilen werden, da, wo alles rein ist, der Reinheit Gottes gemäß. Im Blick auf diese niedrige Welt sind unsere Herzen von der Liebe Gottes erfüllt, in welcher wir an den Leiden der unbefreiten Schöpfung teilnehmen, und zwar Gott gemäß, so daß Der, welcher die Herzen erforscht, die Gesinnung des Geistes darin findet, welcher dieses Mitgefühl mit den Leiden der gefallenen Schöpfung in uns hervorbringt, auf daß wir durch unser Seufzen der Mund der Schöpfung vor Gott werden. Und weil wir aus Mangel an Erkenntnis nicht immer wissen, um was wir bitten sollen, so tröstet uns das Wort Gottes, indem es uns versichert, daß Gott nach Seinem eigenen Willen und nach Seiner eigenen Liebe alles zusammen wirken läßt zu unserem Besten.
Dieses führt den Apostel dahin, einige Worte über den Ratschluß Gottes zu sagen, obwohl dies nicht der Gegenstand des Briefes ist. Er spricht hier nur davon, um die Grundlage aller Segnungen zu zeigen. Sonst handelt der Brief, wie schon früher bemerkt, von der Verantwortlichkeit des Menschen, sowie von der Gnade und dem Werke Gottes, um uns von den Folgen dieser Verantwortlichkeit zu erretten.
Für die Berufenen ist Gott immer wirksam; denn Er hat sie zuvorerkannt, und die Er zuvorerkannt hat, die hat Er zuvor bestimmt, Seinem eigenen Sohn gleichförmig zu sein. „Welche Er aber zuvor bestimmt hat, diese hat Er auch berufen; und welche Er berufen hat, diese hat Er auch gerechtfertigt; welche Er aber gerechtfertigt hat, diese hat Er auch verherrlicht.“ Alles ist Gnade, und daher ist alles sicher. Deshalb beendigt Gott auch die Reihenfolge Seiner Gnadenerweisungen nicht eher, bis der Zweck erreicht ist: die Wirksamkeit der Gnade Gottes hört nicht eher auf, bis die Berufenen verherrlicht sind. Die ganze Lehre des Evangeliums führt uns auf Gott zurück und auf Seine Gedanken, die nicht fehlen und nicht verhindert werden können. Und da finden wir – Sein Name sei dafür gepriesen! – daß Gott für uns ist. Diese Lehre entwickelt hier der Apostel in Vers 31 – 39. Wir sehen den Beweis dafür, daß Gott für uns ist, zunächst in dem, was Er gibt, dann darin, daß Er uns rechtfertigt, und endlich darin, daß nichts uns von Seiner Liebe trennen kann. Dies ist die gesegnete Folgerung aus der ganzen Lehre des Briefes: „Gott ist für uns“, es ist die Quelle der Segnung; es ist die Folgerung des Herzens aus allem, was uns hier von Ihm geoffenbart wird. Nicht allein ist die Gerechtigkeit Gottes verherrlicht und befriedigt worden durch das Werk Christi, sondern wir sehen auch, daß die Liebe Gottes die Quelle von allem ist, und das verändert alle unsere Gedanken in Bezug auf Gott. Gerade in diesem Punkte war die Lehre der Reformatoren des sechzehnten Jahrhunderts mangelhaft. Ferne sei es von mir, den Wert dieser Männer herabsetzen zu wollen! Niemand könnte dankbarer sein für die Befreiung von dem Aberglauben, die uns durch die Reformation zu teil wurde, niemand den Glauben derer, die selbst ihr Leben um der Wahrheit willen aufgeopfert haben, höher schätzen, als ich es tue. Ich würde heute ja unmöglich über den Mangel ihrer Lehre ruhig schreiben können, wenn sie ihr Leben nicht freudig hingegeben hätten, um die Wahrheit aufrecht zu halten. Aber dennoch bleibt die Wahrheit in dem Worte Gottes immer dieselbe. Die Reformatoren lehrten zwar, daß Christus alles getan habe, was nötig war, um die Gerechtigkeit Gottes zu befriedigen, nicht aber, daß die Liebe Gottes das Lamm, Seinen eigenen Sohn, dahin gab, um das Werk zu vollbringen. Nach ihnen war Gott immer der Richter, wohl versöhnt mit uns durch das Werk Christi, nicht aber gekannt als Der, welcher uns lieb hatte, als wir noch Sünder waren. In Johannes 3,14 sagt der Herr: „Des Menschen Sohn muß erhöht werden;“ denn Gott ist ein heiliger und gerechter Gott. Dann aber folgt im 16.Verse die Ursache von allem: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gegeben.“ Die praktische Folgerung aus der Lehre der Reformatoren war – ohne daß sie dies vielleicht gedacht oder gewollt haben – daß die Liebe in Christo ist und Gott auf dem Richterstuhl sitzt als ein kalter Richter.
Aber „die Gnade herrscht durch die Gerechtigkeit.“ (Römer 5,21) Am Tage des Gerichts wird die Gerechtigkeit herrschen. Die Liebe hat die Gerechtigkeit Gottes zu unsern Gunsten in Christo festgestellt. Die Gerechtigkeit war nötig – die Liebe hat sie verschafft.
Wir wissen also, daß Gott für uns ist nach Seiner unendlichen Liebe und nach Seiner ewigen und unveränderlichen Gerechtigkeit. Der erste Beweis dafür ist, daß Er Seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns hingegeben hat; „wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken?“ Ja, wir können auf Ihn rechnen, daß Er uns alles Gute geben wird. Aber wie kann Er, der Heilige, für uns sein im Blick auf unsere Sünden? Gerade da haben wir gesehen, wie vollkommen Er für uns ist; denn Er hat ja eben für unsere Sünden Seinen Sohn gegeben. Wer wird wider die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott selbst rechtfertigt uns – wer wird uns verdammen? Beachten wir, daß hier alles Gott zugeschrieben wird. Es heißt nicht: wir sind vor Gott gerechtfertigt, sondern: „Gott rechtfertigt;“ so daß der Apostel wohl ausrufen kann: wer wird verdammen, wer es auch sei?
Dann verändert er in etwa die Form des Satzes. Er muß an Christum denken, und da sieht er durch Ihn auch alle Schwierigkeiten des Weges verschwinden. Nicht als ob sie nicht vorhanden wären; sie sind da, aber sie verschwinden, weil Er selbst alle Schwierigkeiten durchgemacht hat. Mensch geworden in Seiner Liebe, hat Er alle die Prüfungen des Weges, alle menschlichen Schmerzen, alles, wodurch der Feind dem treuen Diener Gottes auf dem Wege der Heiligkeit, selbst bis zum Tode, Widerstand leistet, erfahren. Nicht allein also überwinden wir durch Seine bewährte Kraft, sondern wir machen auch die Erfahrung Seiner Liebe in besonderer Weise. Die Leiden sind das Unterpfand einer besseren Herrlichkeit. Und weil Er als Mensch alles erfahren hat, so hat Er dadurch Seine unendliche Liebe als Gott erwiesen, und wir wissen, daß von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, uns nichts trennen kann.
In jeder Beziehung ist Gott für uns. Köstliche Wahrheit! Er hat Seinen eigenen Sohn gegeben – Er wird alles geben. Er selbst rechtfertigt uns – wer wird verdammen? Und von der Liebe, die sich also erwiesen hat, kann nichts uns trennen. Alles, was auf dem Wege zur Herrlichkeit wider uns ist, kann, als Kreatur, nicht größer sein, als Er, der Herr über alles ist. Gott ist für uns in Christo, in Dem, welcher alles überwunden hat. Nicht allein ist der Weg, auf dem Er gewandelt hat – als Mensch, um leiden zu können, und als Gott, um alle Liebe in den Leiden zu offenbaren – der Beweis Seiner Liebe, sondern, indem wir Ihm auf diesem Wege folgen, machen wir auch die Erfahrung Seiner Liebe. Nichts kann uns von dieser Liebe trennen.