Wir haben in Kapitel 7 zunächst die Lehre in den Anfangsversen gesehen; dann die Erörterung der Art und Weise, wie das Gesetz in dem Menschen wirkt, der wiedergeboren ist, aber die Befreiung nicht erkennt, mit der sie begonnen hat, nicht nur den Konflikt unter dem Gesetz, sondern die Entdeckung der zwei Naturen und außerdem der eigenen Ohnmacht, obwohl jemand erneuert ist – eine Erfahrung, die jedoch nicht in der völligen Erbärmlichkeit endet, die ihre unmittelbare Folge ist, sondern im Blick auf Gottes Befreiung in und durch Christus, obwohl die zwei Naturen trotzdem bestehen bleiben, jede mit ihren eigenen unveränderten Eigenschaften.
Der Anfang von Kapitel 8 ist in gewisser Hinsicht (wie in der Tat in einem größeren Sinn das ganze Kapitel) eine Zusammenfassung und Schlussfolgerung in Bezug auf die vorhergehende Argumentation. Dennoch werden die Argumentation und die Offenbarung der Wahrheit weiter vorangetrieben, obwohl es Anspielungen auf die Punkte gibt, die bereits in der Erörterung von Kapitel 5,12 bis zum Schluss von Kapitel 7 geklärt wurden. Man kann sich wohl nichts Bemerkenswerteres vorstellen als die großartig ausdrückliche und deutliche und umfassende Behauptung von Vers 1:
Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind (8,1).
Es ist die umfassende Wahrheit, die mit aller Klarheit für alle festgelegt wird, die an diesen neuen Ort der Annahme gesetzt sind – „in Christus Jesus“. Für solche könnte er nicht mehr sagen, er würde nicht weniger sagen, was die Frage betrifft, die uns beschäftigt; und was er sagt, ist absolut und zwingend gesagt. Es gibt absichtlich kein Schlupfloch, um die Befreiung zu verändern oder abzuschwächen.
Deshalb kann ich keineswegs mit denen übereinstimmen, die zugeben, dass die Klausel im erhaltenen Text und in der gewöhnlichen Übersetzung (d. h. also die letzte Hälfte in der Authorized Version) unwesentlich ist. Da ich sie aufgrund der besten und umfangreichsten Autorität für unecht halte, bin ich der Meinung, dass es für die Aussagekraft der Stelle von großer Bedeutung ist, dass die hinzugefügte Anmerkung abgelehnt werden sollte. Diese Worte sind von größtem Wert in Vers 4; sie sind ein Albtraum, ein totes Gewicht, in Vers 1. Hier würden sie notwendigerweise dazu neigen, als Qualifizierungsklausel zu wirken und jemanden auf eine Prüfung des Wandels als Mittel zur Bestätigung, dass man in Christus Jesus ist, zu werfen. Nun ist die Pflicht zum Selbstgericht meines Herzens und meines Lebenswandels freimütig anerkannt; aber es ist nicht der Weg, um festzustellen, dass ich in Christus bin. Wenn ich aus meinem Wandel und meinem Geist die Gewissheit eines solchen Zustands für mich ableiten würde, so wäre das in höchstem Maß selbstgerecht und anmaßend. Der Mensch, dessen Gewissheit auf der guten Einschätzung seiner eigenen inneren und äußeren Wege beruht, wäre ein Gebilde, das nicht beneidenswert, sondern von tiefstem Mitleid erfüllt wäre. Der wahre Ort des Selbstgerichts für den Christen ist nach der Schrift, dass wir, während wir daran festhalten, dass wir durch die Gnade in Christus sind und daher die höchsten Vorrechte besitzen, unsere Unzulänglichkeiten und ihre Ursachen erkennen sollten, um uns für praktische Ungereimtheiten jeder Art, gemessen an diesem erhabenen Maßstab, zu demütigen. Wenn es hier eingeführt würde, würde es alle Wahrheit beseitigen, alle Gnade beeinträchtigen und schließlich alle Quellen der Kraft im Wandel zerstören.
Die Stelle leugnet also in ihrer wahren Form jede Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Es sind nicht die Sünden, die bewiesen werden, noch die Sünden, die in der Gerechtigkeit Gottes durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist, vergeben werden; auch ist es nicht einmal die Liebe Gottes, die gezeigt wird, um so mehr, weil der Mensch ein gottloser und kraftloser Sünder ist. All dies gilt im Blick auf den Sünder als solchen, obwohl er an Jesus glauben soll. Aber hier wird der alte Mensch als gekreuzigt angesehen und der Gläubige als mit Christus gestorben und lebend für Gott aufgrund dessen, der von den Toten auferstanden ist. Mit einem Wort, sie werden als an einem ganz neuen Ort sich befindend betrachtet, in Christus Jesus, wo die Verdammnis nicht ist und auch nicht sein kann. Es ist keine Frage des Grades, sondern eine absolute Tatsache, die für alle echten Christen gilt. Sie sind einer wie der andere in Christus Jesus und außerhalb des Bereichs der Verdammnis. Zu sagen, dass er in dem Maß, in dem er vom Geist Christi durchdrungen ist, frei von Verdammnis ist, geht an der hier offenbarten Wahrheit vorbei, wie bedeutsam es für den Christen auch sein mag, so durchdrungen zu sein. Aber hier ist es – ich wiederhole es – eine Frage des Platzes ist, den die Gnade Menschen in Christus gibt, und nicht des Maßes, in dem sie es in Empfindungen und Wegen verwirklichen. „In Christus“, richtig verstanden, schließt jede Frage des Grades oder des Zweifels als nicht vergleichbar aus. Bringst du den Wandel hinein, und darin finden wir sofort reichlich Gründe, ich will nicht sagen für Zweifel (der immer unberechtigt und nutzlos ist), sondern für Trauer und Demütigung, und zwar umso mehr, da wir „in Christus Jesus“ sind.