Behandelter Abschnitt Phil 3,7-8
Gewinn und Verlust (Phil 3,7-8)
All die Vorzüge, die Paulus aufzählt, und die weit größer waren als jene, deren sich seine Gegner rühmten, wie Abstammung, Erziehung, Gesetzesbeobachtung, Eifer und Gerechtigkeit, waren auch einmal des Apostels Ruhm. Warum sind sie es jetzt nicht mehr? Durch Jesum, der ihm vor Damaskus erschienen war, hatte er erkannt, dass alle fleischlichen Vorzüge Eitelkeit sind, und ein Haschen nach Wind (Pred 1). Paulus hatte in diesen Dingen sogar ein Hindernis erblickt, weil sie Christus und Sein Werk verdunkeln und dem Herzen keineswegs Frieden zu geben vermögen. Im Gegenteil, all die Vorzüge waren nur frommer Ballast, der ihn nach alledem noch zum unduldsamen Verfolger, ja, sogar zum Lästerer machte (1Tim 1,13). Für ihn waren diese Vorzüge nun nichts weiteres mehr als Kot, weil sie ihn von der Gemeinschaft mit Jesus trennten. Genau so ergeht es noch heute einem jeden, in dessen Herzen Christus durch den Glauben wohnt. Seit jener Damaskusstunde hatte Paulus in Christo so unergründliche und unerforschliche Reichtümer entdeckt, dass er, wie ein weiser Kaufmann, alles einsetzte, um sie in noch größerem Maße zu besitzen (Mt 13,45.46). Paulus kannte nur noch eines als wirklich erwähnenswerten Ruhm „Christus und Sein Kreuz“ (1Kor 2,2; Gal 6,14). Er verstand je länger je mehr, dass in Christo die Fülle ist, ja, alle Schätze der Weisheit verborgen sind.
I. Was mir Gewinn war.
Sämtliche in den Versen 5 und 6 aufgezählten Vorzüge gehörten für Paulus der Vergangenheit an. Seine Kollegen werden den Kopf über ihn geschüttelt und ihn als einen Toren bezeichnet haben. Aber Paulus war gern ein Narr um Christi willen. Als Pharisäer hatte er weit größere Aussichten, etwas Großes in dieser Welt zu werden, mehr als seine Zeitgenossen, die sich nichtiger Dinge rühmten. Sie waren nur böse Arbeiter und Hunde in seinen Augen. Was andern als allein begehrenswert erschien und was sie als höchstes Gut einschätzten, warf Paulus wie Kot unter seine Füße.
II. Das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet.
Alles, was den Gläubigen von Christo und der Gemeinschaft mit Ihm
abhält, ist großer Verlust. Der Herr machte Seine Nachfolger darauf
aufmerksam, was sie die Bekehrung zu Gott kosten werde (
III. Wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi.
Was hatte denn Paulus erkannt? Er hatte gelernt, dass der, den er bis dahin verfolgte, der Sohn Gottes, der verheißene Messias war. Er hatte erfahren, dass durch den Opfertod Christi ihm Vergebung erwirkt und göttliche Gerechtigkeit geschenkt worden war. Der Herr war ihm wie zuvor der Samariterin, Quell des Lebens geworden, der seinen Durst restlos gestillt hatte (Joh 4,13). Jesus war ihm, wie der Sulamith, fortan der einzig Begehrenswerte, der Schönste unter den Menschenkindern. Paulus hatte erkannt, dass der, den alle Engel anbeten, sich seinetwegen von Gott verfluchen ließ (Gal 3,13). „Erwirb Weisheit mein Sohn“ sagt Salomo (Spr 4,5), und in Spr 7,4 sagt der weise König sogar: „Sprich zur Weisheit, du bist meine Schwester!“ Wer ist die Weisheit? Christus und Christus allein! Diese unvergleichliche Weisheit hat Paulus mit allem Eifer gesucht, weil er wusste, dass uns Christus zur Weisheit gemacht ist und Er die „Weisheit Gottes“ genannt wird. Und obwohl Paulus von dieser Weisheit schon viel besaß, streckte er sich doch täglich darnach in noch vermehrtem Maße aus.
Wahre Weisheit (Erkenntnis), besteht nicht nur im rein
verstandesmäßigen Erfassen einer Sache, sondern vor allem im innerlich
gefühlsmäßigen, seelischen Eindringen und Aufgehen in einer Sache oder
in einer Person. So ist auch die wahre Erkenntnis des Herrn Jesus das
Erfassen Seines Wesens und das Aufgehen in demselben, bis man zu dem
Bekenntnis geführt wird: „Christus ist mein Leben“. Es gibt in der Welt
sehr viel nützliches und unentbehrliches Wissen, aber das alles reicht
nicht hinan zu der Erkenntnis Jesu Christi. Und warum nicht? Weil alles
Wissen die Probleme des Lebens nicht zur völligen Zufriedenheit des
Menschen lösen kann. Darum sagte Göthe: „O, glücklich, wer noch hoffen
kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen. Das, was man nicht weiß,
das braucht man, und was man weiß, kann man nicht brauchen.“ Anders ist
es mit der Erkenntnis Jesu Christi. Sie ist schlechthin die Erkenntnis
Gottes, in welchem alle Schätze der Weisheit verborgen liegen (
Alles Wissen des Menschen - auch das beste - macht am Grabe halt und lässt uns allein hinein- und hinabsteigen ins Reich der Schatten. Dagegen lässt die Erkenntnis Jesu Christi den Menschen gerade in diesem tiefernsten Moment nicht allein, und die Menschen, die den Herrn besitzen, sprechen gerade hier: „Und wenn ich durchs Tal des Todesschattens wandeln muss, so fürchte ich nichts Übles, denn Du bist bei mir, Dein Stecken und Stab trösten mich“.
IV. Um dessentwillen ich alles eingebüßt habe.
Der Apostel hatte die religiösen und irdischen Vorzüge nicht nur eingebüßt, sondern sie für Schaden geachtet. Es ist, als sage er, diese Dinge rühre ich nicht einmal mehr an, weil sie es nicht wert sind. Ich habe Den gefunden, nach dem Moses und die Propheten ausschauten und den Könige zu sehen begehrten (Joh 1,45). Wie darfst du, religiöse Welt, es nur wagen, mir Kieselsteine für Edelsteine anzubieten? Deine Güter verblassen neben Dem, den meine Seele liebt. Keiner versteht diesen merkwürdigen Mann mehr, der sich als Narr um Christi willen behandeln lässt (1Kor 4,9 ff.; 2Kor 4,10; 6,4; Apg 21,13). Paulus war sehr arm und doch sehr reich, klein und doch groß, geschmäht und doch trug gerade er den wahren Nobelpreis. Und siegesbewusst, wie ein großer Feldherr, ruft er am Ende aus: "Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, hinfort liegt mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit".